Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/2113, federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - So beschlossen!

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Der Kollege Neugebauer bittet mich, daran zu erinnern, dass gleich vier Ausschüsse in gemeinsamer

Sitzung tagen. Ich kann nicht sagen, welche es sind, aber die Beteiligten werden es wissen. - Wir setzen die Sitzung um 15 Uhr fort.

Die Sitzung ist unterbrochen, und ich wünsche Ihnen allen guten Appetit.

(Unterbrechung: 13:06 bis 15:00 Uhr)

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Landtagssitzung wieder um 15 Uhr und 20 Sekunden. Ich heiße alle, die aus der Mittagspause zurück sind, herzlich willkommen und rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 29 auf:

Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Tätigkeitsbericht 2007

Drucksache 16/2022

Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich auf der Tribüne ganz besonders herzlich die Bürgerbeauftragte, Frau Wille-Handels, begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU hat Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 6 des Gesetzes über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein liegt uns heute der Tätigkeitsbericht unserer Bürgerbeauftragten Frau Wille-Handels vor. Dafür möchte ich mich zunächst einmal bei Ihnen, Frau Wille-Handels, persönlich, aber auch bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ganz herzlich bedanken, ebenso für die von Ihnen geleistete Arbeit am Bürger. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, der Bericht macht deutlich, dass 79,5 % der Bürgerinnen und Bürger, die sich an die Bürgerbeauftragte wenden, zum Telefon greifen, um ihre Fragen und Anliegen zum Ausdruck zu bringen. 11,5 % wenden sich schriftlich an sie und lediglich 9 % sprechen bei ihr persönlich vor. Vor diesem Hintergrund würde mich interes

(Lars Harms)

sieren - und wir werden uns ja auch im Sozialausschuss noch einmal mit dem Bericht befassen -, wie die regelmäßigen Außensprechtage der Bürgerbeauftragten angenommen werden.

Die Anzahl der Eingaben an die Bürgerbeauftragte ist gegenüber dem vorherigen Berichtsjahr um weitere 13,45 % angestiegen. Den Schwerpunkt der Eingaben bildeten immer noch Fragen und Beschwerden zum Sozialgesetzbuch II. Umso erfreulicher ist es, dass die Anregung der Bürgerbeauftragten, in den Behörden und Verwaltungen ein Ideenund Beschwerdemanagement einzuführen, zumindest auf Resonanz gestoßen ist. So haben sich im Jahr 2006 Vertreterinnen und Vertreter aus den unterschiedlichsten Kommunen wie Norderstedt, Segeberg, Eutin, Glinde, Büdelsdorf und Lübeck auf Initiative und unter der Leitung der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung auf den Weg gemacht und einen Arbeitskreis Ideen- und Beschwerdemanagement gegründet. Seit 2007 liegt nun ein gemeinsam erarbeiteter Leitfaden zum Ideen- und Beschwerdemanagement vor und steht allen Kommunen zur Verfügung. Jetzt gilt es, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Leitfaden auch mit Leben zu erfüllen. Ob es dazu einer Modellregion, wie von der Bürgerbeauftragten gefordert, bedarf, vermag ich heute noch nicht abschließend zu beurteilen. Wichtig ist mir, dass die Behörden und Verwaltungen eine innere Einstellung entwickeln, die sich an den Menschen orientiert und ihn in den Mittelpunkt stellt. Die Behörden und Verwaltungen sollen den Menschen nicht sagen, was alles nicht möglich ist - und das bestens begründen können -, sondern sie sollen den Menschen sagen, was möglich ist und wie es möglich ist.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Leider ist dem Bericht der Bürgerbeauftragten an vielen Stellen zu entnehmen, dass es hier noch eine Menge zu tun gibt.

Manchmal haben auch erfreuliche Entwicklungen Schattenseiten. So hat die gute Entwicklung am schleswig-holsteinischen Arbeitsmarkt dazu geführt, dass die Agenturen für Arbeit ihre Vermittlungsbereiche teilweise personell aufgestockt haben, sodass der Betreuungsschlüssel verbessert und somit die Kundenkontaktdichte erhöht wurde. Das war die erfreuliche Entwicklung. Allerdings stieg mit der höheren Zahl der Kundengespräche auch die Anzahl der streitigen Kundengespräche und somit auch die Anzahl der Eingaben bei der Bürgerbeauftragten in diesem Bereich um 13 %. Positiv ist bei der Arbeitsvermittlung und -beratung zu bewerten, dass wohl inzwischen mit den Betroffe

nen Eingliederungsvereinbarungen getroffen werden. Allerdings bei dem Inhalt, was Ziele, Förderung und vor allen Dingen Fortbildungswünsche der Betroffen und die Beratung über die Rechte und die Hilfsmöglichkeiten betrifft, noch einiges verbesserungswürdig.

Sehr ärgerlich ist aber, dass Hilfesuchende, die kein Arbeitslosengeld I oder II beziehen, aber dennoch einen Rechtsanspruch auf Vermittlungsleistungen haben, und auch Berufsrückkehrerinnen bereits am Empfang einiger Arbeitsagenturen mit dem Hinweis abgewiesen werden, dass sie keine Leistungen, also auch keine Vermittlungsleistungen von der Arbeitsagentur erhalten würden. Das im Bericht genannte Beispiel einer 25-jährigen verheirateten Rollstuhlfahrerin mit Fachhochschulabschluss, die so abgewiesen worden ist, macht deutlich, dass wir uns volkswirtschaftlich ein solches Verhalten der Agentur für Arbeit nicht leisten können,

(Beifall bei CDU und SPD)

einmal ganz abgesehen davon, dass hier einem Menschen ein gesetzlich verbrieftes Recht versagt werden sollte. Wir werden zukünftig jeden gut ausgebildeten Menschen in unseren Betrieben brauchen, allein schon vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in unserem Land. Dieser Zustand muss so schnell wie möglich geändert werden.

Kindergeld und Kinderzuschlag haben uns in der Vergangenheit immer wieder - auch hier in unserem Haus - beschäftigt. Selbst der Ministerpräsident hat mit der Situation der Familienkassen seine Erfahrungen gemacht. Er hatte aufgrund einer Anfrage einer jungen Frau, die seit Monaten auf ihr Geld wartete und dringlich darauf angewiesen war, versucht, den Sachverhalt zu klären, und wurde von einer Dienststelle zur nächsten weitergereicht. Daraufhin hat er sich sowohl an die Familienministerin, Frau von der Leyen, als auch die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, gewandt. Umso erfreulicher ist es, jetzt zu sehen, dass sein Engagement offensichtlich Wirkung gezeigt hat und im Jahr 2007 die Anzahl der Eingaben in diesem Bereich zurückgegangen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Im Bericht steht dazu:

„Damit scheint die Trendwende zum Besseren endlich geschafft worden zu sein, nachdem die Eingabenzahl zum Kindergeld seit 2004 ständig gestiegen war.“

(Heike Franzen)

Auch für die Familienkasse in Flensburg, die allerdings immer noch den Spitzenplatz bei den Eingaben hält, hat sich die Anzahl immerhin um 50 % reduziert; es ist eine weiter sinkende Tendenz zu bemerken.

Erfreulich ist auch der weitere Rückgang der Anzahl der Eingaben im Bereich der Sozialhilfe. Seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist hier ihre Anzahl stetig zurückgegangen. Für den Teilbereich der Eingliederungshilfe weist der Bericht schwerpunktmäßig auf die Kostenübernahme für heilpädagogische Leistungen in Kindertagesstätten und auf die Finanzierung von Hilfsmitteln, insbesondere von Kraftfahrzeugen, hin. Diese Hinweise sollten wir aufnehmen und im Rahmen der Beratungen des Sozialausschusses, auch im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der CDUFraktion zur Situation von Menschen mit Behinderung, noch einmal hinterfragen. Das gilt auch für den Hinweis im Kapitel 3.4 - Kinder- und Jugendhilfe -, wo als einer der Schwerpunkte der Eingaben der Bereich der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche benannt wurde.

Aufgrund des neuen Schulgesetzes gab es verstärkt Eingaben, die sich auf die Gewährung von Nachteilsausgleichen bei Leistungsnachweisen, zu den Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf und zu den nicht mehr stattfindenden Zurückstellungen vom Schulbesuch bezogen. Hier wäre es für uns sicherlich gut zu erfahren, um welche Probleme es sich dabei konkret gehandelt hat und welche Maßnahmen wir hier im Haus vielleicht ergreifen können, um eventuell Abhilfe zu schaffen.

Das persönliche Budget ist ein neues Instrument der Eingliederungshilfe, dass es behinderten Menschen ermöglichen soll, individuelle Hilfen in Anspruch zu nehmen. Wie immer, wenn etwas Neues eingeführt wird, klappt das nicht reibungslos, und so weist die Bürgerbeauftragte zu Recht in ihrem Bericht auf die damit verbundenen Probleme und die noch zu leistenden Abstimmungsprozesse hin. Besonders ärgerlich ist allerdings der Umstand, dass offenbar die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden außerhalb der bereits bestehenden Modellregionen teilweise gar nicht oder nicht ausreichend über die Inhalte und Regelungen des persönlichen Budgets geschult waren. Und das - man höre und staune -, obwohl es seit Langem bekannt war, dass diese Regelungen zum 1. Januar 2007 in Kraft treten würden. Die Folge davon war, dass Hilfesuchende in der Regel davon absahen, das persönliche Budget zu beantragen, weil sie Vor- und

Nachteile nicht abschätzen konnten. So wurden außerhalb der zwei Modellregionen Segeberg und Schleswig-Flensburg bis Juli 2007 lediglich zwei persönliche Budgets bewilligt. Im Sinne der Menschen mit Behinderung muss hier dringend Abhilfe geschaffen werden, damit die Hilfestellungen auch an den tatsächlich vorhandenen Bedürfnissen ausgerichtet werden können. Das persönliche Budget kann hier das richtige Instrument sein, wenn es denn vor Ort mit Leben erfüllt wird und nicht nur in den Paragrafen eines Gesetzbuches steht.

(Beifall bei der CDU)

Die eindeutig meisten Eingaben bei der Bürgerbeauftragten gingen zum Thema ein. Im Jahresdurchschnitt 2007 lebten 81.715 Menschen in SchleswigHolstein von der Grundsicherung. Davon wandten sich 1.305 mit Eingaben an die Bürgerbeauftragte. Es gibt immer noch Probleme bei Fragen der Leistungsgewährung, insbesondere bei der Nachvollziehbarkeit der Leistungsberechnung und der Höhe der Regelleistung. Gleiches gilt bei den Mehrbedarfen und den einmaligen Beihilfen.

In vielen Beispielen zeigt der Bericht auf, wo die Probleme im Einzelfall liegen. Dabei tauchen immer wieder die Begriffe „Unverständlichkeit“, „mangelnde Transparenz“ und „fehlende Erklärungen“ auf. Ich bin schon der Auffassung, dass Bescheide von Behörden lesbar und verständlich formuliert sein müssen. Ich glaube, diese Ansicht teilt meine Fraktion auch. Es muss klar zu erkennen sein, wie es zu einer Entscheidung gekommen ist. Zusätzliche Erklärungen müssen enthalten sein. Das erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern zum einen den Umgang mit den Verwaltungen und würde zum anderen auch bei den Behörden zu zeitlichen Einsparungen führen, da damit die Zahl der Widersprüche zumindest eingeschränkt werden könnte. Vermutlich würde es auch zu einem entspannteren Klima zwischen Bürgern und Behörden führen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Erfreulich finde ich die Ergebnisse der Petentenumfrage, die sich gleich am Anfang des Berichtes finden. Die Petenten, die auf die Umfrage geantwortet haben, sind offensichtlich mit der Arbeit der Bürgerbeauftragten zufrieden. Es ist nur schade, dass die Umfrage nicht repräsentativ ist. Von den 3.382 Eingaben nur konnten 217 Petenten befragt werden. Davon haben sich 115 Petenten über die Arbeit der Bürgerbeauftragten geäußert.

Für die CDU-Fraktion beantrage ich, den Bericht an den Sozialausschuss zu überweisen.

(Heike Franzen)

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tribüne begrüßen wir sehr herzlich die Damen und Herren des Bundes der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen, Ortsverband Rendsburg, sowie die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Beruflichen Schulen des Kreises Nordfriesland aus Niebüll. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun hat für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten macht erneut deutlich, dass die Institution der Bürgerbeauftragten notwendig und wichtig ist. Die hohe Zahl von 83,6 % positiv abgearbeiteter Eingaben zeigt: Die Bürgerbeauftragte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten kompetente und wirksame Hilfe und Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Frau Wille-Handels, Ihnen und Ihrem Team ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit!

(Beifall bei SPD und CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle bekennen: Wir, die SPD-Landtagsfraktion, sind sehr froh, dass Sie Ihre erfolgreiche Tätigkeit in Schleswig-Holstein auch in den nächsten Jahren fortsetzen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Bürgerbeauftragte hat selbst die Probleme mit dem Sozialgesetzbuch II - Hartz IV - als Schwerpunkt der Petitionen herausgestellt. Die Eingaben, Fragen und Beschwerden in diesem Bereich wiesen im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um allein 28 % aus. Dieser Anstieg der Eingaben zum Sozialgesetzbuch II ist besorgniserregend und zeigt, dass sich die Qualität der Leistungserbringung bei den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen erheblich verbessern muss.