Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

Ich stelle fest - das zeigt eigentlich auch die Debatte -, dass wir ein richtig dickes Problem haben. Ich kann nicht erkennen, dass für die Lösung dieses dicken Problems bereits gute Ideen vorliegen.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Ich muss auch feststellen, dass wir noch sehr intensiv darüber reden müssen, ob von dem Tariftreuegesetz und den Regelungen überhaupt noch etwas übrig bleiben kann und ob man den Grundgedanken, der dahintersteckt, retten kann.

Ich kann eigentlich nur empfehlen, dass wir die Marschrichtung weiter verfolgen, die heute Mittag schon angesprochen worden ist, dass wir zunächst noch einmal in die Beratungen mit den Ländern gehen und das Ganze noch einmal aufbereiten.

Aber noch einmal mein Fazit: Ich sehe im Moment keine Lösungsmöglichkeit. Ich habe keine Idee. Natürlich bin ich als Wirtschaftsminister dazu verpflichtet, für Wachstum und Arbeitsplätze in diesem Land zu sorgen. Das werde ich auch redlich tun. Ich werde meine Ideen hierzu einbringen. Ich glaube, der Denkprozess zu dieser Thematik muss erst einmal weitergehen.

Das, was wir hier als Entscheidung des europäischen Rechts vor den Füßen liegen haben, gilt es, in einer gemeinsamen Anstrengung richtig „durchzukauen“. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen. Ich habe auch noch nicht den Stein der Weisen gefunden.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag Drucksache 16/2140 dem Wirtschaftsausschuss überweisen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist mit den überwiegenden Stimmen so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, eine Anmerkung zur Geschäftsleitung: Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

geeinigt, dass wir den Tagesordnungspunkt 19 ohne Aussprache erledigen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/2135

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile das Wort Herrn Innenminister Lothar Hay.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit den Anschlägen des 11. September 2001 hat sich der internationale Terrorismus zu einer weltweiten Bedrohung entwickelt. Die Anschläge der Jahre 2004 und 2005 in Madrid und London haben deutlich gemacht, dass Europa kein Bollwerk ist, sondern vielmehr im Visier des internationalen Terrorismus steht. Auch in Deutschland bewegen sich Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit bei der Suche nach den richtigen Wegen im Spannungsfeld vom Schutz vor terroristischen Angriffen und Schutz der individuellen Freiheit.

Spätestens 2006 wurde die islamistische Bedrohung auch für uns in Schleswig-Holstein sehr konkret. Im August 2006 wurde einer der zwei Kofferbomber in Kiel festgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns sicherlich einig, dass die Gefahren des internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld aufgeklärt und abgewehrt werden müssen. Bei der Vorfeldaufklärung arbeiten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder eng zusammen. Die Zusammenarbeit erfordert einen gemeinsamen rechtlichen Mindeststandard. Dieser Mindeststandard ist mit den Terrorismusbekämpfungsgesetzen des Bundes festgelegt, die bereits alle Länder bis auf Schleswig-Holstein landesrechtlich umgesetzt haben.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Terrorismusbekämpfungsgesetze des Bundes auch in Schleswig-Holstein umsetzen. Im Einzelnen sind folgende Schwerpunkte vorgesehen.

Der verfassungsschutzbehördliche Beobachtungsauftrag soll um die Aufklärung des internationa

len Terrorismus erweitert werden. Privatunternehmen sollen zur Auskunft über Passagierkonten und Telekommunikationsdaten verpflichtet und der Einsatz technischer Mittel zum Ausfindigmachen von Mobiltelefon geregelt werden.

Eine weitergehende Befugniserweiterung ist nicht beabsichtigt. So ist zum Beispiel nicht vorgesehen, die sogenannte Online-Durchsuchung oder den Großen Lauschangriff einzuführen. Ist die Anpassung an den bundesweiten Mindeststandard auch geboten, muss die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes doch behutsam erfolgen. Die Freiheit darf nicht der Freiheit wegen aufgegeben werden. Schleswig-Holstein steht hier in einer liberalen Tradition.

So muss der notwendigen Erweiterung der verfassungsschutzbehördlichen Aufgaben und Befugnisse auf eine Stärkung des Rechtsschutzes - insbesondere der parlamentarischen Kontrolle - gegenüberstehen. Der Verfassungsschutz soll ein wachsames Auge auf die Terroristen haben. Der Landtag aber soll ebenso wachsam den Verfassungsschutz im Auge behalten. So funktioniert streitbare Demokratie, so funktioniert Gewaltenteilung.

Die parlamentarische Kontrolle lässt sich zunächst dadurch stärken, dass sie in einem parlamentarischen Kontrollgremium gebündelt wird. Dies sieht der Gesetzentwurf vor. Ferner sollen die Berichtspflichten der Verfassungsschutzbehörde gegenüber dem Kontrollgremium erweitert werden. Rechtsschutz beginnt bei der Rechtsklarheit. Zwar muss die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes naturgemäß geheim bleiben, gleichwohl haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf zu wissen, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsschutz in welcher Weise befugt ist, in Grundrechte einzugreifen. Auf Anregung des Datenschutzbeauftragten wurden Vorschriften über die rechtliche Ausgestaltung für die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel dementsprechend weiter präzisiert. Das betrifft die Eingriffsvoraussetzungen, den Adressatenkreis und die Art und Weise, wie die Spezialbefugnisse eingesetzt werden dürfen.

Außerdem wurden der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und der Berufsgeheimnisträger ausdrücklich gesetzlich verankert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend: Die Landesregierung ist um ein ausgewogenes Verfassungsschutzrecht bemüht, der maßvollen Erweiterung von Aufgaben und Befug

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

nissen steht eine Stärkung des Rechtschutzes gegenüber.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Innenminister für seinen Bericht und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Peter Lehnert das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Das Böse ist immer und überall“ das hat vor über 20 Jahren nicht nur die österreichische Popgruppe „Erste Allgemeine Verunsicherung“ festgestellt, das gilt heute mehr denn je auch für den internationalen Terrorismus, der sich seit den Anschlägen des 11. September 2001 zu einer weltweiten Bedrohung entwickelt hat. Vereinzelte Sprengstoffanschläge und Festnahmen von unter Terrorismusverdacht stehenden Verdächtigen zeigen deutlich, dass auch Schleswig-Holstein bedroht ist. Es gilt, Gefahren des internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld aufzuklären und abzuwehren.

Wichtig ist dabei die wirksame Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Dies setzt einen gemeinsamen rechtlichen Mindeststandard voraus, der mit dem Bundesverfassungsschutzgesetz vorgegeben ist. Aus diesem Grunde ist das Terrorismusbekämpfungsgesetz und zum Teil auch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz landesrechtlich in allen Bundesländern umgesetzt - mit Ausnahme von Schleswig-Holstein. Das muss aus unserer Sicht umgehend nachgeholt werden mit der entsprechenden Anpassung des Landesverfassungsschutzgesetzes.

Zur Umsetzung der Terrorismusbekämpfungsgesetze ist der Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörde auf den internationalen Terrorismus zu erweitern. Es muss die Auskunftspflicht von Privatunternehmen - insbesondere zu Passagier-, Konto- und Telekommunikationsdaten eingeführt werden, und der Einsatz technischer Mittel zum Ausfindigmachen von Mobiltelefonen ist zu regeln. Wenn von der neuen Befugnis des Ausfindigmachens von Mobiltelefon Gebrauch gemacht werden kann, wird es auch möglich, bisher personalintensive und somit kostenträchtige Observationen effizienter durchzuführen.

Schließlich sollte es das Ziel sein, das Verfassungsschutzrecht unter Berücksichtigung der konkreten

Erfordernisse der Praxis in moderater Weise anzupassen. Die landesrechtliche Umsetzung der Terrorismusbekämpfungsgesetze soll sich auf deren essenziellen Kernbestand beschränken. Darüber hinaus ist aber auch der Grundrechtsschutz zu stärken.

Um den Grundsätzen der Rechtsklarheit, der Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit Rechnung zu tragen, ist insbesondere die Bezeichnung und die rechtliche Ausgestaltung der bereits bestehenden nachrichtendienstlichen Mittel wichtig.

Der Entwurf sieht nicht nur eine Präzisierung der Eingriffsvoraussetzungen, des Adressatenkreises und der zu beachtenden Verfahren vor. Es wird auch ein weitestgehender Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und von Berufsgeheimnisträgern gesetzlich verankert.

Dabei sollte auch die parlamentarische Kontrolle im Rahmen der Erweiterung verfassungsschutzbehördlicher Befugnisse gestärkt werden. Wie kann dies konkret umgesetzt werden? Zunächst ist ein parlamentarisches Kontrollgremium zu schaffen, in dem die Kontrolle über die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über die verfassungsschutzbehördliche Durchführung der Post- und Fernmeldeüberwachung gebündelt wird. Die Unterrichtungspflichten der Verfassungsschutzbehörde nach Maßgabe des umzusetzenden Bundesrechts müssen präzisiert werden.

Wir empfehlen keine generelle Verschärfung des Gesetzes. Andererseits kommt aber ein Verzicht auf die Fortentwicklung des Landesverfassungsschutzrechtes angesichts der neuen Bedrohungslage und der Harmonisierungspflicht gegenüber dem Bund und den anderen Bundesländern auch nicht in Betracht. Im zuständigen Ausschuss sollten wir die weiteren Einzelheiten miteinander diskutieren. Deshalb beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Thomas Rother [SPD])

Ich danke Herrn Abgeordneten Peter Lehnert und erteile das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tarnung gehört dazu. Die Überschrift unseres Tagesordnungspunktes lautet:„Entwurf eines Gesetzes

(Minister Lothar Hay)

zur Umsetzung der Terrorismusbekämpfungsgesetze und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle“. Dahinter verbirgt sich - wir haben es bereits gehört - der Verfassungsschutz. Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt den Entwurf der Landesregierung zur Änderung des schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgesetzes und die Ausführungen des Innenministers zur Entwurfsbegründung

Erstens. Wir sind uns mit dem Innenminister einig, dass die Nachrichtendienste des Verfassungsschutzes auch bei der Aufklärung und Abwehr terroristischer Gefahren für unsere verfassungsmäßige Ordnung zweckmäßig eingesetzt werden können und optimal ausgestattet werden müssen. Die Erweiterung des verfassungsschutzbehördlichen Beobachtungsauftrags auf den internationalen Terrorismus ist aus unserer Sicht sinnvoll und vernünftig.

Zweitens. Wir teilen auch die Auffassung des Innenministers, dass es für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder einheitlicher rechtlicher und technischer Mindeststandards bedarf und dass es sachgerecht ist, diese Mindeststandards an den Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgesetzes auszurichten, um der gemeinsamen Aufgabenerfüllung gerecht werden zu können. Alle anderen Bundesländer haben ihre Landesverfassungsschutzgesetze bereits an das Bundesverfassungsschutzgesetz angepasst. Für Schleswig-Holstein geschieht dies mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf. Das ist folgerichtig und konsequent.

Drittens. Der Innenminister hat darauf hingewiesen, dass der notwendigen Erweiterung des Auftrags und der Befugnisse unserer Landesverfassungsschutzbehörde eine Stärkung der landesparlamentarischen Kontrolle gegenüberstehen soll. Die Bündelung der parlamentarischen Kontrolle des naturgemäß den Augen der Öffentlichkeit entzogenen und nicht zugänglichen verfassungsschutzbehördlichen Tätigkeitsfeldes in einem parlamentarischen Kontrollgremium und die Erweiterung der Berichtspflichten gegenüber diesem neu zu schaffenden Gremium halten wir für geeignete, aber auch notwendige rechtsstaatliche Instrumente zur Wahrung des demokratischen Zusammenspiels von Exekutive und Legislative.

Viertens. Dass insbesondere Maßnahmen des Verfassungsschutzes zur Post- und Fernmeldeüberwachung den strengen Berichtspflichten der Behörde gegenüber dem Parlament unterliegen werden, dass überdies auf Anregung des Datenschutzbeauftragten generell die Vorschriften über die rechtliche Ausgestaltung der nachrichtendienstlichen Mittel

konkretisiert und präzisiert worden sind und dass schließlich auch der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und der Berufssphäre besonderer Berufsgeheimnisträger ausdrücklich gesetzlich verankert werden soll, begrüßen wir genauso ausdrücklich, wie es der Herr Innenminister betont hat. Das dient der Rechtsklarheit generell, der Rechtssicherheit für die anwendende Behörde und dem Rechtsschutz der von Maßnahmen des Verfassungsschutzes betroffenen Menschen, deren Grundrechte es ebenfalls bei jedem behördlichen Eingriff von Verfassungs wegen zu schützen gilt.

Über Einzelheiten können und sollten wir im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss weiter beraten und wenn nötig auch streiten.

(Beifall bei der SPD)