Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Ich rufe als letzten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen der von der Landesrektorenkonferenz und der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur im März 2003 eingesetzten Expertenkommission (Erichsen-Kommission vom März 2003)

Drucksache 16/2136

Ich erteile dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dr. Werner Marnette, das Wort.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich hier über erfolgreiche Arbeiten anderer Menschen berichten darf. Die Aktivitäten der sogenannten Erichsen-Kommission gehen auf das Jahr 2003 zurück, und mir obliegt nun die Aufgabe, hier über den Stand der Dinge bezüglich der Empfehlungen der Erichsen-Kommission zu berichten.

Es waren drei Themen: erstens die Strukturveränderungen in den Fächern und Studiengangsangeboten, zweitens die Einführung von neuen Studienstrukturen mit Bachelor und Master sowie drittens der Aufbau effizienter Management- und Finanzstrukturen. Ich glaube, wir alle können stolz darauf sein, dass wir trotz einer schwierigen Finanzsituation wichtige Strukturmaßnahmen umsetzen konnten.

In einem Fall geschah dies leider gegen den Widerstand der Hochschule. Den Empfehlungen der Experten folgend haben wir den Hochschulstandort Eckernförde der Fachhochschule Kiel geschlossen und gleichzeitig die Ausbildung im Fachbereich Bauwesen an die Fachhochschule Lübeck verlagert. Wir haben den Studienbereich Maschinenbau an der Fachhochschule Flensburg konzentriert und dafür sind die entsprechenden Kapazitäten von der Fachhochschule Westküste an die Fachhochschule Flensburg umgezogen. Bei der Fachhochschule Westküste haben wir im Gegenzug den Studiengang Tourismus verstärkt.

Wir haben darüber hinaus die Lehramtsausbildung an der Universität Flensburg konzentriert, und wir haben mit sehr viel Engagement die Muthesius-Fachhochschule zur Kunsthochschule weiterentwickelt.

Fast alle Studienangebote sind auf die Bachelorund Master-Struktur umgestellt worden. Allein das war eine enorme Herausforderung für alle Hochschulen dieses Landes.

Die Empfehlungen der Kommission zur Neuordnung der Verantwortung, zum Management und zur Organisation der Hochschulen fanden nahezu vollständig Eingang in das neue Hochschulgesetz. Es stellt sowohl die hochschulinternen Beziehungen und Verantwortlichkeiten auf eine neue Basis als auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen Land und Hochschulen.

Positive Entscheidungen sind auch getroffen worden, a) über die räumliche Verlagerung der Muthesius-Kunsthochschule vom Standort Lorentzen

damm in die Landesliegenschaft in der Legienstraße in Kiel und b) über den Umzug der Technischen Fakultät der CAU vom Ostufer auf das Universitätsgelände am Westufer der Kieler Förde. Die Realisierung wird weiter verfolgt.

Einige wenige Empfehlungen hat das Land nicht aufgegriffen. Wir haben zum Beispiel die wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Studiengänge von der Universität Flensburg nicht an die Fachhochschule Flensburg verlagert, weil Universitätsprofessoren nicht an eine Fachhochschule versetzt werden können.

Zu den nicht realisierten Empfehlungen zählt auch die Einführung von sozialverträglich ausgestalteten Studienbeiträgen der Studierenden. Diese Empfehlung wurde von der damaligen Landesregierung politisch anders beurteilt, und für diese Landesregierung ist das laut Koalitionsvereinbarung bis 2011 ja auch anders entschieden. Offenbar ist es auch nicht möglich, hier oben im norddeutschen Verbund hierfür eine Lösung zu finden. Ich selbst das ist meine private Meinung - bedauere diese Entscheidung, weil damit natürlich ein wichtiger Baustein zur Finanzierung der Hochschulen verloren gegangen ist.

In der Gesamtschau waren die Empfehlungen der Erichsen-Kommission gewinnbringende Orientierungen für die Hochschulpolitik des Landes und auch für die Hochschulen selbst. Ihre weitgehende Umsetzung - wir schätzen zu mehr als 90 % - hat dazu geführt, dass die Hochschulen ihre Potenziale stärker ausloten und ihre Ressourcen besser bündeln konnten. Die Hochschulen sind durch die vollzogenen Erneuerungen und Veränderungen insgesamt handlungsfähiger und zukunftsgerechter aufgestellt. Sie werden dadurch besser als vorher in der Lage sein, die besonderen Herausforderungen des Wettbewerbs im nationalen wie im internationalen Vergleich zu meistern.

Meine Damen und Herren, das ist mein Bericht über die Erichsen-Kommission und das, was daraus geworden ist.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht. Ich freue mich, dass das Handy gefunden wurde.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Vorschläge der ErichsenKommission mündeten in entsprechende Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen und wurden von den Hochschulen umgesetzt, sogar im vereinbarten Zeitrahmen. Das verdient Lob. Der Minister hat einige Maßnahmen genannt. Aber es gibt auch einen wesentlichen Vorschlag, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde, der nur sehr spärlich umgesetzt wurde.

Lassen Sie uns zunächst bei anderen Dingen verweilen, die hinsichtlich der Qualität der Umsetzung zu wünschen übrig lassen. Einmal ist es so, dass die CAU mit dem Wechsel von Hunderten von Lehramtsstudierenden nach Flensburg nur vier Planstellen an diese Uni mitverlagert hat und an der Universität Flensburg, wie Herr Austermann, Ihr Vorgänger, Herr Minister Marnette, uns neulich ausführte, in Zukunft nur noch 20 neue, zusätzliche Lehramtsstudierende pro Semester erwartet werden. Das ist natürlich keine gute Form der Umsetzung. Hier hat offensichtlich die CAU die Uni Flensburg über den Tisch gezogen, und das Land hat zugesehen. Das ist nicht optimal gelaufen.

Auch das neue Hochschulgesetz hat Schwächen. Statt eines Hochschulrates für alle Hochschulen zu schaffen, schuf es einen Universitätsrat für alle Universitäten und für jede Fachhochschule einen Hochschulrat. Diese ganze Konstruktion ist nicht auf Gegenliebe gestoßen. Und von den neuen Räten hört man bisher wenig. Der Universitätsrat schafft es seit über einem halben Jahr nicht, das Präsidium der Universität Flensburg neu zu besetzen. Seit April sollte dort eigentlich ein neues Gesicht zu begrüßen sein.

Auch die Muthesius-Hochschule - Sie haben gerade deren Umzug erwähnt, Herr Minister - zweifelt noch, ob die neuen Räume in der Legienstraße groß genug sind. Das sind aber alles Peanuts gegen das eigentliche Thema, weswegen die Erichsen-Kommission mit einem so großen Anlauf auch von den Hochschulen unterstützt wurde. Der eigentliche Grund war, das Gleichgewicht zwischen den beiden Medizinischen Fakultäten und dem Rest der Hochschullandschaft neu auszutarieren. Sowohl vom inhaltlichen als auch vom finanziellen Gewicht sind diese beiden Medizinischen Fakultäten die Flaggschiffe der schleswig-holsteinischen Hochschullandschaft. Die Erichsen-Kommission hatte trotzdem mutig empfohlen, dort die Zahl der Professuren und der Studienplätze drastisch zu reduzieren.

Gut, es ist reduziert worden; Sie können das auf Seite 21 des Berichts nachlesen. Aber trotzdem sind wir weit von dem entfernt, was wir erreichen wollten. Es sollten insgesamt 320 Studienanfänger plus die Zahnmediziner sein. Es gibt Zweifel, ob wir tatsächlich bei diesem Ziel landen; denn es gibt immer noch einen Unterschied zwischen der Platzzahl und der tatsächlichen Aufnahmekapazität. Wir sind inzwischen bei 361 Studienanfängerplätzen gelandet. Immerhin hat eine Reduzierung stattgefunden. Aber wir sind noch längst nicht da, wo wir sein wollten.

Noch schwieriger sieht es bei den Professoren aus. So gut es ist, wenn sich medizinische Forschung als Exzellenzcluster bundesweit profiliert und zum Rückgrat des Gesundheitsstandortes SchleswigHolstein beiträgt, so ist doch zu bezweifeln, ob jede Abteilung des Krankenhauses der Maximalversorgung in Kiel und Lübeck von einem Professor oder einer Professorin geleitet werden muss. Nur der Abbau von Professurenstellen führt im norddeutschen Länderverbund zu dem vereinbarten Ziel der Reduzierung von Studienplätzen in der Medizin, den teuersten Studienplätzen überhaupt. Für zehn von ihnen könnte man 100 in anderen Bereichen schaffen, zum Beispiel in der Lehrerbildung oder auch in anderen Forschungs- und Studienbereichen. Schleswig-Holstein braucht insgesamt mehr Studienplätze.

Aber genau dieses Ziel, die Straffung der Forschung und Lehre in der Medizin, wurde trotz einiger Fortschritte heftig von den Akteuren in der Medizin bekämpft, und es hat auch immer wieder Zweifel aus diesem Haus an dem Ziel gegeben.

Wenn man jetzt auf zukünftigen Ärztemangel hinweist, so kann ich dazu nur sagen: Die meisten, die Medizin studieren, werden hinterher gar nicht Arzt. Da liegt der Hase im Pfeffer. Diesem Übel wird man auch mit mehr Medizinstudienplätzen nicht beikommen.

Die Medizinische Fakultät Lübeck nimmt in der Lehre einen hervorgehobenen Platz im bundesweiten Ranking ein. Das möchte ich positiv hervorheben. Auch sonst ist natürlich viel Positives über die Medizin zu sagen. Aber eine Abstimmung im Medizinausschuss über die Schwerpunkte, die es zu fördern gilt, findet nach wie vor nicht statt. Das ist ja heute auch Thema bei der Frage des UK S-H gewesen. Insofern kann ich sagen: Die Medizin ist das Flaggschiff der Hochschullandschaft, aber gleichzeitig auch die Achillesferse der landesweiten Hochschulentwicklung. Ich kann nur deutlich davor warnen zu sagen, wir lassen alles so, wie es ist.

Dann wird sich unsere Hochschullandschaft nicht weiterentwickeln. Es bleibt also noch genug zu tun, um das Ziel der Erichsen-Kommission wirklich zu erreichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk und erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Niclas Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal sehr herzlich bedanken. Ich bin sicher, Herr Minister, dass Sie den Dank an die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wissenschaftsministeriums weitergeben, die auf 27 Seiten sehr genau dargestellt haben, was umgesetzt wurde, was in der Umsetzung ist, wo es auch hier und da Schwierigkeiten gibt. Das ist eine richtig gute Arbeit. Herzlichen Dank dafür.

Ich möchte allerdings auch meiner Verärgerung und meinem Unwillen darüber Ausdruck verleihen, dass hier im Parlament einfach eine Arbeitsteilung nicht eingehalten wird. Es ist Ihre Aufgabe, Frau Birk, die Regierung zu kritisieren, und es ist unsere Aufgabe, sie gut dastehen zu lassen. Dass Sie jetzt versuchen, uns diese Aufgabe abzunehmen, finde ich nicht in Ordnung. Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass Sie es jetzt sozusagen möglich machen, dass die Regierung hier glänzen kann. Ich muss allerdings zugeben, der Kollege Weber hätte ebenso auf die Idee kommen können, oder ich. Immerhin, wir können darüber reden, dass die Landesregierung schon so viel von den Vorschlägen der Erichsen-Kommission umgesetzt hat.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ernsthaft.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach, das war ein Spaß?)

- Das war durchaus ernsthaft gemeint. Ich will aber auch konzedieren, dass ein Großteil - das muss man der Fairness halber sagen - dieser Maßnahme bereits von der alten Landesregierung eingeleitet wurde und insofern auch von einer anderen politischen Mehrheit das eine oder andere schon umgesetzt wurde.

Wenn man ein solches Gutachten einfordert - das tun wir ja gelegentlich, und manchmal auch für viel

Geld; hier nicht unbedingt -, muss man zunächst einige Grundsätze beachten.

Grundsatz eins lautet: Man muss natürlich mit diesem Gutachten leben und Unangenehmes durchziehen. Ich erinnere mich an die eine oder andere Diskussion, als es darum ging, Lehramtsausbildung zu konzentrieren, Bachelor und Master sowie Studienbeiträge einzufahren. Man kann sich nicht einfach nur die Rosinen herauspicken. Man muss schon das Gesamtkonzept sehen. Insofern bin ich dankbar, dass beispielsweise auch die Studienbeiträge genannt wurden. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich bei der nächsten Diskussion auch an diesen Teil des Erichsen-Gutachten erinnern würden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Grundsatz ist: Man muss nicht alles gut finden, was in solch einem Gutachten steht. Was umgesetzt wird, ist natürlich Teil der eigenen politischen Verantwortung.

(Zuruf von der SPD: Das können wir unter- streichen!)

- Das können Sie unterstreichen, sehr gut. - Insofern ist es immer unsere Aufgabe, zu interpretieren und zu argumentieren. Natürlich kann man das eine oder andere unterschiedlich sehen. Hier nehme ich nur das Thema Managementorganisation, was ja nicht endgültig in dem Gutachten geklärt ist. Natürlich haben wir hierüber im Rahmen des Hochschulgesetzes kontroverse Debatten geführt.

Herausragend ist natürlich die Schließung des Hochschulstandorts Eckernförde. Hier hat natürlich eine neue Regierung mit anderen Mehrheiten etwas Unangenehmes durchgezogen. Auch die CDU hat ihre Position dem angepasst. Das ist aller Ehren wert.

Andere Punkte sind die Konzentration des Bereichs Maschinenbau in Flensburg - da kann sogar der SSW zustimmen - und der anstehende Umzug der Muthesius-Schule. All das sind Punkte, die konkret umgesetzt wurden.

Ich schlage vor, im Ausschuss die einzelnen Punkte durchzugehen, das eine oder andere zu bearbeiten.

Das, was Sie hier an Widersprüchen konstruiert haben, war zum Teil um die Ecke gedacht. Ich finde, es ist um die Ecke gedacht, wenn man das Erichsen-Gutachten dafür verantwortlich macht, dass es keinen Präsidenten an der Universität Flensburg gibt. Auch die Formulierung, dass die CAU andere Universitäten über den Tisch ziehen würde, hat mit

(Angelika Birk)

der tatsächlichen Umsetzung des Erichsen-Gutachtens relativ wenig zu tun.