Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

(Beifall bei der SPD)

Die Ergebnisse der 81. Gesundheitsministerkonferenz in Plön - zu meiner Aussage in der Pressemeldung sage ich später noch etwas

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das habe ich mir gedacht!)

können sich sehen lassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach!)

- Ja, man darf sich nicht nur auf einen Tagesordnungspunkt kaprizieren. Man muss es sich in Gänze angucken, und dann muss man sich vielleicht auch einmal die Mühe machen, die Beschlüsse durchzulesen. Herr Kubicki, ich habe die Unterlage da. Ich gebe sie Ihnen nachher gern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe sie gele- sen!)

- Sie haben sie bestimmt nicht gelesen. Nein. Das können wir gleich einmal abfragen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein? Woher wissen Sie das denn?)

Die einmal jährlich tagende Konferenz der Landesministerinnen und -minister beziehungsweise Senatorinnen und Senatoren und der Bundesministerin hat eine umfangreiche Tagesordnung abgearbeitet und wichtige gesundheitspolitische Beschlüsse gefasst. Sie sind nicht nur für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung bundesweit wichtig, sondern auch für die Situation in Schleswig-Holstein von Bedeutung. Deshalb geht mein Dank an

(Ursula Sassen)

die Ministerin und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, dass diese Konferenz erfolgreich geleitet und durchgeführt werden konnte.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch gut, dass die 3.000 Demonstranten, die ihr bei den Forderungen für eine verbesserte Krankenhausfinanzierung in Schleswig-Holstein den Rücken gestärkt haben, durchaus positive Signale erhalten haben. Insofern ist es sicherlich viel zu kurz gesprungen, wenn man lediglich über das Thema der finanziellen Entlastung der Krankenhäuser als Beratungsergebnis der Konferenz diskutiert. Schließlich gab es auch andere wichtige Themen.

Wir begrüßen, dass sich die Ministerkonferenz intensiv mit dem Thema „Gesundheit im Alter“ befasst und festgelegt hat, dass es erforderlich ist, rechtzeitig vorbereitende Maßnahmen einzuleiten. Es steht fest, dass die älteren Menschen zukünftig einen höheren Hilfe- und Pflegebedarf haben und dass gleichzeitig die Erwartung älterer Menschen an eine selbstbestimmte Lebensführung und persönliche Lebensqualität besteht.

Diese Anspruchshaltung ist nicht zu unterschätzen, und wir müssen uns fragen, ob die heutigen Angebote den zukünftigen Ansprüchen gerecht werden. Deshalb ist es konsequent, dass die Konferenz empfiehlt, den gesamten Aus-, Fort- und Weiterbildungsbereich der Gesundheitsberufe an diese zukünftigen Entwicklungen anzupassen. Dazu zählt auch, dass die ambulanten und stationären Angebote unseres Gesundheitswesens und die Bereiche Pflege- und Altenhilfe verstärkt und besser miteinander verzahnt werden.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dem Versorgungsanspruch von Älteren und besonders von Hochbetagten müssen wir noch eindeutiger gerecht werden. Das bedeutet auch, dass wir eine noch qualifiziertere ambulante Basisversorgung durch Hausärzte brauchen. Es ist unumstritten, dass wir zukünftig die Position der Hausärzte weiter ausbauen und stärken müssen. Dazu gehört auch eine adäquate Vergütung.

Zurzeit werden bundesweit nicht genügend Hausärzte ausgebildet - wir haben bereits mehrfach an dieser Stelle darüber diskutiert -, um den erforderlichen Bestand zu sichern. Dieses ist verbesserungsbedürftig, und insofern ist die Position und die Beschlussfassung der GMK zu begrüßen. Herr Katzer ist zwar der Auffassung, dass wir zurzeit gut versorgt seien, aber diese Auffassung teilen weder

ich noch unsere Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern. Hier gilt es, Vorsorge zu treffen, und deshalb war der Beschluss der GMK wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine älter werdende Gesellschaft braucht mehr und andere Ärzte, aber auch ambulante Pflege, die den Kommunikations- und Zuwendungsbedürfnissen geriatrischer Medizin entspricht.

In diesem Kontext ist auch die Forderung zu sehen, dass zukünftig gerade in der Fläche die stationäre Versorgung dringend erhalten bleiben muss. Gerade in Schleswig-Holstein haben wir eine Entwicklung zu Krankenhäusern mit einer hohen Bettenzahl. Das ist sicherlich aus wirtschaftlichen Gründen dringend erforderlich. Gleichzeitig ist es aber auch zu begrüßen, dass sich viele Krankenhäuser in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen zu Verbünden zusammengeschlossen haben, sodass auch kleinere Krankenhäuser gute Zukunftschancen erhalten. Ich denke an die künftige Krankenhausversorgung auf Fehmarn oder auch in anderen Regionen, zum Beispiel an das Krankenhaus in Kappeln, das inzwischen mit dem Krankenhaus in Flensburg kooperiert. Das sind gute Ansätze, um eine stationäre Versorgung bei uns zu gewährleisten. Auch hier ist der Ansatz der GMK, dies weiter auszubauen, richtig und vernünftig.

Jeder kennt den Spruch „Vorsorgen ist besser als Heilen“. Dennoch haben wir nach wie vor auf Bundesebene kein eigenes Präventionsgesetz. Wir Sozialdemokraten fordern dies aus vielerlei Gründen seit vielen Jahren, zum Beispiel aus ökonomischen und volkswirtschaftlichen Gründen. Gesundheitsökonomen haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass durch konsequente Präventionsmaßnahmen Kosteneinsparungen von 25 bis 30 % bei chronischen Krankheiten möglich werden können. Wir wissen, dass durch Bewusstseins-, Verhaltens- und Lebensstiländerungen chronische Krankheiten vermieden werden können und somit auch langjährige therapeutische Anwendungen nicht mehr notwendig sind. Die Stichworte Nichtrauchen, Stressvermeidung, gesunde Ernährung und so weiter machen deutlich, worum es geht.

Es handelt sich bei der Präventions- und Gesundheitsförderung um eine persönliche, aber gleichermaßen auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Bei steigender Lebenserwartung und gleichzeitig zunehmenden chronischen Erkrankungen muss hier dringend etwas getan werden. Appelle sind nicht so wirkungsvoll wie systematische und verbindliche gesetzliche Regelungen und eindeuti

(Jutta Schümann)

ge Strukturen. Also, mein Plädoyer für ein bundesweites Präventionsgesetz bleibt nach wie vor bestehen.

(Beifall bei der SPD)

Schleswig-Holstein ist Vorreiter in der Brustkrebsdiagnostik, aber auch in der Behandlung und Nachsorge. Wir haben mit der Qualitätsgesicherten Mamma-Diagnostik eine Führungsrolle übernommen und nachweisbar gute Erfahrungen gemacht. Dieses schleswig-holsteinische Modell gilt es weiterhin bundesweit umzusetzen, aber auch immer wieder qualitativ zu vervollständigen. Das in diesem Jahr mit Unterstützung von Professor Dr. Jonat in die GMK hineinzutragen, war ein lobenswerter, guter und wichtiger Ansatz. Ich fand auch die Beilage des sh:z zu diesem Thema ausgesprochen gut. Sie war erstens lebenswert, sie hat zweitens darauf aufmerksam gemacht, dass die Gesundheitsministerkonferenz hier tagt, und sie hat drittens auch die Verbindung zu den Versorgungseinheiten hier in Schleswig-Holstein hergestellt. Insofern auch dafür vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich jetzt abschließend noch ein paar Sätze zum Thema Krankenhausfinanzierung und finanzielle Entlastung sagen, damit mir der Kollege Garg dann auch weiter zuhört. Die Ministerin hat auf die Details aufmerksam gemacht. Ich möchte sie hier nicht wiederholen, zumal wir schon x-fach über die schwierige Situation der Krankenhausfinanzierung diskutiert haben. Es besteht bei uns nach wie vor natürlich die Einsicht, dass dort etwas geschehen muss. Aber die gesamte Gesundheitsministerkonferenz jetzt an dieser Stelle nur auf dieses Thema zu reduzieren, finde ich ein bisschen schwach. Deshalb habe ich das auch ganz bewusst an das Ende gestellt, um einmal andere Themen in den Vordergrund zu rücken.

Wir sind uns einig, dass wir bundesweit einheitliche Basisfallwerte brauchen. Wir sind uns auch einig, dass Schleswig-Holstein da seit Jahren benachteiligt ist und dass es für die Krankenhäuser immer enger wird, dass es auch enger wird für die Pflegekräfte. Insofern begrüße ich natürlich, dass die Ministerin es geschafft hat, dieses dicke Brett durchzubohren, und dass es zumindest eine Entscheidung auf dieser Konferenz gegeben hat, in einer bestimmten Phase bundeseinheitliche Basisfallwerte einzuführen. Es wird angestrebt, sich auf einen Mittelwert einzurichten. Das bedeutet für uns Anhebung der Sätze und für einige Bundesländer dann Senkung der Sätze. Es ist sehr bedauerlich, dass

diese Frist eingeräumt worden ist. An dieser Stelle habe ich diesen Zeitrahmen sehr bedauert, weil es in der Tat unseren schleswig-holsteinischen Krankenhäusern finanziell schlecht geht und diese Perspektive zu lang ist. Das gilt auch für die Pflegekräfte. Aber man muss dann auch zur Kenntnis nehmen, dass es auf der Gesundheitsministerkonferenz erforderlich gewesen wäre, dass sich alle Bundesländer einig sind. Und da gibt es in der Tat von den süddeutschen Bundesländern ziemlichen Gegenwind. Deshalb bin ich mit diesem Ergebnis zufrieden, sage aber auch, für unsere Krankenhäuser wäre es schöner gewesen, man hätte es schneller schaffen können. Das lag mit Sicherheit weder an der Bundesministerin noch an unserer Landesministerin, die seit Jahren dafür kämpft, sondern es lag an den anderen Bundesländern.

Wir haben andere finanzielle Entlastungen durchgesetzt. Ich will sie hier nicht noch einmal im Detail wiederholen. Ich freue mich natürlich sehr, dass die Bundesministerin signalisiert hat, den Krankenhäusern bei den Tarifsteigerungen entgegenzukommen. Sie hat auch signalisiert - man kann nie zufrieden sein in der Gesundheitspolitik -, dass sie zusätzliche Pflegekräfte einstellen will, um auch in diesem wichtigen Bereich für Entlastung zu sorgen.

So weit zu einigen Schwerpunkten. Wahrscheinlich kann man im Bereich der Gesundheitspolitik niemals ein endgültiges Ziel erreichen. Wir sind aber einige Schritte vorangekommen. Es hat auch einige entscheidende Durchbrüche gegeben. Insofern noch einmal abschließend mein herzlicher Dank an die Ministerin für die gelungene gesundheitspolitische Konferenz. Es war sehr schön, in Berlin morgens im Frühstücksfernsehen zu sehen, wie sie sich gemeinsam mit der Bundeskollegin frisch daran gemacht hat, hier in Schleswig-Holstein für positive Ergebnisse zu sorgen. Noch einmal dafür unseren herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Schümann und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe meinen Beitrag überschrieben mit der Frage: Wer rettet die Krankenhäuser

(Jutta Schümann)

und vor allem die Patientinnen und Patienten? Krankenhäuser sind ja kein Selbstzweck.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ja unser Thema. Insofern möchte ich zunächst den Dank für die gelungene Präsentation beispielsweise des Brustkrebsprogramms und anderer Dinge aussprechen. Die Gesundheitsministerin hat das Land gut in Szene gesetzt. Aber unser Thema ist heute nicht dieses, sondern die systematische Frage.

Wir haben schon 2006 hier in diesem Hohen Haus eine zweite Konvergenzphase zur Angleichung der Basisfallwerte auf ein bundeseinheitliches Niveau gefordert. Passiert ist seitdem wenig. Die engagierte Gesundheitsministerin Trauernicht konnte eben nicht hexen. Die Bundesebene hat zwar mitgezogen, aber eben nicht die Länder. Immerhin, wir haben die 0,5 % Solidarabgabe der Krankenhäuser wegverhandelt. Ich sage jetzt einmal „wir“, weil ich mich in dem Stück durchaus mit der Landesregierung identifiziere. Das war ein wichtiges Ziel. Aber wir dürfen nicht vergessen: Reinverhandelt hat sie uns die Große Koalition im Bund.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Tolles Er- gebnis!)

Wir haben jetzt nur wieder plus minus null.

Wir müssen aber daran denken, dass die ganzen Dinge, die wir jetzt fordern, von den Beitragszahlern bezahlt werden müssen. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz. Da gibt es auch Trennendes zwischen der FDP und uns. Darauf komme ich noch zu sprechen. Bei allem, über was Bundesregierung, Landesparlamente, Landesregierungen, Krankenkassen, Kammern und so weiter verhandeln, ist immer klar zu sagen: Entweder man fordert den Steuerzahler oder die Beitragszahlerin. Wie man das tut, hat massive Auswirkungen auf unsere Krankenhäuser.

Seit Einführung der Fallpauschalen ist es nicht alles besser geworden, Frau Ministerin. Die Gewinnmargen lassen sich zwar nicht mehr durch möglichst lange Liegezeiten gewinnen. Aber es ist ein anderer Trend eingezogen. Ein Beispiel: Man kann jemanden aus der inneren Station entlassen, um ihn am Folgetag in der Urologie wieder einzuweisen. Dann ist es ein neuer Fall. Fallpauschalen führen zu mehr stationären Aufenthalten und zu mehr Operationen, sagen die Fachkritiker. Dem muss man nachgehen. Die Zahl der Gallenblasenoperationen hat sich seit der Einführung der DRGs ver

doppelt. Es ist unwahrscheinlich, dass plötzlich doppelt so viele Menschen schwer gallenkrank sind. Wahrscheinlich werden sie schneller operiert, weil es gutes Geld für die Klinik bringt, weil die Patienten problemlos ohne Gallenblase leben können und weil diese Operationen mit kurzen Liegezeiten durchgeführt werden können. Solchen Dingen muss man nachgehen.

Ein weiteres Problem ist der Vorwurf, es gäbe sogenannte blutige Entlassungen, vorzeitige Entlassungen, um das Bett für den nächsten Fall und neues Geld freizumachen. Umso schwerwiegender ist eine frühe Entlassung, wenn kein sorgfältiges Entlassmanagement stattfindet und die ambulante Versorgung zu Hause ungeregelt bleibt. Dies führt dann natürlich zu einem Drehtüreffekt, wenn nicht sogar zu Schlimmerem. Viele Einweisungen ins Pflegeheim, die oft endgültig sind, erfolgen, weil es kein gutes Entlassmanagement gibt. Auch hier wünsche ich mir, ähnlich wie die Kollegin Schümann im Bereich der Prävention, klarere gesetzliche Regelungen. Dann müsste sich natürlich der Mehraufwand für ein so gutes Management auch in den DRGs abbilden und eben nicht nur die Operationen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Pflege ist in den DRGs zu wenig abgebildet. Der Kostendruck der Krankenhäuser wächst natürlich auch durch die von mir formulierten Forderungen - darüber bin ich mir bewusst -, ebenso wie das von uns geforderte Umsteigen bei der Arbeitszeit der Ärzteschaft, dass also das EU-Urteil zur Arbeitszeit umgesetzt wird und Ärzte nicht mehr 36 Stunden nonstop im Dienst sind, kann nicht völlig kostenneutral sein. Über die Tarifabschlüsse, die längst überfällig waren, haben wir uns schon mehrfach auseinandergesetzt. Das heißt, wir müssen uns klar sein: Viele Krankenhäuser zahlen weit unter Tarif und überschreiten auch schon mal die Grenzen der Legalität. So konnte sich eine Auszubildende in der Pflege erfolgreich vor der höchsten zuständigen Gerichtsinstanz behaupten. Ihr Arbeitgeber, das Kreiskrankenhaus RendsburgEckernförde, hatte 30 % unter Tarif vergütet. Das fanden die Richter des Schlechten zu viel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mindestlohn!)