Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Zweitens. Die schleswig-holsteinische Hochschulmedizin ist, wie zuletzt die Erfolge beim Exzellenz-Wettbewerb gezeigt haben, ein Eckpfeiler der Forschungslandschaft unseres Landes. Hier gilt es, eine bundesweite Spitzenposition auch in der Zukunft zu behaupten.

Es ist übrigens bemerkenswert - darauf hat Jürgen Weber eben hingewiesen -, dass die Unikliniken unseres Landes die hervorragende Leistung erreicht haben, obwohl die Finanzausstattung für Forschung und Lehre weit unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt, in Kiel bei gut 17.000 € pro Studierenden, in Lübeck bei gut 19.000 € pro Studierenden, der Bundesdurchschnitt liegt bei 30.000 €. Gemessen an den Normwerten der KMK fehlen im Budget für Forschung und Lehre 34 Millionen €. Das sei angemerkt.

Die Achillesferse der Universitätskliniken liegt auch in der defizitären Krankenversorgung mit jährlich zweistelligen Defiziten. Das ist der Ausgangspunkt für die Sanierungsdebatte, die hier seit Jahren geführt wird. Allein für dieses Jahr liegen die roten Zahlen voraussichtlich in der Größenordnung von 18,4 Millionen € - so nachzulesen in der PK-Vorlage von Herrn Dr. Schleifer.

Herr Dr. Schleifer hat am 2. Juli 2008 als Sanierungs- und Strategiemanager ein Konzept vorgelegt. Wir haben in schriftlicher Form bislang nur seine vier Seiten umfassende Pressekonferenzvorlage. Darauf möchte ich mich ganz kurz beziehen und einige Punkte ansprechen.

Herr Dr. Schleifer hat als Kernpunkte die Themen Erlösmanagement, die nötige Prozessoptimierung und die Beseitigung des Investitionsstaus genannt alles keine sonderlich neuen Themen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

(Jürgen Weber)

Auch hierüber wird seit Jahren debattiert. Die entscheidende Frage ist: Wie kommt man tatsächlich in diesen Bereichen konkret voran, um die Wirtschaftlichkeitsprobleme des UK S-H zu lösen?

Zur Schaffung einer zukunftsfähigen Gebäudestruktur - und darauf möchte ich mich jetzt konzentrieren - schlägt der Sanierer im Wesentlichen den Rückgriff auf PPP-Modelle vor - Puplic-Private-Partnership, das heißt, ein Privatunternehmen finanziert die nötigen Bauvorhaben vor, führt sie durch und betreibt das Gebäudemanagement. Die so erstellten neuen Gebäude, in denen dann wirtschaftlichere Abläufe als bisher gesichert sein sollen, werden bis zum Abtrag des Kapitaldienstes angemietet. Diese Miete kann - und das ist für den Haushaltgesetzgeber der Casus Knusus - das UK SH nicht aus eigener Kraft schultern. Herr Schleifer schreibt, das Land Schleswig-Holstein müsste dazu jährlich Kosten in Höhe von rund 30 Millionen € übernehmen, also aus dem Landeshaushalt finanzieren. Wohlgemerkt, ich spreche hier nicht vom Zuschuss für Forschung und Lehre, sondern von den Kosten dieses umfangreichen Sanierungsvorhabens. Es stellt sich nur die Frage, für welchen Zeitraum? Ist dann diese jährliche Belastung mittelfristig, langfristig zu veranschlagen? Auch darüber haben wir bisher keine Informationen.

Die Frage, ob Sie den Start im Entwurf des Doppelhaushaltes 2009/2010 eingestellt haben, ist natürlich auch interessant und wäre in diesem Zusammenhang zu beantworten.

Die zweite Frage: In welchem Umfang wäre dann daneben ein zweiter Komplex von Bauvorhaben auch noch im Rahmen der klassischen Hochschulbaumaßnahmen - sprich: Gebäude, die für Forschung und Lehre gedacht sind -, ein weiterer Investitionsblock, vom Land zusätzlich zu finanzieren, sozusagen über die reguläre Hochschulbaufinanzierung? Auch das muss man dazustellen. Da muss es auch eine mittelfristige Planung geben, wie das abgearbeitet werden soll und welcher Anteil des verfügbaren Budgets für Hochschulbaumaßnahmen für diesen Zweck in den nächsten Jahren eingesetzt werden soll. Daraus ergibt sich in der Konsequenz wieder die Frage, was für die anderen Hochschulbauvorhaben übrig bleibt. Das muss schlüssig in einem Gesamtkonzept stehen, das erwarten wir auch von der Landesregierung.

(Beifall bei der FDP)

Dann ist schließlich die Frage zu stellen, wo und für welche konkreten Zwecke die erwähnten Investitionen tatsächlich eingesetzt werden sollen. Auf

diesen Punkt hat auch Jürgen Weber eben schon Bezug genommen. Herr Dr. Schleifer beziffert den Investitionsbedarf am Campus Kiel auf gut 156 Millionen €, von Lübeck auf 225 Millionen €. Ich bin natürlich auch darüber gestolpert, dass in dem Strategieplan des UK S-H-Vorstandes vor zwei Jahren und auch im Gutachten von Deloitte & Touche ganz andere Zahlen standen. Es betrug nämlich die Bruttozahl für den Gesamtinvestitionsbedarf in Kiel 396 Millionen € und in Lübeck 130 Millionen €. Wird herausgerechnet, was über Hochschulbau und andere Finanzierungen möglich wäre und dann über PPP-Maßnamen abgedeckt werden müsste, betrug der Bedarf damals, vor zwei Jahren, beim Campus Kiel 281 Millionen € und für Lübeck 130 Millionen €. Die Zahlen haben sich also komplett umgedreht. Das ist angesichts der Tatsache, dass wir alle wissen, dass der Standort Kiel über eine deutlich ältere Infrastruktur und damit eigentlich auch unwirtschaftlichere Infrastruktur verfügt, natürlich erklärungsbedürftig. Also auch hier bitten wir um eine Aufklärung darüber, wie diese Veränderung in relativ kurzer Zeit zustande kommen kann.

Schließlich Folgendes: Der kürzlich aus dem Amt geschiedene frühere Wissenschaftsminister Dietrich Austermann hat am 2. Juli 2008 zur Vorlage des Konzepts von Herrn Dr. Schleifer erklärt, nun lägen alle Instrumente auf dem Operationstisch und daher könne man jetzt mit der Sanierungsoperation beginnen. Das Dumme ist nur: Das Operationsteam ist nicht komplett.

(Heiterkeit)

Der Vorstand des UK S-H, der nun mit seinen drei Positionen das schwierige Unternehmen in Angriff nehmen soll, ist nur in einer einzigen Position auf längere Zeit regulär besetzt. Wir wissen, die dritte Vorstandsposition für Krankenpflege und Patientenservice ist seit Jahresbeginn vakant. Der Vorstandsvorsitzende wird in Kürze ausscheiden. Hier hat die Landesregierung, hat der Verwaltungsrat des UK S-H in der Tat, und zwar wirklich in Kürze, Hausaufgaben zu erledigen, die schon längst hätten erledigt werden können,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

nämlich diesem UK S-H eine Führungsmannschaft „zu bescheren“, die dann auch an die Arbeit gehen kann.

Noch eine Anmerkung zum Thema Basisfallwerte. Das ist in der vorigen Debattenrunde ausgiebig erörtert worden. Wenn nun tatsächlich die bundesein

(Dr. Ekkehard Klug)

heitlichen Fallkostenpauschalen/Basisfallwerte erst Mitte des nächsten Jahrzehnts - 2015 - kommen sollen, dann bedeutet das natürlich, dass dieses UK S-H wie auch andere Krankenhäuser in SchleswigHolstein für viele Jahre noch mit einem echten Klotz am Bein arbeiten müssen. Herr Dr. Schleifer hat die Differenz, was die Erlöse des UK S-H angeht, gemessen an einem Bundesdurchschnitt der Fallkostenpauschalen auf jährlich etwa 15 Millionen € beziffert. Das heißt, dadurch, dass wir so ungünstige Fallkostenpauschalen für Schleswig-Holstein haben, nimmt das UK S-H jedes Jahr 15 Millionen € weniger ein, als es erlösen würde, wenn ein Basisfallwert auf der Ebene des Bundesdurchschnitts gelten würde. Das soll aber erst 2015 der Fall sein, und daraus ergibt sich logisch, dass bis zu diesem Zeitpunkt Mitte des nächsten Jahrzehnts sozusagen 100 Millionen € dem Land, dem UK S-H durch die Lappen gehen. Das darf man hier auch nicht unerwähnt lassen. Das ist in der Tat ein schwerwiegendes Versäumnis einer früheren Landesregierung, die im Rahmen einer auf Bundesebene und auch mit Zustimmung des Bundesrates durchgeführten Gesundheitsreform dies - man muss es so klar sagen - schlicht und ergreifend versaubeutelt hat

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

und zulasten des Landes Schleswig-Holstein eine völlig unvertretbare Benachteiligung unserer Krankenhäuser, die besonders das Universitätsklinikum wegen seiner aufwendigen Kostenstruktur sehr hart trifft, zu verantworten hat. Das darf nicht unerwähnt bleiben. Das ist aber leider ein bisschen die Wut über den verlorenen Groschen.

Kurz zum Schluss zur Frage der organisatorischen Strukturen: Es geht jetzt auch um die Frage, wie der im Hochschulgesetz vorgesehene Medizinausschuss, wie die Position des Medizindirektors besetzt wird und wie dort gearbeitet wird. Ich weiß, dass es an den Universitätsklinika große Sorge gibt, dass sich der zukünftige Medizindirektor, hochdotiert mit B 7, möglicherweise in diesem schwierigen Geflecht zwischen Kiel und Lübeck auf die eine oder andere Seite schlägt. Das ist eine große Sorge, die an den Standorten besteht.

Deshalb möchte ich den neuen Minister bitten, doch noch einmal zu überdenken, ob man die Konstruktion, die das Hochschulgesetz des letzten Jahres vorgibt und die sehr kompliziert ist, eine Gremienstruktur, die außerordentlich kompliziert aufgebaut ist, nicht noch einmal überdenken sollte, ob man nicht im Sinne einer straffen, einer funktionie

renden Koordination und Leitung andere Strukturen mit den Universitäten Lübeck und Kiel vereinbaren könnte, die dann in der Tat besser funktionieren könnten. Denn das Allerschlimmste, was passieren könnte, wäre die Situation, dass an dem einen Standort das Gefühl vorherrscht, der Medizindirektor sei sozusagen Anwalt des anderen Standorts. Dann würden nämlich an dem Standort, wo sich die Forscher benachteiligt sehen, Fluchtinstinkte ausgelöst, die wir uns auch für die Zukunft des Forschungsstandorts nicht wünschen können.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe meinen Beitrag überschrieben mit „Diagnose richtig - Therapie fatal“. Sie haben dieses Konzept nicht zu verantworten, Herr Minister, Sie sind neu im Amt. Umso nachdrücklicher appelliert meine Fraktion an Sie: Gucken Sie sich dieses Konzept an! Nehmen Sie sich all die Forderungen und Anregungen aus diesem Hause hier zu Herzen, und legen Sie uns nach der Sommerpause etwas vor, was vielleicht eine andere Überschrift verdient!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Sanierungskonzept UK S-H analysiert richtig, was Kenner längst wissen: Anstatt an einem Strang zu ziehen, konkurriert die Ärzteschaft der beiden Klinikstandorte miteinander, mit ökonomisch fatalen Folgen. Jede durch einen Chefarzt geleitete Abteilung - es gibt derer 77 - funktioniert nach den Prioritätensetzungen von Professoren. Dies kollidiert häufig mit den Ansprüchen einer Klinik der Maximalversorgung. Es ist noch nicht gelungen, durch die Einrichtung von neuen, den Abteilungen übergeordneten medizinischen Zentren, in denen Pflege- und kaufmännische Verwaltung gemeinsam mit den Ärzten leiten, eine ausreichende Umsteuerung zu gewährleisten. Ich sage hier deutlich: Noch nicht, denn der Zeitraum, seitdem diese Zentren installiert wurden, ist ja relativ kurz gewesen.

Der Medizinausschuss, der zwischen den beiden Standorten vermitteln soll - so sagt das Konzept -, hat vollständig versagt. Nicht zuletzt aufgrund der Unruhe durch ständig neue Vorschläge, insbeson

(Dr. Ekkehard Klug)

dere der Angst vor Totalprivatisierung oder erneuter Teilung der Klinik in zwei Standorte, konnte kein Wir-Gefühl aufkommen, so die Analyse weiter. Andererseits wird kritisiert, dass die Landesregierung den ökonomischen Druck mit der Ausschließung der Privatisierung zu früh aus dem Prozess genommen hat. Zumindest hier wird widersprüchlich argumentiert.

Nicht überraschend ist die Analyse, dass die ungünstige und veraltete Gebäudestruktur viele zusätzliche Transport- und Abstimmungsleistungen notwendig macht, die erhebliche Mehrkosten verursachen. Es wird zudem festgestellt, dass branchenübliche Löhne, insbesondere im tertiären Sektor das heißt, von Küche bis Labor -, trotz des Beschäftigungspakts mit seinen Lohneinbußen deutlich unter den Tariflöhnen des UK S-H liegen. Das Land wird kritisiert, weil es zwar außer Lehre und Forschung nach wie vor laufend auch die Krankenbehandlung bezuschusst, aber seit Jahrzehnten systematisch zu wenig in die Gebäudestruktur investiert.

Als erfreulichen Vorschlag werte ich die Anforderungen an neue Chefarztverträge. Sie verpflichten die Professoren zu verbindlicher Präsenz im Krankenhaus. Zukünftig sollen die Professoren ergebnisorientierte Finanzanreize erhalten. Die Sammlung von möglichst vielen Privatliquidationen allein soll sich nicht mehr automatisch lohnen. Allerdings muss man dazu sagen: Wenn gleichzeitig die Anforderung besteht, dass die Professorenschaft unternehmerisch leitend tätig sein soll und sich natürlich an der weiteren Verstetigung der Exzellenzinitiative zu beteiligen hat, so ist das schwierig. Dauernd im Operationssaal anwesend sein, auf Kongressen, die Exzellenzinitiative vorantreiben, gute Kontakte knüpfen, Forschungsmittel einwerben und gleichzeitig noch eine kaufmännische Leitung - das ist ein bisschen viel für eine Person.

Auch der Vorschlag, systematischer als bisher andere Krankenhäuser als sogenannte Lehrkrankenhäuser in die Ausbildung der Medizinstudierenden einzubeziehen, scheint mir ein sinnvoller Vorschlag zu sein.

Public-Private-Partnership für die Gebäudestruktur haben wir schon häufiger diskutiert. Der Kollege Klug nannte die Zahl 30 Millionen € jährlich, die ich zumindest noch nicht in der Haushaltsvorstellung gehört habe. Sie soll aber auf sehr lange Zeit - wie lange, ist auch mir unklar - eingeplant werden, um die notwendigen Investitionen zu realisieren. Hier gibt es natürlich noch viel Diskussionsbedarf. Auch die Umkehrung der Gewichtung die

ser Investitionen haben meine Vorredner infrage gestellt. Entweder stimmte es vorher nicht, oder wir haben jetzt eine falsche Aussage. Das werden wir im Detail im Ausschuss klären müssen.

Jetzt komme ich zu den fatalen Vorschlägen, denen ich nicht folgen kann.

Die Forschung soll sich an kommerziellen Gesichtspunkten orientieren. Was heißt das für die Freiheit von Forschung und Lehre?

Die Kontakte mit anderen Kliniken und dem ambulanten Sektor sollen sich ebenfalls ausschließlich an kommerziellen Zielen orientieren. Die Kritik ist zwar richtig, dass das Uniklinikum häufig als Solitär gehandelt hat. Über die Verzahnung von ambulant und stationär haben wir uns schon in der vorherigen Debatte geeinigt. Da sind wir im Haus wohl wirklich einig, dass das wichtig ist und dass das Uniklinikum vorangehen muss. Aber sind denn nicht gesundheitspolitische, sind nicht Versorgungsprioritäten, die nicht allein nach kommerziellen Gesichtspunkten erfolgen können, die Leitlinie? Also auch hier ein Fragezeichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter fataler Vorschlag: Die Pflege soll strategisch völlig untergeordnet werden. Keine Vertretung der Pflege im Vorstand und auf der Ebene der Zentrumsleitungen, nur noch nebenamtliche Führungskräfte. Wenn in den letzten Jahren in der Versorgungsqualität ein Fortschritt erzielt worden ist, dann ist das der Pflege zu verdanken, die - darüber haben wir in den vorherigen Debattenbeiträgen gesprochen; auch in Bezug auf das UK S-H muss man das sagen, dass deutlich eingespart wurde, dass aber eben auch effizienter organisiert wurde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein Rückschritt hier wäre wirklich fatal.

Die Zentren werden auf zwei zu reduzieren - bisher haben wir, soweit ich weiß, neun -, und diese zwei nicht zufällig mit den Campi-Standorten in Übereinstimmung zu bringen, halte ich auch nicht gerade für glücklich. Das wird die Konkurrenz zwischen Kiel und Lübeck erneut beleben.

Der sogenannte tertiäre Sektor soll outgesourct werden, damit kein Tariflohn mehr zu zahlen ist. Allein hierdurch sollen laut Sanierungskonzept 5,6 Millionen € jährlich eingespart werden. Ich gehe davon aus, dass auf diese Weise ein Mindestlohn von 7,50 € nicht mehr erreicht wird. Das ist kein Beitrag zur strategischen Optimierung der

(Angelika Birk)

Versorgungsleistungen und zur Verbesserung der Identifikation mit dem Unternehmen.