Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Wir meinen, dass wir die zukünftige Energieversorgung nicht nur in Bezug auf das Land SchleswigHolstein betrachten, sondern uns mindestens bundesweit orientieren müssen. Wenn also Kernkraftwerke abgeschaltet werden und Kohlekraftwerke nur eine Übergangstechnologie sind, müssen wir uns intensiv um erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung kümmern. Wir als SSW haben seinerzeit beantragt, dass die Richtlinien für die Nutzung der Windkraft gelockert werden. Bisher hat die Landesregierung hier keine zufriedenstellenden Abstandsregelungen festgelegt.

(Zuruf des Abgeordneten Johannes Callsen [CDU])

Wir wollten, dass die Netze schnell ausgebaut werden, indem Erdkabel gegenüber Freileitungen bevorzugt werden. Initiativen der Landesregierung gleich Null, lieber Kollege Callsen.

Freileitungen werden also genehmigt, die Bürgerinnen und Bürger klagen, und das Verfahren wird unnötig verlängert. Wir wollten die Trennung von Netz und Stromproduktion, aber es tut sich nichts in diesem Bereich, obwohl die E.ON sich inzwischen bewegt hat. In all diesen Bereichen könnte die Landesregierung schnell handeln und initiativ werden, wenn sie es denn wollte, aber anscheinend will sie nicht.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dadurch verschenken wir hier eine wertvolle Position am Markt. Wir sind immer noch in der Spitzengruppe, was Windenergie angeht. Aber wir müssen unsere Unternehmen auch fördern, wenn es darum geht, hier in unserem Land zu zeigen, was alles möglich ist. Unser Ziel ist es immer noch, Schleswig-Holstein zu einem Vorzeige-Land für erneuerbare Energien zu machen. Und daran werden wir festhalten.

Darüber hinaus müssen wir auch sehen, welche möglichen strategischen Allianzen wir mit anderen Ländern bilden können. Wasserkraft und Solarenergie spielen in anderen Ländern schon heute eine erhebliche Rolle und deshalb ist es unsere Aufgabe, hier für eine intensive Zusammenarbeit in diesem Bereich zu sorgen. Wir dürfen uns weder als Land Schleswig-Holstein noch als Bundesrepublik Deutschland isoliert betrachten, sondern wir müssen aktiv die Zusammenarbeit mit anderen Staaten fördern. Für diesen Zweck muss es auch eine europaweite Zusammenarbeit hinsichtlich der Stromnetze geben.

Betrachtet man jetzt noch die fünf Eckpunkte im Antrag der FDP, so kann ich hierzu Folgendes sagen: Die optimierte Nutzung von konventionellen und regenerativen Energieformen ist zurzeit sicherlich notwendig, aber das Ziel muss es sein, aus konventionellen Energieformen wie Kernkraft und Kohlekraft auszusteigen. Dieses Ziel müsste auch in den Eckpunkten verankert sein.

Im zweiten Punkt vertritt die FDP die Auffassung, dass wenn der finanzielle Aufwand für die Energieerzeugung in Zukunft sinkt, der Energiepreis automatisch auch fallen würde. Dies trifft aber nur für öffentlich-rechtliche Unternehmen oder gGmbHs zu, die keinen Gewinn erzielen wollen oder dürfen. Ein Privatunternehmen wird immer den Gewinn einstreichen, der am Markt zu erzielen ist. Deshalb bezweifle ich diesen Zusammenhang - jedenfalls in Bezug auf Privatunternehmen.

Punkt drei im FDP-Antrag teilen wir. Kraft-Wärme-Kopplung und dezentrale Netze sind Ansätze, wie wir auch kurzfristig energiepolitische Fortschritte erzielen können. Der diskriminierungsfreie Zugang zu den Netzen ist nach unserer Auffassung nur gewährleistet, wenn die Netze von den großen vier Stromunternehmen abgetrennt werden. Ich weiß nicht, ob die FDP dies inzwischen genauso sieht.

Mit dem fünften Punkt, dem Bürokratieabbau, hat die FDP recht, aber mit der derzeitigen Landesregierung ist hier derzeit kein Fortschritt zu sehen.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Wenn wir nun aber nicht nur die Produktion von Energie, sondern auch die Sicht des Verbrauchers mit einbeziehen, kommen wir zum Antrag der Grünen. Es ist nach unserer Auffassung genau richtig, wenn hier jetzt verlangt wird, dass das Tarifsystem ausschließlich auf den Verbrauch ausgerichtet sein sollte. In der Tat führen die Grundgebühren dazu, dass Kunden mit einem geringen Verbrauch mittelbar mehr bezahlen als Großverbraucher. Auch dass Großverbraucher Rabatte oder günstigere Tarife für große Mengen bekommen, ist nicht in Ordnung. Es mag sein, dass die klassische Betriebswirtschaftslehre hier Mengenrabatte empfiehlt. Aber wie so oft widerspricht dies volkswirtschaftlichen, umweltpolitischen und sozialen Zielsetzungen. Wir brauchen ein System, dass den Sparsamen belohnt und dem Großverbraucher die entsprechenden Kosten auch aufbürdet.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Lars Harms)

Da die Energieunternehmen hier offensichtlich keine Änderungen vornehmen wollen, muss es eine entsprechende Bundesratsinitiative - wie sie die Grünen fordern - geben.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Dabei macht es auch Sinn, dass man sich genau ansieht, wann der Strom günstig produziert wird und wann er nur teuer zu haben ist. Hierfür wären in der Tat intelligente Messgeräte notwendig, um die Zeiträume mit billigem und teurem Strom auch anzeigen zu können. Ich kann derzeit aber nicht abschätzen, wie realistisch die Einführung eines solchen Tarifsystems und solcher Messgeräte ist. Aber sinnvoll wäre dies allemal. Bevor man hierüber entscheidet, muss man allerdings auch herausfinden, inwiefern die Kunden mit entsprechenden Investitionen belastet werden. Wir dürfen die Kunden - insbesondere die privaten Haushalte - nicht mit Investitionen belasten, die sich möglicherweise für sie nicht rechnen. Deshalb sollten der zweite und dritte Spiegelstrich im Antrag der Grünen im Ausschuss genau geprüft werden.

Was den von den Grünen geforderten Münzautomaten für sozial Schwache angeht, stellt sich für mich nur die Frage, wer diesen bezahlen soll und ob dieser bei mangelnder Finanzkraft der Betroffenen wirklich dazu führt, dass man den Strom beziehen kann. Wenn man seine Stromrechnung nicht bezahlt, wird man auch einen Münzautomaten nicht bedienen können. Ich glaube vielmehr, dass es hier um die Frage geht, warum die Menschen in finanzielle Not geraten sind und wie man ihnen aus den finanziellen Problemen heraushelfen kann. Ein Münzautomat für den Strombezug scheint mir hier nicht die nachhaltige Lösung zu sein. Aber das ist auch nur nebensächlich. Die Grundtendenz im Antrag der Grünen ist auf jeden Fall richtig: Energiesparen muss belohnt werden, und ein hoher Energieverbrauch muss entsprechend teuer werden.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

- Die ersten, lieber Kollege Stritzl, die sich hier bewegen müssen, wären die Große Koalition und die Landesregierung.

(Beifall beim SSW und bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Für die Landesregierung erhält nun Herr Wirtschaftsminister Dr. Werner Marnette das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Energiepolitik ist Standortpolitik

(Beifall bei der CDU)

und betrifft eine der zentralen Fragen unseres Jahrhunderts. Ich bin dankbar, dass dieses Thema - eingebettet auch in die Klimapolitik - in diesem Haus eine solche Bedeutung hat. Wir reden hier fürwahr über unsere Zukunft und auch über die Zukunft unserer Kinder.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zunächst auf die Strompreisstruktur und dann auf die energiepolitischen Leitlinien für Schleswig-Holstein etwas näher eingehen.

Generell ist die Strompreisstruktur in Deutschland vor allem für den Haushaltskunden völlig intransparent. Dies betrifft im Wesentlichen die Festlegung des Basisstrompreises an der Börse. Hier klaffen immer noch Strompreis und Herstellungskosten weit auseinander. Das schlechteste Kraftwerk - ich sage einmal: das letzte Möhrchen -, das ans Netz geht, bestimmt heute den Strompreis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Meine Damen und Herren, die Netz- und Durchleitungsgebühren in diesem Land - auch infolge rückläufiger Investitionen in der Vergangenheit sind bei Weitem nicht transparent genug.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben auf der anderen Seite aber auch Preiskomponenten - das muss hier auch gesagt werden durch staatliche Eingriffe, zum Teil auch durch Doppelbelastungen, die staatlich bedingt sind.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Wir haben auf der anderen Seite aber auch die Auswirkungen des Emissionshandels, zum Beispiel durch die Festlegung der Preise der CO2-Zertifikate. Ich glaube, das, was beabsichtigt war - marktori

(Lars Harms)

entierte Instrumente einzuführen -, sollte nochmals kritisch betrachtet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt ergibt sich daher energiepolitisch erheblicher Handlungsbedarf. Heute zahlt der normale Haushaltskunde mit einem Verbrauch von circa 3.500 Kilowattstunden pro Jahr über 20 ct pro Kilowattstunde bei stark steigender Tendenz. Darin enthalten sind über 12 ct Energiepreis. Energiepreis und Durchleitung sind nicht auseinandernehmbar, das heißt, nicht transparent. Darin enthalten sind aber auch über 7 ct staatlich verursachte Preiskomponenten. Auch diese sind nicht deutlich erkennbar. Die steigende Tendenz betrifft allerdings nicht nur die Haushaltskunden, sondern natürlich auch den Mittelstand und die Industrie. Vor diesem Hintergrund begrüße ich grundsätzlich die Fragestellung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, glaube aber, dass wir uns viel stärker unter anderem auf mehr Transparenz bei der Gesamtenergiepreisgestaltung und der Verbesserung der Wettbewerbssituation konzentrieren sollten. Dies würde den Bürgerinnen und Bürgern einen größeren Nutzen bringen.

Neben der Frage der wettbewerbsfähigen Energiepreise ist natürlich gleichbedeutend - dies habe ich bereits gestern ausgeführt - das Thema Klimaschutz und Versorgungssicherheit zu betrachten.

Nun zu den im Antrag angesprochenen Punkten: Sie sind - ich will hier nicht klug erscheinen - im Übrigen bereits durch die Energierechtsnovelle im Jahre 2005 erledigt worden. Durch Änderungen des Energiewirtschaftsrechts ist nicht nur der Messstellenbetrieb für den Wettbewerb geöffnet worden, sondern auch die Messung, das heißt die Abund Auslesung der Messgeräte.

Der Einsatz von sogenannten Vorkassesystemen, zum Beispiel Münzautomaten, ist im Bereich der Grundversorgung, also der früheren Tarifkunden, bereits durch die Grundversorgungsverordnung vom Oktober 2006 geregelt worden. Mein Kommentar dazu: Modern scheint mir diese Münzeinwurf-Vorstellung nicht zu sein.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Diese Grundversorgungsverordnung erfasst nach wie vor den weit überwiegenden Teil der Haushaltskunden, für die im Einzelfall aus sozialen Gründen ein Vorkassesystem angezeigt sein könnte. Es liegt auf der Hand, dass diese Kundengruppe von den Stromlieferanten nicht gerade mit Sonderverträgen umworben wird. Für den Sondervertrags

bereich besteht deshalb kein besonderes Regelungsbedürfnis.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wieso das denn nicht?)

Das Gesetz zur Öffnung des Messwesens von Strom und Gas, dem der Bundesrat am 4. Juli 2008 bereits zugestimmt hat, verpflichtet die Messstellenbetreiber mit Wirkung zum 1. Januar 2010, den Kunden Messgeräte mit integrierter Stromverbrauchsanzeige anzubieten, also die sogenannten intelligenten Zähler. Bei Neubauten und bei größeren Renovierungen ist der Einbau ab diesem Zeitpunkt obligatorisch. Damit wird der individuelle und tatsächliche Verbrauch absolut transparent. Dazu zählt auch, dass die Messkosten zukünftig als gesonderte Kostenposition auf den Stromrechnungen auszuweisen sind.

Außerdem werden die Stromlieferanten verpflichtet, eine monatliche, vierteljährliche oder halbjährliche Abrechnung anzubieten, wenn der Kunde dies wünscht.

Schließlich haben Energieversorgungsunternehmen spätestens bis zum 30. Dezember 2010 Preise anzubieten, die einen Anreiz zur Energieeinsparung und der Steuerung des Energieverbrauchs setzen. Preise in diesem Sinne sind ausweislich des ausdrücklichen Gesetzeswortlautes des § 40 Energiewirtschaftsgesetz insbesondere lastvariable Preise - und darum ging es ja -, also Preise ohne Grundpreis. Diese Preisstruktur muss also angeboten werden.

Darüber hinaus kann das Energieversorgungsunternehmen tageszeitabhängige Preise oder andere Preisgestaltungen anbieten, die dem Kunden eine preisorientierte Steuerung seines Verbrauchs erlauben. Es gibt bereits heute das erste Stromprodukt ohne Grundpreis. Man wartet also gar nicht bis 2010. Der Verbraucher wird damit in die Lage versetzt, seinen Energieverbrauch zu steuern und auch diese Weise Preisvorteile wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu den energiepolitischen Richtlinien für Schleswig-Holstein. Am 25. Juni 2007 hat mein Vorgänger das Grünbuch Energie Schleswig-Holstein 2020 vorgestellt. Das Grünbuch folgt dem energiepolitischen Ansatz, dass Energie dauerhaft planbar, das heißt zuverlässig, ökologisch und zu wettbewerbsfähigen Preisen den Bürgern und der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden muss.