Protokoll der Sitzung vom 18.07.2008

Es gibt übrigens ein schönes Beispiel in SchleswigHolstein, nämlich Trappenkamp. Als diese Gesamtschule gegründet wurde, hatte sie nur ganz wenige Schüler mit Gymnasialempfehlung. Das wurde immer wieder dazu genutzt, diese Schule zu diskreditieren. Inzwischen ist es soweit, dass diese Gesamtschule eine Oberstufe bekommen hat mit Schülern, die das Abitur ablegen werden, die aus dieser Gesamtschule hervorgegangen sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Man muss bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass diese Einteilung von Kindern im Alter von zehn Jahren - in Hamburg wird es wenigstens zwei Jahre hinausgeschoben - wirklich nichts mehr ist, was für

die Zukunft noch Bestand haben kann. Nichts ist für die Ewigkeit, auch nicht die Schulformen. Wir können gern über die langfristige Weiterentwicklung der neuen Schulformen reden, aber dann bitte auf der Grundlage von vernünftigen Konzepten, die dazu geeignet sind, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Dafür ist dieser Antrag nun wirklich nicht geeignet.

Ich lasse alle Einzelheiten zu anderen Punkten weg - darüber kann man gern bei anderer Gelegenheit noch einmal reden - und will nur sagen: Schularten sind übrigens auch kein Selbstzweck. Sie sind nicht nur nicht für die Ewigkeit und auch kein Selbstzweck, sondern sie dienen bestimmten Zielen. Veränderungen in den Schulstrukturen sollen Antworten auf gesellschaftliche Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse geben,

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

zum Beispiel auf die schlimme Erkenntnis, dass bei uns in Deutschland der Bildungsweg eines jungen Menschen immer noch durch seinen sozialen Hintergrund vorgezeichnet ist. Das ist doch nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

So sollte es jedenfalls sein, wenn dabei nicht auch Traditionen, Denkweisen und Parteiprogramme, die in der Bildungspolitik übrigens ein starkes Gewicht haben, stärker als in anderen Politikbereichen, eine hohe Bedeutung hätten. Aber dass die Idee von der Bildungsgerechtigkeit und längerem gemeinsamen Lernen in Schleswig-Holstein und zunehmend bundesweit so viel Unterstützung findet, das ist vor diesem schwierigen Hintergrund ein großer Erfolg, auf den wir alle gemeinsam stolz sein können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

(Günter Neugebauer [SPD]: Die FDP war früher einmal eine Reformpartei! - Heiter- keit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ach, Herr Neugebauer, gehen Sie in Urlaub, Sie müssen sich ausruhen!

(Heiterkeit)

Vielleicht können wir uns jenseits aller Meinungsverschiedenheiten in einem Punkt einigen: Egal welche Bezeichnung an der Tür einer Schule steht, ob Gemeinschaftsschule oder Regionalschule, entscheidend ist, dass die Schülerinnen und Schüler Unterricht von hoher Qualität bekommen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Tobias Koch [CDU])

Frau Ministerin, da gibt es nun ein paar Punkte, bei denen man fragen muss, ob Sie hier nicht etwas nachbessern, nachjustieren müssen. Wenn in dem neuen Mitgliedermagazin der GEW - ich nehme einmal eine Quelle, bei der keiner behaupten kann, das sei ein großer Gegner der Gemeinschaftsschule - darauf hingewiesen wird, dass das Fremdsprachenangebot - ich meine jetzt die zweite Fremdsprache an den neuen Schularten - sowohl an der Regionalschule als auch an der Gemeinschaftsschule, faktisch schlechter ist als bislang an den Realschulen, wo viele, viele Schüler - das wird an Beispielen deutlich gemacht - Französisch als zweite Fremdsprache gewählt haben, gibt das zu denken.

Weil aber an den neuen Schularten dieses Wahlpflichtfach, für das man sich am Ende der sechsten Klasse entscheiden muss, von vornherein für vier Jahre belegt werden muss, ist das schlicht und ergreifend mit dem Problem verbunden, dass viele Schüler davor zurückschrecken, sich von vornherein für diesen langen Zeitraum für ein schwieriges Fach wie Französisch festzulegen. Da schreibt die Autorin in dem Artikel des GEW-Magazins, dass das zu einer massiven Verschlechterung des Angebotes in der zweiten Fremdsprache Französisch in den neuen Schularten Gemeinschaftsschule und Regionalschule führen wird.

Über solche Punkte kann man sich jenseits aller Unterschiede in den bildungspolitischen Grundsatzpositionen schnell einig werden. Da muss schleunigst nachgebessert werden, damit sie auch der ersten Schülerpopulation, den ersten Schülerjahrgängen, die diese neuen Schulmodelle durchlaufen, ein gutes, ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot liefern.

(Beifall bei der FDP)

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Ein letzter Punkt: Es darf nicht das passieren, was wir heute in einem Artikel der „Dithmarscher Landeszeitung“ lesen, nämlich weil Lehrer nicht da waren - so die Botschaft - in manchen Fällen ein Zivildienstleistender und in anderen Fällen ein EinEuro-Jobber Unterricht gehalten haben. Mit anderen Worten: Da wird wirklich etwas - pädagogische Hilfsarbeiter zum Mindestlohn - praktiziert, was in diesem Land zum Stopfen der überall aufgerissenen Löcher in der Unterrichtsversorgung nicht Platz greifen darf. Da gilt es, Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Ja, gern.

Herr Kollege Dr. Klug, habe ich die Position der FDPFraktion, die Sie hier dargelegt haben, so richtig verstanden, dass Sie die einzige Fraktion in diesem Haus sind, die sich nicht bei der Ausstattung und Entwicklung der zukünftigen Schulen engagiert, sondern die zurück zu den alten Schulen will, nämlich zur Realschule? Habe ich das richtig verstanden, dass das der Punkt ist, der Sie von den anderen Fraktionen hier im Haus unterscheidet?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch, da ha- ben Sie überhaupt nichts verstanden, sondern nur geschlafen!)

- Dann wiederhole ich das, was ich gesagt habe: Wir halten eine Weiterentwicklung des jetzt nach Ihren Vorgaben entstehenden Schulsystems für sinnvoll, weil dann in Zukunft neben den Gymnasien und neben den Gemeinschaftsschulen auch die Realschule als drittes mögliches Schulangebot - zumindest als Angebotsschule - wieder eine Chance bekommt. Das ist die Entwicklungsperspektive, die wir mittelfristig für attraktiver und lebensfähiger halten als den Dreiklang von Gymnasium, Gemeinschaftsschule und Regionalschule, den Sie vorgegeben haben, Herr Kollege Stegner. Diese Aussage habe ich vorhin getroffen, und ich wiederhole sie hier auf Ihre Frage hin gern.

Die eine Minute ist um, Herr Dr. Klug.

Wir glauben, dass wir damit auch bei den Bürgern auf mehr Zustimmung stoßen als Sie.

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP hat sich wieder einmal in wunderbarer Weise von allen schulpolitischen Perspektiven verabschiedet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie reduziert ihre Argumente immer darauf, dass in der Schule X oder Y Lehrermangel herrscht. Das ist nicht sehr schwierig; damit kann man populistisch immer Stimmen fangen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das ist aber lei- der Realität!)

Die Aussage beinhaltet im Grunde genommen: Lasst die Hauptschüler in die Gemeinschaftsschule gehen, damit die Realschüler pur und rein in ihrer alten Formation, die es im Übrigen in dieser Form nie gegeben hat, ins Paradies gelangen. Das ist wirklich purer Populismus für einen bestimmten Verband, der eine Volksinitiative startet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Erdsiek-Rave, ich möchte mich auf das beziehen, was Sie gesagt haben.

Erstens machen Sie sich offensichtlich Gedanken das begrüßen wir sehr -, wie man die Schulartempfehlung überwinden kann. Wenn wir an die KMK denken, wird das sicher sehr schwer werden. Es ist aber sehr mutig, dieses Thema anzugehen.

Zweitens haben Sie deutlich gemacht, dass Sie Probleme bei der akuten Umsetzung unseres Antrages sehen, weil Sie Unsicherheit in der Bevölkerung befürchten. Diesbezüglich kann man geteilter Meinung sein. Natürlich ist klar, dass dann, wenn eine Landesregierung sich zu solch einem weiteren Korrekturschritt entscheidet, mit großer Behutsamkeit vorzugehen ist. Das war auch der Grund, weswegen wir als Fraktion nicht gleich einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, sondern die Landesregierung zunächst zu einem nächsten Schritt aufgefordert haben. Man muss einen solchen Schritt sorgfältig bedenken und vor Ort auch sorgfältig darüber diskutieren. Den jetzigen Zeitpunkt halten wir dafür aber

(Dr. Ekkehard Klug)

für sinnvoll. Man weiß, dass es noch zwei Jahre dauert, bis die Fünft- und Sechstklässler die Phase erreichen, in der man sich in Bezug auf eine Regionalschule oder eine Gemeinschaftsschule entscheiden muss. Wir wollen diese Zeit nutzen.

Ich will in diesem Zusammengang einen dritten Punkt ansprechen. Wir müssen uns auch die Situation an bestimmten Schulstandorten vor Augen führen. An bestimmten Standorten kann es rein vom Einzugsgebiet her, wenn wir an die Entfernungen auf dem Lande denken, keine Gemeinschaftsschule geben, wenn sich nicht mehrere Schulträger in sinnvoller Weise einigen. Die dortigen Regionalschulen haben allein schon aus Gründen der Größe eine Entscheidung getroffen, die eigentlich nichts mit Schulphilosophie zu tun hat. Wir müssen uns also jeweils sehr genau anschauen, warum eine Schule zu einer Gemeinschaftsschule oder zu einer Regionalschule wird.

Was Motivation und Akzeptanz der Schulen angeht, so möchte ich hier ein Zitat des Bürgermeisters aus Handewitt sinngemäß wiedergeben. Er sagte: Ich gebe zu, dass es am Anfang nur darum ging, dass es an meinem Ort eine Schulart gibt, an der man auch das Abitur machen kann. Das war der Grundsatz. Ich habe mich dann aber mit der Schulphilosophie beschäftigt. Sie wissen ja, dass in Handewitt sogar das Förderzentrum integriert ist. Ich bin dann überzeugt worden und stehe jetzt auch inhaltlich ohne Wenn und Aber hinter dieser Schule. Das ist doch eine Revolution hier im Lande. - Daran möchten wir gern anknüpfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Damit ist der Antrag auf Drucksache 16/2162 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP und der Gruppe des SSW gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Bericht über die Ostseeaktivitäten der Landesregierung 2007/2008 (Ostseebericht 2008)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2132

Dazu erteile ich Herrn Europaminister Uwe Döring das Wort.