Wir haben eine lange datenschutzpolitische Diskussion, der sich gerade die öffentliche Hand sehr kritisch gestellt hat, ausgehend vom Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, das hohe Anerkennung gefunden hat und sich auch sehr breit durchgesetzt hat. Aber es ist in der Tat ein Unding, dass wir eine Situation in Deutschland haben, wo der Datenschutz gegenüber dem Staat mittlerweile eine sehr hohe Ausprägung gewonnen hat, wo aber Unternehmen meinen, die Segnungen dieses Staates an jeder Stelle entgegennehmen zu dürfen, aber in
keiner Weise eine Verpflichtung gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger zu haben.
Ich halte das Einwilligungsverfahren für richtig, und ich glaube, dass es sehr viel sinnvoller ist, so zu verfahren, als wie bisher mit dem Widerspruch. Denn für die Bürgerinnen und Bürger ist es ein großer Unterschied, ob sie sich die Mühe machen müssen, ausdrücklich der Weitergabe zu widersprechen, oder ob man um ihre ausdrückliche Zustimmung bitten muss.
An der Stelle will ich darauf hinweisen: Es gibt auch Stimmen, die davon reden, dass der Handel mit persönlichen Daten generell verboten werden soll. Ich bin der Meinung, Augenmaß ist gefordert; man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Aber wer zustimmt und einverstanden ist, dass die eigenen Daten genutzt werden, wer beispielsweise Werbesendungen und Angebote unbedingt bekommen möchte, der soll auch so verfahren können.
Das wird man sich in Zukunft wahrscheinlich etwas besser überlegen als in der Vergangenheit, aber ein generelles Verbot ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg.
Was die Verschärfung der Sanktionen anbelangt, so können die Bußgelder - der Innenminister hat das gesagt - bisher wohl kaum eine Abschreckungswirkung entfaltet haben. Zwar sind bis zu 250.000 € möglich, aber wenn sie die Unternehmen, die sehr viel höhere Gewinne machen, im Schnitt nur mit 2.200 € betreffen, dann ist das keine ernsthafte Abschreckung. Deswegen müssen wir zu anderen gesetzlichen Instrumentarien kommen, die wir ansonsten im Strafrecht mittlerweile auch kennen. Ich bin dafür, dass wir auch an dieser Stelle über Gewinnabschöpfung miteinander reden, weil das das Einzige ist, was die Unternehmen wirklich trifft. Das heißt, derjenige, der illegal mit persönlichen Daten gehandelt hat, soll daraus nicht auch noch einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen können, sondern ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil soll demjenigen, der hier illegal gehandelt hat, dann auch vollständig entzogen werden können. Hier brauchen die Strafverfolgungsbehörden neue Möglichkeiten.
Insgesamt möchte ich abschließend Folgendes sagen: Es nützt natürlich das allerschönste Gesetz überhaupt gar nichts, wenn es Menschen und Firmen gibt, die sich mit krimineller Energie über Recht und Gesetz hinwegsetzen. Deswegen ist es aus meiner Sicht von allergrößter Bedeutung, dass wir alle lernen, mit unseren Daten besonnener umzugehen. Wir haben es nämlich mit einem Phänomen zu tun. Auf der einen Seite hat es kaum eine Zeit gegeben, in der so viel und so intensiv über Datenschutz gesprochen, gesendet und geschrieben wurde wie heute. Auf der anderen Seite genügt ein kurzer Blick ins Internet um festzustellen, dass offensichtlich Millionen von Menschen bereit sind, Privates und sogar Intimes weltweit der Öffentlichkeit preiszugeben.
Ich wünsche mir an der Stelle ein neues Selbstbewusstsein und eine neue Zurückhaltung der Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht in Zukunft etwas mehr darüber nachdenken, was sie der Öffentlichkeit wirklich preisgeben wollen und in welchem Umfang es wirklich nötig ist, ihre ganz persönlichen Dinge im World Wide Web zu veröffentlichen. Ich denke, wir alle sollten darüber kritisch nachdenken. Und jeder, der das in diesem Hohen Haus noch nicht getan hat, möge vielleicht nur einmal den Versuch unternehmen und seinen Namen bei Google eingeben und sehen, was dort alles erscheint. Bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, ist das natürlich noch einmal eine ganz besondere Angelegenheit, aber das gilt auch für Privatpersonen. Es sind mittlerweile wahnsinnig viele Daten im Internet vorhanden, und wir werden mit allen Gesetzen nichts erreichen, wenn wir nicht das Bewusstsein der Menschen ändern, dass sie selber hier mit ihren eigenen Daten restriktiver umgehen. Das heißt: Bewusstsein, Verschärfung der Gesetze und ein deutlicher Appell an die Wirtschaft, sich an mindestens dieselben Datenschutzregeln zu halten, die für den Staat schon lange gelten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von dem englischen Dramatiker John Osborne stammt der Satz: „Der Computer ist die logi
sche Weiterentwicklung des Menschen: Intelligenz ohne Moral.“ Daran kann man durchaus erinnert werden, wenn man die jüngsten Datenschutzskandale betrachtet.
Mein Kollege Konrad Nabel hat vorgestern von einer sehr eindrucksvollen Erfahrung berichtet, die er bei der NORLA gemacht hat. Er war da nämlich für den Landtag und hat festgestellt, dass es äußerst schwer war, die Besucherinnen und Besucher davon zu überzeugen, beim Gewinnspiel des Landtags mitzumachen. Sie wollten nämlich ihre Adressen nicht herausgeben. Ich muss sagen, so ungerechtfertigt das Misstrauen in diesem Fall gerade bei Konni Nabel natürlich ist,
- das ist ja anders als bei Ihnen, - so ist es doch bemerkenswert und verständlich. Denn die Verunsicherung der letzten Wochen ist bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen. Wir müssen gesetzliche Regeln zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger schaffen, wir brauchen aber genauso eine größere Vorsicht jedes Einzelnen bei dem Umgang mit seinen persönlichen Daten. Ich will ausdrücklich dem beipflichten, was Kollege Wadephul gesagt hat. Wenn man sieht, was alles an Unfug im Netz vorhanden ist und wer sich dann auch noch darauf beruft - manchmal auch der eine oder andere aus diesem Haus -, dann kann man schon daran zweifeln, ob das alles nur Fortschritt ist und ob das nicht in Teilen einfach Datenmüll ist, der sich da wiederfindet.
Aber unabhängig davon muss man sagen, dass die Diskussion um den Datenschutz immer drei Ebenen hat. Zum einen geht es darum, welche Daten staatliche Stellen erheben dürfen und wie sie mit diesen Daten dann umgehen. Zum anderen geht es darum, was im privaten und im Wirtschaftsbereich mit Daten gemacht wird. Und letztlich geht es um den eigenen Umgang mit den Daten. All diese Fragen müssen sorgfältig geprüft und beantwortet werden.
Ich will zunächst damit beginnen zu sagen: Der Staat braucht Informationen. Viele Verwaltungsabläufe werden so erst möglich und lassen sich effektivieren. Vieles übrigens, was das Parlament fragt, lässt sich nur erheben, wenn man bestimmte Daten zum Beispiel durch die Regierung feststellen lässt. Wir brauchen auch Informationen, um Verbrechen vorzubeugen oder Täter zu ermitteln. Denken Sie etwa an Internetkriminalität oder Kinderpornografie. Ich sage aber auch, niemand von uns will unter
Zugriff auf informationstechnische Systeme durch die Sicherheitsbehörden und die Speicherung von personenbezogenen Daten sind kein Alltagsgeschäft. Sie bergen möglicherweise gewaltige Nebenwirkungen und können zu Dammbrüchen führen. Eine Einsicht übrigens, die uns Sozialdemokraten zu großer Vorsicht bei der Einführung neuer Befugnisse wie etwa bei der Online-Durchsuchung und der Ausgestaltung des BKA-Gesetzes bewegt. Eine dauerhafte Vorratsdatenhaltung von Fingerabdrücken von Millionen von Bürgern, die diese unter einen Generalverdacht stellen, schießt weit über das Ziel hinaus. Die Speicherung des Lichtbildes im öffentlichen Passregister ist die moderne und polizeitaktisch wie fachlich vernünftige und ausreichende Lösung. Sie ist vor allen Dingen auch verfassungsgemäß. Aber der Aufbau eines Zentralregisters würde alle Bürger als Verdächtige abstempeln. Auch hier sind also rote Linien einzuziehen und Kontrollmöglichkeiten zu schaffen.
Aber ich sage auch: So wie ich ein generelles Misstrauen gegen alle Bürger ablehne, so wende ich mich gegen ein generelles Misstrauen gegen staatliche Institutionen. Wir haben keinen Überwachungsstaat in Deutschland, und wir müssen immer den Ausgleich zwischen innerer Sicherheit und Bürgerrechten wahren und uns vor dem einen wie dem anderen Extrem hüten.
Anders sieht das in der privaten Wirtschaft aus. Hier gilt auch die Unschuldsvermutung, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen und in unser Handeln einbeziehen, welch starke wirtschaftliche Interessen hier vorhanden sind, Daten und Möglichkeiten der Kommunikations- und Informationstechnologie exzessiv zu nutzen. Es ist schwer, bei den modernen Informations- und Kommunikationstechniken, die viele von uns nur im Ansatz verstehen - und ich gebe zu, ich kann da mit meinen Söhnen nicht mithalten -, abzuschätzen, welche illegalen und halblegalen Möglichkeiten die Technik eröffnet. Innenminister Lothar Hay hat in seinem Bericht - wie ich finde - einiges erhellt, und ich will für die SPD-Fraktion ausdrücklich feststellen, dass die Aktivitäten von Frau Ministerin Trauernicht, Minister Uwe Döring und auch von Minister Lothar Hay ausdrücklich unsere Zustimmung finden.
Der durch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein aufgedeckte Skandal um illegalen Datenhandel und die davor bekannt gewordenen Spitzel- und Schnüffelattacken bei Lidl und Telekom gegenüber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Dritten sind ein Skandal und offenbar auch nur die Spitze des Eisbergs. Unternehmen haben die Pflicht, Persönlichkeitsrechte und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu respektieren und in ihrer Unternehmenspolitik anzuwenden. Das gebieten Rechtsstaat und Moral. Im Übrigen ist der Umgang mit Arbeitnehmern, der diese zu Kostenfaktoren degradiert und ihnen Würde, Privates und Rechte nimmt, für uns niemals akzeptabel. Das gehört für uns auch in das Kapitel gute Arbeit.
Viele Menschen - gerade, aber keineswegs nur die älteren - sind oft schon bei normalen Telefongeschäften nicht in der Lage, alle Feinheiten zu durchblicken. Geradezu widerlich ist die Praxis, besonders älteren, leicht zu verunsichernden Menschen, geschlossene Verträge vorzugaukeln und bei Nichteinhaltung Gerichtsvollzieher und Ähnliches anzudrohen. Deshalb müssen wir andere Maßnahmen ergreifen, die das Interesse, sorgfältig mit Daten umzugehen, erhöhen. durch mehr Transparenz, höhere Hürden, höhere Strafen und ein generelles Klima, das den illegalen Umgang mit Daten ächtet und ein sensibles Umgehen fördert. Ich glaube auch, das Datenschutz-Audit des ULD ist dazu ein guter Beitrag.
Zwei Punkte sind meines Erachtens essenziell: Zum einen müssen wir die Gewinnung und den Handel mit Daten erschweren. Wir brauchen dazu die Umkehr der jetzt üblichen Praxis der impliziten Zustimmung, sodass künftig eine ausdrückliche Zustimmung zur weiteren Datenverwendung notwendig wird. Auf gut Deutsch heißt das: Es soll nur erlaubt sein, was ausdrücklich gewünscht wird. Auch hier stimme ich dem Kollegen Wadephul zu. Das heißt nicht, dass wir die Menschen so weit reglementieren sollen, dass das, was sie ausdrücklich wünschen, verboten wird. Das ginge ein bisschen zu weit. Lothar Hay hat es deutlich zum Ausdruck gebracht: Meldeauskünfte müssen begrenzt werden. Ich finde es gut, dass sich Bundesinnenminister Schäuble vom Datenschutz-Saulus zum Datenschutz-Paulus wandelt, denn das, was auf dem Gipfel vereinbart worden ist, ist in unserem Sinne. Ich glaube übrigens, dass die Forderung des Bundesdatenschutzbeauftragten aufgegriffen werden sollte,
Wir müssen die Verbraucherschutzzentralen und die Rechte einzelner Verbraucher stärken. Wir müssen auch die Möglichkeiten gegen die sogenannten Cold Calls verbessern, von denen Minister Hay gesprochen hat. Das ist für die Absicherung der Verbraucher notwendig. Auch eine nachträgliche schriftliche Bestätigung ist unbedingt erforderlich. Ich glaube, es wäre auch gut, zu überlegen, inwieweit es richtig ist, dass bisher nur Wettbewerber, Abmahnvereine und so weiter im Rahmen des UWG dagegen vorgehen können.
Wir sollten uns aber auch überlegen, inwieweit Unternehmen, die qua Aufgabe mit sensiblen Daten umgehen müssen, überhaupt privat organisiert werden dürfen und damit Profitinteressen unterliegen. Zumindest aber sollten Unternehmen, die mit sensiblen Kundendaten umgehen, ihre Vertriebswege und ihren Service stärken.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen: Das, was die Telekom momentan im Zusammenhang mit den Datenskandalen macht, nämlich den Servicebereich zu schwächen, ihre Mitarbeiter zu brüskieren und solche Einrichtungen zu schließen, weist aus vielerlei Gründen in die falsche Richtung. Sie sollte auf motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen, denen das langfristige Firmeninteresse vor kurzfristige eigene Erfolgsmeldungen geht, die mit fragwürdigen Mitteln erreicht worden sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Sätze zum privaten Bereich sagen. Hier gibt es das wohl größte Problem. Daher gilt die Aufforderung, bei aller Bequemlichkeit sensibel mit den eigenen Daten umzugehen. Nicht jeder muss alles wissen. Es gilt auch, sensibel mit den Daten anderer umzugehen. Wir müssen sehen, inwieweit wir im Bundesdatenschutzgesetz in Bezug auf virtuelle Pranger, Scoring-Listen und ihre Manipulationsmöglichkeiten bis hin zum Finanzstatus in Internetdateien aktiv werden sollten. Wenn Sie sich das ansehen, was junge Leute dort zum Teil über andere schreiben und was man im Internet über andere lesen kann, dann untertreibt das Wort Pranger in virtueller Gestalt eher.
Zum Antrag der Grünen sage ich: Das, was die Grünen wollen, ist eigentlich in unserem Antrag enthalten. Ich finde allerdings, dass wir uns nichts vergeben, wenn dieser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird und dort mitberaten werden kann.
Datenschutz ist für uns kein lästiges Übel, sondern er ist konstitutiv für den Rechtsstaat. Ich ahne, was
Sie nachher dazu sagen werden. Daher sage ich: Für mich ist der Abgleich zwischen dem, was der Staat tun muss, und dem, was das Grundgesetz beim Abgleich zwischen innerer Sicherheit und den Persönlichkeits- und Verfassungs- und Freiheitsrechten gebietet, der eine Punkt. Hier kann man bei einzelnen Instrumenten unterschiedlicher Meinung sein. Im Bereich der Wirtschaft und im privaten Bereich ist das Problem deutlich größer. Herr Oppositionsführer, um Ihnen eine kleine Freude zu machen, will ich abschließend Lenin zitieren, weil das in Ihr Klischee passt. In Sachen Datenschutz gilt in der Tat: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir den Landesdatenschützer, Herrn Dr. Weichert, mit seinen Mitarbeitern. - Herzlich willkommen!
Für die Fraktion der FDP hat deren Vorsitzender und Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Fraktionsvorsitzender Stegner, ich weiß nicht, warum Sie glauben, mir eine Freude zu machen, wenn Sie Lenin zitieren. Ich bin heute aber auf Friedfertigkeit aus.