Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Es ist einerseits erfreulich, dass sich die wirtschaftlichen Akteure im Norden eindeutig hinter die Universität Flensburg stellen - Sie haben das auf einer Pressekonferenz der IHK erleben können -, dass der Wissenschaftsminister allen Versuchen, die Universität zu einer Pädagogischen Hochschule herabzustufen, entgegentritt und immerhin auch sofortige Finanzspritzen zugesagt hat.

Doch dies reicht nicht aus. Ein paar Hunderttausend sofort

(Jürgen Feddersen [CDU]: Was habt ihr denn gemacht?)

und 3,1 Millionen € für das Jahr 2009 können keinesfalls die angemahnten sieben Professuren und 13 Mitarbeiterstellen gewährleisten -

(Johannes Callsen [CDU]: Wo war denn ihr Engagement?)

- Ich weiß, das ist aufregend,

(Johannes Callsen [CDU]: Nein, das tut weh!)

aber hören Sie doch erst einmal zu. Wir sind in dieser Frage immer wieder tätig geworden. Insofern können Sie uns hier nicht Untätigkeit vorwerfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Susanne Herold [CDU]: Sie haben aber nichts erreicht!)

Noch einmal: Ein paar Hunderttausend sofort und 3,1 Millionen € für das Jahr 2009 können keinesfalls die angemahnten sieben Professuren und 13 Mitarbeiterstellen gewährleisten, die die Agentur gefordert hat. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen: Die Universität Flensburg hat fast überhaupt keinen Mittelbau. Das ist sehr ungewöhnlich für eine Universität und nicht gerade nachwuchsfreundlich. Hier muss etwas passieren, und zwar unabhängig davon, wie man diese Hochschule nennt.

In seiner Mitteilung vom 2. September 2008 verweist das Wissenschaftsministerium darauf, dass die Verhandlungen, die den Finanzrahmen für die nächsten fünf Jahre festsetzen sollen, noch laufen. Um der Universität Flensburg in diesen Verhandlungen den Rücken zu stärken, aber auch das Bildungsministerium zu ermutigen, für die Lehrerbildung an der Uni Flensburg angemessene Bedingungen einzufordern - schließlich um die Schulreform zu befördern -, stellen wir unseren Antrag.

Wenn die Landesregierung ihren gestern in den Haushaltsberatungen angekündigten Bildungs

schwerpunkt ernst meint, so darf sie die Universität Flensburg nicht im Regen stehen lassen. Für die Haushaltsberatungen im Landtag heißt dies, dass wir die Verpflichtung haben, für den Aushandlungsprozess zwischen Universität und Landesregierung einen angemessenen Rahmen bereitzustellen. Da schließe ich meine eigene Fraktion nicht aus. Denn ich weiß: Niemand hier im Hause kann Geld drucken. Aber wir können nicht sehenden Auges zulassen, dass hervorragende räumliche Rahmenbedingungen, die hier geschaffen wurden, konterkariert werden, weil die notwendige Personalausstattung fehlt. Ich hoffe, dass wir hier Unterstützung aus dem ganzen Haus erfahren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzender, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um die Zukunft der Universität Flensburg in den Sommerferien war dramatisch. Trotzdem kann man ihr auch Positives abgewinnen. Seit Jahren weisen wir nun schon in diesem Haus darauf hin, dass die nördlichste Universität des Landes hoffnungslos unterfinanziert ist.

Obwohl diese Einsicht wohl längst bildungspolitisches Allgemeingut ist, hat diese Regierung ebenso wie ihre roten und rot-grünen Vorgänger wenig unternommen, um Abhilfe zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es eine große Hilfe gewesen, dass sowohl die Akkreditierungsstelle in Hannover als auch der Universitätsrat - beide der regionalpolitischen Rücksichtnahme völlig unverdächtig - nun auch Klartext reden und Konsequenzen anmahnen.

Kein Bildungsexperte konnte über die Aussetzung der Akkreditierung des vermittlungswissenschaftlichen Studienganges wirklich überrascht sein. Die strukturellen Probleme der Hochschule sind seit Jahren bekannt und bereits im Bericht der Erichsen-Kommission nachzulesen.

Die dramatische Unterfinanzierung der Uni resultiert aus der historischen Entwicklung. Die Flensburger Universität konnte den Geburtsmakel als Pädagogische Fachhochschule nicht abstreifen, weil die dafür nötigen Investitionen und Stellenpläne nie vollständig umgesetzt worden sind.

(Angelika Birk)

Die mit der Bachelor/Master-Umstellung der Studiengänge erreichte Transparenz hat im Sommer die Probleme ins Licht gerückt. Die Prüfagentur hat genau hingesehen, hat nachgerechnet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Universität erhebliche Ausstattungsmängel hat. Der völlig unterdimensionierte Mittelbau und die Probleme in der wissenschaftlichen Buchversorgung sind für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer und für die zukünftigen Erwachsenenbildnerinnen und -bildner ein massives Problem. Das Gleiche gilt übrigens für alle anderen Studierenden an der Flensburger Universität, die gleichfalls Probleme in der Bibliothek haben und zu geringe Beratungskapazitäten beklagen.

Dass die Universität Flensburg mit Ihren Studiengängen so lange überlebt hat und Absolventen produziert hat, die sowohl in der Wirtschaft als auch im Staatsdienst gern gesehen sind, liegt nicht an der Landesregierung, sondern an dem enormen Engagement der Menschen vor Ort.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die anderweitig bekannte Spezies des Di-Mi-DoProfessors, der außerhalb der festen Sprechzeiten allenfalls im Golfclub oder im Yachthafen anzutreffen ist, hätte in Flensburg extrem schlechte Lebensbedingungen. Das hohe Aktivitätsniveau an der Uni Flensburg konnte nur deshalb gehalten werden, weil die Lehrenden ein außerordentlich großes Engagement zeigen. Sie haben nicht auf Arbeitszeiten und Gehälter geschielt, sondern Zeit und Herzblut in den Aufbau von Studiengängen engagiert. Sie haben mehr Lehre angeboten, als sie mussten. Sie erledigten selbst Aufgaben, für die es an anderen Hochschulen besonderes Verwaltungspersonal gibt.

Dieses besondere Engagement wurde nicht zuletzt in die Entwicklung von Kooperationsprojekten gesteckt. Mit Bordmitteln hat die Universität Flensburg eine breite Zusammenarbeit mit der Syddansk Universitet entwickelt und sich durch diese gemeinsame Plattform mit der dänischen Nachbaruniversität einen exzellenten Ruf erarbeitet; zuletzt mit der gemeinsamen Entwicklung des neuen, interdisziplinären Masterstudiengangs „Kultur-SpracheMedien“, der interkulturelle Wissensvermittlung und Medienarbeit verknüpft.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und verein- zelt bei der SPD)

Diese Studiengänge können ohne Weiteres - so füge ich in Klammern hinzu - mit dem mithalten, was

aus der Øresund-Region immer gern als Vorbild gemeldet wird. In Schleswig-Holstein haben wir mit diesen internationalen Studiengängen wirklich etwas ganz Besonderes. Das wird leider immer noch gern vergessen und nicht genügend gewürdigt.

Nicht ohne Grund hat die regionale Wirtschaft längst die wissenschaftliche Aufbereitung betriebswirtschaftlicher, personaltechnischer und verfahrenstechnischer Fragen an der Universität Flensburg schätzen gelernt.

Gerade weil die Uni Flensburg ohne die beiden Standbeine Wissensvermittlung und grenzüberschreitende Studiengänge nicht denkbar ist, warne ich sehr davor, Teile und Leistungen dieser Universität gegeneinander aufzurechnen und gegeneinander auszuspielen.

(Beifall der Abgeordneten Susanne Herold [CDU])

Die Universität ist als Gesamtkomplex zu verstehen, nicht als eine Ansammlung von Instituten. Nicht ein Teil der Universität hat ein Problem, wie der Antrag der Grünen unterstellt, sondern die gesamte Universität wird in ihrer Existenz infrage gestellt.

Die Universität ist, wäre sie ein Auto, zu schwach motorisiert. Es reicht nicht, an einen Kleinwagen einfach ein Porsche-Emblem zu schrauben. Vielmehr muss es darum gehen, durch erhebliche Investitionen dauerhaft und nachhaltig dafür zu sorgen, dass der Wagen, immerhin mit mehr als 4.200 Studierenden voll besetzt, einen leistungsstarken Motor und ein stabiles Fahrwerk bekommt, damit er nicht gleich bei der kleinsten Steigung aus der Puste kommt. Der Antrag der Grünen stellt vor diesem Hintergrund eine isolierte Einzellösung dar. Ohne Zweifel weist die Universität Flensburg allerbeste Kompetenzen in den Vermittlungswissenschaften auf, die bundesweit nachgefragt werden; aber die Wissensvermittlung darf niemals die einzige Kompetenz der Uni bleiben. Sie muss ein breites Profil haben, um den Hochschulstandort Flensburg nachhaltig zu sichern.

Sowohl der Universitätsrat als auch die Akkreditierungsstelle haben klar zu verstehen gegeben, dass es für die Universität nur zwei Optionen gibt: Entweder sie wird zur reinen Lehrerbildungsanstalt zurückgestuft und kommt dann mit den vorhandenen Mitteln aus, oder sie wird konsequent zur lehr- und forschungsstarken Universität ausgebaut und erhält dafür die entsprechenden Ressourcen. Eigentlich ist dieser Beschluss ja schon einmal gefällt worden. Nachdem die Erichsen-Kommission ihr Gutachten

(Anke Spoorendonk)

vorgelegt hat, in dem sie gerade diese vermittlungswissenschaftliche Schwerpunktsetzung vorschlägt, hat sich die Landesregierung dieses Ziel zu eigen gemacht - bei gleichzeitiger Berücksichtigung der internationalen Studiengänge.

Die Reaktionen im Sommer haben deutlich gemacht, dass nach wie vor niemand die Rückstufung zur PH wünscht. Deshalb gibt es in dieser Situation nur eine Konsequenz: Butter bei die Fische! Die Landesregierung hat bereits 600.000 € Soforthilfe für das Wintersemester versprochen und will ab 2009 1,4 Millionen € mehr auf den Tisch legen, um die Lehrerausbildung abzusichern. Das ist ein wichtiger Schritt, aber er ist zu kurz.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der SSW fordert eine dauerhafte solide Finanzierung der gesamten wissenschaftlichen Arbeit der Uni Flensburg. Nur auf einem breiten personellen Fundament können die Institute und Abteilungen langfristig den Anforderungen des Wissenschaftsbetriebes genügen. Der SSW stimmt dem Landesrechnungshof vorbehaltlos zu, der ein langfristiges und tragfähiges Konzept für die anstehenden Investitionen an der Flensburger Universität einfordert. Die Universität benötigt eine langfristige Perspektive, nicht nur aus Verantwortung gegenüber den Studierenden. Aber wenn die Uni Flensburg die gleiche Ausstattung haben soll wie andere vergleichbare Hochschulen, dann müssten nach Aussage der Universität zum bisherigen Landeszuschuss von rund 14 Millionen € pro Jahr zwischen 2,7 und 6 Millionen € hinzukommen.

Es wäre an der Zeit, dass der Landtag und die Landesregierung klar beschließen, dass es eine Gleichstellung der Universität Flensburg mit anderen vergleichbaren Hochschulen in Norddeutschland geben muss. Das wäre die richtige Basis, um gemeinsam mit der Uni zu ermitteln, wie groß die Lücke ist. Wir werden uns im Rahmen der Haushaltberatungen dafür einsetzen, dass wir diesem Ziel in den nächsten Jahren - wir können es nicht auf einmal; das steht fest - einen deutlicher Schritt näher kommen.

Der SSW wird weiterhin für die Universität Flensburg kämpfen. Dabei freut es uns besonders, den Segen des ehemaligen Wissenschaftsministers Dietrich Austermann zu haben. Er hat mir in Verbindung mit seinem Abgang geschrieben, dass die Universität Flensburg ihm Sorge bereitet und dass sie engagierte Vorkämpfer braucht, um ihre zukünf

tige Entwicklung zu sichern. Dieser Bitte kommen wir selbstverständlich auch in Zukunft gern nach.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat die Frau Abgeordnete Susanne Herold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Birk, zunächst einmal bedanke ich mich herzlich dafür, dass Sie Ihr Herz für die Flensburger Universität entdeckt haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glauben Sie doch nicht im Ernst!)

Es hätte mich sehr gefreut, wenn das schon zu Zeiten Ihrer Regierungsbeteiligung passiert wäre. Dann stünde die Flensburger Universität heute nicht so da, wie sie zurzeit dasteht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne uns wäre sie keine Univer- sität! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie ist ei- gentlich auch keine!)

Die Universität Flensburg bleibt Universität und als solche eigenständig.

(Beifall bei der CDU)

Der Landeszuschuss von jährlich 13,6 Millionen € wird ab 2009 um etwa 10 % erhöht. Des Weiteren stellt das Wissenschaftsministerium sofort 600.000 € zur Verfügung, um notwendige personelle Veränderungen vor Ort einleiten zu können. Der geplante Erweiterungsbau auf dem Campus soll 2010 beziehungsweise 2011 fertig gestellt sein. Flankierend wird die Stadt Flensburg 2010 mit der Errichtung eines neuen Hallenbades auf dem Campus beginnen, was zu einer besseren Ausbildungssituation der Sportlehrer führen wird.