Protokoll der Sitzung vom 29.01.2010

haben selten so engagiert über ein europapolitisches Thema gesprochen. Ich glaube, schon das ist ein Erfolg des Antrags.

Herr Herbst, natürlich reizt mich Ihre Kritik an dem Antrag zu der einen oder anderen Gegenrede, auch wenn das jetzt vielleicht zu fortgeschrittener Stunde am Freitagmittag nicht ganz so gern gesehen wird. Aber das eine oder andere muss man doch noch einmal geraderücken.

Zu Herrn Jezewski möchte ich sagen - der ist jetzt gar nicht mehr hier -: Natürlich haben wir eine Vision von Europa. Ich glaube, wir haben die schon sehr viel länger, eindeutiger und klarer formuliert als die Partei DIE LINKE das bislang zum Thema Europa gemacht hat. Die ganzen Aktivitäten gerade aus Schleswig-Holstein heraus, was parlamentarische Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit der Gremien im Ostseeraum angeht, haben dazu beigetragen, die Ostsee zu einem wirklichen Meer des Friedens und der Zusammenarbeit zu machen. Ich habe viel Erfahrung in der parlamentarischen Auseinandersetzung im Ostseeraum, und es trägt wirklich zu einem länderübergreifenden Verständnis bei, wie wir das in anderen Regionen selten haben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und SSW)

Ich freue mich natürlich auch sehr über die Unterstützung der Kollegin Spoorendonk zur parlamentarischen Auseinandersetzung mit dem Thema, weil mein Eindruck auch der ist, dass es natürlich nicht sein kann - so wie der Kollege Herbst das gesagt hat -, dass wir warten, bis die Regierung uns hier etwas vorlegt. Es ist im Gegenteil Aufgabe des Parlaments, unsere Schwerpunkte zu benennen und zu sagen, an welchen Stellen aus unserer Sicht die Ostseestrategie weiter verfolgt werden soll. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, sich mit einem Sammelsurium von Projekten zu beschäftigen, sondern ich halte es für absolut wichtig - gerade für ein Land wie Schleswig-Holstein - Leitprojekte zu definieren, an denen wir die Umsetzung der Ostseestrategie auch ganz deutlich machen.

Natürlich ist diese Ostseestrategie genau der richtige Weg, um Doppelstrukturen abzubauen. Es geht gerade bei dieser Ostseestrategie darum, keine Doppelstrukturen entstehen zu lassen.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin. Danke schön.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Antje Jansen [DIE LINKE])

Vielen Dank, das ist sehr nett. Es geht gerade nicht darum, Doppelstrukturen aufzubauen, es geht auch nicht darum, bei der Knappheit der öffentlichen Kassen, die wir haben, Geld an vielen verschiedenen Stellen für die gleichen Ziele auszugeben. Meine Erwartungshaltung an die Landesregierung ist ganz klar, dass sie sich auch auf den Weg der Umsetzung macht, um finanzielle Ströme zu bündeln, die Dinge, die wir in Landesprogrammen festhalten, auf die Ziele der Ostseestrategie zu bündeln, so dass wir dort Synergieeffekte haben und die Dinge entsprechend zielgerichtet umsetzen können.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir alle diese Punkte im Europaausschuss weiter diskutieren, weil es für Schleswig-Holstein von enormer Wichtigkeit ist, in der Konkurrenz der Großregionen - in der Nordsee entsteht auch so eine Region, und auch die Donauregion -, noch einmal klar und deutlich zu machen, wo unsere Zielsetzungen, unsere Schwerpunkte sind und wie wir als Schleswig-Holstein, als Land zwischen den Meeren, dort ein eigenes Profil gewinnen können und daraus eine Dynamik für unsere weitere Entwicklung ziehen können.

Ich glaube, wir haben genug Stoff, den wir weiter im Europaausschuss diskutieren können. Ich freue mich auf die Debatte dort.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Landesregierung hat Herr Ministerpräsident Carstensen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal, Frau Langner, muss ich den Kollegen Herbst etwas in Schutz nehmen. Er hat nämlich nicht gesagt, dass man warten soll, bis die Regierung etwas vorlegt, sondern Kollege Herbst hat ganz deutlich gesagt, dass die Debatte darüber im Ausschuss geführt wird und unsere Fraktion dazu sicher noch einiges einbringt. Das bereichert, und ich glaube, das ist doch Sinn einer solchen Debatte. Im Grunde genommen sind wir uns doch darüber einig, was wir dort zu tun haben.

(Anette Langner)

Ich gestatte mir eine Anmerkung zu Herrn Jezewski. Ich sehe ihn jedoch nicht.

(Zuruf von der LINKEN)

- Das sagen Sie. Entschuldigen Sie einmal. Er hat geredet und im Grunde genommen gehört es sich, dass man auch bei anderen, die zum selben Thema reden, zuhört. Aber das kann man ja noch lernen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Er hat von den Visionen gesprochen, die 1948 dort gewesen sind, und von der Unfähigkeit von Regierung, so etwas umzusetzen.

Meine Damen und Herren, ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Ich bin sehr stolz darauf, dass es Bundeskanzler wie Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl gegeben hat, die bei uns Visionen umgesetzt haben und ich 63 Jahre alt werden kann wenn ich meinen Geburtstag in vier Wochen erlebe -, ohne dass ich einen Krieg erlebt habe. Ich glaube, das ist eine tolle Leistung dieser Bundeskanzler und dieser Regierungen gewesen. Das nur vorweg. Ich glaube, dies sollten wir ruhig einmal sagen.

Zur Diskussion stehen die Ostseestrategie und die Aufforderung an die Landesregierung, hier tätig zu werden. Wir brauchen dazu keine Aufforderung. Die Ostsee ist für Schleswig-Holstein ein ausgesprochen natürliches Handlungsfeld. Die Landesregierung hat sich konstruktiv und erfolgreich in den Konsultationsprozess zur EU-Ostseestrategie eingebracht. Zwei Anliegen standen dabei im Vordergrund - Frau Langner ist darauf eingegangen -, zum einen die Meerespolitik mit der Initiative Clean Baltic Shipping, zum anderen die OstseeIdentität mit der Initiative für ein Ostseegeschichtsbuch. Beide Initiativen haben Eingang in den Aktionsplan gefunden.

Die Ostseestrategie dient 15 Prioritäten. Uns war es immer besonders wichtig, den Ostseeraum zu einer Modellregion für saubere Schifffahrt zu entwickeln. Gerade wir Schleswig-Holsteiner haben uns dafür stark gemacht, dass dieses Ziel fest verankert wird, und das haben wir auch erreicht. Damit den gesetzten Prioritäten der Ostseestrategie auch Taten folgen, sind jeweils bestimmte Mitgliedsstaaten für die Umsetzung zuständig. Für die Priorität „Saubere Schifffahrt“ hat Dänemark die Verantwortung übernommen. Die Staatskanzlei wird sich an der Umsetzung der Projekte und Aktionen in diesem Prioritätenfeld aktiv beteiligen.

Wir haben den Vorsitz in der BSSSC-Arbeitsgruppe Meerespolitik. BSSSC - das sei noch einmal al

len gesagt - steht für Baltic Sea States Subregional Co-operation, ein politisches Netzwerk in der Ostseeregion.

Daneben unterstützen wir die Entwicklung des INTERREG-Projekts „Green Ferries“. Mit ihm setzen wir auf transnationale Zusammenarbeit, mit ihm greifen wir die Clean-Baltic-Shipping-Initiative auf. Hier winken 75 % europäische Fördermittel. Ich meine, das ist ein förderwürdiges unterstützenswertes Projekt.

Meine Damen und Herren, die Initiative für ein Ostseegeschichtsbuch wurde ebenfalls in den Aktionsplan zur Ostseestrategie aufgenommen. Ich halte das für gut und wichtig. Denn Herkunft und Zukunft sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir mit einer gemeinsamen Politik für den Ostseeraum Erfolg haben wollen, dann müssen wir die Menschen an der Ostsee dafür gewinnen. Je mehr Bedeutung große Regionen in der europäischen Politik bekommen, um so wichtiger ist, die gemeinsame Identität zu stärken. Was legt bei uns mehr Zeugnis ab, wenn nicht unsere gemeinsame Kultur und Geschichte? Das zu dokumentieren und klarzustellen kann nur von Vorteil sein.

Der Ostseeraum ist ein Raum, der viel miteinander verbindet. Deshalb unterstützen wir die Entwicklung eines Konzeptes für das Ostseegeschichtsbuch und helfen bei der Akquirierung von Finanzierungsquellen. Gleichzeitig unterstützen wir die Entwicklung eines INTERREG-Projekts.

Die gemeinsame Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit im Ostseeraum fördert das gegenseitige Verständnis. Sie trägt auf diesem Weg dazu bei, auch Handelshemmnisse zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten des Ostseeraums weiter zu fördern. Das EU-Ostseeprogramm, besser bekannt unter der Bezeichnung INTERREG, ist in diesem Zusammenhang ein wertvolles Instrument. Es ist ein Instrument, das die Landesregierung weiterhin nutzen wird, zumal die Kofinanzierungsmittel für Projekte nicht die Landeskasse belasten, sondern von den Projektbeteiligten zu tragen sind.

Natürlich beschränken wir uns im Rahmen der Ostseezusammenarbeit nicht nur auf diese Vorzeigebeispiele. Die EU-Ostseestrategie beabsichtigt, die spezifischen Chancen der Region gezielt und gemeinsam zu nutzen und für die besonderen Herausforderungen der Region auch gemeinsame Lösun

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

gen zu finden. So kann sich die Region einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Davon wollen auch wir profitieren.

Ich habe mich beim Bund und in Kopenhagen dafür eingesetzt, dass wir gerade in dem Bereich, den Anke Spoorendonk angesprochen hat, nämlich die Kooperation auf dem Arbeitsmarkt, Fortschritte erzielen bei der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen. Auch hier sind Ergebnisse absehbar. Wir hoffen, dass im kommenden Sommer eine gemeinsame Erklärung über die generelle Vergleichbarkeit der Berufsabschlüsse unserer beiden Länder vom Bund und von Dänemark unterzeichnet wird.

(Beifall beim SSW)

Meine Damen und Herren, was die SPD-Fraktion ansonsten an Initiativen fordert, findet sich bereits in den bereits beschlossenen Prioritäten des Aktionsplans zur Ostseestrategie wieder. Die Koordinierung der Umsetzung obliegt, wie gesagt, einzelnen Mitgliedstaaten, die bereits benannt sind. Diese Landesregierung wird die Mitwirkung daran im Interesse Schleswig-Holsteins und mit Blick auf die personellen und finanziellen Ressourcen prüfen und nach Kräften unterstützen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aufgrund der Redezeit des Ministerpräsidenten haben alle Fraktionen das Recht auf einen weiteren Beitrag von eineinhalb Minuten. Falls dies nicht gewünscht wird, kommen wir zur Abstimmung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Wer dem zustimmen will, dass die Drucksache 17/159 an den Europaausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Tagsordnungspunkt 28 erledigt und der Antrag an den Europaausschuss überwiesen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

Clearingstellen für junge Flüchtlingsopfer

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW Drucksache 17/178 (neu)

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/212

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort hat der Herr Abgeord

nete Ulrich Schippels von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorgestern haben wir der Opfer des Faschismus gedacht, den vielen Menschen auch aus SchleswigHolstein, die den Verbrechen und dem Völkermord der Nazis zum Opfer gefallen sind. Viele Verfolgte hatten damals vergeblich versucht, Asyl in anderen Ländern zu erhalten. Ihnen wurde oftmals die Einreise verwehrt. Schutzlos blieben sie der nationalsozialistischen Willkür ausgesetzt.

Nicht zuletzt diese schreckliche Tatsache führte dazu, dass im Grundgesetz das Grundrecht auf Asyl verankert worden ist. In der Praxis ist dieses Asylrecht immer weiter eingeschränkt worden, zuletzt auch durch die europäische Integration, Stichwort Schengener Abkommen.

Ich persönlich messe den Zustand einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Mitglieder umgeht. In der Debatte zu diesem Thema am 27. Februar 2008 hat der damalige Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Folgendes ausgeführt. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:

„Durch den Umgang mit Fremden, so hat uns mancher Philosoph gesagt, entscheidet sich erst, wie human, wie zivilisiert eine Gesellschaft ist.“