Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, SSW und des Ab- geordneten Peter Lehnert [CDU])

Wo liegt eigentlich die Bedrohung für unseren Staat, wenn ein Mensch in Deutschland zwei Staatsangehörigkeiten hat? Wir leben doch in einer zunehmend globalisierten und zusammenwachsenden Welt.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Andere Staaten haben kein Problem mit der Mehrstaatlichkeit, und auch Deutschland hat zum Beispiel kein Problem mit der Mehrstaatlichkeit bei Deutsch-Amerikanern und Spätaussiedlern, die neben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit die polnische oder die russische behalten haben.

Auf der Homepage des Bundesministeriums des Inneren kann man dazu lesen:

„Mehrstaatlichkeit ist jedenfalls auch heute schon keine Seltenheit mehr; besondere Probleme sind durch Mehrstaatlichkeit nicht entstanden.“

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Deshalb begrüße ich die Absicht der Bundesregierung, die Erfahrungen mit den ersten Optionsfällen auf möglichen Verbesserungsbedarf sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiellrechtlicher Hinsicht zu prüfen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu erarbeiten.

Es ist an der Zeit, die Staatsbürgerschaftsfragen zu entideologisieren.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das gilt ganz besonders für die Frage der Mehrstaatlichkeit. Es ist schon gesagt worden: Kinder binationaler Ehen sind Mehrstaatler, Spätaussiedler und ihre Kinder dürfen Mehrstaatler sein, und mehr als die Hälfte aller Einbürgerungen finden unter Hinnahme von Mehrstaatlichkeit statt.

Wir brauchen Ausländerinnen und Ausländer, die Ja zu Deutschland sagen und die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und des Abgeordne- ten Peter Lehnert [CDU])

Es liegt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass integrierte Ausländerinnen und Ausländer sich einbürgern lassen und ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten. Auch und gerade deshalb wird sich die Konferenz im März damit befassen, wie der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit attraktiver gestaltet werden kann. Diesen Weg gilt es weiter zu beschreiten, auch wenn es vielleicht ein beschwerlicher Weg ist. Ich bin mir sicher, dass die angekündigte Evaluation der Bundesregierung die hier heute nur angerissenen Argumente liefern wird, die in der Folge zu einer Veränderung der Sicht auf die Optionspflicht führen werden.

Befürworter gibt es mittlerweile quer durch alle Parteien. Ich erwarte, dass am Ende die besseren Argumente für die Abschaffung der Optionspflicht sprechen werden.

(Anhaltender Beifall bei FDP, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, SSW und des Abgeordneten Peter Lehnert [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Zurufe)

- Können wir dann zum Abstimmungsverfahren kommen? - Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Ferner ist beantragt worden, über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, der ein Berichtsantrag für die 7. Tagung ist, in der Sache abzustimmen. Dazu mache ich die geschäftsleitende Bemerkung, dass wir diesen Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP zu einem selbstständigen Antrag erklären müssen. - Ich sehe keinen Widerspruch, dann stelle ich fest, dass der Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/308, ein selbstständiger Antrag ist, über den wir dann zum Schluss abstimmen werden. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Wir können gemeinsam abstimmen über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/253 - das ist der Hauptantrag -, und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/286. Es ist Überweisung an den Innenund Rechtssausschuss beantragt worden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist

(Minister Emil Schmalfuß)

einstimmig beschlossen, die beiden Anträge an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

Wir stimmen dann über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/308, ab. Wer diesem Änderungsantrag, der ein Berichtsantrag ist, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 41 auf:

Resolution - Für ein friedliches und solidarisches Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/274

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW Drucksache 17/329

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ulrich Schippels.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es vielleicht ungewöhnlich ist, möchte ich doch jetzt, weil es auch inhaltlich passt, dem Minister, auch wenn er jetzt gegangen ist, für seinen eben gehaltenen Redebeitrag danken.

Meine Damen und Herren, jedes Frühjahr marschieren Neonazis aus ganz Norddeutschland durch Lübeck. 65 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ist das die traurige Realität. Die Anzahl organisierte Faschistinnen und Faschisten nimmt auch in Schleswig-Holstein leider zu, auch ihre menschenverachtenden Aktivitäten.

Vor wenigen Tagen ist ein Buchladen erneut Zielscheibe eines Angriffs geworden. Es wurden alle Fensterscheiben, nun schon zum dritten Mal, eingeschmissen. Da die Polizei und der Verfassungsschutz keine entsprechenden Täter ermitteln konnten, wird diese Straftat in den Statistiken wahrscheinlich nicht als rechtsextreme Straftat geführt werden.

Vor einigen Wochen ist mit scharfer Munition auf ein alternatives Wohnprojekt beziehungsweise alternatives Zentrum in Kiel geschossen worden. Auch hier gibt es bisher keine offiziellen Erkenntnisse, obwohl eigentlich mehr als deutlich ist, aus welcher Ecke die Schüsse kamen.

Letztes Jahr haben Faschisten in Kiel einen Balletttänzer schwer verletzt. Er ist immer noch nicht in der Lage, seinen Beruf auszuüben, und wird es wohl auch nie wieder sein. Sein Vergehen: Er sah nicht deutsch genug aus. Das reicht heute hier in Schleswig-Holstein, um geschlagen und getreten zu werden.

Dies sind nur einige wenige Ereignisse aus Kiel. Ähnliches gibt es leider auch aus anderen Regionen in Schleswig-Holstein zu berichten. Immer öfter treten Faschistinnen und Faschisten auch öffentlich auf, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten, an Infoständen, auf Demonstrationen, durch Flugblätter und Aufkleber.

Wir freuen uns, dass es in Dresden ein breites plurales Bündnis gegeben hat, welches sich erfolgreich den Faschistinnen und Faschisten entgegengestellt hat. Wir freuen uns, dass es in Dresden gelungen ist, den Aufmarsch der Rechten zu stoppen. Wir hoffen, dass uns das in diesem Jahr auch in Lübeck gelingen wird. Denn Faschismus, meine Damen und Herren, ist keine Meinung, Faschismus ist und bleibt ein Verbrechen.

Wir freuen uns insbesondere, dass auch die Fraktionen von CDU und FDP sich hinter das Lübecker Bündnis stellen. Aber es gibt hier im Landtag bei aller Gemeinsamkeit auch unterschiedliche Sichtweisen. Wir sind der Meinung, dass unserer Resolutionsentwurf genau dem entspricht, was die vielen Tausend antifaschistischen Demonstrantinnen und Demonstranten in Lübeck wollen.

In den letzten Jahren hat es schon Erfolge gegeben. 2006 konnten die Neonazis nicht in der Lübecker Innenstadt marschieren. 2007 konnte eine Kundgebung der Ewiggestrigen auf dem Lübecker Kohlmarkt verhindert werden. Auch 2008 konnten die Rechten nicht ohne Probleme durch Lübeck laufen. Dies ist nicht durch Lichterketten - so wichtig sie auch sind - erreicht worden, sondern dadurch, dass viele Demokratinnen und Demokraten zivilen Ungehorsam geleistet haben, dadurch, dass sie sich den Faschistinnen und Faschisten in den Weg gestellt haben.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gemeinsame Bündnis in Lübeck, das sind unter anderem die Kirchen, das ist der Deutsche Gewerkschaftsbund, schreibt dazu in seinem Aufruf - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Wir werden die Straßen Lübecks nicht den Nazis überlassen. Gleichzeitig suchen wir

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

nicht die Auseinandersetzung mit der Polizei. Neben Kundgebungen und Menschenketten halten wir besonnene und entschlossene Sitzblockaden auf der Aufmarschroute der Nazis für ein geeignetes Mittel, dafür zu sorgen, dass diese alljährlichen Aufmärsche in Zukunft unterbleiben.“

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Soweit das Zitat. Wir fühlen uns im Konsens mit dem Bündnis und wir fühlen uns diesem breiten Bündnis gegen Rechts verpflichtet.

Zwei Punkte möchte ich noch hervorheben. Zum Ersten: Weder wir noch das Bündnis in Lübeck möchten eine Auseinandersetzung der Demonstrierenden gegen die Polizei, sondern gegen die Faschistinnen und Faschisten.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Zweiten: Auch eine gelungene antifaschistische Demonstration, ein Verhindern des Aufmarsches der Rechten ist nur ein kleiner Schritt. Es bedarf in meinen Augen zweierlei, um wirksam gegen Antisemitismus und Rassismus vorzugehen. Wir brauchen zum einen administrative Maßnahmen, eine konsequente Politik gegen Rechts, übrigens auch einen Rückzug der V-Leute aus den rechten Strukturen und einen Verbotsantrag gegen die NPD. Zum anderen brauchen wir ein anderes gesellschaftliches Klima im Land. Wir werden den braunen Ungeist nur los, wenn wir in unserem Land eine solidarische, nicht auf Ausgrenzung und Ellbogenmentalität beruhende politische Kultur etablieren. Das ist die Voraussetzung, um der rechten Ideologie den Nährboden zu entziehen. Und davon sind wir leider noch meilenweit entfernt.

Bezüglich der vorliegenden Anträge wünsche ich mir deshalb eine alternative Abstimmung.

Lassen Sie mich zum Schluss ein letztes persönliches Wort sagen. Auch wenn wir uns nicht einig sind, ich freue mich darüber, dass der Landtag heute, so hoffe ich zumindest, einen Antrag verabschieden wird, der den antifaschistischen Demonstrantinnen und Demonstranten in Lübeck für den 27. März den Rücken stärkt.

(Beifall bei der LINKEN, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.