Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat dem Sozialausschuss die Anträge Drucksachen 17/22 und 17/37 mit Beschluss vom 20. November 2009 zur Beratung überwiesen. Diese hat der Ausschuss in seiner Sitzung am 21. Januar 2010 beraten. Die Fraktionen von CDU und FDP haben einen eigenen Antrag in die Beratung eingebracht. Der Ausschuss gibt folgende Beschlussempfehlung ab:
Erstens. Mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bei Enthaltung von SPD und der LINKEN wird die Ablehnung des Antrages Drucksache 17/22 empfohlen.
Zweitens. Mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW wird Ablehnung des Antrages Drucksache 17/37 empfohlen:
Drittens. Im Rahmen des Selbstverfassungsrechts wird mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW die Annahme des folgenden Antrages empfohlen.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag unterstützt die Landesregierung in ihrem Einsatz, die Neuorganisation des SGB II verfassungsfest, bürgerfreundlich und zeitnah zu gestalten. Der Landtag befürwortet dabei die Ergebnisse der Sonderkonferenz der 86. Arbeitsund Sozialministerkonferenz vom 14. Dezember 2009. Der Landtag hält es für geboten, dass es bei der Ausgestaltung zu keiner Finanzverschiebung zulasten von Ländern und Kommunen kommt. Ebenso müssen die Mitwirkungsrechte der Länder und Kommunen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestärkt werden. Aus Sicht des Landtages besteht zudem die Notwendigkeit, das Optionsmodell (SGB II-Experimentierklausel) in seiner bisherigen Ausgestaltung zu entfristen sowie weiteren Kommunen die Möglichkeit zu geben, zu optieren.“
Herr Berichterstatter, ich danke Ihnen. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Dann kommen wir jetzt zur Aussprache. Ich erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Drei Monate sind vergangen, seitdem wir Grünen einen Antrag zur unverzüglichen Neuordnung der Trägerschaft im SGB II eingebracht haben. Drei kostbare Monate! Ich frage Sie: Was ist seitdem passiert? Viele Gespräche, viele Presseerklärungen und viele Ausschusssitzungen. Eine Lösung hat die Regierung noch nicht gefunden. Sie hat allerdings nur noch bis Ende dieses Jahres Zeit für eine gesetzliche Neuordnung. Das ist schon für eine einfachgesetzliche Regelung knapp bemessen. Bei einer Änderung des Grundgesetzes grenzt die Tatenlosigkeit der Bundesregierung und der sie tragenden Bundestagsfraktionen an Harakiri.
Unsere grüne Bundestagsfraktion hat im Dezember einen Gesetzentwurf eingebracht, der verfassungsfest und finanzkonform die Trägerschaft in SGB II neu ordnet.
Dieser Gesetzentwurf liegt in den Bundestagsausschüssen. Da liegt er ja auch gut. Im Januar wurde die Chance, inhaltlich darüber zu beraten, bereits vertan. Das finde ich unverantwortlich. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen rückt näher. Ich hoffe doch sehr, dass damit auch eine Lösung näher rückt.
Richtungswechsel gab es in der Debatte über die Verfassungswidrigkeit der ARGEn jede Menge. Olaf Scholz, seines Zeichen damals SPD-Arbeitsminister, wollte mit den Zentren für Arbeit und Grundsicherung eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung unter Führung der BA durchsetzen. Er wurde von der Riege der Ministerpräsidenten Beck und Rüttgers jäh ausgebremst. Ursula von der Leyen, amtierende CDU-Bundesarbeitsministerin, wollte eine getrennte Trägerschaft von Kommunen und ARGEn in der Hoffnung, diese Variante käme ohne eine Grundgesetzänderung aus.
Die getrennte Aufgabenwahrnehmung - ich sage das hier noch einmal ganz deutlich für unsere Fraktion - ist aus unserer Sicht die denkbar schlechteste Lösung. Das wäre endgültig das Ende der Hilfe aus einer Hand, ein neuer alter Verschiebebahnhof für Langzeitarbeitslose und ein schwarzes Loch für Millionen neuer zusätzlicher Verwaltungskosten.
Die CDU-Bundestagsfraktion und allen voran Landeschef Roland Koch wollen am liebsten die Option beibehalten und für weitere Kommunen öffnen. Letzteres wiederum lehnt die SPD ab. Das Politikkarussell dreht sich im Kreis und freut sich über die Geschwindigkeit.
Unseren Antrag vom November 2009 haben Sie nicht unterstützt. Unseren heutigen Antrag haben wir gestellt, nachdem aus dem Bundesarbeitsministerium angekündigt wurde, dass auch die Zukunft der schon vorhandenen Optionskommunen infrage gestellt wird. Das ist für uns Grüne völlig inakzeptabel. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Dezember 2007 festgestellt, dass dezentrale Strukturen zentralen Strukturen vorzuziehen sind. Das ist einer der Gründe, warum wir Grünen in Schleswig-Holstein für eine kommunale Stärkung sind.
Ich wiederhole: Wichtig ist, dass es jetzt bald zu einer Lösung kommt. Das liegt im Interesse der Arbeitslosen und im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern und in den Kommunen. Wir Grünen wollen, dass die Optionskommunen - Flensburg und Nordfriesland - erhal
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind sich sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene alle darin einig, dass die Unterstützung, Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen aus einer Hand funktioniert. Aber anstatt gemeinsam dafür zu sorgen, dass die durch das Bundesverfassungsgericht beanstandete Mischverwaltung rechtlich abgesichert wird, verlieren sich SPD und CDU auf Bundesebene seit drei Jahren in ihren permanenten Machtspielchen.
Erst wollte die SPD noch in der Großen Koalition in Berlin eine Grundgesetzänderung, dann wollte die CDU sie nicht, die FDP dann auch nicht, aber dafür die CDU wieder ein bisschen, und jetzt muss die CDU sie wollen, und die SPD lacht sich ins Fäustchen. Positiv ausgedrückt kann man sagen, dass dies ein ganz schöner Zickzackkurs war. Negativ ausgedrückt haben wir es aber wohl eher mit einem Spießrutenlauf auf Kosten der Arbeitslosen und der in den Jobcentern angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun.
Aus Sicht des SSW sprechen viele Argumente dafür, die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und Kommunen zu erhalten. Ein Kompetenzwirrwarr zwischen diesen beiden Institutionen ist mit der Einführung der ARGEn und Optionskommunen ins Positive gewendet worden. Nicht nur, dass sich Arbeitsagenturen und Kommunen ergänzen, sie können gar nicht ohne einander. Die Arbeitsagentur bringt Kompetenzen wie Verwaltung und Buchführung mit. Die Kommunen haben dagegen ein stärkeres Handlungsinteresse und vor allem Vorteile durch ihr regionales Netzwerk. Sie sind mit kommunalen Diensten vernetzt, beziehen Familie und Sozialraum mit in die Beratung ein und setzen sich mit Engagement und Phantasie für die Vermittlung Arbeitsloser ein. Der SSW begrüßt daher ganz ausdrücklich, dass auf Bundesebene eine Lösung abzusehen ist, die das erprobte System verfassungsrechtlich absichert und die gewärleistet, dass die Arbeitsagenturen und Kommunen weiterhin in den ARGEn zusammenarbeiten können.
Für den SSW steht allerdings neben der Erhaltung der ARGEn und ihrer rechtlichen Absicherung noch ein weiterer Punkt im Vordergrund: die Optionskommunen. Mit der Einführung der ARGEn wurde auch die Möglichkeit geschaffen, eine begrenzte Anzahl an Optionskommunen zu schaffen, die ihre Hartz-IV-Empfänger alleine betreuen dürfen. 69 solcher Kommunen gibt es derzeit, 171 weitere wollen gern optieren.
In Schleswig-Holstein hätten vier Optionskommunen gebildet werden können, allerdings haben sich nur die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg diese Arbeit zugetraut.
Die Optionskommunen sind nicht verfassungswidrig, sondern mit Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 des Grundgesetzes vereinbar. Es handelt sich hier nämlich nicht um eine Aufgabenübertragung, sondern um die gesetzliche Ermöglichung des Zugriffs der einzelnen Kommunen auf bestimmte Aufgaben. Eine Begrenzung der Anzahl der Optionskommunen auf 69 lässt sich nicht aus der Verfassung herleiten. Die Zahl 69 kam nur zustande, weil jedes Land so viele Optionskommunen zulassen durfte, wie es Stimmen im Bundesrat hatte. Bisher sind die Optionskommunen bis Ende 2010 befristet. Erfreulicherweise setzen sich CDU und FDP aber nicht nur für eine Fortführung, sondern auch für einen Ausbau ein. Der SSW teilt diese Zielsetzung.
Die von der SPD angestrebte Erweiterung um 10 bis 15 % reichen aus unserer Sicht nicht aus. Das wären maximal elf Kommunen in ganz Deutschland. Allein in Schleswig-Holstein wollen aber sechs Kreise und die Stadt Flensburg optieren. Die Zielsetzung muss aus Sicht des SSW also ganz klar heißen, dass nicht nur die Arbeit der ARGEn verfassungsrechtlich abgesichert wird, sondern dass auch jede Kommune, die optieren will, auch optieren kann. Nur so schaffen wir die optimalen Rahmenbedingungen für eine regionale Arbeitsmarktpolitik, die wirklich Hilfe aus einer Hand sichert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben als SPD eben zusammen mit CDU und FDP versucht, uns noch ein wenig abzustimmen. Ich mache auch gleich einen Vorschlag, wie man in dem Verfahren zur Neuordnung der ARGEn und der Optionskommunen in Schleswig-Holstein, aber auch bundesweit, weiterkommen kann. Nachdem der Streit innerhalb der CDU über die Zukunft der ARGEn Anfang Februar 2010 eine entscheidende Wendung erfahren hat, ist auch hier im Hohen Haus die in Papierform vorliegende Antragslage in Bewegung geraten. Nachdem die Bundesarbeitsministerin von der Leyen und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihren Widerstand gegen eine Grundgesetzänderung aufgegeben haben, haben bereits erste Gespräche der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen mit der SPD stattgefunden.
Ziel ist es, mit einer Grundgesetzänderung dafür zu sorgen, die Arbeitsgemeinschaften von Bundesagentur und Kommunen verfassungsfest zu gestalten. Die SPD und die Ministerpräsidentin der Bundesländer haben dabei immer die Grundgesetzänderung favorisiert. Jetzt gilt es, schnell Klarheit zu schaffen, damit die Betroffenen, die Arbeitssuchenden, auch weiterhin aus einer Hand betreut werden können und damit auch die Beschäftigten der Arbeitsgemeinschaften eine verlässliche Zukunftsperspektive haben.
Wie wichtig hoch motivierte und gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, belegen auch die heutigen Zeitungsberichte über den Prüfbericht des Landesrechnungshofes. Mit einer Grundgesetzänderung wird es uns auch gelingen, den beiden in Schleswig-Holstein bestehenden Optionskommunen in Nordfriesland und SchleswigFlensburg eine verlässliche Zukunftsperspektive zu geben.
Für die SPD ist aber auch klar, dass es bei der Neuordnung der Trägerschaft der ARGEn weder zu einer Kürzung der Mittel für die Arbeitsuchenden noch zu einer Kürzung bei der Arbeitsförderung kommen darf. Die bestehenden Fördermaßnahmen und die bundesgesetzlich festgeschriebene Zahl der Vermittler müssen erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang will ich auf den Bericht des Präsidenten des Bundesrechnungshofes hinweisen, in dem festgestellt wird, dass die zentrale Bedeutung der Grundsicherung für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und die Wahrung der Rechtsund Wirtschaftseinheit der Bundesrepublik Deutschland eine einheitliche gesetzmäßige Rechtsanwendung erfordert. Über die für die kon
krete Leistungsgewährung wesentlichen Merkmale muss daher bundesweit einheitlich rechtmäßig entschieden werden.
Dieser Appell im Bericht des Bundesrechnungshofs ist mit einer Bewertung der verschiedenen Modelle der Arbeitsgemeinschaften und der zugelassenen kommunalen Träger, der Optionskommunen, verbunden. Im Vergleich dieser Organisationsformen kommt der Bericht des Bundesrechnungshofes auch bei Feststellung vieler Unzulänglichkeiten in den jeweiligen Modellen zu einer Bewertung, die das System der Arbeitsgemeinschaften eindeutig stärkt.
Unter Maßgabe der neuen Diskussion auf Bundesebene und unter Einbeziehung unserer regionalen schleswig-holsteinischen Erfahrungen sowie unter Hinzuziehung des Berichts des Präsidenten des Bundesrechnungshofes sollten wir alle vorliegenden Anträge vielleicht noch einmal im Sozialausschuss beraten. Ich bitte daher für die SPD-Fraktion um Überweisung der Anträge an den Sozialausschuss und sage zu, dass die SPD-Landtagsfraktion bereit ist, schnell und konstruktiv an Lösungen mitzuwirken. Diesen Weg unterstützt auch der Vorsitzende des Sozialausschusses. Herr Vogt hat schon gestern eingeladen und alle Anträge auf die Tagesordnung der nächsten Sozialausschusssitzung am 4. März 2010 gesetzt.
Vor dem Hintergrund der notwendigen Neuordnung der ARGEn und der Sicherung der beiden schleswig-holsteinischen Optionskommunen werden wir als Sozialdemokraten aus Schleswig-Holstein auch auf Bundesebene den Weg konstruktiv begleiten und mitgestalten. Daher freue ich mich auf eine Fortsetzung der Diskussion im Sozialausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine gute und effektive Arbeitsmarktpolitik zeichnet sich häufig dadurch aus, dass sie vor Ort stattfindet und regional arbeiten kann. Dort sind die Menschen und die Situationen persönlich bekannt. Es ist auch für die Betroffenen wichtig, dass Arbeitsplatz, Familie, Freizeit und Kultur in einem möglichst gemeinsamen Rahmen gesehen werden. Deshalb ist es von Bedeutung, dass wir Optionskommunen haben, sie entfristen und ihnen weite
Daher haben wir vonseiten des SSW, der FDP und der CDU gesagt: Das wollen wir heute als Signal deutlich machen.