Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Artikel 5 unserer Landesverfassung stellt die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen unter den Schutz des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Das ist eine Staatszielbestimmung, aus der sich auch Handlungsanweisungen für die Kommunen ergeben. Daraus leitet sich kein finanzieller Anspruch ab. Die Finanzierung des Staatsziels bleibt den einzelnen Ebenen überlassen.
Der Schutz und die Förderung der Minderheiten sind deshalb so wichtig, weil mit der Kultur und mit der Sprache Kulturgüter unwiederbringlich verloren gehen. Das ist der Unterschied zu anderen kommunalen Leistungen. Dessen müssen sich die Kommunen bewusst sein und dazu verpflichtet werden, den Auftrag der Landesverfassung zu erfüllen.
Hier ist der Weg das Ziel. Nun gut, wir sind zwar auf einem guten Weg, einem Weg, der für die Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene genauso interessant wie lehrreich ist und zum Teil - da müssen wir uns nichts vormachen - manches Mal ein bisschen anstrengend und mühselig ist, wobei ich behaupte, dass das Letztgenannte angesichts der Vielfalt und der Bereicherung, die die Mehrheitsbevölkerung durch die Minderheiten erfahren darf, in den Hintergrund gerät. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für den gestrigen Abend bedanken, bei den Minderheiten für die Ausrichtung des parlamentarischen Abends und ebenfalls beim Landtagspräsidenten. Herzlichen Dank dafür!
Es ist auch ein guter Weg, der uns dazu bringt, uns immer wieder auf allen Ebenen mit unseren Minderheiten, mit unseren Sprachen und mit unseren Kulturen im Land zu beschäftigen. Diesen Weg zu beschreiten bedeutet, Instrumente zu schaffen, die dazu dienen, das Staatsziel unserer Verfassung umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Und das tägliche Leben findet nun einmal dort statt, nämlich in den Kommunen, dort, wo die Menschen leben und miteinander reden.
Wie können wir erkennen, wie die kulturelle Eigenständigkeit der Minderheiten, die wir nicht nur anerkennen und schützen, sondern auch fördern wollen, in den Kommunen umgesetzt wird? Die Kommunen pflegen einen guten Austausch mit den dort jeweils lebenden Minderheiten. Aber es ist zum Teil doch sehr unterschiedlich. Und um das deutlich zu machen, ist es sinnvoll, einen regelmäßigen Bericht darüber zu erstellen.
Auf Landesebene erstellt die Regierung in regelmäßigen Abständen einen Bericht über die Situation der Minderheiten. Auch der Vorgabe der Europäischen Sprachen-Charta des Europarates, regelmäßige Berichte der Regierungen vorzulegen, kommt unsere Landesregierung nach, zuletzt 2007. Die in unserem Land benutzten Minderheitensprachen Dänisch, Nordfriesisch, Romanes und die Regional
Aber Minderheitenpolitik ist eben nicht nur Sprachenpolitik. Sie ist viel mehr als das. Sie ist Kultur, Bildungs- und Sozialpolitik. Es geht auch um die ökonomische Situation von Minderheiten, und es geht auch um Arbeitsplätze.
Die Erweiterung der Berichterstattung in den kommunalen Gremien ist logische Konsequenz, und der Auftrag dazu leitet sich aus Artikel 5 unserer Landesverfassung ab. Aber auch damit ist es ja nicht getan. Sprache und Kultur, erst recht die von Minderheiten, lebt vom Leben. Sie müssen gelebt werden, um sie am Leben zu erhalten, und zwar am Besten alltäglich. Auch hier sind besonders Großeltern, Eltern, Familie und andere Bezugspersonen gefragt, Sprache und Kultur an die Kinder weiterzugeben, und zwar möglichst früh.
Das fördert das Verständnis, stärkt die kognitiven Fähigkeiten der Kinder, lässt sie ihre Identität schnell erfassen. Wenn ich zum Beispiel an den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt denke, stelle ich fest, es erweitert ihren Horizont und macht das Ganze so selbstverständlich, dass sie nicht mehr darauf verzichten wollen und auch nicht mehr darauf verzichten werden.
Eine regelmäßige Berichterstattung - egal, in welchen Gremien - darüber, wann wie wo etwas gefördert und angeboten wird, ist wie eine sanfte Sanktion. Denn Berichte geben öffentlich Auskunft über Fortschritte, aber auch über Defizite. Berichte allein sind nicht ausreichend, aber sie markieren einen zusätzlichen Weg, den wir auch an dieser Stelle gemeinsam mit den Minderheiten gehen wollten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine grundsolide Minderheitenpolitik ist für unser Bundesland richtig und wichtig. Wir als FDP-Fraktion sind uns der Sorgfaltspflicht zu diesem Thema sehr wohl bewusst.
Nur stellt sich die Frage, in welchem Maße und ob überhaupt auf kommunaler Ebene Handlungsbedarf besteht.
(Rolf Fischer [SPD]: Ob überhaupt, ist keine Frage! Diese Frage stellt sich nun nicht! Das ist wohl eindeutig!)
Frau Kollegin Spoorendonk, in Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie von Minderheiten schützen und fördern. Der Schutz von Minderheiten in Schleswig-Holstein steht außer Frage, und das natürlich auch für Kommunen, auch ohne dies explizit in der Gemeindeordnung zu verankern.
Betrachtet man die kommunalen Aufgaben, beispielsweise die Unterstützung dänischer Kindergärten und Schulen, stellt man fest, diese Leistungen sind bereits jetzt nicht unbeachtlich. Es ist also zunächst seitens des SSW der Nachweis zu führen, wo denn die Mängel im bestehenden System liegen, die einen Gesetzentwurf in der vorliegenden Form notwendig erscheinen lassen.
Der Gesetzentwurf selbst enthält überhaupt keine Begründung. Den Gemeinden mehr gesetzliche Aufgaben aufzubürden und eine Förderung in die jeweiligen Ordnungen aufzunehmen, ist für uns der falsche Weg. Fördern ist mit finanziellem Mehraufwand verbunden. Freiwilliges Fördern ja, gern, wenn die Kommunen die Notwendigkeit sehen und dazu in der Lage sind. Wer sich in der Kommunalpolitik auskennt, weiß, dass wir auch ohne zusätzliche Gesetze ein intaktes Verhältnis zwischen Kommunen und Minderheiten haben.
Wie die momentane Finanzsituation in unseren Gemeinden und Kreisen aussieht, braucht ich diesem Haus wohl nicht zu erörtern. Hier soll Geld in die Hand genommen werden, das die Gemeinden schlichtweg nicht haben.
Kritisch sehen wir auch die Einführung eines Berichtswesens für die Gemeinden. Viele Gemeinden haben erstens schlichtweg nicht die Größe und personelle Breite, um einen umfassenden Minderheitenbericht anzufertigen, und zweitens stellt sich für viele Gemeinden das Thema Minderheiten gar nicht, da - vereinfacht gesagt - keine Minderheiten in ihrem Wohnort sind. Ein solches Berichtswesen, das unseren Gemeinden einen Mehraufwand aufbürdet, der oftmals kaum geleistet werden kann, ist für uns nicht der richtige Weg.
In dieser Form darf die Gemeinde-, Amts- und Kreisordnung aktuell nicht geändert werden. Wir als FDP-Fraktion halten diesen Gesetzentwurf für nicht erforderlich, sondern sehen ihn eher als zu
Abgesehen von den genannten Kritikpunkten steht in nächster Zeit ohnehin eine Reform der Gemeinde- und Amtsordnung an. Innerhalb dieses Neustrukturierungsprozesses können wir auch das Thema Minderheitenschutz diskutieren. Für die FDP ist dies der vernünftigere Weg.
Lassen Sie mich aber auch noch einen letzten Gesichtspunkt in die Debatte werfen. Es gibt in Schleswig-Holstein historisch gewachsen verschiedene Verbreitungsgebiete der friesischen oder dänischen Minderheit. So ist die friesische Kultur und Sprache eher an der Westküste vertreten, die dänische Minderheit eher im Landesteil Schleswig. Die Gemeindeordnung, die Kreisordnung und die Amtsordnung gelten aber in ganz Schleswig-Holstein. Es wird also durch den vorlegten Gesetzentwurf eine Verpflichtung auch für Gemeinden im Kreis Herzogtum-Lauenburg geschaffen, wo man die zu fördernden Minderheiten oftmals nicht antrifft. Es macht daher auch wenig Sinn, in einer solchen Gemeinde eine Berichtspflicht aufzunehmen, über den Schutz und die Förderung der Minderheiten zu berichten, die es dort gegebenenfalls gar nicht gibt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Kollege Kalinka, in aller Ruhe - da gebe ich Ihnen recht - soll man das tun, aber man soll dabei nicht einschlafen, auch wenn es kurz vor der Mittagspause ist und nur ein Drittel der Abgeordneten anwesend sind. Nach unserer Auffassung wird es Zeit dafür, in der Minderheitenpolitik den nächsten Schritt zu gehen. Minderheitenpolitik ist Aufgabe des Landes klar! -, aber auch Aufgabe der Kommunen. Der Antrag des SSW ist deswegen konsequent und absolut unterstützenswert.
Das Gute am SSW-Antrag ist, dass Minderheitenpolitik hier nicht nur bloße Absichtserklärung ist, sondern konkrete Maßnahmen verankert.
Wie wird Minderheitenpolitik bei uns überwiegend betrieben? - In Sonntagsreden sind sich schnell alle einig; vom Ministerpräsidenten - oder ich nehme den Herrn Innenminister als Ersatz - bis zum Landrat. Der Schutz der nationalen Minderheiten ist wichtig, aber wenn konkret etwas getan werden soll, dann sieht es ganz schnell mau aus. Durch das Festschreiben des Schutzes und der Förderung von Minderheiten in der Gemeinde-, der Amts- und der Kreisordnung würde Minderheitenpolitik vor Ort aufgewertet werden. Minderheiten müssen vor Ort viel mehr als bisher als Stärke für die jeweilige Region anerkannt werden.
Die Stadt Flensburg und der Kreis Nordfriesland sind positive Beispiele. Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, zumindest aber sind sie Beispiele dafür, dass das geht und dass das auch gemacht wird. Andere Kreise, auch ein nördlicher, weigern sich zurzeit noch erfolgreich. Wer davon ausgeht, dass Minderheitenschutz nur Aufgabe der Kreise und Gemeinden im Norden unseres Bundeslandes ist, der irrt gewaltig. Während man sich bei Dänen und Friesen vielleicht noch auf einzelne Regionen beschränken kann, so ist dies bei den Sinti und Roma komplett anders. An die Adresse von Herrn Brodersen oder auch von Herrn Kalinka sage ich: Bei den Sinti und Roma kann man nicht lokalisieren, welche Kreise dafür zuständig sind und welche Kreise nicht. Darüber sollte man vielleicht auch nachdenken, wenn wir in die Ausschussberatungen gehen.
Verwaltungsberichte an sich können öde und trocken sein. Selbst ich muss dies mit meinem abgeschlossenen Verwaltungsstudium eingestehen. Sie bieten Kommunalverwaltungen und Politik jedoch den Anlass, sich überhaupt einmal mit der Problematik auseinanderzusetzen. So ist dies aber im Antrag des SSW auch gemeint, wenn ich ihn richtig gelesen habe.
- Der Applaus bestätigt das. Es geht in dem Antrag des SSW aber nicht nur um die Berichtspflicht, sondern auch um einen weiteren wichtigen Aspekt, nämlich den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen. Regional- und Minderheitensprachen sind gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Bereicherung der kulturellen Vielfalt der schleswigholsteinischen Kommunen. Der Schutz dieser Spra
chen muss mit Sprachförderung Hand in Hand gehen. Frau Kollegin Pauls hat es erzählt: Wer mit vielen Sprachen aufwächst, der entwickelt oft ein ganz anderes Bewusstsein für Sprachen als andere. Diese Chance muss durch die schleswig-holsteinische Landespolitik und durch die Kommunen vor Ort aufgegriffen werden.
Abschließend sage ich: Für uns bietet der Antrag des SSW eine gute Grundlage, Minderheiten- und Sprachenpolitik in Schleswig-Holstein zurück auf die Agenda zu holen. Wir freuen uns auf die Debatte, die im Ausschuss stattfinden wird, auch wenn CDU und FDP hier schon Ablehnung angekündigt haben.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine schützenswerte Sache in der Landesverfassung zu verankern, ist das eine. Diesen Schutz aber auf allen Ebenen staatlichen Handelns auch zu leben, ist etwas anderes. Der Schutz der Friesen und der dänischen Minderheit steht bereits in der Landesverfassung. Ich bin immer noch zuversichtlich, dass die Sinti und Roma bald folgen werden, sodass alle nationalen Minderheiten hier in Schleswig-Holstein gleichberechtigt sein werden.
Wenn wir uns anschauen, wie das Land SchleswigHolstein diesen Schutz der Minderheiten umsetzt, dann sehen wir zwar einige Schatten, aber wir sehen auch viel Licht. Partei- und fraktionsübergreifend scheint es auf Landesebene einen Konsens zu geben, dass aktives staatliches Handeln notwendig ist, um den Minderheitenschutz zu gewährleisten. Der hier vorliegende Gesetzentwurf des SSW konkretisiert dieses staatliche Handeln nun ein wenig weiter. Wenn in Gemeinde-, Kreis- und Amtsordnung festgeschrieben wird, dass Gemeinden, Ämter und Kreise die nationale dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe und auch die deutschen Sinti und Roma sowie die Minderheiten- und Regionalsprachen schützen und fördern, so ist dies nur die konkrete Formulierung einer Aufgabe, die sie ohnehin schon haben, oder bezweifelt etwa jemand,