Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Insofern wundert es mich schon, heute zu erfahren, dass die Haushaltsstrukturkommission die Regierung ersetzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es geht nicht nur um diesen Bericht. Es geht tatsächlich um die Frage: Wie geht es mit dem UK S-H weiter? Es geht auch um die Frage, wie wir den Menschen in Schleswig-Holstein in Zukunft die beste Medizin und die beste Gesundheitsvorsorge bieten können. Grundlage des Berichtsantrags war der Antrag meiner Fraktion vom 17. Februar 2010. Wir hatten in einer Presseerklärung Widersprüche zwischen Wirtschaftsbericht und Jahresbericht entdeckt. Trotz vieler Zahlen blieben Fragen offen. Sie haben in diesen Bericht dankenswerterweise Eingang gefunden.

Ich will noch einmal erwähnen: Erstens. Die Planungen für Einnahmen und Ausgaben waren 2009 im Jahresablauf deutlich überschritten worden. Zweitens. Der Personalaufwand ist um 27,8 Millionen € gegenüber der Planzahl im Wirtschaftsplan gestiegen. Drittens. Der medizinische Sachbedarf zeigt deutliche Planabweichungen auf, und ein „Hammer“, wie wir finden, sind die Beratungskosten im Jahr 2009. Sie betrugen 10,9 Millionen €. Die ursprüngliche Planung lag bei stattlichen 3 Millionen €. Diese Summe ist völlig unverhältnismäßig. Wir fragen, welchen Nutzen diese Beratungsleistungen bringen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse im Bericht fehlt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gehört zu einer guten Kaufmannschaft, dass man bei einer guten Wirtschaftsplanung solch abweichende Kosten rechtzeitig einkalkuliert. Eine Steigerung um

(Minister Jost de Jager)

7,9 Millionen €, also um 260 %, ist ungewöhnlich und war zumindest für uns nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lässt Hilflosigkeit getreu dem Motto vermuten, viel Beratung hilft viel. Das ist nicht immer so, Herr Minister.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich erkenne auch keine Logik darin, warum ein zusätzlicher jährlicher Sockelbetrag von 2,4 Millionen € für Beratungsleistungen eingestellt ist. Es wäre professionell, die Beratungskosten an Einkommenssteigerungen oder Konsolidierungsmaßnahmen zu koppeln. Dann müssten sich aufwendige Beratungskosten selbst erwirtschaften.

Es gab auch einen Widerspruch beim Controlling. Das haben wir mit Freude gelesen. Uns wurden mündlich circa 40 Stellen im Controlling kommuniziert. Der Bericht weist nur 18 Stellen aus. Ich hatte den Eindruck, das Controlling selbst weiß nicht einmal, wie viele Stellen es gibt. Auch das lässt Bände sprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Kubicki, Sie haben mit Ihrer Presseerklärung in der letzten Woche viele Menschen in Schleswig-Holstein verunsichert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten lesen, dass ihre Arbeitsplätze in Gefahr sind und das UK S-H privatisiert werden soll.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Solch eine Dampfplauderei hilft in der Sache keinen Millimeter weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Diese Art der Politikperformance bringt Sie an den Rand einer 5-%-Splitterpartei. Anscheinend heißt es für Sie: Von Westerwelle lernen heißt verlieren lernen.

Dabei sollten Sie es als Jurist eigentlich besser wissen. Die Landesregierung hat in einem Sanierungstarifvertrag, in der sogenannten Anwendungsvereinbarung zur Zukunftssicherung, rechtlich verbindlich bis zum 31. Mai eine Privatisierung im primären Sektor - OP, ärztliche Leistungen - ausgeschlossen. Sie haben es erwähnt, Herr Minister. Herr de Jager, Sie haben es gesagt und die Vereinbarung unterschrieben.

Für uns ist klar, Sie haben viel Geld für Beratung verbraten. Herr Kubicki hat Sie als Kopf der Privatisierungsstrategie verpetzt. Er sagt, Sie wollten eigentlich auch privatisieren. Wir stellen fest, Sie haben als Staatssekretär Verantwortung getragen. Sie tragen jetzt Verantwortung. Sie sind nicht nur Teil der Lösung, wie Sie uns immer vormachen wollen. Sie sind auch Teil des Problems des UK S-H.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für uns gilt: Was vereinbart ist, muss verbindlich gelten. - Insofern können Sie nach 2015 privatisieren. Ob Sie dann aber noch an der Regierung sind? - Ich glaube nicht daran.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Keine Sorge, Herr Tietze! Keine Sorge!)

Auch die Rückzahlungsverpflichtungen von Fördergeldern für das INROC würden ein leichtsinniges Gerede über Privatisierung verbieten. Dieses ÖPP-Projekt war mit Risikobürgschaften des Landes verbunden. Bei fehlenden Patientenströmen und damit verbundenen Einnahmeausfällen trägt das Land das Ausfallrisiko in unbegrenzter Höhe. Ein vollständiger Verkauf des UK S-H lässt diese Restrisiken weiter beim Land. Was ist das für eine perfide Privatisierungspolitik, bei der das Land und die Steuerzahler das Risiko tragen, während private Investoren das Geld scheffeln? Das ist doch eine neoliberale, egozentrische Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich frage mich allen Ernstes, warum Sie sich eigentlich von einem solchen Auslaufmodell erpressen lassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Privatisierungen bedienen zu allererst die Renditeinteressen der Anteilseigner. Die Kliniken Rhön und Asklepios müssen mindestens 10 % oder mehr Eigenkapitalrendite erwirtschaften, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen.

Wir sprechen beim Krankenhaussektor von einem Quasimarkt. Dieser ist hoch reguliert. Privatisierungen zeigen, dass in der Regel bedeutend schlechtere Tarifvergütung, ungünstige Arbeitsbedingungen und Standortschließungen die Folge sind. Aus den vielen Bereichen der Medizinprodukte sucht man sich das heraus, was wirtschaftlich erfolgreich ist. Das ist die Erfahrung. Das ist Rosinenpickerei. Man

(Dr. Andreas Tietze)

sucht sich nicht das heraus, was den Menschen dient.

(Zuruf von der FDP)

So werden im privaten Krankenhaussektor allerdings keine Renditen erwirtschaftet. Die entscheidende Aufgabe der Zukunft ist es, gute Medizin zu machen und gleichzeitig gutes Geld zu verdienen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie doch einmal, was im Klinikum Gießen und Marburg passiert ist. Durch die Privatisierung ist genau das Gegenteil geschehen. Die Daseinsvorsorge hat massiv gelitten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist komplet- ter Unsinn!)

Mit Geburtshilfe und Pädiatrie kann man kein Geld verdienen. Soll es die Botschaft an die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sein, dass sie für Geburten demnächst 200 km fahren müssen? Ist das Ihre Botschaft? Zynischer kann man politisch nicht argumentieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für meine Fraktion sage ich klipp und klar, wir stehen hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des UK S-H. Sie sind in der Zukunft maßgeblich für den Erfolg verantwortlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Ihre solidarische Haltung, im Rahmen des Beschäftigungspakts Einkommensbußen in Kauf zu nehmen und am Erfolg des UK S-H aktiv mitzuarbeiten, war vorbildlich. Wir Grünen wollen das UK S-H in öffentlicher Trägerschaft. Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Die Frage der Trägerschaft ist nicht mit Wirtschaftlichkeit verbunden. Auch öffentliche Träger können gut wirtschaften. Anscheinend haben Sie in der Vergangenheit nicht sehr durch Ihre Kontrolle dazu beigetragen, damit dies auch wirklich geschieht.

Wir Grünen stehen in dieser Situation auch für die Verantwortung bezüglich der Finanzlage des Landes. Wir haben das gestern noch einmal beim Schuldenpakt deutlich gemacht. Wir wollen uns dieser Frage nicht verweigern.

(Zuruf von der FDP: Fangen Sie doch einmal an!)

- Ja, das sage ich doch gerade. Wir wollen uns dem nicht verweigern.

Es geht um die Frage, wie wir den Prozess mit den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern des UK S-H gemeinsam gestalten können. Dazu gehört ein klarer Blick. Dazu gehört auch eine klare und schonungslose Analyse. Man muss alle Optimierungspotenziale beim UK S-H nutzen. Man muss die Verschlankung von Verwaltungstätigkeiten diskutieren. Dazu gehört auch eine kostengünstige Beschaffung von Arzneimitteln und Bevorratungen. All diese Dinge muss man tun. Deshalb hat das UK S-H bei einem guten Management gute Chancen, es aus eigener Kraft zu schaffen. Wir sehen keine Gründe für eine Zerschlagung oder Privatisierung.

Wir stehen im Übrigen solidarisch zum Beschluss des Landtags zum baulichen Masterplan für das UK S-H. Wir tragen diesen Masterplan mit. Was ist mit Ihnen, Herr de Jager? - Dazu haben Sie nichts gesagt. Schweigen im Walde! Tragen Sie den Beschluss noch mit?

Für uns Grüne steht fest, der Masterplan muss umgesetzt werden. Wir schenken den Aussagen des sehr kompetenten Geschäftsführers, Herrn Professor Scholz, Glauben, dass er in der Lage ist, das UK S-H aus der Krise herauszuführen und schwarze Zahlen zu schreiben.

Die Mitarbeiter haben hohe Opfer gebracht. Sie jetzt um die Früchte des Verzichts zu bringen, ist perfide. Lassen Sie das UK S-H die baulichen Maßnahmen umsetzen. Geben Sie ihm die Chance, wie eine private Klinik zu wirtschaften. Dann kann es die Bauinvestitionen durch seine Gewinne tilgen.