Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Vorhin wurde das tolle Benchmarking angesprochen. Zum Vergleich mit dem Uni-Klinikum Marburg-Gießen, das in Trägerschaft der Rhön AG ist, ist ein nichtuniversitäres Haus, nämlich das Klinikum in Frankfurt (Oder), herangezogen worden. Da weiß man, dass auch hier Äpfel mit Birnen verglichen worden sind. Es ist dann natürlich leicht, sich hinzustellen und zu sagen, das sei ein leuchtendes Vorbild.

Ich glaube nicht, dass das ein leuchtendes Vorbild ist. Ich glaube nicht, dass man sich an diesem Vorbild orientieren sollte. Es sollte eher zum Nachdenken bringen. Es sollte eher davor warnen, einen solchen Weg zu gehen und nicht eine gute medizinische und eine gute Forschung und Lehre, wie wir sie am UK S-H haben, aufs Spiel zu setzen.

Ich sage deutlich: Alle feiern, und auch wir feiern es. Wir feiern, dass sich das Fraunhofer-Institiut und auch andere zukunftsfähige Institute der wissenschaftlichen Forschung im Umkreis des UK S-H ansiedeln. Ich sage Ihnen: Mit einer Entwicklung der Privatisierung werden wir das alles gefährden. Wir setzen das alles aufs Spiel. Tun Sie das nicht. Setzen Sie nicht die Zukunft der medizinischen Versorgung, aber auch die Zukunft von Forschung und Lehre in Schleswig-Holstein aufs Spiel. Lehnen Sie ganz entschieden eine Privatisierung ab.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Herr Dr. Robert Habeck hat das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben in weiten Teilen eine Gespensterdebatte geführt. Herr Kollege de Jager - Entschuldigung, sind Sie Abgeordneter? - Das soll

(Wolfgang Kubicki)

nicht ehrverletzend sein. Herr Minister de Jager hat gesagt, dass wir über den baulichen Masterplan reden. Wir haben uns viele Gedanken über die Privatisierung der Medizin gemacht und viele Wortgefechte geführt. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat das einen strukturellen Grund beziehungsweise einen Widerspruch, der in dem Wortbeitrag von Herrn Kubicki noch einmal aufgetaucht ist.

Das UK S-H, alle Fachleute und die Kommission sagen: Um wirtschaftlich zu arbeiten, brauchen sie den baulichen Masterplan. Herr Kubicki hat aber gesagt, es werde weiterhin ein strukturelles Defizit von 20 Millionen € geben, deshalb müssten wir privatisieren. Das beißt sich. Die einen sagen, das sei die Strategie. Die anderen und Herr Kubicki sagen, diese Strategie werde nicht erfolgreich sein. Die Lösung ist allerdings relativ klar: Wenn wir an den Weg glauben, wenn wir uns einig sind, dass die öffentlichen Gelder für den baulichen Masterplan nicht einfach so im Landeshaushalt stehen, was ich für meine Fraktion sagen kann, dann -

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich bringe den Satz noch zu Ende. Ich habe noch zwei Sätze: Das ist nicht der Punkt, das hat auch die SPD in Zwischenrufen deutlich gemacht. Die Frage der Wege der baulichen Finanzierung über ÖPP oder private Wege ist nicht ideologiebelastet. Darüber sollten wir reden, aber wir sollten das tun, damit das UK S-H als öffentliches Krankenhaus bestehen bleibt. Wenn das das Ziel ist, dann sind wir uns in weiten Teilen sehr einig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Was wir nicht mitmachen, ist erstens die Vorverurteilung, dass dieser Weg gescheitert sei, und zweitens ein Krankenhaus, das privatisiert wird, denn dann hält die Lohndrückerei, die sowieso schlimm, gerade aber im medizinisch Bereich besonders abscheulich ist, dort Einzug.

Lassen Sie jetzt die Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

Herr Kollege Habeck, auf die Diskussion mit Ihnen freue ich mich in der Sache, weil es keine ideologische Vorfestlegung gibt. Die spannende Frage ist und wird für uns bleiben, ob das Land Schleswig-Holstein bereit ist, eine Patronatserklärung für die Refinanzierung dieser Investitionen abzugeben, denn die Refinanzierung muss aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet werden, und zwar selbst dann, wenn hohe Zweifel daran begründet sind, dass dieser Refinanzierungsplan aufgehen kann. Das ist die spannende Frage. Können und wollen wir das Risiko eingehen, als Land SchleswigHolstein für die Refinanzierung einzustehen? - Können wir das überhaupt in dem Fall, dass das nicht aufgeht?

- Das ist eine spannende Frage, aber sie war nicht unbedingt an mich gerichtet, sondern eher an Sie selbst. Die Antwort wurde allerdings schon gegeben. Herr von Boetticher ist der Frage von Andreas Tietze ausgewichen. Es gibt einen bestehenden Vertrag. Wir sagen, wir sollen den baulichen Masterplan weiter als Pfad beschreiten, weil auch und gerade von Regierungsseite erklärt wurde, dass die Sanierung erfolgreich sei. Also ist die Frage bis 2015 eigentlich schon beantwortet. Es geht darum, diesen Weg weiter zu gehen und zu schauen, ob das zum Erfolg führt. Es gibt keinen Grund, diesen Weg zu ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Abgeordneter Bernd Heinemann hat das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal kann man in vier Punkten zusammenfassen, worum es geht: Erstens. Wir haben einen gültigen Vertrag, und dieser gültige Vertrag geht bis 2015.

Zweitens. Man kann mit der SPD selbstverständlich über Privatisierungsanteile reden; das ist klar. Wir werden das immer wieder tun. Wir sind dabei jedoch auf kommunaler Ebene einige Male auf die Nase gefallen. Wir haben zum Teil zugestimmt und

(Dr. Robert Habeck)

würden heute anders entscheiden. Man muss Privatisierung sehr kritisch sehen. Das tun wir Sozialdemokraten ganz besonders. Deshalb ist es sehr konstruktiv, sich Teilbereiche anzugucken, die man durchaus privatisieren kann. Ich denke, das Management war ein richtiges Beispiel.

Drittens. In der allgemeinen Medizin werden uns in den nächsten Jahren neue Mediziner fehlen, weil die Situation und die demografische Veränderung dazu führen, dass wir unsere Ausbildung ganz nach vorn bringen müssen. Das ist ein Grund mehr dafür, warum wir in der Frage des Hochschulstandorts, von dem wir nur das UK S-H haben, darauf angewiesen sein werden, als Land gute, ja perfekte Wege der Ausbildung von neuen Medizinern zu finden. Das müssen wir selbst in der Hand haben, sonst werden wir abgehängt. Dann ist der Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein wegrationalisiert.

Ein letzter Punkt: Die Basisfallwerte wurden von Ministerin Trauernicht - teilweise mit Unterstützung der CDU und mit Unterstützung aus anderen Ländern - erkämpft. Sie führen dazu, dass sich bis 2013 eine Veränderung darstellt, die natürlich auch auf das UK S-H eine Wirkung haben wird. Auch die Strategie des UK S-H, sich stärker auf schwierige Fälle zu spezialisieren und damit über die Basisfallwerte hinaus Einkünfte zu erzielen, wird sich im Verlauf des Weges auswirken. Das kann nicht schon im Vorwege sozusagen durch das Brechen dieses Vertrages ausgehebelt werden, damit die Braut so hübsch wird, dass sie jeder kauft und nimmt. Wir werden hier keinen Ramschausverkauf mitten in der Laufzeit des Vertrags machen. Letztlich müssen wir den baulichen Masterplan und die damit zusammenhängenden Verträge auch selbst zu Ende führen und an uns selbst glauben. Sonst brauchen wir da nicht hinzugehen und uns selbst zu feiern. Das sollten wir nicht tun.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Abgeordnete Jost de Jager hat das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

(Zuruf: Minister!)

- Entschuldigung, Minister.

Frau Präsidentin! Es wäre jetzt nicht schlecht, wenn ich Abgeordneter wäre. Dann könnte ich drei Minuten in Anspruch nehmen und wieder gehen. Aber

jetzt ist es so, dass meine Redezeit auch Ihre Redezeit verlängert. Insofern ist das Risiko natürlich größer.

Entschuldigung. Sie haben noch eine Minute von vorhin übrig.

Gut. Dann war schon einmal eine halbe Minute weg.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil, Herr Stegner, ich mich gewundert habe, wie Sie in dieser Debatte aufgetreten sind. Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten Sie bisher mit dem Thema UK S-H nichts zu tun gehabt.

Ich sage Ihnen aber einmal, wie es ist. 2003 gab es eine Fusion des UK S-H. Da waren Sie der zuständige Staatssekretär, Sie haben fusioniert, und es ist zunächst einmal nichts passiert. Als im Jahr 2005 das UK S-H in unsere Zuständigkeit gewandert ist, hatte es ein jährliches Defizit von 22,5 Millionen €. Daran hat das, was Sie in die Wege geleitet haben, überhaupt nichts geändert. Inzwischen sind wir dabei, dass wir das jährliche Defizit des UK S-H auf null, wahrscheinlich auf eine schwarze Null, zum Ende des Jahres werden reduzieren können.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Nein, ich führe das jetzt erst einmal aus. Das hat wiederum mit dem, was Sie einmal getragen haben, überhaupt nichts zu tun. Ich freue mich ja, wenn Sie oder auch die Grünen jetzt sagen: Der Sanierungserfolg war so groß, wir brauchen an der Struktur nicht mehr zu rütteln. Dann freue ich mich, weil die Grünen vor einem Jahr übrigens noch beantragt haben, dass ich gefeuert werde, weil beim UK S-H alles so schlecht läuft.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister Jager, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, lasse ich nicht zu.

(Bernd Heinemann)

Ich freue mich ja, dass Sie anerkennen, dass es einen Sanierungserfolg gegeben hat. Insofern: Die Privatisierungswürdigung, die die wir haben, hängt nicht an der Frage, ob wir es dem UK S-H zutrauen, das jährliche Ergebnis tatsächlich richtig zu steuern, sondern es geht um die entscheidende Frage: Wird das UK S-H aus eigener Kraft die Möglichkeit haben, den Betrag von 700 Millionen € mit dem baulichen Masterplan tatsächlich zu finanzieren?

Wenn Sie jetzt sagen: „Ich bekenne mich zum baulichen Masterplan“, beeindruckt mich das zwar, aber ich kann mir dafür nichts kaufen, weil Sie als Opposition das Geld dafür nämlich nicht zur Verfügung stellen. Insofern geht es um die Frage: Könnte es das UK S-H allein?

Ich weiß, dass es die Würdigung gibt. Herr Kubicki hat darauf hingewiesen, dass das 8 % bedeutet. Ich sage Ihnen einmal, was das in Zahlen ist. Wenn das Modell gefahren würde, dass das UK S-H für sich selbst baut, würde das jährliche Ergebnis des UK S-H auf Dauer mit 48 Millionen € Miete belastet werden. Auch wenn ich mich freue, dass wir die Sanierung hinbekommen haben, bin ich mir nicht sicher, ob das auf Dauer gelingt. Das Risiko dafür - auch das ist ausgeführt worden - würde beim Land bleiben.

Nun sage ich Ihnen einmal bei alledem, was hier über Gießen und Marburg gesagt wurde: Zumindest was den baulichen Masterplan anbelangt, müssen Sie auch einmal berichten, dass die Vereinbarung in Gießen und Marburg mit der RHÖN-KLINIKUM AG damals gewesen ist, dass die bauen, ohne staatliche Unterstützung dafür in Anspruch zu nehmen. Das heißt, die Investitionen, die in Gießen und Marburg erfolgt sind, sind allein erfolgt aus dem, was der Konzern dort gemacht hat.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das ist einer der wirklich qualitativen Unterschiede, über die wir miteinander reden müssen.

Ein weiterer Punkt. Es wird immer so getan, als wenn nur bei einer Privatisierung des UK S-H der Kostendruck auf einmal auf die Mitarbeiter entstehen würde und nicht, wenn es öffentlich bleibt. Das ist doch falsch. Denn wenn es richtig ist, dass das UK S-H für die Miete, die es aufbringen muss, eine genauso hohe Rendite erzeugen muss wie ein privater Konzern für die Kapitalrendite, dann ist der Unterschied in der Tat gar nicht so groß. Insofern führen viele Fährten, die Sie gelegt haben, ins Nichts,

Sie sind deshalb auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber nicht ehrlich.

Insofern muss man über die wirklichen Alternativen reden. Das sage ich, Kollege Kalinka, auch wenn ich kein Kollege im Abgeordnetensinne bin, der sein Haupt wiegt: Das sind die Dinge, die man sehr klar besprechen muss.

Was das Thema Wissenschaftlichkeit anbelangt. Ich bin hier im Land nicht Bauminister, sondern ich bin der Wissenschaftsminister. Ich war nämlich damals dabei, als man im Wissenschaftsrat beraten hat, wie man mit einem privaten Klinikum GießenMarburg umgeht. Natürlich hat es die gleichen Rechte wie jede staatliche Uni-Klinik. Wir werden noch in diesem Jahr erleben, dass der Wissenschaftsrat eine Empfehlung darüber verabschieden wird, ob Gießen-Marburg im wissenschaftlichen Sinne tatsächlich gut gelaufen ist. Bei dem, was ich kenne, bin ich da überhaupt nicht bange.