Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Nehmen Sie Ihren Pflichtstundenerlass und auch das Schulgesetz zurück. Bei so viel Unmut und Chaos im schleswig-holsteinischen Bildungsbereich sollte sich die Landesregierung Gedanken machen, wie sie die versprochene, produktive Ruhe an den Schulen tatsächlich hinbekommen kann, bevor unser Bildungssystem völlig den Bach runtergeht.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Minister, gehen Sie auf die Betroffenen zu, nehmen Sie ihre Bedenken ernst, und schaffen Sie ein Schulgesetz, das den Anforderungen der heutigen Pädagogik gerecht wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, der Bildungsminister hat den Pflichtstundenerlass vom 30. März dieses Jahres außer Kraft gesetzt, und er hat einen neuen Pflichtstundenerlass auf den Weg gebracht. Der bringt für einige Lehrkräfte eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung mit sich, und gleichzeitig ist im Erlass eine Entlastung für Hauptschullehrerinnen und Hauptschullehrer um eine halbe Stunde vorgesehen.

Ich will das deutlich sagen: Es fällt niemandem in den beiden Regierungsfraktionen leicht, eine solche Entscheidung mitzutragen - ganz im Gegenteil. Gerade den Bildungspolitikern fällt dieser Schritt in

der Tat schwer. Wir wissen, dass die Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen täglich einen fordernden Job haben. Wir wissen, welchen Belastungen sie bereits ausgesetzt sind, nicht nur durch die Unterrichtsbelastung, sondern auch durch zahlreiche bürokratische Belastungen, von denen wir die Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft auch befreien müssen.

Richtig ist aber auch: Mit dem Erlass wird die Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrkräfte an den Bundesdurchschnitt angepasst. Eine weitere Tatsache ist, dass der aufgehobene Pflichtstundenerlass das Land zusätzlich 300 Planstellen gekostet hätte - keine einzige Unterrichtsstunde mehr für Schülerinnen und Schüler hätte das an der Stelle bedeutet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Darüber hinaus enthält der neue Pflichtstundenerlass aber auch eine längst überfällige Regelung zur Altersermäßigung. Über die bisherige Einzelstunde Altersermäßigung ab dem 60. Lebensjahr hinaus werden weitere Ermäßigungsstunden ab dem 58. Lebensjahr und dem 63. Lebensjahr vorgesehen. Das ist durchaus begrüßenswert.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Dieser Erlass ist ehrlich. Es greift hier niemand zu Tricksereien wie Vorgriffsstunden, die einmal von einer rot-grünen Landesregierung benutzt worden sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Damals hat man den Lehrkräften versprochen: Wenn ihr jetzt eine Stunde mehr arbeitet, dann erstatten wir euch das später. Wie die spätere Erstattung finanziert werden sollte, darüber hatte sich niemand Gedanken gemacht. Wenn die CDU-Fraktion innerhalb der Großen Koalition nicht vehement auf die Rückzahlung der Vorgriffsstunden gedrängt hätte, dann wären die Lehrkräfte hier in SchleswigHolstein leer ausgegangen, Herr Dr. Stegner.

(Beifall bei CDU und FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist doch wohl eine Frechheit! Das ist doch wohl eine Märchenstunde!)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, Sie waren damals bei der Behandlung nicht dabei. Wir haben damals mit der Ministerin zusammengesessen und darum gerungen, dass diese Vorgriffsstunde finanziert wird. Dieses rot-grüne Versprechen kostet uns heute 600 Planstellen, die den Kindern nicht zugutekommen. Das ist ein Skandal, auf den man immer wieder hinweisen muss.

(Ines Strehlau)

(Beifall bei CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier gestern mit großer Zustimmung die Schuldenbremse in unserer Landesverfassung verankert. Es wird künftig nicht mehr möglich sein, Finanzierungsprobleme künftigen Regierungen oder Generationen vor die Füße zu kippen. Gut so!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie hatten ursprünglich einen sehr ambitionierten Antrag gestellt. Sie hatten den richtigen Ansatz gewählt. Sie wollten ein neues Arbeitszeitmodell für Lehrkräfte. Die Unterrichtsverpflichtung sollte nach funktionalen Kriterien unterschieden werden. Außerunterrichtliche Tätigkeiten sollten anerkannt werden, und die Vertretungsdeputate sollten neu geregelt werden. Das Ganze sollte bis zum nächsten Schuljahr auf den Weg gebracht werden. Das finde ich sehr ambitioniert und sehr ehrgeizig. Da ist auch ein hoher Zeitdruck dahinter.

Gemäß dem Änderungsantrag allerdings haben Sie sich von diesem mutigen Ansatz und dem richtigen Weg verabschiedet, und das nur, um sich gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen auf einen einzigen Satz zu verständigen, der sinngemäß ohnehin schon Bestandteil Ihres Ursprungsantrags gewesen ist. Den Zeitansatz werden Sie überhaupt nicht mehr halten können. Sie haben sich für das nächste Schuljahr von Ihrem Antrag komplett verabschiedet.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das finde ich wirklich enttäuschend.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren doch! - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Nicht wirklich!)

Das heißt doch, Sie haben tatsächlich Ihren ursprünglichen Antrag gestellt, um die Diskussion über die Pflichtstunden anzuheizen und so zu tun, als hätten Sie schon ein besseres Konzept in der Tasche. Ich finde das sehr schade. Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist: Sie machen sich im politischen Geschehen unglaubwürdig. Das ist Ihr einziges Problem.

(Beifall bei FDP und CDU - Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirk- lich unlogisch!)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Detlef Buder das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der Rede von Frau Franzen ist das Signal ausgegangen, dem wegweisenden Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen. Diese Nagelprobe können wir ja in der nächsten Landtagstagung im Juni machen. Dann wollen wir einmal schauen, ob FDP und CDU dem tatsächlich zustimmen

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und ob Frau Franzen das in dem gemeinsamen Arbeitskreis mit der FDP durchsetzen kann. - Das nur einmal zur näheren Erläuterung.

Herr Minister, Sie haben vorhin ein wenig den Kopf geschüttelt. Deshalb möchte ich doch in diese Behördensatire, die wir hier vorliegen haben, ein bisschen tiefer einsteigen.

Am 22. Februar 2010 unterzeichnet der Minister den neuen Pflichtstundenerlass. Am 30. März 2010 wird er im Nachrichtenblatt veröffentlicht. Am 1. April 2010 - ohne besonderen Bezug auf das Datum - zieht der Minister den Erlass in der Bildungsausschusssitzung zurück. Am 16. April 2010 gibt das Ministerium die Eckpunkte des neuen Erlasses bekannt. Am 30. April 2010 wird der ursprüngliche Erlass auch offiziell im Nachrichtenblatt zurückgezogen, und zwar ausdrücklich mit Verweis auf die sogenannte Haushaltsstrukturkommission der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen, die damit in den Adelsstand einer oberen Verwaltungsbehörden gehoben wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben also nicht nur neue Beauftragte, sondern wir haben auch eine zweite Behörde bekommen.

Man könnte Bände mit Ihren Landtagsreden und Presseerklärungen füllen, die Sie als Oppositionspolitiker über die angebliche Überlastung und Demotivierung der Lehrerinnen und Lehrer durch Ihre sozialdemokratischen Amtsvorgängerinnen gehalten haben. Die glühende Begeisterung, die Ihnen jetzt entgegenschlägt, ist einhellig.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade die Lehrerorganisationen, die in der Vergangenheit große Hoffnungen in Sie gesetzt haben, erfahren jetzt, dass sie auf Wahlkampfversprechen hereingefallen sind.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja, so ist es!)

(Heike Franzen)

Presseberichten zufolge soll mit der Ausweitung der Arbeitspflicht auf 27 Wochenstunden für die Lehrerinnen und Lehrer an Gemeinschafts- und Regionalschulen und von 25,5 Stunden für die Gymnasial- und Berufsschullehrer ein Stellenvolumen von ungefähr 585 erwirtschaftet werden. Diese bittere Pille füllen Sie in den Zuckerguss der erweiterten Altersermäßigung, was einem Stellengegenwert von 142 Lehrerstellen entsprechen soll.

Bleiben 443 Stellengegenwerte, und soweit diese nicht direkt zur Erwirtschaftung der Einsparquote des Einzelplans 07 herangezogen werden, gehört nicht viel Phantasie dazu, um vorauszusagen, dass hier die Finanzierung für die 350 Stellen steckt, die Sie für Ihre aberwitzigen Pläne für G8, G9 und YModell brauchen werden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Sie wollen die Gemeinschaftsschullehrerinnen und -lehrer dafür bestrafen, dass sie an Gemeinschaftsschulen und nicht an Gymnasien arbeiten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Ein Arbeitszeitmodell muss sich aber an größtmöglicher Gerechtigkeit orientieren. Dazu gehört, dass Lehrkräfte, die an ein und derselben Schule unterrichten, einheitliche Arbeitsverpflichtungen und eine einheitliche Besoldung erhalten.

Es ist schon immer grotesk gewesen, dass Gymnasiallehrer im Hinblick auf die hohen fachlichen Anforderungen weniger arbeiten und besser bezahlt werden als Hauptschullehrer, obwohl gerade diese die pädagogisch schwierigsten Schülerinnen und Schüler haben.

Eine gerechte Berechnung der Lehrerarbeitszeit ist schwierig, wenn nicht unmöglich. Es gibt zu viele Variablen. Aber wir haben ja gehört, dass wir das aufgrund des Antrags der Grünen in der nächsten Landtagssitzung hier einmal grundsätzlich diskutieren werden. Ich freue mich auf diese Diskussion.

Bevor wir das aber machen, würde ich vorschlagen, dass wir zunächst einmal dem gemeinsamen Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW zustimmen und die Landesregierung auffordern, den Pflichtstundenerlass zurückzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Cornelia Conrad das Wort.