Protokoll der Sitzung vom 21.05.2010

Unterdessen treibt das Öl weiter unaufhaltsam auf die Küste zu. Erwartet werden Schäden in gigantischer Höhe. Einnahmeverluste der Fischer oder Tourismusbranche kann man vielleicht noch ausgleichen. Die Zerstörung der Natur ist jedoch nicht wiedergutzumachen. Mangrovenwälder sind nirgendwo käuflich zu erwerben, auch nicht für noch so viele Milliarden.

Schauen wir nach Schleswig-Holstein. Die Tourismusagentur verkündete soeben stolz den Start des Projektes „Vermarktung UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer“. Unser Wattenmeer steht auf einer Stufe mit dem Grand Canyon, der Serengeti und dem Great Barrier Reef vor Australien. Der Welterbestatuts wird absolut zu Recht als ein ordentlicher Imagegewinn für Schleswig-Holstein gepriesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mitten in diesen Gebieten wird seit 1987 gleichwohl Öl gefördert. Im Nationalparkgesetz gibt es dazu eine Ausnahmeregelung, obwohl eine Erdölförderung nicht mit dem Schutzzweck zu vereinbaren ist. Grund allein ist der Bestandsschutz.

Mir ist klar, dass bei der Ölförderung im Wattenmeer andere Bedingungen herrschen als im Golf von Mexiko, um dieses vermeintliche Gegenargument gleich zu entkräften. Allein die Meerestiefe, in der dort gearbeitet wird und der enorme Druck, unter dem das ausströmende Öl steht, sind nicht mit den Bedingungen bei uns zu vergleichen.

Parallelen gibt es allerdings dennoch. Ähnlich wie an der Südküste der USA handelt es sich hier um einen einzigartigen und nicht zu ersetzenden Lebensraum. Die Bedeutung der Mangrovenwälder als „Kinderstube“ vieler Meeresbewohner ähnelt denen des Wattenmeers. Qualvoll verendende Vögel oder Schildkröten sind sichtbare Opfer der Katastrophe - für den Naturhaushalt sind die vielen unsichtbaren Opfer der Kleinlebewesen im Wasser, auf und im Meeresboden als Ausgangsbasis für die Nahrungskette - auch unserer Nahrungskette - noch weitaus bedeutsamer.

In den Genehmigungsverfahren der Offshore-Bohrungen im Golf vom Mexiko wurde die Gefahr eines Unfalls in unverantwortlicher Weise heruntergespielt. Jetzt werden erste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zulassung laut. Nicht alle erforderlichen Umweltprüfungen seien gemacht worden.

Meine Damen und Herren, dies ist eine weitere Parallele zu den USA: Die Ölförderung im Wattenmeer wurde nach Bergrecht genehmigt, bevor es

(Luise Amtsberg)

die Verträglichkeitsprüfungen im Rahmen der FFHRichtlinie gab.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Bis heute ist das Naturschutzrecht nicht voll in die bergrechtliche Genehmigungspraxis integriert. Diese Lücke muss endlich geschlossen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und des SSW)

Das Bergrecht darf naturschutzrechtliche Bestimmungen nicht weiter außer Kraft setzen.

Bei der Bohrinsel „Mittelplate“ wurden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die das Risiko für einen schwerwiegenden Unfall begrenzen. Experten sprechen von 98-prozentiger Sicherheit. Ich frage mich, wie sie zu dieser Zahl kommen. Vor allem frage ich mich: Was ist mit dem Risiko, das bleibt? Das kann doch nur heißen: Ein Unfall mit verheerenden Folgen ist auch hier möglich. Wir sind nicht bereit, dieses Risiko länger zu tragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Die bestehende Betriebsplan-Zulassung für RWE Dea läuft 2011 aus. Dies muss aus unserer Sicht unbedingt auch der Zeitpunkt für das Ende der Ölförderung im Watt sein. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, sich mit allen politischen und rechtlichen Möglichkeiten für dieses Ende einzusetzen.

Ich wünsche mir, dass aus diesem Landtag starke Signale an den Betreiber gehen, dass eine weitere Ausbeutung der Ölvorkommen vor unserer Küste nicht länger akzeptiert wird.

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies muss auch für die Offshore-Förderung außerhalb des Wattenmeers gelten, denn ein Ölteppich - wir sehen es jeden Tag - macht vor der Nationalparkgrenze nicht halt. Wir wollen deshalb auch nicht, dass weitere Erkundungsbohrungen genehmigt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ellen Streitbörger [DIE LINKE])

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Karsten Jasper. Zuvor möchte ich noch

ergänzend zu heute Morgen bekanntgeben, dass der Kollege Bernd Schröder von der SPD-Fraktion entschuldigt fehlt. Er hat sich erkrankt abgemeldet. Von dieser Stelle wünschen wir ihm gute Besserung.

(Beifall)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der grünen Fraktion und Ihnen, Frau Fritzen, eigentlich sehr dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, denn das gibt mir noch einmal die Gelegenheit, hier die Unterschiede darzustellen, die Sie zwar kurz angesprochen haben, die für mich aber durchaus wichtig sind im Vergleich mit der Ölplattform Deepwater Horizon in den USA. Ich will überhaupt nicht verhehlen - und ich denke, das geht uns allen so -: Wenn wir die schockierenden Bilder aus den USA von einer verheerenden, unvorstellbaren Umweltkatastrophe sehen, zeigt das, wie lasch die Sicherheitsmaßnahmen bei der Ölförderung in den USA waren oder dass vielleicht gar keine Maßnahmen getroffen worden sind. Das zeigt eigentlich auch, dass diese Maßnahmen durch einem internationalen Standard geregelt sein müssten.

Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie den Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins Angst machen wollen, dass hier Ähnliches passieren kann wie in den USA. Aber ich möchte auch noch einmal speziell einige Unterschiede zwischen der Plattform in den USA und der Mittelplate I, die vor meinem und dem Wahlkreis von Christian Magnussen liegt, betonen. Bei der Mittelplatte handelt es sich nicht um eine schwimmende Bohrinsel wie bei „Deepwater Horizon“. Die Mittelplate ist fest in das Watt eingebaut. Die Bohrlöcher sind von Stahlbetonwänden umgeben, die wie eine Wange wirken, sodass kein Wasser von außen eindringen und kein Öl austreten kann.

Ein ganz gravierender Unterschied zu anderen Bohrinseln ist natürlich auch, dass bei dieser Mittelplate kein Eigendruck des Ölfelds besteht, der das Öl nach oben befördert, sondern das hier ausschließlich gepumpt wird. Zusätzlich sind Sicherheitsventile eingebaut, eines 50 m unter dem Wattboden und eines am Bohrloch, die sowohl von Hand als auch ferngesteuert geschlossen werden können. Ich denke, auch das ist wichtig. Diese Sicherheitsmaßnahmen werden ständig getestet und kontrolliert.

(Marlies Fritzen)

(Zuruf der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fritzen, ich möchte Ihnen auch noch einen weiteren Punkt nennen, der für uns interessant ist speziell für uns in Dithmarschen und insgesamt in Schleswig-Holstein. Wir haben - vielleicht wissen Sie das - in der mittelfristigen Haushaltsplanung 140 Millionen € jährlich an Förderzinsen eingeplant.

(Zuruf: Hört, hört! - Marlies Fritzen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihnen das Risiko wert?)

- Ja, hört, hört! Ich rede jetzt über die Mittelplate und über die Finanzen. Ich rede jetzt auch noch einmal über Arbeitsplätze. Bei der Mittelplate macht das 100 Arbeitsplätze aus, in der Shell-Raffinerie in Hemmingstedt macht das noch mal circa 500 Arbeitsplätze, sodass wir auf über 600 Arbeitsplätze kommen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte Ihnen im Namen der CDU-Fraktion sagen - das ist auch meine Überzeugung -: Wir wollen eine weitere Ölförderung der Mittelplate I, denn seit über 20 Jahren - Sie haben es gesagt: 1987 - ist kein einziger Ölunfall an der Mittelplate passiert. Wir wollen - das betone ich ausdrücklich - eine Ölförderung weiter unter dem Gesichtpunkt höchster Sicherheit. Wir brauchen den Antrag der Grünen nicht, weil wir nicht glauben, dass hier das passieren kann, was in den USA passiert ist. Deswegen lehnen wir Ihren populistischen Antrag ab. Aber ich möchte Ihnen anbieten, dass wir die naturschutzrechtlichen Gesichtspunkte noch einmal im Ausschuss besprechen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte an dieser Stelle bekanntgeben, dass sich der Kollege Dr. Andreas Tietze aus gesundheitlichen Gründen abgemeldet hat. Von dieser Stelle wünschen wir ihm gute Besserung.

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Detlef Buder.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Anmeldung für das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer kritisierte der von der UNESCO be

auftragte Direktor für Schutzgebiete, Pedro Rosabal, deutlich die bestehende, gesetzlich gestattete Förderung von Erdöl und Erdgas. Diese Rohstoffnutzung hat nach seiner Auffassung in den herausragenden Gebieten eines Weltnaturerbes nichts zu suchen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der LINKEN)

Das galt und gilt nach unserer festen Überzeugung auch schon für den Nationalpark Wattenmeer.

(Zurufe)

- Lassen Sie mich erst einmal ausreden, dann machen wir weiter. Sie müssen erstmal alles hören. Dann können wir gern darüber diskutieren, Herr von Boetticher.

Wir haben mit der 1985 errichteten Bohrinsel Mittelplate von Anfang an einen schmerzhaften Dorn in unserem Nationalpark Wattenmeer übernommen und müssen ihn auf Dauer entfernen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Die von den Medien vorgegebene und zeitlich sicherlich auch dem Antrag der Grünen zugrunde liegende Verknüpfung der Bohrinsel Mittelplate mit der Ölpest im Golf von Mexiko ist jedoch sachlich überhaupt nicht begründet.

(Beifall des Abgeordneten Oliver Kumbartz- ky [FDP])

Wir als SPD haben in unserer Regierungsverantwortung stets die Einhaltung höchster, das Wattenmeer schützender Sicherheitsvorgaben verlangt, kontrolliert und auch bekommen.

Nach jahrelangem störungsfreien Bohr-, Förderund Transportbetrieb ist festzustellen, dass die Ölförderung aus dem Vorkommen Mittelplate technisch machbar, wirtschaftlich erfolgreich und unter allen Gesichtspunkten des Umweltschutzes bisher ohne Gefährdungen durchführbar war

(Zuruf der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])