Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren, da unsere politischen Gestaltungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt sind. Wir leben auf Kosten unserer Kinder. Diese können die Erbschaft nicht ausschlagen. Hier ist in unserem Land etwas nicht in Ordnung. Wir wollen nachhaltig Ordnung schaffen. Nachhaltigkeit erfasst alle Themenbereiche; von der Haushaltspolitik über die Bildungs- und Sozialpolitik bis zur Wirtschafts- und Umweltpolitik. Wir setzen auf eine Entwicklung mit einem langen Atem, die unser Land langfristig und tragfähig voranbringt. Diese Regierung wird für eine nachhaltige und solide Finanzpolitik stehen. Wir haben von der rot-grünen Regierung im Mai 2005 allein für das Haushaltsjahr einen Fehlbetrag von 1,7 Milliarden € übernommen. Das sind 1.700 Millionen €.

Diesen Fehlbetrag haben wir schon nach einem Jahr halbiert und 2008 auf unter 300 Millionen € gedrückt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Vor allem durch eigene Leistungen!)

- Ich komme noch darauf. Frau Kollegin, ich zitiere gern jemand anderen. Der Landesrechnungshof hat uns attestiert: Die Landesregierung ist mit den zusätzlichen Steuereinnahmen verantwortungsvoll umgegangen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die anhaltende weltweite Wirtschaftskrise hat uns in unseren Bemühungen um die Haushaltskonsolidierung deutlich zurückgeworfen. Das Haushaltsdefizit wird sich massiv erhöhen. Schleswig-Holstein wird in den vier Jahren bis 2012 rund 4 Milliarden € weniger Steuern einnehmen, als bisher geplant wurde. Das hat die November-Steuerschätzung bestätigt. Deshalb muss sich etwas ändern. Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität, durch das Sehen dessen, was ist. Sie darf aber auch nicht die Augen vor dem verschließen, was kommt. Wenn wir nicht massiv gegensteuern, dann werden sich die Zinsausgaben und der Schuldenstand bis zum Jahr 2020 annähernd verdoppeln. Das ist zwar eine Prognose, dennoch müssen wir erkennen: Die Handlungsfähigkeit des Landes würde auf null sinken. Deshalb ist es richtig, diese Prognose jetzt in den Raum zu stellen und nicht erst 2012 oder 2016. Die Schuldenuhr läuft, und die Zeit wird knapp. Also haben wir uns ein klares Ziel gesetzt. Wir wollen den Landeshaushalt ab 2020 ohne neue Schulden ausgleichen. Dafür wollen wir unsere Landesverfassung ändern. Wir wollen bis Mitte nächsten Jahres das Neuverschuldungsgebot in unserer Landesverfassung verankern, das dann 2020 in Kraft tritt. Ich werbe hier um Unterstützung aus Verantwortung für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dieser Appell richtet sich nicht nur an die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Er richtet sich an alle Menschen in unserem Land. Die Haushaltskonsolidierung ist dieser Regierung per se eine moralische Verpflichtung. Selbst wenn wir keine verfassungsrechtliche Zielmarke 2020 für einen schuldenfreien Haushalt hätten, so müssten wir doch Einnahmen und Ausgaben in Einklang bringen. Alles andere wäre unmoralisch.

Von jetzt auf gleich geht es nicht. Der Konsolidierungspfad ist lang und steinig. Wir werden das strukturelle Defizit des Jahres 2010 von mehr als

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

1 Milliarde € bis 2020 im Durchschnitt jährlich um 10 % senken müssen, wenn wir nicht die 80 Millionen € Konsolidierungshilfen verloren geben und unser Ziel nicht verfehlen wollen. Deshalb werden wir die Haushaltsplanung umgestalten. Wir werden den gesamten Konsolidierungszeitraum bis 2020 im Rahmen einer langfristigen Finanzplanung in den Blick nehmen.

Ich verschweige Ihnen nicht die Fragen, die auch mich beschäftigen: Wie wird sich die Rezession auswirken? Wie wird der Bund den Finanzrahmen gegenüber den Ländern verschieben? Wie stark wird das tatsächliche Wachstum in den kommenden Jahren sein, das wir für die Konsolidierung unbedingt brauchen?

Mein Damen und Herren, unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es in der vergangenen Woche gesagt: „Die Probleme werden erst noch größer werden, bevor es besser werden kann.“

Was im Bund gilt, gilt auch für uns. SchleswigHolstein ist keine Insel. Dafür, dass es besser werden kann, müssen wir jetzt anpacken. Das werden wir tun.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Sparen, sparen, sparen!)

- Ja, sparen, sparen, sparen. Das kommt auch. Sie haben offensichtlich meine Rede gelesen.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Ja, die habe ich gelesen!)

- Sehen Sie! Das war gut für Sie.

Ich will Ihnen ein Zehn-Punkte-Programm zur Konsolidierung des Landeshaushalts vorstellen.

Erstens. Wir werden kurzfristig eine Haushaltsstrukturkommission einsetzen, die den Prozess der Konsolidierung der Ressorthaushalte zum Aufgabenabbau und zur Aufgabenauslagerung beschleunigt. In der Kommission sollen vertreten sein der Finanzminister als Vorsitzender, die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen, die haushaltspolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen und der Chef der Staatskanzlei. Ich freue mich, dass auch der Landesrechnungshof mir gegenüber bekundet hat, mitwirken zu wollen.

(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das auch angeboten! - Zuruf des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Kommission wird alle Möglichkeiten zur Gesundung des Landeshaushalts prüfen. Erste Weg

weisungen erwarte ich zu den Beratungen über einen Nachtragshaushalt Mitte nächsten Jahres.

Zweitens. Der zentrale Schlüssel zur Gesundung des Landeshaushalts liegt in der Personalstärke. Bis zum Jahr 2020 werden wir 10 % der Personalstellen des Landes abbauen. Weiter ist noch keine Landesregierung in Schleswig-Holstein gegangen. Den Stellenabbau können wir aufgrund des demografischen Wandels sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen machen. Rund 20.000 Beschäftigte des Landes gehen bis 2020 in Ruhestand. Davon werden rund 5.600 Stellen gestrichen. Ungefähr jeder Vierte, der in Ruhestand geht, wird keinen Nachfolger haben. Das bringt rund 280 Millionen € Entlastung für den Landeshaushalt.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gilt das auch für den Ministerpräsidenten?)

Drittens. Ein zentrales Personalmanagement beim Finanzministerium wird den Stellenabbau koordinieren. Zugleich werden wir ein hohes Leistungsniveau in der Landesverwaltung sicherstellen. Die Grundsätze der Personalentwicklung und Rekrutierung der Nachwuchskräfte für die allgemeine Verwaltung mit den ressortübergreifenden Personalangelegenheiten habe ich deshalb in die Staatskanzlei geholt. Die Beschäftigten werden wir systematisch fördern und gezielt auf die veränderten Aufgaben vorbereiten.

Viertens. Wir werden die Zuwendungen deutlich reduzieren. Wir werden die institutionelle Förderung stärker auf Projektförderung umstellen. Mir ist sehr bewusst: Das trifft auch Vereine, Verbände und Organisationen, die wertvolle Arbeit leisten, Naturschutzverbände, Sozialverbände, Sportverbände, aber auch Kammern und Stiftungen. Aber wir haben keine Wahl. Interessen einzelner Verbände müssen zurückstehen für das Gemeinwohl.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich weiß, dass Ankündigung und Umsetzung mutig sind. Wir werden Verzicht üben. Wir werden Verzicht üben müssen, denn wir sind darin sehr ungeübt.

Fünftens. Wir werden ein Benchmarking etablieren, das die Leistungen Schleswig-Holsteins im Vergleich zu den anderen Ländern bewertet. Manche Leistung wird sich dieses Land in Zukunft nicht mehr erlauben können.

Sechstens. Wir bauen Aufgaben ab. Neue Aufgaben können nicht on top gesetzt werden. Wer neue Aufgaben und damit zusätzliche Ausgaben will,

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

muss zukünftig sagen, was dafür an anderer Stelle gestrichen werden soll.

Siebtens. Das Land kann den Kommunen keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, weil wir eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Wir werden nur gemeinsam unser Land auf den richtigen Weg bringen. Zu unseren Verpflichtungen werden wir stehen. Notwendige Freiräume müssen durch Aufgabenreduzierung beim Land und in den Kommunen erarbeitet werden. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Achtens. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung entschlossen ist, Impulse für einen dynamischen und stabilen wirtschaftlichen Aufschwung zu geben. Aber das darf nicht dazu führen, dass Schleswig-Holstein die Hände gebunden werden - gerade jetzt, wo wir anpacken wollen. Das ist auch eine Frage der Solidarität. Ich meine, wenn der Bund Steuersenkungen plant, muss er die Konsequenzen für die Haushalte der Länder berücksichtigen. Bei uns ist vieles auf Kante genäht. Wir haben nichts mehr zuzusetzen. Der Föderalismusreform haben wir im vergangenen Jahr zugestimmt im Vertrauen auch darauf, dass die finanzielle Situation des Landes nicht durch Entscheidungen des Bundes verschlechtert wird. Wenn sich diese Geschäftsgrundlage ändert, brauchen wir einen fairen Ausgleich. Wer anderen Schecks ausstellt, muss sie auch bezahlen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Neuntens. Zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung werden wir weiter investieren. Aber wir werden noch sorgfältiger ermitteln, ob wirklich jede einzelne Investition diesem Ziel dient.

(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: So richtig neu ist das nicht!)

Mit beschränkten finanziellen Mitteln müssen wir das maximal Mögliche erreichen. Deshalb werden wir die Wirtschaftsförderung des Landes konzentrieren. Nur die Investition mit der besten Rendite werden wir in Zukunft noch fördern können.

Zehntens. Nicht jedes Sonderangebot des Bundes und der EU ist für Schleswig-Holstein in Zukunft auch noch ein Schnäppchen. Mit anderen Worten: Nicht mehr jedes Förderprogramm wird künftig durch das Land automatisch kofinanziert werden können,

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

nicht jede Fremdenverkehrsmaßnahme werden wir fördern können,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht jede einzelbetriebliche Investitionsmaßnahme kann subventioniert werden,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht jedes Gewerbegebiet, nicht jeder Radweg, nicht jede Maßnahme des ländlichen Wegebaus

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

muss finanziert werden.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

- Sie sollten ruhig weiter klatschen. Ich werde Sie dann an Ihren Applaus erinnern, wenn es um die Einzelheiten geht.