Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Beifall bei CDU und FDP)

Das war immer Ihr Problem. In der Theorie gut, in der Praxis eine Sechs. Und das ist auch heute noch ein Stück weit das Problem. Deshalb brauchen wir in der Tat einen Aufbruch in der Bildungslandschaft. Dieser besteht eben nicht in einem ständigen Gegeneinander von Systemen, sondern dieser besteht vor allen Dingen in der Entbürokratisierung des Schulalltags und in der Sicherung von Qualität und weniger über Systeme. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Die Durchbürokratisierung des Schulalltags, das ist das Schlimmste, was Sie in Ihrer Zeit gemacht haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist der Grund dafür, dass es alte „68er-Lehrer“ aus meiner Schulzeit gibt, die immer zur SPD gestanden haben, die Willy Brandt unterstützt haben, die heute sogar noch bei Bundestagswahlen SPD wählen, aber die nie wieder in ihrem Leben bei einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein SPD wählen werden.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Brand- Hückstädt [FDP])

Davon gibt es eine ganze Menge in diesem Land. Das liegt genau daran, das liegt genau an Ihrer Durchbürokratisierung des Schulalltags, der weder den Lehrerinnen und Lehrern, noch den Schülerinnen und Schülern oder am Ende den Eltern über Mitspracherechte wirklich Möglichkeiten eingeräumt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir müssen auf den demografischen Wandel eingehen. Wir werden 2025 20% weniger 10- bis 15-Jährige haben als heute. Das hat gravierende Auswirkungen auf unser Bildungssystem. Es bedeutet, dass wir gerade in den strukturschwächeren Räumen starke Verluste bei den Schülerzahlen haben werden. Das bedeutet aber nicht einheitlich starke Verluste bei den Schülerzahlen. Das ist auch ein Versäumnis in der Vergangenheit gewesen, dass man immer so getan hat, als gäbe es eine einheitliche Entwicklung in diesem Land.

Das Hamburger Umland ist am Wachsen. Wir haben Schulstandorte, an denen Ihnen die Schulentwicklungsplanung ganz genau zeigt, dass es noch über die nächsten Jahrzehnte hinaus hohe Schülerbestandszahlen geben wird. Das bedeutet, dass wir auch hier mehr Freiheiten und mehr Individualität im Schulbetrieb brauchen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das geht nur, wenn wir bestimmte Eckdaten im nächsten Jahr - einiges noch durch das Vorschaltgesetz in diesem Jahr - korrigieren, mehr Freiheit durch Abschaffung von EVIT, mehr Freiheiten an den Grundschulen, zu entscheiden, ob jahrgangsübergreifend in 1 oder 2 unterrichtet wird, mehr Freiheiten bei der Entscheidung. Wir haben beschlossen, dass eine Realschulumwandlung in diesem Jahr nicht Pflicht wird, sondern haben die Frist bis auf das nächste Jahr verlängert. Aber wir haben auch deutlich gemacht, dass Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen mehr selbst darüber entscheiden können, ob differenziert unterrichtet wird oder nicht. Das wird ausdrücklich von allen Schulzweigen begrüßt, von allen Lehrerverbänden, von den Elternvertretungen. Alle haben gesagt, der Schritt in Richtung mehr Freiheit ist richtig. Den müssen wir gehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dafür steht in unserer Regierung Minister Klug, der eine große Aufgabe übernommen hat. Das ist ein großes Vertrauen, das die Bevölkerung in Sie setzt,

(Dr. Christian von Boetticher)

denn gerade nach so vielen Jahren, 21 Jahren, sozialdemokratisch geführtem Bildungsministerium haben die Leute - das war sicherlich mit wahlentscheidend - die Nase voll gehabt. Wir unterstützen Sie in Ihrem kräftigen Aufbruchkurs.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich komme zum letzten Thema, das der Herr Ministerpräsident in seiner Rede ebenfalls in den Mittelpunkt gestellt hat, nämlich zum Thema Integration. Gerade weil wir einen demografischen Wandel haben, wird es in unserer Gesellschaft maßgeblich darauf ankommen, ob es uns gelingt, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die bei uns leben wollen, in diese Gesellschaft zu integrieren. Das ist eine ganz große Herausforderung. Das stellt nicht nur Bildungssysteme vor eine Herausforderung, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Darum sind hier wichtige Schritte notwendig. Darum ist hier modernes Denken, eine moderne Integrationspolitik notwendig. Herr Minister Schmalfuß, an das Justizministerium werden, weil es ein kleines Ministerium ist, weitere Zuständigkeiten angedockt. Ich fand es richtig und gut. Beides, nämlich auch die Aufsicht über die Kernenergie, ist - das haben wir, meine Vorgängerin und ich, immer gesagt - am Ende Rechtsaufsicht und nicht in erster Linie ein politisches „Wünsch dir was“. Darum sind beide Ansiedlungen in Ihrem Ministerium klug. Wir haben großes Vertrauen in Ihre Amtsführung. Unsere volle Unterstützung haben Sie dabei.

(Beifall bei CDU und FDP)

Jetzt habe ich über vieles gesprochen, Herr Stegner. Ich habe vielleicht meine eigenen Leute ein bisschen enttäuscht, weil sie gehofft haben, dass ich mich besonders viel mit Ihrer „großen“ politologischen Rede, die Sie heute gehalten haben, auseinandersetze. Aber ich habe das aus einem Grund nicht getan: Ich wollte heute über Zukunft reden, Herr Stegner. Niemand steht - das haben Sie durch Ihre heutige Rede deutlich gemacht - so sehr für Vergangenheit und Rückwärtsgewandtes wie Sie.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe Helmut Kohl immer sehr geschätzt. Die Idee, dass er 1998 als Fraktionssvorsitzender auf der Oppositionsbank Platz nimmt, hätte ich trotzdem nicht gut gefunden. Sie müssen dieses Amt tragen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei. Es wird, wenn es Ihre Fraktion wünscht, noch lange dauern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich eine geschäftsführende Bemerkung machen. Für die Regierungserklärung und die Debatte sind insgesamt 270 Minuten vorgesehen. Das bedeutet, dass die Debatte um Viertel vor drei beendet wäre und die Mittagspause sich auf eine Viertelstunde reduzieren würde. Ob dies im Interesse der Fraktionen ist oder ob eine Unterbrechung nach dem nächsten Debattenbeitrag gewünscht ist, das bitte ich die Fraktionen untereinander zu klären. Das ist so Usus im Haus gewesen. Ich bitte um eine entsprechende Rückmeldung.

Zunächst einmal erteile ich das Wort dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Abgeordneten Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach meiner persönlichen Auffassung ist das Durchtagen ohne Mittagspause ein Verstoß gegen die Schlussakte von Helsinki und deshalb nicht zu akzeptieren. Aber ich möchte meinen Redebeitrag nicht mit einer solchen Bemerkung beginnen.

Ich weiß, dass eine gewisse Erwartungshaltung im Hause vorherrscht bezogen auf den Oppositionsführer, und möchte Sie enttäuschen. Heute Morgen bin ich von der Kollegin Heinold mit „Schönen guten Morgen, Herr Oppositionsführer“ begrüßt worden. Das war wahrscheinlich aus langer Gewohnheit so. Ich bin es nicht mehr, sondern es ist Herr Dr. Stegner. Nach dem Redebeitrag von Dr. Stegner kann ich sagen: Er ist es nicht. Meine ganze Hoffnung liegt auf Herrn Habeck.

(Beifall bei der FDP)

Ich hätte von Herrn Dr. Stegner eigentlich eine intelligente und nachdenkenswerte Rede erwartet. Er hat sie nicht geliefert. Er hat eine Wahlverliererverteidigungsrede in die eigene Partei hinein gehalten. Das wird weder dem Anspruch des Hohen Hauses noch den Aufgaben der Zukunft gerecht.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Meine Rede kommt auch noch, Herr Kollege! - Heiter- keit)

- Wir gucken uns den Wettbewerb in Ruhe an. - Die Rede des Herrn Kollegen Stegner, die gespickt war mit Demagogie, Polemik und Unwahrheiten, hat es nicht verdient, dass man weiter auf sie eingeht.

(Dr. Christian von Boetticher)

Am 16. Juli erschien in der nicht gerade als erzkonservativ geltenden Tageszeitung „Die Zeit“ ein bemerkenswerter Artikel. Dieser beschrieb den Zustand der schwarz-roten Landesregierung zu diesem Zeitpunkt ganz hervorragend:

„Keine andere Koalition in Deutschland wurde so sehr von Verachtung und Misstrauen beherrscht wie diese.“

Herr Dr. Stegner hat noch einmal ein beredtes Beispiel dafür abgelegt, dass das zutreffend beschrieben war.

„Dass sie überhaupt vier Jahre hielt, war kein Wunder, sondern eine Frechheit für die Bürger in Schleswig-Holstein.“

Ich freue mich außerordentlich, dass die Wählerinnen und Wähler am 27. September gesagt haben: Diese Frechheit lassen wir uns nicht länger gefallen. - Wir reden ja noch einmal über das Wahlrecht, Herr Dr. Habeck. Wir sollten die Frage der Legitimität der Zusammensetzung des Landtags dem Verfassungsgericht überlassen, denn bis zum Wahltag selbst ist kein Mensch auf die Idee gekommen, dass unser Wahlrecht verfassungswidrig sein könnte. Ich erinnere daran, dass wir im Jahre 1992 im Landtag von Schleswig-Holstein eine SPDMehrheit hatten, obwohl die Oppositionsfraktionen mehr Stimmen hatten, und dass es im Jahre 2002 im Deutschen Bundestag eine rot-güne Mehrheit gab, obwohl die anderen Parteien, die im Bundestag vertreten waren, 1,3 Millionen Stimmen mehr in die Waagschale warfen. Auch dort ist die Frage der Legitimität der Zusammensetzung nicht gestellt worden.

Ich freue mich übrigens genauso darüber, dass es bei der Wahl des Ministerpräsidenten nicht nur die durch CDU und FDP vorhandene Drei-StimmenMehrheit gab, sondern sogar eine Vier-StimmenMehrheit

(Peter Lehnert [CDU]: Fünf!)

- eine Fünf-Stimmen-Mehrheit -, die der schwarzgelben Koalition den Auftrag zum Regieren gegeben hat. Ein besseres Signal für eine Koalition des Aufbruchs kann es wohl kaum geben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Aufbruch ist dringend notwendig, denn es ist unbestritten, dass die vergangenen Jahre für Schleswig-Holstein keine guten Jahre waren. CDU und FDP übernehmen die Regierungsverantwortung nicht in einfachen Zeiten. Doch wir dürfen uns darüber nicht be

klagen. Wir müssen mutig und entschlossen die vor uns liegenden Aufgaben beim Namen nennen. Die drei größten Herausforderungen liegen sicherlich in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Finanzen.

Erstens. Deutschland befindet sich infolge der Weltwirtschaftskrise in der schwersten Rezession seiner Geschichte. Der Wachstumseinbruch ist fünfmal stärker als der bisher größte Rückgang in den 70er-Jahren des letztens Jahrhunderts. Wenn auch Schleswig-Holstein in dieser Phase zum Glück aufgrund seiner kleinteiligen, mittelständisch geprägten Struktur die Rezession besser verkraftet als andere Bundesländer, trifft die Krise auch unser Land stark. Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt werden sich erst 2010 richtig zeigen.

Zweitens. Die finanzielle Belastung jedes Schleswig-Holsteiners ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die volle Wucht der Auswirkungen der Krise wird uns im nächsten Jahr erreichen. Das gilt auch für die öffentlichen Haushalte der Kommunen.

Drittens. Erschwerend kommt hinzu Herr Dr. Stegner, jetzt sollten Sie zuhören -: Nach 21 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik belegen Studien der vergangenen Jahre, dass sich die Bildungschancen der schleswig-holsteinischen Schülerinnen und Schüler weiter verschlechtert haben.

(Günther Hildebrand [FDP]: Hört, hört!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neue Koalition aus CDU und FDP wird diesen Herausforderungen aktiv begegnen. Die neue Koalition wird die Koalition des Aufbruchs sein, ein Aufbruch, den die CDU mit der SPD nicht geschafft hat. In dieser Koalition des Aufbruchs wird die FDP der Motor sein, der den Aufbruch ermöglicht. Es wird keine Bremse geben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Schleswig-Holstein durchbricht mit der Koalition des Aufbruchs den politischen Stillstand der vergangenen Jahre. Schleswig-Holstein wird mit einer gezielten investitionsfreundlichen Wirtschaftspolitik wieder den Anschluss an die anderen Bundesländer bekommen. Unser Land wird nicht länger der bildungspolitische Geisterfahrer der Republik sein. Wir werden zurückfinden auf den Weg der haushaltspolitischen Tugend.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dabei steht fest, dass CDU und FDP keine unhaltbaren Versprechungen machen werden. Wir sagen