Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denn sie wissen nicht, was sie tun. - So entschuldigte Jesus seine Peiniger vor Gott.
Ich habe nicht vor, die Politik dieser Landesregierung und der Koalitionsfraktionen zu entschuldigen. Im Gegenteil. Dieser Landtag wird heute in der zweiten Lesung eine Änderung des Sparkassengesetzes verabschieden, von der niemand genau weiß, was sie bringt, und die auch niemand haben will. Eine solche Politik mit so viel Unsicherheiten ist nicht zu entschuldigen, sie ist einfach dumm.
Jeder zweite Bürger Schleswig-Holsteins ist Kunde bei einer Sparkasse, fünf von zehn Unternehmen haben eine Sparkasse als Hausbank, und die Sparkassen finanzieren fast jede zweite Existenzgründung im Land. Sie haben einen Marktanteil von 37 %, 350 Filialen, 145 Selbstbedienungscenter, 836 Geldautomaten und - das Wichtigste - 8.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schleswig-Holstein.
Außerdem haben die Sparkassen von 2000 bis 2009 rund 500 Millionen € Steuern im Land gezahlt und 14 Millionen € in Kultur, Sport und soziale Projekte gesteckt. Das ist eine beeindruckende Bilanz, und genau diese beeindruckende Bilanz wollen wir als SSW nicht gefährden.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gibt die Landesregierung vor, die Sparkassen stärken zu wollen. Das Problem ist nur, dass die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf genau das Gegenteil erreicht. Statt die Sparkassen durch die Bildung von Stammkapital zu stärken, wird die Teilprivatisierung der Sparkassen eingeläutet und die Eigenkapitalbasis geschwächt.
Die Teilprivatisierung wird durch die Zulassung landesfremder Minderheitsbeteiligungen an den Sparkassen eingeläutet. Im Klartext: Andere freie und öffentlich-rechtliche Sparkassen in Deutschland dürfen bis zu 25,1 % des Stammkapitals der Sparkassen erwerben.
Ganz oben auf der Liste der Interessenten steht die Haspa aus Hamburg. Die Haspa ist allerdings eine freie Sparkasse, sodass mit einem möglichen Erwerb von Sparkassenanteilen auch andere Privatbanken die Möglichkeit bekommen, sich einzukaufen. Nicht nur, dass mit dem Gesetzentwurf aufgrund des Diskriminierungsverbotes gegen EURecht verstoßen wird, es wird auch der Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens Tür und Tor geöffnet.
Wenn die Landesregierung jetzt sagt, dass der rechtliche Status der Haspa noch gar nicht geklärt ist, macht es das erstens nicht besser und stimmt zweitens auch nicht. Nicht nur die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass es keine gesetzliche Grundlage gibt, in der die Haspa als öffentlich-rechtlich definiert wird. Außerdem hat die
Haspa selbst 1984 vor dem Bundesverwaltungsgericht erstritten, dass sie nicht den öffentlich-rechtlichen Sparkassen zuzuordnen ist; dadurch hat sie sich vom Regionalprinzip befreit. Es gibt also höchstrichterliche Rechtsprechungen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die freiwillige Unterordnung der Haspa unter bestimmte Grundsätze der Sparkassenpolitik noch lange keine öffentlichrechtliche Sparkasse aus ihr macht.
Meine Damen und Herren, nur weil Sparkasse draufsteht, muss noch lange keine echte Sparkasse drin sein. Nach dieser eindeutigen Rechtslage kann mir keiner mehr erzählen, dass es bei diesem Gesetzentwurf nicht um eine Teilprivatisierung des kommunalen Sparkassenwesens geht.
Mit der Minderheitsbeteiligung anderer Sparkassen an den Sparkassen soll die Eigenkapitalbasis der Sparkassen gestärkt werden, so heißt es. Gerade dadurch wird die Kapitalbasis aber geschwächt. Mit der Bildung von Stammkapital ist nämlich kein automatischer Zufluss von Kapital an die Sparkassen verbunden. Die Verkäufer von Stammkapital sind nämlich an erster Stelle die Kommunen, die angesichts der desolaten Finanzlage vor allem ein Interesse daran haben werden, ihren eigenen Haushalt aufzupäppeln und sich daher dem Veräußerungsdruck von Sparkassenanteilen gar nicht verschließen können.
Da hilft auch kein Zwang zum Halten von stillen Einlagen. Ob dieses überhaupt rechtens ist, ist ungeklärt, und selbst nach der zeitlichen Begrenzung könnte das Kapital abgezogen werden. Darüber hinaus müsste dieses Kapital, das vielleicht gar nicht benötigt wird, auch noch marktgerecht verzinst werden, was die Sparkassen dann wieder schwächt.
Im Übrigen bleibt es weiterhin für die Kommunen attraktiv, Anteile zu veräußern, denn so erhält man in zehn Jahren seinen Verkaufserlös. So doof sind die Kommunen auch nicht, dass sie nicht zehn Jahre vorausplanen können. Und in der Zwischenzeit erhalten die Kommunen eine Vergütung für ihre stillen Einlagen, die höher sein wird als für eine Stammeinlage, weil ja die Stammeinlage Mitspracherecht gibt und somit geringer vergütet wird als eine stille Einlage ohne Stimmrecht. Der Druck zum Verkauf für notleidende Kommunen bleibt somit bestehen.
Es ist also mehr als fraglich, ob die Sparkassen von dem Verkauf überhaupt einen finanziellen Vorteil haben. Einen finanziellen Nachteil haben sie auf jeden Fall. Denn jeder Käufer von Stammkapital hat ein Recht auf Rendite und hofft natürlich auf eine möglichst hohe Rendite. Die Gewinne werden also aus den Sparkassen abgeführt, und zwar auch in andere Bundesländer wie zum Beispiel Hamburg. Vergessen Sie nicht meinen Hinweis vorhin mit den Steuerzahlern und den Sparkassen. Die gehen also jetzt in andere Bundesländer. Mit dem Regionalund Verankerungsprinzip der kommunalen Sparkassen dürfte es kaum vereinbar sein, dass Gewinne aus der regionalen Wirtschaft und der Bevölkerung an anonyme Kapitalgeber in landesfremde Gebiete fließen. Aber die Bewahrung der bisherigen Aufgabenstellung der Sparkassen scheint ja sowieso nicht mehr im Interesse dieser Landesregierung zu liegen.
Frau Loedige hat bereits bekannt gegeben, dass dieser Gesetzentwurf erst der Anfang ist und die FDP eigentlich eine Beteiligung von 49,9 % ermöglichen wollte. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird also ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der Geschäftspolitik der Sparkassen eingeläutet, der auf Teilprivatisierung, Fremdbestimmung und Marktorientierung setzt.
Die bisherigen Aufgabenstellungen der Sparkassen, also Bildung eines regionalen Geschäftsgebietes, Sicherstellung der Kreditversorgung des Mittelstandes, Orientierung am Gemeinwohl und der Verzicht auf ein einseitiges Streben nach Rendite, werden mit diesem Gesetzentwurf von einer gewinn- und ausschüttungsorientierten Bankenlandschaft überrollt.
Mit der Logik dieser Landesregierung führt eine verbesserte Eigenkapitalausstattung der Sparkassen dazu, dass diese zukünftig bei verschärften Eigenkapitalanforderungen besser bestehen können. Also, je mehr Eigenkapital, desto höher die Leistungsfähigkeit der Sparkasse am Markt. Dazu kann ich aus Sicht des SSW und den Erfahrungen des letzten Jahres nur sagen: Das hatten wir schon einmal bei der HSH Nordbank. Wir alle haben mitgekriegt, wozu der Drang nach mehr Rendite und riskanteren Geschäften geführt hat. Warum also sollten wir die Sparkassen in die gleiche Situation drängen? Warum also sollten wir die gleichen Fehler wieder machen, die schon einmal begangen worden sind?
Lieber Herr Kollege Kubicki, es hat sich als großer Vorteil erwiesen, dass diese mittelständisch orientierten Sparkassen und auch die Volks- und Raiffeisenbanken gerade nicht in so hohem Maße an den internationalen Finanzmärkten beteiligt waren. Diese Banken sind relativ unbeschadet aus der Wirtschafts- und Finanzkrise herausgekommen. Eine Änderung der Geschäftspolitik der Sparkassen führt also nicht nur zu der Gefahr, dass diese dem steigenden Renditedruck nachgeben und riskante Geschäfte eingehen, auch die Aufgabe nicht attraktiver Kundenverbindungen und Geschäftsfelder, die Verödung des ländlichen Raums und die Beendigung des öffentlichen Auftrages stehen im Raum, meine Damen und Herren.
Aber das ist ja nicht neu, diese Landesregierung tritt die Schwachen mit Füßen und lässt den ländlichen Raum veröden. Insofern hat dieses Gesetz System.
Für den SSW möchte ich ganz klar sagen, dass wir diese Politik nicht unterstützen. Wir tragen die Lobbypolitik dieser Landesregierung zugunsten einstiegsbereiter Großbanken nicht mit. Die Sparkassen haben durch ihren Verband und ihre Trägerstruktur ausreichend Möglichkeiten, um vorhandene Probleme innerhalb der Sparkassenstruktur zu lösen. Und sie haben bereits selbst bekannt gegeben, dass sie eigene Probleme selbst lösen können und auch wollen.
Die Landesregierung legt großen Wert darauf zu betonen, dass das Gesetz ein „Kann-Gesetz“ ist. Da bleibt also nur noch die kleine Hoffnung, dass keine einzige Sparkasse in Schleswig-Holstein die Irrwege, die dieses Gesetz bietet, jemals geht. Aber besser wäre es, wenn dieser Gesetzentwurf in den Mülleimer der Geschichte geworfen würde.
Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen wir als SSW gegen den Gesetzentwurf und fordern jeden verantwortungsvollen Politiker auf, es uns gleichzutun.
Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich nun das Wort dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Dr. Christian von Boetticher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht wäre es doch noch einmal sinnvoll, sich die Sparkassenlandschaft in Schleswig-Holstein im Einzelnen anzugucken. Wir haben Sparkassen, die nach ihren eigenen Bilanzen und Bekundungen nach außen im Augenblick sehr gut dastehen. Die sagen: Wir brauchen ein solches Gesetz nicht. Das nehmen wir zur Kenntnis. Wir haben Sparkassen, die im Augenblick in Schwierigkeiten sind, entweder weil die Eigenkapitalausstattung nicht besonders gut ist oder weil es in der Tat bankinterne Probleme gibt. Die sagen uns: Macht bitte etwas. Wir brauchen dringend einen stärkeren Partner. Die verlangen also geradezu nach dieser Öffnung.
Eines müssen Sie feststellen: Die Lage hat sich im letzten halben Jahr dramatisch verändert. Das merken selbst die Sparkassen, die uns noch vor einem halben Jahr gesagt haben: Macht das Gesetz nicht, wir brauchen es nicht. Sie stellen nämlich im Augenblick fest, dass nicht nur die HSH Nordbank, sehr geehrter Herr Kollege Stegner, die ja in Ihrer Zeit die richtigen Weichenstellungen dafür vorgenommen hat, damit es dann zu dieser dramatischen Lage dort gekommen ist, wodurch die Sparkassen heute erheblichen Wertberichtigungsbedarf haben -
Eine Minute bitte! - Es ist also nicht nur die HSH Nordbank, sondern es geht auch um den Stützungsfall Nospa. Dieser Stützungsfall Nospa hat ja nicht nur Auswirkungen auf die Nospa, sondern hat über den Sicherungsfonds Auswirkungen auf alle Sparkassen in diesem Land. Selbst die Sparkassen, die uns noch vor einem halben Jahr mit stolzgeschwellter Brust gesagt haben, das brauchten sie alles nicht, sind heute erheblich ruhiger geworden, weil sie alle feststellen, dass sie mittlerweile das, was an Wertberichtigungsbedarf auf der einen Seite und an Stützungsgeldern auf der anderen
Seite nötig ist, am Ende vielleicht gar nicht mehr so beherrschen können, wie sie das am Anfang geglaubt haben.
Darum ist auch der Sparkassen- und Giroverband in den Verhandlungen auf viele der Positionen eingegangen. Wir haben uns am Ende in elf Punkten auf einen gemeinsamen Weg verständigt. Es gibt, wie Sie zu Recht deutlich gemacht haben, in dem Brief von vorgestern einen einzigen Punkt, wo der Sparkassen- und Giroverband gesagt hat: Der ist leider nicht ausgeräumt. Darum können wir nicht zustimmen. Diesen einen Punkt will ich gern nennen. Das ist der Punkt, wo wir am Anfang vorgesehen hatten, dass die Kreise 25,1 % veräußern können und das Geld in den Kreishaushalt fließt. Die Sparkassen hatten Angst davor, weil sie gesagt haben: Das entzieht uns das Geld, das soll nicht sein. Daraufhin haben wir gesagt: Okay, dann wandeln wir das um in eine stille Einlage mit einer Bindungsfrist von mindestens zehn Jahren. Jetzt sagt uns der Sparkassen- und Giroverband: Besser wäre es, weil es dann Kernkapital ist, wenn es 30 Jahre wären.
Ansonsten haben viele in diesem Land erkannt, dass der Weg durchaus ein vernünftiger und ein richtiger ist.