Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

Ausdrücklich ausgeschlossen haben wir eine Anordnung des Innenministeriums, mit der Einträge aus Haushaltsgründen zur Bildung und Übertragung von Stammkapital angewiesen werden. Damit auch zukünftig die Gewinne der Sparkasse zur Stärkung ihres Eigenkapitals genutzt werden, schreibt das Gesetz vor, dass mindestens ein Drittel des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden muss. Ausschüttungen aus dem verbleibenden Teil des Jahresüberschusses können nur insoweit vorgenommen werden, als dass sie nicht ebenfalls für eine Stärkung der Rücklagen benötigt werden.

Meine Damen und Herren, alle diese beschriebenen Änderungen sind keine Nachbesserungen, es sind Verbesserungen, die nicht zuletzt aus zahlreichen Gesprächen mit dem Sparkassen- und Giroverband resultieren.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Warum haben Sie das dann geändert?)

Mein Dank gilt deshalb allen Kolleginnen und Kollegen, die daran in den vergangenen Wochen und Monaten mitgewirkt haben. Ebenso möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die uns während dieser Zeit mit Hinweisen und Anregungen, aber auch mit sachlicher Kritik begleitet haben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Lassen Sie uns mit der heutigen Verabschiedung der Gesetzesnovelle dafür sorgen, dass unsere Sparkassen auch in Zukunft über ausreichend Eigenkapital verfügen und damit ihren Kreditgeschäften zur Förderung der heimischen Wirtschaft uneingeschränkt nachgehen können. Es geht darum, unsere öffentlich-rechtlichen Sparkassen zu stärken, damit sie als regional selbstständige Institute erhalten bleiben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Tribüne sehr herzlich den langjährigen Abgeordneten der CDU-Fraktion, Herrn Ehlers. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein zu kurzer, viel zu kurzer aber dennoch heftiger Diskussionsprozess, scheint sich heute seinem Ende zu nähern. Dieser zu kurze Diskussionsprozess, der - da stimme ich Herrn Koch zu - dennoch auf hohem Niveau verlief, hat zu interessanten Ergebnissen und Erkenntnissen geführt, aber nicht zu abschließenden Erkenntnissen. CDU und FDP haben ihre Position zwar ein Stück weit überarbeitet, aber das Grundproblem des Gesetzentwurfs nicht berührt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

(Tobias Koch)

Aber auch für uns sind neue Erkenntnisse deutlich geworden, und auch wir haben unsere Auffassung in mancher Frage ein Stück weit überarbeiten müssen.

Für uns als SPD-Fraktion ging und geht es darum, die Sparkassen zu stärken und das hohe Vertrauen der Menschen in diese Institute nicht durch politische Spielereien und juristisches Gepokere zu zerstören.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist die Versorgung mit Bankdienstleistungen in der Fläche immer noch ein wichtiges öffentliches Gut, das bei weitem noch nicht durch Online-Banking abgelöst ist. Die Sorge, dieses Flächenangebot könnte durch die Gesetzesänderung gefährdet werden, ist tatsächlich eher unbegründet da stimme ich Ihnen zu -, weil potenzielle Erwerber von Sparkassenanteilen aus der Branche es natürlich auf die Nutzung des dichten Filialnetzes abgesehen hätten und haben. Aber ob ein reiner Privatinvestor, wenn er denn zugelassen werden würde, das auch so sehen würde? Ich denke, wohl kaum.

Für uns ist die Sicherstellung eines Girokontos für jeden eine grundlegende politische Forderung, weil ohne diese Garantie viele Menschen von der Möglichkeit ausgeschlossen wären, ihre persönlichen Geschäftsvorgänge zu regeln. Ob ein Sparkassengesetz bei privater Beteiligung an einer Sparkasse das dann noch halten kann, bleibt rechtlich fragwürdig, und alle theoretischen Selbstverpflichtungen, die es aus der Kreditwirtschaft gibt, reichen in der Praxis nicht aus. Das zeigen immer wieder ganz viele Klageverfahren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bedeutung der Sparkassen als Finanzierungsinstitut für die Wirtschaft, insbesondere die mittelständische Wirtschaft, ist unbestritten. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch kein Wunder, dass gerade die Interessenvertreter der kleinen und mittleren Betriebe davor warnen, noch mehr Entscheidungen in ferner gelegene Zentralen zu verlagern, als es jetzt schon nach den vielen Fusionen der Fall ist. Das gibt ein merkwürdiges Bild von den beiden sogenannten Wirtschaftsparteien hier im Parlament ab.

Dass Städte und Kreise in Finanznot in die Versuchung geraten könnten, ihre Anteile an den Sparkassen zu veräußern, um ihre Haushalte zu sanie

ren, ist durch die Ergänzung aus den Regierungsfraktionen zumindest zeitweilig gebannt. Ebenso wird der Innenminister ausgebremst, falls er Anteilsverkäufe verlangt. Dennoch ist der Gesetzentwurf an dieser Stelle nur verschlimmbessert worden. Der Sparkassen- und Giroverband, Herr Koch, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine stille Einlage des Eigentümers dann auch marktgerecht verzinst werden müsste, um beihilferechtlich bestehen zu können. Das ist teuer und hilft der Sparkasse nicht, sondern nur dem einlegenden Eigentümer und sonst niemandem.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Der Vorschlag des Sparkassen- und Giroverbandes zur Aufnahme einer atypischen stillen Einlagemöglichkeit in das Sparkassengesetz - das haben Sie ja nicht aufgenommen - könnte zwar Geld auf die Eigenkapitalseite bringen, bewältigt aber die europarechtlichen Probleme nicht. Auch diese Lösung ist nur eine nicht ganz so schlechte Lösung. Die Träger können schon jetzt nach freier Auswahl ihre Verwaltungsratsmitglieder benennen, können also durchaus andere aufnehmen als Kommunalvertreter. Widersprüchlich scheint es, wenn der Sparkassenbundesverband die interne Lösung der Kapitalprobleme der Sparkassen durch die vorhandenen Stützungsmöglichkeiten in der Ausschussanhörung als völlig ausreichend beschreibt, in der Praxis aber der Nospa nicht rasch hilft, sondern mit den Trägern und der Sparkasse über die Beträge verhandelt.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Koch [CDU])

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen - bevor Sie applaudieren, Herr Koch -, Stützungsmaßnahmen bedeuten natürlich keinen Freifahrtschein ins Glück, sondern müssen von einem Sanierungskonzept getragen werden, aus dem hervorgeht, wie künftig Fehler in der Sparkasse vermieden werden, die zweifellos gemacht worden sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das kann auch nicht der Anlass für die Änderung des Sparkassengesetzes sein. Sie wissen ja, dass die Kreissparkasse Lauenburg zurzeit prüft, die günstige Gelegenheit zu einer Eigenkapitalerhöhung zu nutzen, wenn das Sparkassengesetz geändert wird. Die haben weiß Gott schon die Anforderungen, die ein mögliches Basel III mit einer Eigenkapitalausstattung von 8 % erfordert, erfüllt. Das würde ich nicht in Abrede stellen.

(Thomas Rother)

(Christopher Vogt [FDP]: Noch!)

Die Gelegenheit ist ganz einfach günstig, Herr Vogt. Von daher stimmt die Argumentationslinie nicht, dass gerade den in Not geratenen Sparkassen durch diese Gesetzesänderung geholfen werden könnte.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Reden Sie mit den Leuten!)

Die Gemeinwohlverpflichtung der Sparkassen wäre allein schon durch eine Stammkapitalbildung dahin, weil auch ein öffentlicher Eigentümer dann schlichtweg Renditeinteressen hätte, weil er dann darüber verfügen kann, und damit der Charakter einer Sparkasse grundlegend verändert wäre. Da, Herr Koch, müssen auch wir unsere bisherige Position korrigieren, denn wir waren ja offen für eine öffentlich-rechtliche Beteiligungsmöglichkeit. Aber auch das würde es nicht besser machen, sondern nur nicht ganz so schlimm.

Trotz aller Veränderungen bei Randfragen des Gesetzestextes durch die Regierungsfraktionen bleibt das Kernproblem der Stammkapitalbildung unangetastet und damit bestehen.

Durch die Einbeziehung der Haspa-Finanzholding und anderer freier Sparkassen in die Möglichkeiten zum Beteiligungserwerb liegt schlicht und ergreifend eine Teilprivatisierung vor.

(Beifall bei der SPD)

Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Haspa um ein privates Rechtssubjekt handelt. Und auch die Mitteilung der EU-Kommission hat - bei allen Hintertürchen - erkennen lassen, dass sie die Haspa-Finanzholding eher als Privaten einordnen wird. Und bei der Sparkasse zu Lübeck ist dies bereits aufgrund einer beihilferechtlichen Entscheidung vor gut zwei Jahren erfolgt, siehe auch die Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Weißleder & Ewer, Seite zehn, die sich im Auftrag der Haspa mit diesem Thema befasst hat. Gibt es einen besseren Zeugen dafür, wo die Kinken in diesem Gesetzentwurf liegen?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN - Zuruf des Abgeord- neten Wolfgang Kubicki [FDP])

Bei der Anwendung des EU-Rechts in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit bliebe eine Privilegierung bestimmter Rechtsträger gegenüber anderen potenziellen Investoren unzulässig. Die EU-Kommission könnte wegen der

unzulässigen Veräußerungsbeschränkung ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Private Investoren könnten sich auf eine Gleichstellung berufen. Ein nicht zugelassener Privater, der bereit wäre, einen höheren Kaufpreis als ein öffentlich-rechtlicher Erwerbsinteressent zu bezahlen, könnte sich auf das europäische Diskriminierungsverbot berufen und sich gegebenenfalls in die Sparkasse hineinklagen. Und dass das Interesse Privater kein Hirngespinst ist, hat der Vorgang um die Sparkasse Stralsund und die Deutsche Bank, die dort hinein wollte, ja schon bewiesen.

Erbärmlich bei diesem Gesetzesvorhaben ist die Rolle der Landesregierung. Nicht nur, dass sie die Arbeit - hier die Schmutzarbeit - die sie tragenden Fraktionen machen lässt, die Antworten auf die Kleinen Anfragen der Kollegin Heinold, des Kollegen Harms, des Kollegen Stegner und auch meiner Wenigkeit in Bezug auf die europarechtlichen Fragen des Sparkassengesetzes sind wirklich dreist. Diese Antworten kann man nicht mehr Antworten nennen, sondern „Ver-irgendwas-ung“.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Beachtlich ist auch, dass die Landesregierung 55.000 € für ein Rechtsgutachten der Kanzlei Freshfields zur Klärung europarechtlicher Fragen ausgegeben hat, also sehr wohl hätte präzise antworten können. Und vielleicht wäre dann auch manchem in den Regierungsfraktionen die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlich, öffentlich und privat das ist immer wieder durcheinandergeworfen worden - deutlich geworden.

Sogar der Deutsche Bundestag befasst sich mit diesem Thema, auch kein alltäglicher Vorgang in Bezug auf die Änderung eines Landesgesetzes.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, das ist doch gut, Herr Kubicki, die passen wenigstens auf.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Und auf EU-Ebene - Sie haben es heute in der „Welt“ lesen können - lauern Wirtschaftsliberale nur auf einen Anlass, den öffentlich-rechtlichen Charakter der deutschen Sparkassen endlich zu Fall zu bringen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

(Thomas Rother)

Von daher appelliere ich vor allem an die Kolleginnen und Kollegen aus der Union, die Warnungen vor dieser Gesetzesänderung ernst zu nehmen. Diese Warnungen kommen von den Beschäftigten Vertreter sind ja hier -, auch der Beschäftigten der sogenannten freien Sparkassen, von den Sparkassen selbst, von Institutionen, die eher Ihnen als uns politisch nahestehen, und auch aus Ihrem eigenen politischen Lager mit Oberbürgermeisterin Petra Roth an prominentester Stelle.