Das scheint gut zu funktionieren, wie die Kooperationsvereinbarungen zeigen, die fast alle Kliniken im Land inzwischen eingegangen sind.
In den Ballungszentren wie Hamburg und Berlin, sieht die Sache allerdings völlig anders aus. Inzwischen liegen mehrere Klagen niedergelassener Vertragsärzte vor, die durch die ambulante Tätigkeit der Krankenhäuser ihre Einnahmen massiv gefährdet sehen. In jedem einzelnen Fall wird nicht nur ein Gericht bemüht, sondern bereits im Vorwege haben sich viele Fachleute in mehreren Gremien damit beschäftigt - eine riesige Beschäftigungsmaschinerie für Juristen. Die frühzeitige Einbindung aller beteiligten hiesigem Kliniken bei uns im Lande scheint ein Garant dafür zu sein, dass das Gesundheitswesen in Arbeitsteilung gut funktioniert. Dass dies in Augenhöhe geschehen muss, ist dabei unumgänglich.
Wir müssen aber belastbare Strukturen schaffen. Ansonsten droht uns ebenfalls eine Klageflut. Den juristischen Dauerclinch will hoffentlich bei uns niemand. Darum hätte ich mir gewünscht, dass wir weiter wären als bei einem mehr oder weniger eindeutigen Berichtsantrag. Was wir brauchen - und was im Übrigen auch die Patienten von uns verlangen -, sind konkrete Schritte zur weiteren Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen. Dazu gehören neben klaren Strukturen auch transparente Finanzströme. Die Ersatzkassen fordern Durchführungs- und Abrechnungsvereinbarun
gen sowie die Bereinigung des Budgets, und zwar beider Seiten, also der Krankenhäuser und der Kassenärztlichen Vereinigung. Die dazu nötigen Struktur- und Datenprüfungen können noch im laufenden Jahr abgeschlossen sein.
Wenn die Kassenärztliche Vereinigung eingebunden wird, muss damit auch deren finanzielle Einbindung festgelegt werden. Es geht schließlich auch um wirtschaftliche Interessen, und darum müssen alle Entscheider mit den gleichen Rechten, aber eben auch den gleichen Pflichten ausgestattet sein.
Wir brauchen darüber hinaus klare Zeitvorstellungen, bis wann diese Kooperation umgesetzt und evaluiert wird.
Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gab hier gerade einen Abgesang auf die Freiberuflichkeit. Angesichts dessen will ich hier ganz deutlich machen, dass sich diese Landesregierung ausdrücklich dazu bekennt, dass die ärztliche Versorgung der Grundpfeiler der Versorgungssicherung unserer Bevölkerung im Flächenland Schleswig-Holstein ist. Wir werden die Freiberuflichkeit mit Sicherheit nicht schwächen oder abschaffen. Wir werden sie stärken.
Herr Kollege Meyer, Sie haben das wunderbare und sehr treff- und zielsichere Beispiel des Westküstenklinikums genannt. Ich würde Ihnen empfehlen, außer mit Vertretern des Westküstenklinikums auch einmal mit Vertretern der niedergelassenen Ärzte im gesamten Einzugsbereich zu sprechen. Ich sage dies unter dem Aspekt der Philosophie der Augenhöhe. Wir müssen endlich wieder dazu kommen, dass ambulant handelnde Akteure des Gesundheitswesens mit denen im stationären Sektor auf Augenhöhe gebracht werden. Das ist nämlich nicht in jedem Fall so.
Sektorenübergreifende Zusammenarbeit erfordert neben dem Prinzip der Augenhöhe unter anderem auch eine sektorenübergreifende Versorgungssicherung. Wir müssen uns anschauen: Welche Möglichkeiten haben wir, welche Potenziale haben wir, angefangen beim pflegerischen Bereich über die ambulante Leistungserbringung bis hin zum stationären Bereich? Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die zentrale Frage, wie wir erstens eine sektorenübergreifende Versorgungssicherung für die Bevölkerung erreichen können. Dies steht im Fokus. Zweitens geht es um die Frage, wie wir die Akteure dazu bringen, sektorenübergreifend enger zusammenzuarbeiten. All das ist nicht wahnsinnig neu. Schleswig-Holstein hat als erstes Bundesland mit einem Regionalbudget in der Psychiatrie ein solches Versorgungskonzept ermöglicht, in dem die Grenzen zwischen stationärer, teilstationärer und ambulanter Versorgung aufgehoben wurden.
Es ist das Ziel der Landesregierung, die positiven Potenziale dieser Entwicklung zu stärken. Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Ohne die Akzeptanz und ohne die Stärkung der freiberuflich Tätigen wird das nicht funktionieren. Sie brauchen die freiberuflich Tätigen, um die Versorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Nun zu der hier heftig diskutierten Regelung des SGB V zur ambulanten Leistungserbringung im Krankenhaus. Ich will durchaus anerkennen, dass man den Versuch unternommen hat, eine sektorenübergreifende Versorgung auf den Weg zu bringen. Die Praxis zeigt aber, dass namentlich bei § 116 b SGB V - darum geht es hier vor allem - eine ganze Reihe von Fehlern gemacht wurden. So verhindert der derzeitige bundesgesetzliche Rahmen beispielsweise die zwingende Einbeziehung der Versorgungssituation vor Ort und der Vertragsärzte. Damit besteht natürlich die Gefahr, dass gut funktionierende ambulante Versorgungsstrukturen der niedergelassenen Ärzte plötzlich einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt sind. Anderenorts mag ein stärkeres Engagement von Krankenhäusern von allen Beteiligten dringend gewünscht sein. Dass der jetzige Regelungsmechanismus für beide Erfordernisse blind ist, kritisiere ich nicht erst seit heute, sondern schon seit Längerem.
Deswegen hat sich auf Initiative von SchleswigHolstein die Gesundheitsministerkonferenz am 1. Juli genau mit diesem Thema befasst. Es war das Ziel unserer Initiative, den Ländern mehr Entscheidungskompetenzen und mehr Mitspracherechte einzuräumen, um auch die Kompetenzen vor Ort tatsächlich wieder mehr nutzen zu können, damit sowohl eine regionalbezogene Bedarfsplanung durchgeführt werden kann als auch - das hat die Kollegin Sassen dargestellt - die bestehenden Unsicherheiten beseitigt werden können.
Bei den hoch spezialisierten Leistungen nach § 116 b SGB V müssen für die niedergelassenen Ärzte und den stationären Bereich gleiche Voraussetzungen für die Bedarfsplanung, die Mengenbegrenzung, Mindestfallzahlen, Qualitätssicherung und Vergütung geschaffen werden. Unsere Initiative hat immerhin dazu geführt, dass ein von allen Ländern - über das Problem der Rechtsunsicherheiten bei § 116 b SGB V wird in allen Ländern diskutiert - getragener Auftrag an die Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden ergangen ist, entsprechende Lösungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Vorschläge SchleswigHolsteins spätestens bis zur nächsten Gesundheitsministerkonferenz vorzulegen. Ich freue mich, dass neben der GMK im Übrigen auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen wie auch die Bundesärztekammer Vorschläge für die Weiterentwicklung von § 116 b SGB V erarbeitet haben. Über die Anwendung des § 116 b in der Praxis hinaus gibt es aber auch weiteren Handlungsbedarf.
Das Grundübel der derzeitigen Bedarfsplanung für die vertragsärztliche Versorgung besteht in ihrer rein schematischen Ausrichtung auf die Kreise und der starren Trennung von der stationären Versorgung. Diese Planungsgrundlage hat in dieser Form keine Zukunft. Sie führt schon heute zu Überkapazitäten in Ballungsräumen und zu einer zukünftigen Unterversorgung in ländlichen Gebieten. Mein Ziel ist es deshalb, mit allen Beteiligten auch heute schon zu prüfen, wie weitere sektorenübergreifende Modelle in unserem Land implementiert werden können. Dazu gehören Steuerungsmechanismen in der regionalen Bedarfsplanung und die Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigungen in gemeinsame Gremien, die im Antrag angesprochen wird. Selbstverständlich muss diese geprüft werden. Das gilt im Übrigen genauso für die Frage der Psychotherapeutenkammer.
Die Maßnahmen - auch das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich - sind lange überfällig. Wir sind jetzt
aber auf einem guten Weg, die Partner auf Augenhöhe zu bringen. Allerdings ist noch eine ganze Reihe auch grundsätzlicher Fragen zu klären. Ich nenne erstens die Frage, welche gesetzlichen Aufgaben die Beteiligtenrunde in Zukunft haben kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, über eines müssen wir uns auch im Klaren sein: Wenn wir wirklich zu einer sektorenübergreifenden Versorgungssicherung oder Bedarfsplanung - nennen Sie es, wie Sie wollen - kommen möchten, so bedeutet das, dass im Zweifel alle Seiten Kompetenzen abgeben müssen. Im Zweifel muss man auch über ein ganz neues Gremium nachdenken, wenn verschiedene Sektoren zusammengebracht werden müssen.
Zweitens geht es um die Frage, welche zukünftige Zusammensetzung zielführend ist, um tatsächlich sektorenübergreifend Versorgungssicherung zu betreiben. Ich sehe die beiden vorliegenden Anträge - sowohl den Antrag der Regierungsfraktionen als auch den Antrag der Sozialdemokraten - als ein wichtiges Zeichen dafür an, dass der Weg zu mehr sektorenübergreifender Kooperation, dessen Beschreitung unerlässlich ist, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, positiv gesehen wird und dass das Landesparlament die Landesregierung in dieser Hinsicht unterstützt.
Die Landesregierung hat die verabredete Redezeit um zweieinhalb Minuten überschritten. Diese Redezeit steht jetzt noch jeder Fraktion zur Verfügung, wobei die Gelegenheit dazu aber nicht zwingend genutzt werden muss. - Ich stelle fest, dass es keine weiteren Wortmeldungen gibt. Ich schließe damit die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/530 und den Änderungsantrag Drucksache 17/554 als selbstständigen Antrag dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.
Damit eröffne ich die Aussprache. Für die antragstellende SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Bernd Heinemann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor schwierigen Zeiten, wenn wir der Zukunft eine Chance geben wollen. Der demografische Wandel ist offensichtlich, und die Rahmenbedingungen machen uns Sorgen und verlangen nach Einschnitten. Einer der Hoffnungsschimmer für eine gute Zukunft sind Frauen und Männer, die sich dafür entscheiden, Kinder in die Welt zu setzen. Weil wir darum wissen und den Eltern helfen wollen, Steine aus dem Weg zu räumen, bemühen wir uns zum Beispiel um die Optimierung der Kinderbetreuung. Voraussetzung dafür bleibt aber die Bedingung, dass auch zukünftig möglichst viele Kinder in unserem Land geboren werden. Nicht zuletzt deshalb sieht zum Beispiel das Mutterschutzgesetz den Anspruch auf eine umfassende Hebammen-Betreuung vor, und zwar vor, während und nach der Geburt. Besondere Ansprüche sind an Hausbetreuungen und Hausgeburten oder an Hilfen durch von Hebammen initiierte Geburtshäuser zu stellen.
Ich weiß nicht, ob ich je Vater von drei Kindern geworden wäre, wenn es nicht die Möglichkeit einer sanften und vor allem hoch qualifizierten Geburt mit Wunsch- und Wahlmöglichkeit durch eine freiberufliche Hebamme unter Beteiligung des Vaters gegeben hätte.
Allein die enormen Kostensteigerungen der Haftpflichtversicherungsbeiträge nach US-amerikanischem Standard zwingen immer mehr der bisher 700 Hebammen im Land zur Aufgabe ihrer freiberuflichen Tätigkeit. Schon ab diesem Monat ist damit zu rechnen, dass mehr als 10 % der freien Hebammen keine Geburten mehr betreuen können, und im nächsten Schritt stehen möglicherweise flächendeckend wohnortnahe, kleine geburtshilfliche Abteilungen vor dem Aus. Die Folgen kann man jetzt schon ahnen.
Der durch biologische Gegebenheiten bedingte Anteil von Kaiserschnitten in den Geburtskrankenhäusern ist von einst ca. 12 % auf inzwischen knapp 40 % gestiegen. Immer weniger Kinder kommen an
Wochenenden und Feiertagen zur Welt. Keine Schmerzen bei der Geburt, aber endlose Schmerzen und Verwachsungsrisiken danach! Es muss dringend gehandelt werden - jetzt, meine Damen und Herren!
Mich hat allerdings die Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Ranka Prante schon sehr erstaunt. Klare Fragen werden mit einer Vorbemerkung oder mit abgewiesenen Zuständigkeiten beantwortet. Ob die Landesregierung Einfluss auf Verhandlungspartner oder Vertragspartner nimmt, wurde von der Kollegin gar nicht gefragt. Die ungeschriebene Antwort heißt durchgängig schlicht: Nein, wir nicht! Schade, sage ich da.
Denn an der Umsetzung des Mutterschutzes sind Sie ebenso interessiert wie am Engagement im Rahmen des Gesundheitsdienstgesetzes.
Ich gehe davon aus, dass Sie zum Versorgungsauftrag stehen. Ihr Einsatz für die Prävention ist uns allen hier im Hohen Haus bekannt, Herr Minister. Allerdings: Wenn danach gefragt wird, wie Eltern ihren Anspruch auf Hebammen-Betreuung auch in Zukunft noch realisieren sollen, heißt Ihre Antwort sinngemäß: „Wat geit mi dat an!“ Ich bin mir sicher, dass Sie mögliche Eltern vor, während und nach der Geburt nicht allein lassen werden, Herr Minister Garg. Wir alle wollen sicher gemeinsam, dass der Kinderwunsch nicht durch fehlende Hebammenversorgung oder Reduzierung auf große Geburtskliniken im Keim erstickt.
Nicht die Tarife im Einzelnen, aber die Regelung der Berufstätigkeit der Hebammen und Entbindungspfleger an sich sind weiterhin Ländersache. Damit ist die Frage von möglichen Regressforderungen indirekt deutlich unser Thema. Wir können, außer durch die Berufsordnung der Hebammen und Entbindungspfleger und die Haftungssicherheit dieser Berufsgruppe, wenig beeinflussen. Sie sollten aber ermöglichen, unterstützen und sicherstellen, dass es in Zukunft überhaupt noch Hebammen in ausreichender Zahl gibt, wodurch Sie junge Eltern ermutigen.
Ihre Instrumente dafür kennen Sie selbst. Ihren Einfluss in der Gesundheitsministerkonferenz in Hannover haben Sie genutzt. Dies ist ein ermutigender Schritt Richtung Bund. Dafür danke, Herr Minister. Unabhängig davon sind auch eigene Programme
oder zumindest Konzepte möglich, die wir auf den Weg bringen. Wir wollen die Erwartungen an unbesorgte und möglichst zahlreiche Geburten in diesem Land rechtfertigen. Das ist sicherlich parteiübergreifend hier im Hause unbestritten. Auch der seit März 2007 mit den Landesgesundheitsbehörden bestehende Meinungsbildungsprozess mit der Bundesregierung ist da sicherlich weiterhin hilfreich.
An Ideen mangelt es wirklich nicht. So käme auf Bundesebene ein Sicherungsfonds infrage, an dem sich unterschiedliche Versicherungen und der Staat beteiligen könnten. Wir brauchen Impulse, Mut und den Rat von Verbänden und Kassen. Die Beteiligten werden Ihrer persönlichen Einladung an den Runden Tisch sicher auch schon im Sommer folgen, Herr Minister.
Bei dieser Gelegenheit können Sie sogar gleich noch eine Ungleichheit für unsere Beihilfeberechtigten aus dem Weg räumen, indem Sie dafür sorgen, dass zum Beispiel Beamtinnen auf dem Verordnungsweg auch in den Genuss der erweiterten Hilfen rund um die Geburt kommen. Es geht auch hier schlicht um soziale Gerechtigkeit, auch gegenüber unseren Beamten, meine Damen und Herren.