Protokoll der Sitzung vom 09.07.2010

(Heiterkeit und Beifall)

- Noch haben wir den Landeshauptstadtsitz in Kiel; wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt.

(Unruhe)

Wir kommen nun zu dem Tagesordnungspunkt 42 A:

(Björn Thoroe)

Universitäten in Schleswig-Holstein nicht gegeneinander ausspielen

Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und SSW Drucksache 17/727

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/734

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Damit eröffne ich die Aussprache. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Dr. Habeck.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dringlichkeitsanträge sind dazu da, schnell auf tagespolitische Vorkommnisse zu reagieren. Als wir diesen anmeldeten, wurde gerade berichtet, dass das Konzept zum Medizinstudienplatzabbau in Lübeck in der CAU erdacht wurde. Und alle, wirklich alle gingen aufeinander los.

Nun ist diese Dringlichkeit von der neuen Entwicklung überholt worden. Es gibt 25 Millionen € aus Berlin für GEOMAR. Dieses Geld für die Meereswissenschaften ermöglicht, dass die Studienplätze in Lübeck vielleicht vollumfänglich erhalten bleiben. Das ist gut. Das ist gut für Lübeck, gut für Kiel, gut für Schleswig-Holstein. Und es ist auch gut für Ihre Landesregierung, denn das Geld aus Berlin rettet Ihnen den Hintern in die Sommerpause.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

25 Millionen € für Schleswig-Holstein sind ein Erfolg, und es fällt mir leicht, aus der Opposition heraus das zu sagen. Ich finde es gut, dass es geklappt hat, und ich freue mich, wenn so die Uni Lübeck gerettet werden kann.

(Beifall im ganzen Haus)

Dass dies jetzt von Ihnen als ein Erfolg der Landesregierung verbucht wird, ist mir auch klar, und ich erkenne ihn auch an und will da auch gar nicht weiter herumnölen.

Denn die Zusage aus Berlin stellt den Bund vor erhebliche systematische Probleme. Es könnten jetzt ja eigentlich alle Länder auf die Idee kommen: Ich

muss nur eine Uni schließen wollen, dann werde ich mit 25 Millionen € belohnt. Diese Zusage kann eigentlich nur - ich weiß nicht genau, wie es war durch Drohungen, Druck oder Betteln zustande gekommen sein. Aber wie immer sie zustande gekommen ist, es ist gut für Schleswig- Holstein, dass sie zustande gekommen ist.

Das Wie allerdings wirft noch einige Fragen auf. Diese will ich noch kurz ansprechen. Es gibt einige Geschichten, die so zweischneidig sind wie auch einige Komplimente. Deswegen muss ich noch kurz auf das eingehen, was ich heute Morgen in den „Lübecker Nachrichten“ lesen durfte.

Herr Ministerpräsident Carstensen lobt Sie, Herr Wissenschafts- und Wirtschaftsminister de Jager, mit den Worten: „Ich habe selten mit einem so guten Minister zusammengearbeitet wie Jost de Jager.“

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann wundert man sich natürlich über einiges nicht mehr. - Sie klatschen. Aber Herr Carstensen ist seit fünf Jahren Regierungschef und hat mit vielen Ministern zusammengearbeitet. Also man wundert sich dann über einige Dinge auch nicht mehr, wenn man das liest.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rede über die Zweischneidigkeit von einigen Argumenten. So, wie es mir leicht fällt, die 25 Millionen € zu loben, bitte ich darum, jetzt im Nachhinein keine Legendenbildung oder Geschichtsklitterung zu betreiben. Denn erstens weiß jeder sowieso, dass Schleswig-Holstein zu wenig Forschungsgelder bekommt. Zweitens sollten Sie nicht verbreiten, dass dies die Kompensationen für das im Dezember ausgehandelte Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind. Würden Sie das sagen, würde ich fragen: Wo bleiben denn dann die anderen 75 Millionen €, die versprochen wurden? Drittens finde ich es sehr schade, dass es nicht 26,7 Millionen € sind, die Sie herausgeholt haben. Denn dann könnten die Wirtschaftswissenschaften in Flensburg gleich mit gerettet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Viertens zeigt diese Rettungsaktion, wie absurd unser Finanz- und Bildungssystem ist und dass wir einen Hochschullastenausgleich brauchen, also ein System, wo alle drin sind,

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

und dass das Kooperationsverbot mit dem Bund in Bildungsangelegenheiten falsch war und wieder weg muss.

Fünftens. Wenn das alles politisches Kalkül war, beinhaltet es, dass eine ganze Region in den Ausnahmezustand versetzt werden musste und der Ruf als Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein im Bund ruiniert wurde, dann heißt das, dass der eigene Wissenschaftsminister zu lange beschädigt wurde und so lange verbrannte Erde bestellt wurde, bis niemand, aber auch wirklich niemand mehr in und um Lübeck bereit war, CDU oder FDP zu wählen. Wenn das also die Strategie für Erfolg ist, dann kann ich nur allen Menschen in Schleswig-Holstein raten: Verlassen Sie dieses Land möglichst schnell.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber, Herr Arp, Gott sei Dank halte ich Sie alle nicht für so strategisch.

(Heiterkeit)

Ich glaube vielmehr, dass Sie mit Papieren losgerannt sind, schlecht beraten, falsch informiert, die Privatisierung des UK S-H auf der Agenda, und dann ist es gekommen, wie es kommen musste. Die letzten fünf, sechs Wochen waren dramatisch schlecht.

Heute aber sieht man, dass sich Widerstand und Protest lohnen. Dieser Erfolg ist auch ein Erfolg für die Lübecker und Lübeckerinnen. Es ist ein Erfolg für die Leute in Ihren Fraktionen, die sich gegen Ihre Pläne gewandt haben. Dieses Beispiel wird Schule machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Ich bin mir sicher, es zeigt auch bei einer Einstimmenmehrheit: Jeder Einzelne ist wichtig, hat Bedeutung und trägt auch Verantwortung.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Und schließlich sechstens - mein letztes Argument -: Wenn man es genau betrachtet, ist die gefundene Lösung natürlich keine Einsparung, wie immer behauptet wird, sondern eine zusätzliche Einnahme. Das aber bestätigt wiederum voll die These der Opposition, dass es nur mit Einsparungen

nicht gehen wird, ohne volkswirtschaftlichen Schaden anzurichten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Dass Sie dies mit dem heutigen Tag feiern, heißt auch, dass Sie dies mit dem heutigen Tag akzeptieren. Das ist gut und wird die Diskussionen in diesem Landtag wieder zusammenführen.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Der letzte Satz: Sparen ist wichtig, aber wir brauchen einen Dreiklang - das zeigt die ganze Aktion aus Sparen, Strukturveränderungen und Einnahmeverbesserungen. Denn das Geld wird ja nicht in Berlin gedruckt. Das sind Steuerausgaben, die wir alle bezahlen, und die müssen ja irgendwo wieder hereinkommen - was zu beweisen war.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Daniel Günther.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die Einnahmen steigen! Es ist eine Einnahmensteigerung! Die Ausgaben sinken nicht, sondern es gibt mehr Einnahmen! - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie zahlen doch Steuern! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie müssen weni- ger Geld ausgeben! Das ist ja klar! Alle Steu- ern gehen in den Landeshaushalt!)

Das Wort hat Herr Kollege Günther.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mich gern wieder in die Debatte einschalten dürfen.

Gestern war ohne Zweifel ein guter Tag für Lübeck, aber auch ein guter Tag für Schleswig-Holstein insgesamt und die Hochschulen in unserem Land.

(Beifall bei CDU und FDP)