Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Weil wir länger und mehr lernen werden, wird die Halbwertzeit unseres Wissens immer kürzer. Wir werden also immer weiter lernen müssen, ein Leben lang. Was in der Vorschule beginnt, hört im Berufsleben nicht auf. Wir wissen, dass im Jahr

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

2020 das Gros der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen über 50 Jahre alt sein wird. Auch darauf richten wir die Bildungslandschaft aus, indem wir die Weiterbildungseinrichtungen bei ihrer Qualitätsverbesserung unterstützen.

Das sind für uns zentrale Ansatzpunkte, um den demografischen Wandel zu gestalten. Wissen wird wichtiger, und es wird zu einem zentralen Faktor für Wohlstand und für Wachstum.

Meine Damen und Herren, Stadt und Land Hand in Hand, das ist der Motor für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung im Land. Wir wollen sie für den nationalen und internationalen Wettbewerb gut aufstellen. Dafür setzt sich die Landesregierung mit fünf Bund-Länder-Programmen ein, mit denen wir unter anderem die Anpassung der kommunalen Infrastruktur unterstützen und die Zentren sowie die städtebauliche Entwicklung stärken.

(Unruhe)

Herr Ministerpräsident, einen Augenblick, bitte. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit und darum, die bilateralen Gespräche, wenn erforderlich, draußen zu führen.

Auch den ländlichen Raum wollen wir für den demografischen Wandel fit machen. Mit dem neuen Landesentwicklungsplan geben wir gerade den Menschen im ländlichen Raum neue Entwicklungsperspektiven in die Hand. Wir unterstützen die Kommunen, die über Gemeindegrenzen hinweg zusammenarbeiten wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir die Kräfte bündeln, können wir auch künftig sehr viel schaffen.

Bei meinen Bürgergesprächen in den Aktivregionen erlebe ich, wie lebendig und kreativ es in unseren Dörfern zugeht. Ich finde, das müssen wir nutzen und unterstützen. Die MarktTreffs sind schon erfolgreich, und auch für die Schulen im ländlichen Raum werden wir neue Konzepte brauchen. Warum denken wir also nicht neu? E-Learning und andere Modelle dürfen in den nächsten Jahren kein Tabu sein.

Generationengerechtigkeit heißt für mich auch, die Gesellschaft auf neue Strukturen vorzubereiten. Unser Ziel ist die Förderung von Familien und die

Anpassung der Strukturen an weniger Menschen und an ältere Menschen. Unsere Familien müssen gestärkt werden. Die Landesregierung unterstützt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir bauen die Kinderbetreuung aus, wir stellen sicher, dass unsere Kinder gute Bildungschancen haben. Und an die Arbeitgeber appelliere ich: Nur wer familienfreundliche Strukturen schafft, ist für seine Angestellten auch langfristig attraktiv.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der öffentliche Dienst hält schon heute viele Angebote für diese Vereinbarkeit bereit.

Älter werdende Menschen sollten solange wie möglich selbstbestimmt in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus leben können. 2030 werden mehr als ein Drittel unserer Einwohner über 60 Jahre alt sein. Wir müssen in dieser demografischen Entwicklung auch eine Chance sehen. Unsere Senioren sind zunehmend ein Wirtschaftsfaktor. Bereits heute stammt jeder zweite €, der in Deutschland ausgegeben wird, aus dem Portemonnaie der über 50-Jährigen. Das bietet Schleswig-Holstein auch wirtschaftliche Chancen, zum Beispiel im Tourismus. Wir brauchen eine große Vielfalt an altersgerechten Angeboten. Generationengerechtigkeit bedeutet auch Teilhabe. Immer mehr alte Menschen werden immer länger am Arbeitsleben und an Freizeitaktivitäten teilnehmen. Wir müssen uns durch flexible Arbeitsangebote und altersgerechte Sport- und Erholungsangebote hierauf einstellen.

Meine Damen und Herren, der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird sich auch in unserem Land deutlich erhöhen. Auch das ist eine Folge des demografischen Wandels. Die Landesregierung hat in diesem Juli die Aufstellung eines Aktionsplans Integration beschlossen. Wir setzen uns damit für gezielte Förderung und für mehr Chancen für Zuwanderer in Schule und Arbeitswelt ein.

Neben der Globalisierung und der demografischen Umgestaltung gibt es eine weitere Herausforderung für die zukünftige Politik, nämlich den Klimawandel. Wir stellen uns darauf ein. Die Heimat erhalten, das ist unser Ziel. Schleswig-Holstein wird die Auswirkungen des Klimawandels unmittelbar spüren. Wir sind besonders vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Um unsere Küstenlinien zu erhalten, investieren wir jährlich 60 Millionen € in den Küstenschutz. Wir brauchen höhere und besser gesicherte Deiche und Uferzonen. Um dies gewährleisten und finanzieren zu können, haben wir zusätzlich auch den Vorschlag einer Küstenschutzab

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

gabe eingebracht. Aber wir müssen auch hierfür, um dies finanzieren zu können, erst einmal unseren Haushalt in Ordnung bringen.

Die Veränderung des Klimas wird die Vegetation und die Tierwelt beeinflussen. Umso wichtiger ist es, mit unserer Landesstrategie Naturschutz 2020 die biologische Vielfalt in Schleswig-Holstein zu erhalten. Um unser Klima zu schützen, haben wir uns bis 2020 ehrgeizige Ziele gesetzt. Wir drosseln den Energieverbrauch, wir steigern den Anteil der erneuerbaren Energien am heimischen Stromverbrauch rechnerisch auf deutlich über 100 %, und wir reduzieren die Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990. Unser Energiekonzept und das vorgesehene Energie- und Klimaschutzprogramm sind dabei unser ehrgeiziger Zeitplan.

Nachhaltige Energiepolitik und wirtschaftliches Wachstum hängen bei uns zusammen. Wir wollen den Weg in eine nachhaltige Energiezukunft gehen und gleichzeitig Schleswig-Holsteins Position auf dem europäischen Markt stärken. Wir setzen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze, und wir setzen gleichzeitig auf Energieeinsparung und Energieeffizienz. Auch 2020 muss Energie in Schleswig-Holstein bezahlbar, sicher und sauber sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, all das sind lohnenswerte Ziele, für die wir die Sparanstrengungen auf uns nehmen. Nur so wird der Standort Schleswig-Holstein in zehn Jahren mit den folgenden Markenzeichen punkten: mit einer lebenswerten Umwelt in Städten und Gemeinden, einer exzellenten Forschungslandschaft und einer gut aufgestellten Wirtschaft sowie einer leistungsfähigen Infrastruktur. Ich bin mir jeden Abend, wenn ich nach Hause gehe, und auch morgens sicher: Dafür lohnt es sich zu konsolidieren, und dafür lohnt es sich, diese Anstrengungen, die nicht nur in den Kopf gehen, sondern manchmal auch ins Herz stoßen, auf sich zu nehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor 30 Jahren.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon mal gehört! - Weitere Zurufe)

- Ja, macht ja nichts. Es gibt Dinge, die Sie gar nicht oft genug hören können, zum Beispiel das Vaterunser kann man gar nicht oft genug hören oder selbst auch einmal beten. Es gibt viele Dinge, da

sollten Sie sich nicht aufregen, wenn Sie die das zweite Mal hören. Das zeigt nur, dass Sie ein gutes Gedächtnis haben.

Für diejenigen, die es noch nicht begriffen haben: Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor vielen Jahren, vor 30 Jahren, der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt. Deshalb müssen wir jetzt unseren Baum pflanzen, auch wenn der Boden um uns herum steinig ist. Vor uns liegt eine harte Zeit. Wenn wir es schaffen, unseren Haushalt zu konsolidieren, dann werden wir nach 2020 auch die Früchte an diesem Baum ernten können. Heute machen wir dazu den ersten und deswegen auch den wichtigsten Schritt.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die verabredete Redezeit für die Landesregierung betrug 40 Minuten. Die hat der Herr Finanzminister heute Vormittag bei der Einbringung des Haushalts benötigt. Durch die Redezeit des Herrn Ministerpräsidenten von 29 Minuten hat sich die Redezeit für jede Fraktion entsprechend verlängert. Das heißt, die Fraktionen, die heute in der ersten Runde die volle Redezeit gebraucht haben, haben jetzt noch 29 Minuten. Die Fraktionen, die heute Morgen noch nicht die gesamte Redezeit genutzt haben, haben den Rest aus der ersten Runde plus 29 Minuten.

Ich rufe jetzt den Herrn Oppositionsführer, Dr. Ralf Stegner, für die SPD-Fraktion auf.

(Tobias Koch [CDU]: Der war schon dran! - Weitere Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir in den letzten 25 oder 30 Minuten - 29 waren es, glaube ich - angehört, was Sie gesagt haben, Herr Ministerpräsident.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Und nichts verstan- den!)

- Doch, ich habe es gut verstanden. Ich habe zwischenzeitlich einmal die Augen zugemacht und gedacht: Das ist etwa so wie in den 50er-Jahren, wenn „Papa Heuss“ am Radio geredet hat. Das war ein populärer Mann; das ist kein unfreundliches Wort.

Sie haben von Anstrengungen gesprochen, Herr Ministerpräsident. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie Ihren Redenschreiber zu mehr Anstrengun

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

gen anhalten, denn das, was Sie hier vorgetragen haben, klang ein bisschen wie die Fünfjahresendlosschleife dessen, was Sie diesem Hause hier schon sehr oft gesagt haben. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, hört sich gut an. Ich finde es prima, wenn Sie die Demonstranten ansprechen. Ich glaube Ihnen sogar, wenn Sie sagen, es falle Ihnen nicht leicht, den Schwächsten etwas wegzunehmen. Nur ist es doch Ihre eigene Entscheidung, dass Sie bei der Steuerpolitik im Bundesrat das machen, was Sie richtig finden, und denjenigen, die sowieso am wenigsten haben, etwas wegnehmen.

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Ich kann mich gut entsinnen, als Sie uns entgegengekommen sind und gesagt haben: So eine Einrichtung wie Refugio in Kiel könne sich das Land einfach nicht mehr leisten. Das sind zwar die ärmsten Menschen, die verfolgt werden, und trotzdem sagen Sie so etwas. Das passt nicht zu den hehren Worten, die Sie hier eben gesprochen haben, Herr Ministerpräsident. Insofern waren das große Worte, aber leider war es keine große Rede.

Herr Oppositionsführer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Carstensen?

Herr Stegner, können Sie sich erinnern, dass wir zum Ende der letzten Legislaturperiode, als wir noch die Große Koalition hatten, die Häuser gebeten haben, Einsparvorschläge zu machen? Ist Ihnen bewusst, dass gerade die Einsparung bei Refugio ein Vorschlag war, der aus dem damals SPD-geführten Innenministerium kam?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Aha!)

- Die Antwort ist nicht richtig.

(Lachen bei CDU und FDP)

Erstens ist die Antwort nicht richtig, und zweitens mögen Sie sich vielleicht erinnern, dass Sie unter Verweis darauf, es kämen keine Einsparvorschläge, insbesondere nicht aus den SPD-geführten Häusern, die Koalition im Juli aufgekündigt haben. Das ist mein Erinnerungsvermögen an das Ende der Großen Koalition. Übrigens kam aus Ihren Häusern noch weniger, wenn ich das einmal sagen darf.

(Zuruf des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

- Es geht um Refugio, und ich weiß, wie Sie aufgetreten sind. Übrigens hat mir derjenige, der den Verein führt, erzählt, wie Sie das berichtet haben. Was Sie hier sagen, ist so nicht richtig.