Man darf auch Fragen an das Verfassungsgericht stellen. 40 Personen, die direkt gewählt sind, und 29 mit Ausgleichsmandaten. Die volle, korrekte Wahl in der Gesamtschau aller Dinge nicht mehr zuzusprechen, das ist schon ein heftiger Einschnitt. Auch das muss in diesem Parlament einmal gesagt werden, und darüber darf man zumindest miteinander sprechen. Ich respektiere das Urteil selbstverständlich, aber anmerken darf man dies sehr wohl.
Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1991. Es ist erst dann problematisch geworden, als wir die Zweitstimme bekommen haben und keine Partei mehr dominanter wurde. Das sind die eigentlichen Ursachen. Daraus eine richtige Lösung zu machen, das stellen Sie sich einmal nicht so einfach vor. Ich werde immer hellhörig, wenn Gespräche, die noch gar nicht begonnen haben, vorab gelobt werden. Wir haben uns im Innen- und Rechtsausschuss sehr viele Gedanken gemacht und wissen, welche Parameter ziehen können. Wir werden auch dort die Diskussion führen.
Wenn es hier heißt, es sollten keine parteitaktischen Überlegungen Raum greifen - liebe Kolleginnen und Kollegen, nun wollen wir doch einmal ein bisschen ehrlich miteinander reden.
- Ich versuche das schon. - Jede Partei, die hier vertreten ist, hat ihre eigenen Interessen mit Blick auf Wahlverfahren, mit Blick auf Wahlkreise, mit Blick auf Zweitstimme, alles.
Da sollten wir nicht so tun, als ob die einen sie haben und die anderen sie nicht haben. Das geht in einer solchen Debatte einfach nicht.
Ich frage: Was ist eine Mehrheit? In England kommt zum Beispiel niemand auf die Idee zu sagen, weil dort das Mehrheitswahlrecht herrscht, das sei undemokratisch. Niemand käme auf die Idee, so etwas zu behaupten.
Ich habe nicht mehr die Zeit, noch mehr vorzutragen. Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Wir werden uns selbstverständlich im Rahmen des Landesverfassungsgerichtsurteils bewegen.
Aber wir werden uns auch die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, wie viel Persönlichkeitswahlrechtselemente wir im Wahlrecht haben wollen, wie stark wir die Nähe zwischen Abgeordnetem und Bürgern haben wollen, ob wir eine Listendominanz haben wollen. Darüber darf man nachdenken dürfen.
Meine Damen und Herren, uns verbindet manchmal auch die Lust an der Diskussion. Wenn ein neuer Vorschlag von dem Verein „Mehr Demokratie“ vorliegt, warum nutzen Sie den nicht, das Thema grundlegend zu diskutieren und einmal einen ganz anderen Aufschlag zu dem Thema zu machen? Also, Mut zu dieser Diskussion!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über Inhalte des Wahlgesetzes kann und darf gestritten werden. Es ist auch richtig, dass man hier feststellen kann, dass diese geschäftsführende Landesregierung im Sinne von politischer Geschäftsführung im Amt ist und dass Sie politisch legitimiert sind, das zu tun, was Sie tun. Das bestreitet hier niemand, das hat auch niemand getan.
Sehr verehrter Kollege Dr. von Boetticher, jemand, der die CDU-Fraktion im Landtag führt, der Ministerpräsident des Landes werden möchte und für den Parteivorsitz der CDU kandidiert, wirft anderen vor, sie kennten sich beim Recht nicht aus. Was Sie über die Geschichte gesagt haben, das weiß jedes Kind, das einen ordentlichen Geschichtsunterricht hat: Die Sozialdemokraten sind es gewesen, die im Reichstag beim Ermächtigungsgesetz dafür gesorgt haben, dass diese Rechtsauffassung nicht zugenommen hat, und zwar die „Der Führer schützt das Recht“, das war die Weissagung dessen, was Carl Schmitt da von sich gegeben hat. Ich finde es unerhört, dass Sie ausgerechnet die Partei, die die älteste demokratische Partei in Deutschland ist, deren Mitglieder verfolgt und zum Teil umgebracht worden sind, weil sie für das Recht und die Republik standen, hier in dieser Weise ansprechen, Herr von Boetticher. Sie sollten sich dafür schämen.
(Anhaltender Beifall bei SPD, der LINKEN und des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es stünde Ihnen gut an, wenn Sie sich für diese Entgleisung hier entschuldigen würden. Dass das in einem deutschen Parlament gesagt wird, ist empö
rend. Das sage ich Ihnen für meine Kollegen hier in der Landtagsfraktion, und das sage ich Ihnen für die Sozialdemokratische Partei in Schleswig-Holstein. Ein solcher Auftritt ist empörend und disqualifiziert jemanden, der eine Führungskraft sein will. Entschuldigen Sie sich dafür! Das ist vollständig daneben. Kein Sozialdemokrat hat vergessen, unter welchen Mühen das Recht verteidigt worden ist.
- Sie wissen das ganz genau. Ich weise das für meine Fraktion und meine Partei mit aller Entschiedenheit zurück.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das werden ja lustige Debatten zum Wahlrecht, wenn wir uns anschauen, was hier gerade passiert. Vielleicht sollte man auf den Kern der Diskussion zurückkommen.
Ich muss noch einmal kurz auf den 22. September 2009 zurückkommen. Wenn sich damals die Sozialdemokraten anders verhalten hätten, dann hätten wir das Problem gar nicht gehabt, vor dem wir jetzt stehen. Wir hätten dann einen Landtag -
- Herr Kollegeg Habeck, am 22. September 2009 erklärte der Kollege Puls im Presseinformationsdienst der SPD - 22. September 2009, das ist nicht einmal ein Jahr her! -:
„Wir haben uns für die Beibehaltung des seit Jahr und Tag geltenden Landeswahlrechts mit einer Begrenzung der Ausgleichsmandate ausgesprochen, weil wir der Auffassung sind, dass der Landtag durch eine grenzenlose Aufblähung mit zusätzlichen Mandaten zu einer Verschleuderung von Steuergeldern führen würde, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Das Landeswahlgesetz erfüllt diese Forderung. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat unsere Auffassung bestätigt. Einer
Das ist nicht einmal ein Jahr her. Deshalb sage ich, die, die sich damals so verhalten haben, sind mit ihren rechtspolitischen Vorstellungen die letzten, die dazu berufen wären, uns jetzt Ratschläge zu erteilen, wie ein neues Wahlrecht aussehen muss.
(Peter Eichstädt [SPD]: Es nützt nicht immer etwas, Juristen in den eigenen Reihen zu ha- ben! - Heiterkeit bei der SPD)
Herr Kollege Dr. Stegner, Ihr anmaßender Auftritt ist es, der betroffen macht. Jede Regierung ist eine Übergangsregierung bis zur nächsten Wahl. Das Landesverfassungsgericht hat zweimal in seiner Urteilsbegründung festgestellt - ich habe das gestern zitiert -, dass die Wahlperiode auf den 30. September 2012 begrenzt ist. Man kann darüber nachdenken, was das im Einzelnen heißen mag. Aber jedenfalls setze ich mich dafür ein, dass wir sehr solide, sehr sorgfältig an die Neufassung des Landeswahlrechts herangehen, damit wir - noch einmal nicht beim nächsten Mal wieder das Problem haben, vor dem Landesverfassungsgericht zu landen.
Es geht ja nicht nur um die Frage der Begrenzung der Wahlkreise, es geht nicht nur um die Frage, Einstimmenwahlrecht oder Mehrstimmenwahlrecht, sondern es geht auch um die Frage der Begrenzung der Abweichung der Wahlkreisgröße, die von bisher 25 % auf 15 % reduziert worden ist.
Herr Kollege Eichstädt, Herr Kollege Hildebrandt kann Ihnen einmal sehr genau erklären, wie früher der Kollege Astrup, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, in den Wahlkreisausschuss gegangen ist, nämlich mit langen Listen der Stimmergebnisse der Sozialdemokraten, die waren sozusagen „straßengenau“, um darum zu ringen, wie die Wahlkreise geschnitten werden, damit man möglicherweise in einzelnen Wahlkreisen noch die Mehrheit bekommt und ein Mandat erhält.
Ich warne alle Beteiligten davor zu glauben, dass das sehr zügig und sehr schnell geht. Wir werden jedenfalls die Fristen einhalten.