Ich denke, dass der Termin zur Verabschiedung des Wahlgesetzes genauso ehrgeizig gesetzt ist, wie der von vorgezogenen Neuwahlen. Wenn wir uns einmal die verschiedenen Interpretationen des Urteils ansehen, wird uns recht schnell klar, welche Aufgabe noch vor uns liegt.
Ich bin kein Jurist, schon gar kein Verfassungsjurist, so wie wir alle in diesem Haus. Dennoch sehe ich, dass das Landesverfassungsgericht immer wieder von der Beendigung der Legislaturperiode spricht. Wenn man aber in der Wahlgesetzgebung und in der Landesverfassung nach der Legislaturperiode sucht, so findet man sie gar nicht. Dort ist es nämlich die Wahlperiode.
Wenn mir jetzt jemand verbindlich erklären kann, dass eine Legislaturperiode auch eine Wahlperiode ist, dann bin ich schon einmal einen Schritt weiter. Aber ich glaube, da müssen wir mit den Fachpolitikern ran, da müssen wir mit Staatsrechtlern ran, da müssen wir natürlich auch mit der Landesregierung oder der Landeswahlleiterin ran.
Ohne das Ganze juristisch abschließend beurteilen zu wollen, kann ich nur feststellen, dass uns das derzeitige Landeswahlgesetz in seinen vom Landesverfassungsgericht nicht beanstandeten Teilen sehr genaue Vorgaben für die vorzeitige Auflösung des Landtages und für vorgezogene Neuwahlen macht. Ich frage mich, ob es nötig ist, diese Regelungen der einfachen Gesetzgebung zu verändern oder ob wir auch auf dieser Grundlage einen neuen Wahltermin festlegen können.
Wir sollten uns also schnellstmöglich zusammensetzen und auf der Grundlage eines zu erarbeitenden Wahlrechts einen Terminplan für die Ansetzung von Neuwahlen erstellen. Dieser Termin wird nicht eine rechtliche oder eine politische Frage sein, sondern da bin ich mir ganz sicher, er wird in der Hauptsache eine Frage des guten Willens aller Beteiligten sein.
Ohne das ergangene Urteil hätte es den Fraktionen, die die Mehrheit in diesem Landtag stellen und die Übergangsregierung stützen, im Moment zugestanden, die Führung in diesen Prozessen zu übernehmen. Nach dem Urteilsspruch sollten wir, so meine ich, Fingerspitzengefühl zeigen. Meine Fraktion bedankt sich daher ausdrücklich beim Landtagspräsidenten, der angeboten hat, bei diesem Prozess die Moderation zu übernehmen. Wir sind uns sicher, dass wir durch die Einbeziehung der Vizepräsidentinnen und der Fraktionsvorsitzenden das gesamte Parlament beteiligen und den Verfahrensablauf demokratisch und sorgfältig begleiten und trotzdem beschleunigen können.
In diesem Sinne begrüßen wir alle hier vorliegenden Anträge. Wir halten die Anträge von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD für praktikabel und konkret genug, sodass wir ihnen zustimmen werden. Der Antrag der Fraktionen, die die Übergangsregierung tragen, ist sicherlich von gutem Willen geprägt, in unseren Augen aber in der Festlegung des Wahltermins zu unkonkret, sodass wir uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten werden.
führungen zurück. Ich darf darauf hinweisen, dass der SSW gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Normenkontrollklage erhoben hat. Das heißt, diese Vorschrift ist im Rahmen dieses Verfahrens tatsächlich als nicht vereinbar mit der Landesverfassung angesehen worden.
Zweitens. Es hat Wahlprüfungsbeschwerden gegeben. Die Linken, die Grünen und viele andere Menschen hier in diesem Land haben diese Wahlprüfungsbeschwerden eingereicht. Dabei ist dann herausgekommen, dass wegen dieser Verfassungswidrigkeit des Zusammenspiels der Vorschriften tatsächlich der Landtag neu zu wählen ist.
Weil in der Urteilsschelte ab und zu mal durchschien, dass es nicht angehen könne, dass das Landesverfassungsgericht so entscheidet, darf ich aus einem Kommentar zitieren, nämlich zu § 78 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes:
„Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.“
Vor diesem Hintergrund hat auch die Pressesprecherin des Landesverfassungsgerichts noch einmal darauf hingewiesen, dass sich das Urteil ausdrücklich an der sogenannten Wiederholungswahl orientiert. Das war die Alternative. Vor diesem Hintergrund möchte ich darum bitten, dass wir den Landtagspräsidenten bitten, in diesem Verfahren wirklich nach vorn zu gehen, und uns alle zu einigen. Die Reden eben haben leider nicht besonders dazu beigetragen.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich nun dem Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Drei kleine Anmerkungen. Erstens: Wir unterstützen das vom Landtagspräsidenten vorgeschlagene Verfahren ebenfalls. Ich glaube, das ist in der ersten Sitzung des Ältestenrates auch sehr deutlich geworden.
Zweiter Hinweis: Bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Wahlrechtsfehlern im Bundeswahlrecht hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich mandatsrelevante Fehler festgestellt. Ausdrücklich - das steht im Urteil des Bundesverfassungsgerichts - ist das darin enthalten. Ich will nur sagen: Der Verstoß liegt auf einer ähnlichen Ebene. In der Rechtsfolge hat das Bundesverfassungsgericht anders interpretiert als unser Landesverfassungsgericht. Das ist ja nur festzustellen; es ist von uns nicht zu kritisieren, sondern das ist so.
Es macht nur einen Unterschied; damit komme ich auf Ihre Äußerungen, Herr Stegner, und auf die Äußerungen von Frau Heinold zu sprechen. Es ist ein Unterschied, ob wir uns jetzt darüber unterhalten, wie wir dieses Verfahren vernünftig abwickeln - ob man dann dem einen oder anderen vorwirft, er würde verzögern, das alles gehört zum Parlamentarismus und zur Debatte dazu -, oder ob Sie an der Legitimität oder sogar an der Legalität zweifeln. Beides haben Sie, Herr Stegner, und Sie, Frau Heinold, explizit getan. Ich sage Ihnen nur, dass Sie damit auf einem ganz gefährlichen Weg sind. Der letzte in der deutschen Verfassungsgeschichte, der einen Unterschied gemacht hat zwischen rechtlicher Legalität und Legitimität war Carl Schmitt in gleichnamiger Schrift von 1932. Er war ein blendender Verfassungsrechtler, aber einer, der mit seiner Generalkritik an der Weimarer Republik die Weimarer Verfassung zerrissen hat. Viele haben damals gesagt, zu Recht. Aber es war gleichzeitig die Wegbereitung dafür, dass denjenigen, die das Parlament als Ganzes infrage stellen und die mit unserer Demokratie nichts zu tun haben, Türen und Tor geöffnet wurde.
zwischen gesetzlicher Legalität und Legitimität das ist geschehen; dafür kann man sich entschuldigen, wenn es geschehen ist -, der beschreitet einen ganz gefährlichen Weg, weil er Extremisten von
Darum warne ich vor solchen Unterschieden. Wir leben in einem Rechtsstaat, und in einem Rechtsstaat kann das, was gesetzlich legal ist, nicht illegitim sein. Diesen Unterschied sollte sich jeder auch aus der Opposition in einem Wahlkampf hinter die Ohren schreiben.
(Beifall bei CDU und FDP - Olaf Schulze [SPD]: Darüber sollten Sie auch ruhig mal nachdenken, das wäre gut!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mit meiner Kollegin Silke Hinrichsen abgemacht, dass ich etwas zum Abstimmungsverhalten des SSW sage. Das will ich auch gern machen. Aber eine Bemerkung vorweg trotzdem.
Gestern war ja nicht nur der Tag der Haushaltsberatung, sondern anscheinend auch der Tag der Vergangenheitsbewältigung. Auch in dieser Geschichte gibt es eine Vergangenheitsbewältigung, die notwendig ist. Die beiden großen Fraktionen haben selbstkritisch angemerkt, dass sie auch ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir heute diese verfahrene Situation haben, wie wir sie haben. Das ist gut, finde ich; das deutet darauf hin, dass wir gemeinsam einen Weg finden werden. Ich möchte das gern so positiv bewerten.
Was ich aber nicht richtig akzeptieren kann ist, jetzt eine Nebelkerzendiskussion zu führen; so schätze ich sie ein. Ich sage den Kolleginnen und Kollegen der SPD: Ihr müsst doch nicht über jedes Stöckchen springen, das euch jetzt hingehalten wird. Das ist doch nicht angemessen. Bleibt doch bei dem, was jetzt auf der Tagesordnung steht, und das ist, wie mit dem Verfassungsgerichtsurteil umzugehen ist.
Soviel zur Problemlage, und nun ganz kurz dazu, wie sich der SSW bei der Abstimmung verhalten wird. Beim Änderungsantrag der SPD werden
wir uns der Stimme enthalten. Man kann sagen, der Antrag ist eigentlich vom Tenor her so wie der Antrag von den Grünen und vom SSW. Aber wir wollen keine Frist reinschreiben. Wir bleiben dabei, dass unverzüglich, schnellstmöglich gearbeitet werden muss. Das ist die Botschaft. Wir werden nicht fordern, dass die Eckpunkte noch im Oktober vorliegen müssen. Wir wünschen uns, dass das so kommen wird, aber wir wollen das nicht als Antrag sehen.
Wir werden dem Antrag von CDU und FDP nicht unsere Stimme geben. Man könnte es machen, denn der Antrag ist sehr weich formuliert. Wir sehen diesen Antrag aber nicht isoliert, denn es hat Aussagen dazu gegeben. Der Antrag deutet darauf hin, dass man nicht gewillt ist, zügig, unverzüglich, schnellstmöglich zu handeln. Der Antrag deutet darauf hin, dass man Fristen eher ausschöpfen will, und das wollen wir nicht. Mag sein, dass das eine Unterstellung ist, aber ich will hier klare Kante, und ich will, dass deutlich gemacht wird: Wir müssen dem Urteil nachkommen. Das können wir nur machen, indem wir so handeln, wie der Antrag von SSW und Grünen es vorgibt.
Unser Antrag ist mehrheitsfähig. Wir wissen, dass es nicht so kommen wird; wir können nur die Hoffnung formulieren. Aber unser Antrag ist mehrheitsfähig, und er ist notwendig, weil er die klare Botschaft enthält, dass wir gemeinsam einen Weg finden müssen und der Landtagspräsident die Rolle des Moderators in dieser Sache übernehmen sollte und müsste. Die Menschen im Land werden überhaupt nicht verstehen, wenn jetzt Vorschläge gemacht werden, 35 Wahlkreise seien auch nicht schlecht, das Einstimmenwahlrecht sei auch nicht schlecht, Fristen könne man auch ausschöpfen, und alles sei sowieso nicht so schlimm, wie es einmal gedacht gewesen sei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie für den gemeinsamen Antrag von SSW und Grünen! Das ist der richtige Antrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Landesverfassungsgericht hat entschieden: Keine volle Legislaturperiode, aber bis 2012 maximal ist der Landtag voll befugt zu handeln. Ob das so kommt, werden wir sehen. Es kann auch politische Gesichtspunkte geben, die vorherige Entscheidungen bewirken. Aber eines geht nicht, dass man sich den Teil des Urteils, der einem gefällt, heraussucht und lobt und den anderen ständig herabwürdigt. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Das können wir so nicht machen.
Frau Kollegin Spoorendonk, wir haben uns den Antrag gut überlegt. Er baut in der Tat keine feste Frist ein und müsste deswegen auch für Sie akzeptabel sein, weil er schon ein schnelles Handeln impliziert.
Man darf auch Fragen an das Verfassungsgericht stellen. 40 Personen, die direkt gewählt sind, und 29 mit Ausgleichsmandaten. Die volle, korrekte Wahl in der Gesamtschau aller Dinge nicht mehr zuzusprechen, das ist schon ein heftiger Einschnitt. Auch das muss in diesem Parlament einmal gesagt werden, und darüber darf man zumindest miteinander sprechen. Ich respektiere das Urteil selbstverständlich, aber anmerken darf man dies sehr wohl.