Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

- Das können wir gern einmal in der Kneipe diskutieren. Das mache ich gern mit Ihnen. Wir können eine halbe, eine Dreiviertelstunde lang darüber reden.

(Christopher Vogt [FDP]: Das finanzieren wir alle! - Heiterkeit)

Was ich eben von Herrn Bernstein gehört habe, ist genau das, was wir kritisieren. Der Konsens, den wir bis 1990 gehabt haben, war, dass deutsche Soldaten im Ausland nichts zu tun haben. Sie haben die Debatte um die Blauhelme losgestoßen, durch Norbert Gansel, der hier ja auch einmal Oberbürgermeister war. Sie haben Ihre Position verändert und diesen nach 1945 geltenden Konsens aufgehoben. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, vor allen Dingen, wenn ich Herrn Bernstein höre, der die heute geltenden Richtlinien der Bundeswehr zu Recht präsentiert.

Wir halten es für eine falsche Entwicklung, die wir in Deutschland nach 1990 gehabt haben. Wir haben gehofft, dass wir uns auch nach der Einigung an den historischen Erfahrungen bis 1945 orientieren und dass Deutschland so etwas wie ein Kriegsdienstverweigerer unter den Staaten wird. Glauben Sie doch nicht, dass diese ganzen Militäreinsätze, zum Beispiel in Afghanistan - wenn Sie schon das Thema ansprechen - tatsächlich irgendetwas Positives bewirkt haben!

Gucken Sie sich doch die Situation an: Hat es denn geholfen? Leben die Menschen dort jetzt besser? Gibt es dort weniger Probleme? - Nein, es sind viele gestorben, und der Abzug wird irgendwann kommen. Es ist ja so, dass dieser Krieg mit unserer Beteiligung schon länger dauert als der Zweite Weltkrieg. Der Abzug wird irgendwann kommen, und die Menschen werden dann wieder alleingelassen sein. Es hat nichts geholfen. Hätten Sie das ganze Geld, das für die Auslandseinsätze zur Verfügung gestellt worden ist, benutzt, um vor Ort zu helfen, wären wir viel, viel weiter.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Damerow? - Hat sich erledigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Schlie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erkläre für die Landesregierung, dass dieses von der Fraktion DIE LINKE aufgeworfene Thema nicht in die Landeskompetenz fällt und es deswegen auch keinen Regelungsbedarf gibt. Deswegen wird die Landesregierung dazu inhaltlich auch nicht Stellung nehmen.

Lassen Sie mich aber Folgendes sagen: Der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland ist demokratisch legitimiert. Im Namen der Landesregierung spreche ich meinen Dank und meine Anerkennung für diesen Einsatz aus. Ansonsten war das eine beschämende Diskussion.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

(Unruhe)

- Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben zwar die ganze Nacht Zeit, wie wir wissen, aber es wäre, glaube ich, vernünftig, wenn wir jetzt abstimmen würden. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 17/607 gegen die Stimmen der Fraktion der LINKEN mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Landesentwicklungsplan

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/663

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/726

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/817

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/844

(Ulrich Schippels)

Vor Beginn der Beratungen teile ich Ihnen mit, dass die SPD-Fraktion ihren Hauptantrag Drucksache 17/663 zurückgezogen hat. Gleichwohl soll nach Übereinkunft im Ältestenrat die Beratung über die Änderungsanträge stattfinden. Ich schlage daher vor, diese für selbstständig zu erklären. - Widerspruch höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Petra Nicolaisen von der CDU-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion begrüßt außerordentlich den durch den Innenminister vorgestellten Entwurf des Landesentwicklungsplans. Er setzt die Leitlinien um, die der Landtag der Landesregierung durch seinen Beschluss am 17. März 2010 vorgeschlagen hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Seit 2007 wird bereits über den Landesentwicklungsplan diskutiert. Über 2000 Stellungnahmen wurden ausgewertet. Es gab viele Anhörungen. Ich muss feststellen, der Landesentwicklungsplan hat eine enorme positive Entwicklung erfahren. Vom „Landesstillstandsplan“, erlassen durch den ehemaligen Innenminister Stegner, über die Änderung des folgenden Innenministers Hay, die für alle Beteiligten für eine enorme Lockerung sorgten, bis zum heutigen Entwurf, der für die Zukunft SchleswigHolsteins von erheblicher Bedeutung ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir setzen auf einen fairen Ausgleich der Interessen des städtischen und des ländlichen Bereichs.

Über das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren werden wir die Kommunalisierung der Regionalplanung herbeiführen. Hierbei ist sicherzustellen, dass durch die Gremienbesetzung und Verfahrensvorgaben ein fairer Ausgleich zwischen städtischen und ländlichen Kommunen gewährleistet ist. Es gilt, mit Fingerspitzengefühl Regeln zu entwerfen, die beiden Partnern zum Beispiel bei der Gestaltung von Kooperationsverträgen oder, ganz allgemein gesagt, im gegenseitigen Interessenausgleich behilflich sind. Funktionierende Stadt-Umland-Planungen belegen, dass es durchaus möglich ist, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Die Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die Städte und Gemeinden, wie im Eckpunktepapier festgelegt, ist die Voraussetzung für bürgernahe Politik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der im LEP-Entwurf vorgegebene Rahmen für den Wohnungsbau in den Gemeinden ist nur eine Übergangsregelung. Nach Durchführung der kommunalisierten Regionalplanung wird es zu einer Aufhebung der prozentualen Wohnungsbauentwicklung kommen. Wir geben den Kommunen Entscheidungskompetenz zurück und setzen auf kommunales Vertrauen und Verantwortung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Denn sie wissen am besten, welche Entwicklung die Kommunen verantworten können. Die prozentuale Überschreitung der wohnbaulichen Entwicklung ist im Übrigen bereits jetzt im LEP in Abstimmung möglich. Wir wollen handlungsfähige Kommunen und starke Städte. Die Städte waren bisher ohnehin nicht an die Wohnungsbauentwicklungsgrenzen gebunden. Gut aufgestellte und attraktive Städte haben sich diesen Vorteil bereits zu eigen gemacht. Die CDU-Fraktion steht für die Ansiedlung und Entwicklung der Wirtschaft im ganzen Land, nicht nur in Schwerpunkträumen. Hier schließe ich die Begriffe Tourismus und Landwirtschaft ausdrücklich ein. Es darf eine wirtschaftliche Entwicklung nicht nur entlang der Entwicklungsachsen geben. Allein vom örtlichen Bedarf kann kein Gewerbetreibender existieren.

Wir, die CDU-Fraktion, sprechen uns für eine ausgewogene Handels- und Dienstleistungsstruktur zur Versorgung der Bevölkerung aus. Kommunale Interessen zur Deckung des täglichen Bedarfs sollen berücksichtigt werden. Das Kongruenzgebot hat weiterhin Bestand. Es geht den Kommunen nicht um ungebremstes Wachstum im Einzelhandelsbereich, sondern um faire Entwicklungschancen zur Sicherung des täglichen Bedarfs.

(Beifall bei CDU und FDP)

Begrüßenswert ist die zusätzliche Ausweisung von Eignungsflächen für Windenergie. Diese leistet bereits heute einen überdurchschnittlichen Anteil an der Energieversorgung in Schleswig-Holstein. Die Windenergie soll unter Beachtung landwirtschaftlicher Erfordernisse und der Akzeptanz in der Bevölkerung weiter ausgebaut werden. Ein Ausbau des Leitungsnetzes ist damit ebenfalls unumgänglich und von den Energiekonzernen einzufordern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letztes Wort noch zu den Änderungsanträgen der Grünen und der LINKEN. Unter Nummer 2 des Antrags der LINKEN heißt es, dass die Prinzipien der Freiwilligkeit und der Kooperation als Instrumente und Steuerung vage und ungeeignet seien. Ähnlich heißt

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

es im Antrag der Grünen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie mir gestatten, anhand dieser Änderungsanträge noch einmal klarzumachen, wofür die CDU in Sachen LEP eigentlich im Unterschied zu den Grünen und Linken steht. Wenn wir auf Freiwilligkeit und Kooperation bauen, dann ist das Ausdruck unserer Überzeugung davon, wie Dinge in diesem Land am besten laufen. Damit kann natürlich nur wenig anfangen, wer für Schleswig-Holstein gern viel Steuerung, viele planerische Vorgaben oder am Ende sogar noch Planwirtschaft haben will.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Regina Poersch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort vorweg: Als wir im Juni unseren Antrag zum Landesentwicklungsplan stellten, war das Thema hochaktuell. Es stand die Kabinettsbefassung und damit die Veröffentlichung bevor. Deswegen wollten wir auch parlamentarisch das Thema hier behandeln. Nun wurde der Tagesordnungspunkt im Juli bekanntlich verschoben, der Beschluss der Landesregierung erfolgte am 6. Juli, und die für uns alle hoffentlich erholsamen Sommerferien kamen.

Inzwischen ist der Landesentwicklungsplan quasi in Kraft getreten und wird uns noch in diesem Monat als Druckwerk vorliegen. Aus diesem Grunde hat sich meine Fraktion entschlossen, dass wir unseren Antrag zurückziehen. Die Regierungsfraktionen und auch die Grünen haben anders entschieden. Nun gut. Frage also: Reden wir heute über Schnee von gestern oder kalten Kaffee? Ich sage einmal: Ja und Nein. Ja: Denn der Landesentwicklungsplan gilt, und das Land braucht endlich eine gesicherte, eine zuverlässige Planungsgrundlage. Der Entwurf unseres früheren Innenministers Lothar Hay hätte schon Ende 2009 Rechtskraft entfalten können.

(Günther Hildebrand [FDP]: Von Herrn Stegner, nicht von Herrn Hay!)

- Nein, das stimmt so nicht, Herr Hildebrand. - Deswegen reden wir hier schon ein bisschen über ein Thema, das erledigt ist. Gleichzeitig finden wir, bei allem grundsätzlichen Lob, das wir im Juni und Juli auch geäußert haben, einzelne Punkte im Landesentwicklungsplan natürlich verbesserungswürdig. Das ist auch keine Überraschung. Planung ist im

mer ein Prozess, und Planung ist nie in Stein gemeißelt.

Dennoch geht der Aufruf der Grünen, den Entwurf des LEP noch einmal grundlegend zu überarbeiten, viel zu weit. Das gilt auch für den Antrag der LINKEN. Die anderen Anträge waren zeitnah im Juni und Juli gestellt. Aber zwei Monate nach Beschluss der Landesregierung nun vermeintlich bahnbrechende Ideen vorzulegen und zum Beispiel die Förderung des ÖPNV aus dem Haushalt in den LEP verlegen zu wollen, ist alles andere als aufgeweckt, das ist verschlafen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Nun ein paar Worte zum überraschenden Landesentwicklungsplan. Nach ganz viel Getöse und großem Bohei um die von den Noch-Regierungsfraktionen propagierte „Freiheit für alle“ lag uns im Juni dann der neue Landesentwicklungsplan vor. Oh Wunder: Er enthielt die noch von dem damaligen Minister Lothar Hay schon am 2. März 2009 vor anderthalb Jahren! - angekündigten Änderungen für die Entwicklung des Wohnungsneubaus in Gemeinden, die keine Schwerpunkte sind. Das sind die berühmten 15 % in Ordnungsräumen und bis zu 10 % in ländlichen Räumen. Auch der Bezugspunkt für dieses Wachstum wurde, wie von Lothar Hay vorgeschlagen, auf Ende 2009 verschoben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Mehr Entwicklung war und ist immer möglich, wenn man interkommunal kooperiert. Auch das ist nun wirklich nicht neu. Die vielbeschworene Freigabe sämtlicher Regeln - ich denke, die Regierungsfraktionen sollten heute ganz kleine Brötchen backen.