Hartz IV wird durch die Neuregelung seinen Geburtsfehler nicht los. Hartz IV bleibt Armut per Gesetz. Das ist natürlich auch die Absicht der Regierung.
Wer aus der Arbeitsgesellschaft in die Grundsicherung ausgeschieden wird, bezahlt mit seinem erbärmlichen Lebensstandard dafür, dass die Einkommensschere immer weiter auseinanderklafft. Wer von Hartz IV leben muss, der finanziert die Konzentration der Vermögen bei einem immer kleineren Teil der Bevölkerung. Damit die Reichen unbeschwert reicher werden, müssen die Armen ärmer werden.
Leiharbeit, Niedriglohnarbeit, Minijobs ohne soziale Absicherung definieren die Arbeitswelt, die Hartz-IV-Bezieherinnen und -beziehern offensteht. Hartz IV schafft eine gespenstische Realität, in der nicht nur preiswertes Bier durch Mineralwasser, sondern eben auch Löhne substituiert werden. Anstatt mit existenzsichernden gesetzlichen Mindestlöhnen im öffentlichen Beschäftigungssektor Wege aus der Armutsfalle zu definieren, organisiert die Bundesregierung Hartz IV als Tretmühle.
Wir wollen im Grund von der Landesregierung zwei Dinge: Wir fordern sie auf, im Bundesrat gegen das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen zu stimmen, denn selbst die Wohlfahrts- und Sozialverbände sprechen von beispielloser Ignoranz gegenüber den Nöten der Ärmsten in unserem Land.
Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, nicht für Änderungen im Sozialgesetzbuch zu stimmen, die neben den Hartz-IV-Bezieherinnen und -beziehern vor allem die Kommunen treffen werden.
Das ist augenfällig bei der Frage der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen. Das ist so bei der Neuregelung für die Kosten der Unterkunft. Das ist so beim Wegfall der Verpflichtung, Anträge zu stellen auf Wohngeld oder Kindergeldzuschlag. Allein beim Wohngeld wird mit einer Einsparsumme bei Bund und Ländern von 120 Millionen € gerech
Unsere Meinung ist: Die Punktlandung auf einem Regelsatz von 364 € ist nichts weiter als eine Bauchlandung.
DIE LINKE fordert eine deutliche Anhebung der Regelsätze. Die Menschen brauchen, wenn wir schon Hartz IV reformieren, mindestens 500 € zum Leben, um überhaupt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Zur SPD muss ich sagen: Unsere Forderung besteht immer noch. Die Einführung von Hartz IV hier im Land war der größte Fehler. Sie hat die Armut erhöht. Wenn Sie als SPD jetzt Hartz IV reformieren wollen, wird das nichts daran ändern. Sie sollten dafür stimmen, Hartz IV abzuschaffen.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Die Leistungen nach dem Sozialge- setzbuch waren niedriger! - Zurufe von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert: Das Bundesverfassungsgericht rügt die handwerkliche Arbeit der rot-grünen Hartz-IV-Gesetzgebung,
Wir sind offensichtlich diejenigen, die noch dazu stehen, dass der Weg in eine solche Richtung der richtige gewesen ist.
- Nein, Herr Stegner, wir haben uns bei den komischen Ausführungen von Herrn Baasch zurückgehalten; Sie müssen sich jetzt auch einmal zurückhalten.
Wenn Sie sich genau angucken, was gerügt worden ist, stellen Sie fest, dass nicht, wie in der Sachverhaltsdarstellung von der LINKEN immer wieder geäußert wird, vom Verfassungsgericht gefordert wurde, die Regelsätze nach oben anzupassen oder zu erhöhen, sondern konkret zweierlei gefordert wurde. Der erste Punkt war die Forderung nach Überprüfung der Berechnung der Regelsätze und der Anpassungsmechanismen. Das heißt, die schwarz-gelbe Bundesregierung muss die handwerklichen Fehler von Rot-Grün beseitigen. Der zweite Punkt war die Überprüfung der tatsächlich notwendigen und existenziellen Leistungen für Kinder und Jugendliche.
Das Verfassungsgericht hat zum Glück - muss man sagen - weitaus mehr getan. Es hat nämlich Hinweise darauf gegeben, wie man das vernünftig macht. Es hat beispielsweise zu den Daten, die uns das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre über die Einkommens- und Verbrauchsstatistik liefert, ausdrücklich gesagt, dass diese Daten geeignete empirische Daten sind. Darum gibt es keine Daten, die in einem Hinterzimmer ausgekungelt werden, sondern es gibt Daten, die transparent sind, die staatlich ermittelt worden sind und die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich - freuen Sie sich doch einmal; es war doch Ihr Gesetz - gutgeheißen worden sind.
Das, was das Gericht gesagt hat und worum sich die Bundesregierung kümmern muss, ist, dass es Transparenz geben muss, also nicht - wie bei Ihnen - eine Schätzung ins Blaue, keine willkürlichen Abschläge und auch keine unbegründeten pauschalen Kürzungen.
Darum hat sich die Bundesregierung die Mühe gemacht, genau diese Daten sehr fein und säuberlich zu ermitteln, beispielsweise durch Hineinrechnung von Praxisgebühren und Internetdownloads, die bisher nicht darin waren, aber auch durch Heraus
rechnung von Unterkunftskosten, von Kosten für Kraftfahrzeuge, von Flugreisen, von Glücksspielen, von Tabak und von Alkohol, die bisher darin gewesen sind. Es wurden extra Parameter für Jugendliche gebildet - überall.
Darüber können wir diskutieren. Das tun Sie aber nicht. Ich finde es bemerkenswert, dass sich die Kollegin Schwesig von der SPD, die im Bundestag dazu geredet hat, hingestellt hat und sich nicht auf einzelne Parameter bezogen hat, nicht gesagt hat: „Wir kritisieren die Hereinnahme eines bestimmten Punktes aus den 230 Ausgabepositionen, die die EVS vorschreibt, wir kritisieren, dass ihr die eine genommen habt und die andere nicht“, sondern es war eine allgemeine Pauschalkritik mit den üblichen Floskeln aus dem kleinen Parteilehrbuch der SPD: kaltherzig, unsozial und - wie wir heute gehört haben - Beleidigung für die Ärmsten.
All das tragen Sie in einem Duktus vor sich her, verweigern sich der Analyse und der Debatte im Detail. Das werden wir nicht durchgehen lassen.
Am bemerkenswertesten war am nächsten Tag im Frühstücksfernsehen, dass Frau Schwesig, auf die Frage, welche Parameter es denn seien
- ich komme gleich darauf, Dr. Stegner -, nicht einen einzigen Parameter hat nennen können - nicht einen einzigen -, den Sie konkret ändern wollen. Sie hat nur gesagt: „Wir haben das Gefühl, da ist Mauschelei im Spiel“. Mehr nicht. Sie hat einen allgemeinen Vorwurf einfach so in die Welt posaunt. Auf welchen Satz kommen Sie denn nun? Sie haben hier angeblich immer alles nachgerechnet, wie Sie uns sagen, und Sie wissen genau, welche Parameter Sie wollen und wir nicht. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Vor allem sagen Sie aber der Öffentlichkeit endlich, was bei Ihnen als Regelsatz am Ende herauskommt. Das wollen die Leute nämlich wissen. Sagen Sie das!
Ich nenne Ihnen auch das Beispiel der Familie Weißkirchen aus Lübeck, das im „Spiegel“ zu lesen war. Die Familie hat zwei Kinder und gehört zu den Hartz-IV-Empfängern. Ihnen stehen 1.675 € plus 200 € Verdienst aus einem Nebenjob, also 1.875 € monatlich, zur Verfügung. Diese Familie sagt - was ich bemerkenswert finde, was ich anerkenne und wovor ich hohen Respekt habe -: Wir wollen das nicht. Wir wollen arbeiten. Wir suchen Arbeit.
Trotz dieses Hartz-IV-Satzes wollen wir in Lohn und Brot. Heute verdient Herr Weißkirchen als Hilfsarbeiter in einer Fabrik 8,50 € - das ist der von Ihnen geforderte Mindestlohn - bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Im Monat kommt er damit auf knapp 1.400 €, netto sind das 1.080 €. Zusammen mit dem Kindergeld in Höhe von 529 € und 149 € Wohngeld stehen ihnen 1.758 € zur Verfügung. Das sind 117 € weniger als vorher mit Hartz IV.