Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Sie wissen, dass wir ein Mittelstandsförderungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Ich habe das im Wirtschaftsausschuss angekündigt. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass Sie die Verwaltungsfassung

zugeleitet bekommen. Da werden Sie sehen, dass wir - in der Tat angelehnt an die Hamburger Regelung - in den Paragrafen auch Vorkehrungen für die Tariftreueregelung getroffen haben - nur mit dem Unterschied, dass wir glauben, der Anwendungsbereich kann sich nur auf die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz beziehen. Denn alles andere ist rechtlich wackelig. Diesen Streit führen wir auch nicht zum ersten Mal, insofern kommt dieses Thema in einem anderen Gewand eigentlich ständig als Wiedergänger in der wirtschaftspolitischen Diskussion hier auf die Tagesordnung.

Wir sollten die weiteren Auseinandersetzungen dann führen, wenn das Mittelstandsförderungsgesetz den Landtag erreicht. Das wird wahrscheinlich noch zum Ende dieses Jahres der Fall sein. Dann können wir sehen, inwieweit sich diese Regelungen tatsächlich bewähren oder nicht bewähren. Es bedarf zumindest keines neuen Gesetzes. Ich würde es für falsch halten, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Dazu kommt, dass der vorliegende Gesetzentwurf auch nicht das enthält, was er als Titel verspricht. Mir fällt auf, dass in dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD all die Forderungen hineingepackt worden sind, die Sie gegenwärtig allgemeinpolitisch nicht durchsetzen können. Ich halte aber nichts davon, dass man allgemeinpolitische Ziele mittels des Vergaberechts durchsetzt.

Deshalb stoße ich mich übrigens auch ein bisschen an dem Titel. Es handelt sich nämlich nicht nur um ein Tariftreuegesetz bei dem, was die SPD vorgelegt hat, sondern Sie bringen auch ein Vergabegesetz ein. Es beschäftigt sich aber kaum mit der Vergabe. Denn in einem Vergabegesetz des Landes müsste es doch um den wirtschaftlichen Einkauf der öffentlichen Hand gehen. Aber damit beschäftigen sich von den 20 Paragrafen des Entwurfs gerade einmal vier - Zweck, Anwendungsbereich, Inkrafttreten und Übergangsregelung. Von den verbleibenden 16 Paragrafen befassen sich zehn mit Tariftreuregelungen sowie sozialen und umweltpolitischen Kriterien. Von den dann noch verbleibenden sechs Paragrafen sind fünf bereits im jetzigen Mittelstandsförderungsgesetz und in der schleswigholsteinischen Vergabeverordnung so oder in ähnlicher Form enthalten. Es bleibt eine einzige Vorschrift, die etwas Neues zum Thema Beschaffung enthält, nämlich die Verordnungsermächtigung in § 8 zur Regelung des Präqualifikationsverfahrens.

(Lars Harms)

Ansonsten hat dieses Gesetz mit einem Vergabegesetz überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube, dass es richtig wäre, sich in diesen Zeiten stärker um die Vergabe zu kümmern. Wir werden das mit dem Mittelstandsförderungsgesetz machen, wo wir Teillose und auch Fachlose vorschreiben werden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der nicht nur den wirtschaftlichen Einkauf der öffentlichen Hand betrifft, sondern auch die Wirtschaftsförderaspekte und die Arbeitsmarktförderaspekte, die durch die Vergabe der öffentlichen Hand berührt sind. Da bleiben Sie hinter Ihrem Anspruch zurück.

Darüber hinaus ist es in der Tat so - das ist ja schon angesprochen worden -, dass dieser Entwurf auch zusätzliche Bürokratie enthält. Man muss sich vor allem einmal den Antrag der LINKEN durchlesen, was diese Sonderkommission anbelangt. Das ist in der Tat eine Art Sonderkontrollsowjet, der dort für alle möglichen Dinge eingeführt werden soll.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP - Zu- ruf: Das gibt es in Bremen auch!)

- Bremen ist der richtige Hinweis. Das wundert mich nicht, dass das aus Bremen kommt.

(Beifall des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Das ist nämlich auch der Ruf nach immer mehr Staat. Der mag den LINKEN bekannt sein, uns nicht. Wir glauben immer noch daran, dass es richtig ist, den Staat schlanker zu machen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/889 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/919 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Unterstützung der Einführung und Verbreitung der „Workplace Policy“ in Unternehmen und Verbänden

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/884

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Frau Abgeordnete Ranka Prante.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Workplace Policy ist die Idee der allgemeinen Selbstverpflichtung von Unternehmen, Verbänden und Arbeitgebern, sich gegen häusliche Gewalt zu positionieren, und so der erste Schritt, um frühzeitig den Menschen eine Unterstützung anzubieten.

In Schleswig-Holstein sind bisher leider keine Unternehmen bekannt, die sich für diesen Weg entschieden haben. Das liegt wohl an der Tatsache, dass die dahinterstehende Idee und der Begriff vielerorts unbekannt sind, so auch in diesem Parlament.

Es wurde der Wunsch an mich herangetragen, den Fachbegriff Workplace Policy in der Überschrift wegen Unverständlichkeit zu verändern. Ich möchte hier noch einmal klarstellen, dass es sich um einen Fachbegriff handelt, den ich nicht ändern kann. Ich werde Ihnen diesen jetzt aber nahebringen. Allerdings verwundert es mich, dass ich dies tun muss, da Ihre oberste Priorität momentan das Sparen ist und jeder weiß, dass solche Maßnahmen höhere Folgekosten verhindern. Doch diese Verwunderung lässt schnell nach, wenn ich sehe, wie die Landesregierung in allen Bereichen, die Frauen betreffen, einfach radikal kürzt. Daran wird einem schmerzlich bewusst, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch nicht gleichberechtigt behandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Häusliche Gewalt ist ein Thema, deren Leidtragende bis zu 90 % Frauen und Kinder sind. Die Opfer häuslicher Gewalt haben in den Reihen der Übergangsregierung keine Lobby. Solidarität hat in den schwarz-gelben Reihen offenbar keine Bedeutung. Dies spiegelt auch das Kürzungspaket unserer Übergangsregierung wider. Die Kürzungen beziehen sich vor allem auf den frauenpolitischen Bereich und zerschlagen so lange und mühsam erkämpfte komplexe Strukturen, die die Schwächsten unter uns auffangen sollen. Ihre Stoßrichtung, meine Damen und Herren auf der rechten Seite, ist unübersehbar.

(Minister Jost de Jager)

Um heute Ihrer Aufmerksamkeit gewiss zu sein, werde ich nicht an Ihr Mitgefühl, Ihre Verantwortung oder an Ihre Solidarität gegenüber Opfern von häuslicher Gewalt appellieren. Heute liefere ich Ihnen vielmehr Fakten und Zahlen; denn Workplace Policy ist nachhaltig und wirkungsvoll.

Fakt eins: Häusliche Gewalt beeinflusst in einem enormen und vielschichtigen Ausmaß die Gesundheit der Opfer. Häusliche Gewalt ist Gewalt zwischen Erwachsenen in der Familie oder familienähnlichen Strukturen. Es handelt sich meist nicht um ein einmaliges Ereignis, sondern um ein komplexes Misshandlungssystem. Häusliche Gewalt tritt in allen Schichten der Bevölkerung auf. Sie ist unabhängig von Kultur, Bildungsstand oder Herkunft. Es sind vielschichtige Verhaltensweisen, die darauf abzielen, Macht und Kontrolle über andere Personen zu gewinnen. Dabei beschreibt häusliche Gewalt geradezu jegliche Form und Ausprägung der Gewalt und ist vielmals nicht offensichtlich.

Abgesehen von den privaten Leiden der betroffenen Frauen wirkt sich häusliche Gewalt auf unterschiedlichste Art und Weise auf nahezu alle Bereiche des Lebens aus. Am deutlichsten wirkt sie sich auf die Gesundheit, das Gesundheitshandeln und die Gesundheitschancen eines Menschen aus. Dazu gehören körperliche Folgen wie Verletzungen, funktionelle Beeinträchtigungen und dauerhafte Behinderungen genauso wie gesundheitsgefährdende Überlebensstrategien der Opfer wie Drogen- und Alkoholkonsum, selbstverletzende Verhaltensweisen und so weiter. Die Liste lässt sich endlos fortführen.

Aber auch psychosomatische und psychische Folgen wie zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Ängste, Suizidversuche oder Suizid können Folge häuslicher Gewalt sein. Die WHO begreift häusliche Gewalt nach eigenen Angaben sogar wegen der gravierenden Auswirkungen als ein großes Problem.

Fakt zwei: Häusliche Gewalt beeinflusst ebenso Kinder, wenn sie im Dunstkreis häuslicher Gewalt aufwachsen.

Fakt drei: Häusliche Gewalt hat immense sozioökonomische Folgen. Familiäre und soziale Beziehungen verändern sich durch häusliche Gewalt. Es kommt zu Trennungen und Umzügen, um sich von der Gewalt zu befreien. Dies wirkt sich wiederum auf die Gesundheit aus. Es ist bewiesen, dass sich gute soziale Netzwerke positiv auf Stress- und Problembewältigung auswirken und Genesungszeiten verkürzen.

Im Durchschnitt ist die Abwesenheitsrate bei von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen aus ihrem Berufsfeld um 30 % höher als bei Vergleichspersonen. Dies mündet oftmals in Arbeitslosigkeit der betroffenen Frauen und damit in die Spirale der staatlichen Abhängigkeit. Dies wiederum beeinflusst die Gesundheit in allen Facetten negativ.

Fakt vier: Häusliche Gewalt kann sich generationsübergreifend fortsetzen.

Die Konsequenzen trägt die Gesellschaft; denn die genannten Tatsachen führen in der Folge nicht nur zu unglücklichen Menschen, sondern auch zu hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten. Diese entstehen in nahezu jedem Bereich des Lebens. Von dem sozialen, juristischen und gesundheitlichen Bereich abgesehen betrifft es in hohem Maße die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen und führt zu wirtschaftlichen Verlusten, wenn persönliche Probleme zu krankheitsbedingtem Arbeitsausfall et cetera führen. Die gesellschaftlichen Folgekosten schätzt der Bundestag auf etwa 1,5 Milliarden € pro Jahr. Laut einer Schätzung der BKK Salvina liegen die Kosten für das deutsche Gesundheitswesen bei 2,5 Milliarden €, gerechnet ohne die psychischen Langzeitfolgen.

Wenn Sie mir aufmerksam gefolgt sind, wissen Sie nun, dass häusliche Gewalt neben den fatalen gesundheitlichen Folgen für die Opfer ebenso fatale Auswirkungen auf unsere Landeskasse und auf die Wirtschaft hat. Ich möchte heute sehr deutlich machen, dass dieser Antrag kein Aufruf und keine Unterstützung für die verfehlte Sparpolitik der Landesregierung im Frauenbereich ist. Workplace Policy ist notwendig und eine konsequente Ersthilfe. Wir zeigen uns solidarisch mit den Protesten gegen die Kürzungen bei den autonomen Frauenhäusern.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ich weiß, dass Workplace Policy für manche in diesem Haus noch Fragen aufwirft, beantrage ich die Überweisung federführend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Katja Rathje-Hoffmann.

(Ranka Prante)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag sollen uns für die Notwendigkeit einer Unterstützung und Verbreitung einer Workplace Policy in Unternehmen und Verbänden aussprechen. So steht es in dem uns vorliegenden Antrag. Schleswig-holsteinische Unternehmen, Verbände und auch öffentliche Verwaltungen sollen sich gegen häusliche Gewalt positionieren und Ansprechpartner oder auch Ansprechstellen benennen oder gar neu einrichten.

Um das Ganze gemäß eines ordentlichen Verwaltungsaktes zu organisieren, möchten die Antragstellerinnen und Antragsteller eine Stelle im zuständigen Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration einrichten, die für die Verbreitung und Akzeptanz zuständig ist. Bekannt ist, dass die weltweit tätige Organisation für Frauenrechte Terre des Femmes Firmen, Organisationen und Verbände ermuntert, freiwillig eine Workplace Policy gegen häusliche Gewalt einzurichten. Zahlreiche namhafte Firmen beteiligen sich freiwillig an dieser gesellschaftlichen Maßnahme, die ihren Ursprung im angelsächsischen Raum hat.

Bekannt ist, dass jede vierte Frau im Alter von 18 bis 65 Jahren mindestens ein Mal im Leben körperliche und oder sexuelle Übergriffe durch den Beziehungspartner erleidet. Dies hat für die betroffene Frau sehr häufig schwerwiegende und negative Folgen an Leib und Seele. Ähnlich negativ sind die Auswirkungen häuslicher Gewalt auf das soziale Umfeld und den Arbeitsalltag der betroffenen Frauen. Häusliche Gewalt kostet Gesellschaft und Unternehmen viel Geld. Betroffen sind Justiz, Polizei, Gesundheitswesen und Arbeitgeber. Dies alles ist bekannt, dies alles wissen wir, und wir alle verurteilen häusliche Gewalt gegen Frauen.

Nun begründen die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE die Einführung und Betreuung einer Workplace Policy damit, dass es einen großen Bedarf an Aufklärung in Unternehmen, Behörden und Verbänden gibt, sich gegen häusliche Gewalt und für die betroffenen Frauen einzusetzen. Weiter heißt es in der Antragsbegründung, Ihnen seien keine Unternehmen bekannt, die sich gegen häusliche Gewalt und für die Betroffenen einsetzen. An dieser Stelle irren Sie gewaltig.

Wegen des begrenzten Zeitrahmens von fünf Minuten möchte ich mich nur auf die Nennung einiger Unterstützungsnetzwerke und Maßnahmen beschränken. Um den 25. November herum, dem „In

ternationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, gibt es zahlreiche und vielfältige Aktionen im Land. Besonders erwähnenswert ist das Engagement der lokalen Netzwerke gegen Gewalt an Frauen, der Gleichstellungsbeauftragten, des Ministeriums für Justiz, Gleichstellung und Integration und des Landesinnungsverbandes des Bäckereihandwerks in Schleswig-Holstein. Rund um dieses Datum im November beteiligen sich freiwillig und mit viel Herzblut rund 80 Innungsbäckereien mit ihren 400 Filialen an der Initiative gegen häusliche Gewalt. Mit großem persönlichen und finanziellen Einsatz organisieren sie zusammen mit weiteren Akteuren aus den jeweiligen lokalen Netzwerken Aktionen gegen häusliche Gewalt an Frauen.

Seit fast zehn Jahren gibt es in Schleswig-Holstein zahlreiche Aktionen in den Bäckereien und den angeschlossenen Filialen. Unter dem Motto „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ wurde diese Aktion auch in Funk und Fernsehen bekannt. Jährlich sind es an die 400.000 Brötchentüten, die mit dem besonderen Hinweis gegen häusliche Gewalt an die Kundschaft ausgegeben werden.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE]: Nur an einem Tag!)