Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Frau Abgeordneter Ranka Prante das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten jetzt doch einmal wieder zum Antrag zurückkehren. Wir, die Fraktion DIE LINKE, unterstützen den Missbilligungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir unterstützen den Antrag, weil er begründet ist - und zwar sachlich und nicht polemisch.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der FDP)

Nach unserer Auffassung hat erstens Wirtschaftsminister Jost de Jager das Parlament am 21. Mai 2010 nicht wahrheitsgemäß informiert.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens ist die Genehmigungsverlängerung zur Ölförderung im Wattenmeer nicht aus fachlichen Gründen erfolgt, sondern aus politischen Gründen.

(Oliver Kumbartzky)

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Zudem können wir so die Öffentlichkeit über die Vorgehensweisen der Übergangsregierung informieren - und das war längst notwendig.

(Christopher Vogt [FDP]: Übergangsregie- rung! Ja, keine Polemik! - Zuruf von der LINKEN: Das sind Tatsachen!)

- Das sind Tatsachen.

(Lachen bei FDP und CDU)

Das war längst notwendig, das Maß ist voll. Sie, Herr Minister de Jager, bekleckern sich nicht mit Ruhm. Sie machen Politik für die Konzerne und die Industrie und gegen das Wohl der schleswigholsteinischen Bevölkerung und Natur. Das wissen wir.

Nun liegt es so, dass es - wie bereits von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN berichtet - zu einigen Ungereimtheiten im Verwaltungsvorgang bezüglich der Genehmigungsbewilligung zur Ölförderung auf der Mittelplate A gekommen ist. Diese Ungereimtheiten zeigen sich zum einen in der formellen Prüfung der Genehmigungsbewilligung und zum anderen im Informationsverhalten des zuständigen Ministers de Jager.

Bezüglich der Prüfung der Verlängerung der Konzession zur Ölförderung im Wattenmeer ist Folgendes zu sagen: Tatsache ist, RWE hat im Februar beantragt, die Förderkonzession zu verlängern. Die Genehmigung wurde antragsgemäß von dem zuständigen Landesamt nach Befragung der zuständigen Fachaufsicht in Kiel genehmigt. Eine vom Landesamt mit der geringeren Reserveabschätzung begründeten vorgeschlagenen Verkürzung der Bewilligungsdauer, nämlich nur bis - nur bis! - 2022, wurde laut Akten von der Kieler Fachaufsicht unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine langfristige Fördererlaubnis dem Ministerium in einigen Jahren den Streit um eine weitere Konzessionsverlängerung ersparen könne. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden - ich wiederhole das jetzt noch einmal -, dass die Umweltseite „mehr und mehr industrieavers“ sei. Zudem komme man zu einer höheren Reserveabschätzung.

Der zuständige Abteilungsleiter der Fachaufsicht sitzt im Beirat der RWE Innogy. Dies lässt doch jeden - auch jeden nicht politischen Menschen -, nicht nur angesichts der immensen wirtschaftlichen Interessen, die hinter dieser Genehmigungsverlängerung stehen, aufhorchen. Wenn nun - wie gesche

hen - der zuständige Wirtschaftminister eine Woche nach dem Erlass des Bescheides im Landtag verkündet, dass eben diese Verlängerung bisher nur beabsichtigt sei, und seine Uninformiertheit dann später auf Nachfrage im Umwelt- und Agrarausschuss damit entschuldigt, dass er die E-Mail - ich wiederhole mich; aber wir sind auch da schon irritiert - mit der Nachricht über die Genehmigungsverlängerung aus vielfältigen Gründen vor seiner Rede im Rahmen der Plenarsitzung nicht gelesen habe, dann wird jeder, aber wirklich jeder Mensch hellhörig und kommt in die Versuchung, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage infrage zu stellen oder sich zumindest über die Arbeitsweise und Uninformiertheit bezüglich dieses schon immer kontrovers diskutierten Themas Mittelplate A des Herrn Ministers zu wundern.

Die Tatsache - das finde ich besonders so erschreckend, dass die Landesregierung so miteinander arbeitet -, dass selbst Frau Rumpf, die immerhin Schleswig-Holsteins Umweltministerin ist und damit auch sehr wohl ein Interesse an dieser Information gehabt hätte, überhaupt nicht über den Vorgang Mittelplate A informiert wurde, trägt auch nicht dazu bei, das in Rede stehende Verfahren als umgangssprachlich „astrein“ zu bezeichnen.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich stelle eine möglicherweise bestehende Pflicht zur Einbeziehung des Umweltministeriums mal dahin, obwohl meiner Ansicht nach die Anhörung von Beteiligten zu einem ordnungsgemäßen Verfahren dazu gehört und auch der Akzeptanz der Bevölkerung zuträglich ist.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn dann BUND-Mitglieder angeben, eine Information zu haben, dass der Geburtstag des Nationalparks Wattenmeer abgewartet werden sollte, um die Verlängerung der Ölfördergenehmigung publik zu machen, dann kommen mir und der Fraktion DIE LINKE - und mit uns auch vielen anderen - doch erhebliche Zweifel an dem ordnungsgemäßen Ablauf des Bewilligungsverfahrens.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ob nun innerhalb dieses Verwaltungsvorganges Fakten und Informationen falsch bewertet, unterschlagen oder sachfremde Erwägungen zu der gefällten Entscheidung geführt haben und dem Landtag sowie der Bevölkerung vorsätzlich oder auch

(Ranka Prante)

fahrlässig nicht mitgeteilt worden sind, vermag ich nicht abschließend zu sagen.

(Christopher Vogt [FDP]: Sehr sachlich!)

Unsere Fraktion fordert die Einstellung der Ölförderung im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer. Denn das Wattenmeer ist - wie allen bekannt Weltnaturerbe und Schutzgebiet. Trotzdem wird seit 1987 von der Bohr- und Förderplattform Mittelplate A aus im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer Öl gefördert.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme jetzt zum Ende. - Oh, da muss ich ja ganz viel kürzen.

(Heiterkeit)

- Wie Sie sehen, ist mir das Thema sehr, sehr wichtig.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir, die Fraktion DIE LINKE, fordern Sie auf: Nehmen Sie die Genehmigung zurück und stellen sie sich der Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Wattenmeer ist eines der sensibelsten Lebensräume und empfindlich gegenüber allen äußeren Einflüssen. Um diesen Lebensraum zu schützen, wurde 1978 das länderübergreifende Wattenmeersekretariat gegründet und 1985 das Nationalparkgesetz verabschiedet. Wir konnten gerade das 25-jährige Jubiläum begehen. Und seit etwas über einem Jahr hat das Wattenmeer den Status eines UNESCO-Weltnaturerbes. Diese Schutzkategorien und Auszeichnungen machen den Wert des Wattenmeeres deutlich, der weit über die Landesgrenzen hinaus reicht. Unser Watt ist weltweit einzigartig als eines der größten Küstenfeuchtgebiete der Erde.

Angesichts der Schutzkategorien und der weltweiten Bedeutung des Wattenmeeres versteht es sich von selbst, dass menschliche Eingriffe, die dieses Ökosystem gefährden, äußert kritisch gesehen werden müssen. Dies gilt auch und insbesondere für die Öl- und Gasförderung in diesem Gebiet.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie verheerend es aussieht, wenn Rohöl auf Feuchtgebiete trifft, kann man immer noch im Missisippi-Delta sehen. Leider ist es aber nicht so, dass sich diese besondere Schutzwürdigkeit des Wattenmeers auch in der entsprechenden Gesetzgebung widerspiegelt. Aus rechtlichen Gründen wurde seit jeher zähneknirschend akzeptiert, dass sich die Ölplattform Mittelplate im Wattenmeer befindet, und dies wurde im Nationalparkgesetz entsprechend berücksichtigt. Das war ein politisch erzielter Konsens. Klar war aber immer, dass die Mittelplate im Wattenmeer kein Leuchtturm, sondern ein Fremdkörper ist.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Angesichts dieser Vorgeschichte erstaunt mich die Art und Weise, wie jetzt im zuständigen Ministerium mit diesem heiklen Thema umgegangen wird. Aus Sorge vor Protesten von „industrieaversen“ Umweltschützern und vor erneuten Diskussionen wegen der Konzessionsverlängerung wurde von einem Abteilungsleiter des Ministeriums klammheimlich die Order an das Bergbauamt erteilt, der Betreiberin RWE Dea eine Verlängerung zu gewähren. Wir müssen akzeptieren, dass die Konzessionsverlängerung für den Betrieb einer Ölbohrund Förderinsel trotz Naturschutzrecht, Nationalparkstatus und UNESCO-Auszeichnung allein nach dem Bergrecht geregelt werden kann. Das verstehen viele Menschen zu Recht nicht. Das ist aber leider der rechtliche Rahmen, in dem wir uns bewegen.

Politisch ging es bei der Mittelplate aber schon immer um mehr als um Rohstoffgewinnung. Deshalb ist es vollkommen indiskutabel, dass sich die Landesregierung in voller Kenntnis der Interessenkollision nicht nur allein auf bergbaurechtliche Bestimmungen zurückgezogen hat, sondern auch noch eine Verlängerung um 30 Jahre erwirkt hat. Das ist dreimal länger, als es das Bergbauamt selbst empfohlen hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ranka Prante)

Dass der betreffende Abteilungsleiter dann auch noch Mitglied im Beirat einer Tochtergesellschaft von RWE Dea sein soll, macht es nur noch schlimmer. Eine solche Person mit einer derartigen Aufgabe zu betreuen, ist ein massiver Fehler der Ministeriumsspitze. Der Minister hätte den besagten Abteilungsleiter S. bereits im Vorfeld von der Sache abziehen müssen, um jegliche Mutmaßung über Gemauschel zu verhindern.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Herr Minister, dabei sind Sie Ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nicht nachgekommen.

Dass Minister de Jager hier im Parlament dann auch noch falsche Informationen geliefert hat, weil sein Haus offensichtlich auch noch erhebliche interne Kommunikationsprobleme mit E-Mails hat, hat alles nur noch schlimmer gemacht. Gerade bei solch einem brisanten Thema wie bei der Ölförderung im Wattenmeer erwarten wir von einem Minister mehr Führung, mehr Professionalität, mehr Fingerspitzengefühl und mehr Offenheit,

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

auch wenn diese Offenheit zu Protesten von industrieaversen Umweltschützern führt. Allein schon diese Bezeichnung aus Ihrem Hause spricht Bände.