Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Ich möchte auf die Debatte über die Stiftungsuniversität eingehen. Ich finde, dass man die Debatte so, wie sie jetzt im Raum steht, etwas verkürzt geführt hat. Meiner Meinung nach hilft es nicht, nur auf die Frage der Studiengebühren abzuheben. Ich habe das gestern auch kritisiert. Ich bin gestern in meinem Wortbeitrag auf Herrn von Boetticher eingegangen. Wir halten auch nicht sehr viel von den Plänen zu den Studiengebühren. Ich halte es aber für fahrlässig und für ein bisschen gefährlich, die Debatte nur darauf zu verkürzen. Frau Jansen, das haben Sie heute ein bisschen getan. Das hat aber auch die Staatssekretärin auf der von mir gestern genannten IHK-Veranstaltung getan.

Warum will die Universität Lübeck Stiftungsuniversität werden? - Wenn man sich, wie Herr von Boetticher es gestern angemahnt hat, vor Ort mit den Betroffenen auseinandersetzt, dann wird deutlich: Sie wollen das nicht werden, um ihre Studenten zu schröpfen, sondern sie wollen es werden, weil sie mehr Unabhängigkeit von dieser Landesregierung erzielen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann ich sehr gut verstehen. In diesem Sinne sind wir ganz klar bei der Universität Lübeck. Wir sind bereit, diese Debatte vor Ort zu führen. Wir haben das in der letzten Zeit auch gemacht, denn die Debatte in der Vergangenheit zeigt ebenso wie das, was in der Zukunft ist: Das, was die Universität braucht, ist Ruhe und verlässliche Partner in der Politik zu gewinnen. Sie haben in der Vergangenheit bewiesen, dass Sie das nicht können. Wir probieren gerade, das anders aufzubauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 17/952, federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend an den Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung überweisen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Gesundheitsaus- schuss!)

- Gern auch mitberatend an den Gesundheitsausschuss. Ich bitte Sie um das Handzeichen. - Wer ist

dagegen? - Wer enthält sich? Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Beratung.

Ich unterbreche die Sitzung zur Mittagspause und bitte Sie, um 15 Uhr hier wieder im Plenarsaal zu sein.

(Unterbrechung: 13:28 bis 15:02 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung und rufe Punkt 57 der Tagesordnung auf:

Sicherheitsbericht für Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/368

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/783

Ich erteile Herrn Innenminister Klaus Schlie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat die Landesregierung während seiner Sitzung am 19. März 2010 mit Zustimmung aller Fraktionen auf Antrag des SSW aufgefordert, einen schriftlichen Bericht über die Sicherheit in Schleswig-Holstein vorzulegen. Die Aussprache hierzu war ursprünglich für die Oktobersitzung vorgesehen. Der Bericht, den ich dem Herrn Landtagspräsidenten zeitgerecht übersandt hatte, liegt Ihnen und der Öffentlichkeit daher schon seit einigen Monaten vor. Ein Verstreichenlassen von Zeit birgt natürlich die Gefahr, dass zwischenzeitlich neue und möglicherweise sogar einschneidende Ereignisse passieren, die dann die aktuelle Sicherheitsdebatte dominieren. Das hat sich in dieser Form glücklicherweise nicht so zugetragen. Gleichwohl wissen wir alle, dass sich die Gefährdungslage in Deutschland durch den internationalen Terrorismus erheblich verschärft hat. Die Hinweise auf bestimmte Anschlagsszenarien sind seit einiger Zeit wesentlich konkreter und begründen damit das Erreichen einer neuerlichen Gefährdungsspitze. Der Bundesinnenminister hat den Menschen das alles sehr ausgewogen vermittelt, wie ich meine. Dass das Realität werden kann, haben wir jetzt in Stockholm erlebt.

Für die Landespolizei bedeutet dies wiederum einmal mehr erhöhte Präsenz und Wachsamkeit. Ich versichere Ihnen allen, wir können uns auch in dieser schwierigen Gefahrenlage auf die Professionalität unserer Landespolizei verlassen. Dafür - ich denke, ich spreche da auch in Ihrem Namen - gebührt der Polizei unser Dank.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor meinen weiteren Ausführungen möchte ich zunächst allen Beteiligten sowohl aus dem Innen- als auch aus dem Justizministerium, die an der Erstellung des umfassenden Sicherheitsberichts mitgewirkt haben, sehr herzlich für ihre sorgfältige und umfangreiche Arbeit danken. Die Erstellung des Berichts hat einen erheblichen Aufwand erfordert.

Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung hat erstmals im Jahr 2004 einen Sicherheitsbericht herausgegeben, der den Zeitraum zwischen den Jahren 1994 und 2003 behandelte. Der Ihnen vorliegende zweite Bericht umfasst den Zeitraum 2004 bis 2009. Ähnlich wie die bisherigen Sicherheitsberichte der Bundesregierung stellt der Bericht der Landesregierung vergleichende Betrachtungen zwischen den unterschiedlichen statistischen Materialien an und ergänzt die Befunde um interdisziplinäre Erkenntnisse.

„Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt.“ Mit diesen Worten beginnt das Vorwort des Zweiten Periodischen Sicherheitsberichts der Bundesregierung aus dem Jahr 2006. Auch der aktuelle Bericht für Schleswig-Holstein konstatiert im Ergebnis eine stabile Sicherheitslage für unser Land.

Er macht aber auch deutlich, dass der Erhalt, die Stabilisierung und die Verbesserung der inneren Sicherheit nur als fortwährender Prozess des Zusammenwirkens staatlicher und gesamtgesellschaftlicher Kräfte verstanden werden kann. Wenngleich die behördlichen Statistiken nur den Ausschnitt bekannt gewordener Kriminalität abbilden, orientiert sich die Landesregierung in ihrer kriminalpolitischen Ausrichtung durchaus an den ablesbaren Entwicklungstrends. Dabei wird sehr deutlich, dass die Globalisierung längst auch Faktoren umfasst, die die Sicherheit national wie international wesentlich beeinflussen.

Am Beispiel der Internetkriminalität erkennen wir, dass regionalgeografische Gegebenheiten nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Der Tatort ist eher virtueller Natur. Inkriminierte Rechner und international agierende Straftäter können sich rund um den Globus platzieren und trotzdem gezielt in

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Deutschland beziehungsweise in Schleswig-Holstein Schaden anrichten.

Die bekannte, dem Umweltschutz zuzurechnende Maxime „global denken - lokal handeln“ ist inzwischen auf Belange und Erfordernisse der inneren Sicherheit gleichermaßen zu übertragen. Für die Öffentlichkeit ist es dabei weniger entscheidend, ob wir mit statistischen Befunden versuchen, eine objektive Sicherheitslage zu belegen. Vielmehr ist es wichtig, dass sich die Menschen sicher fühlen und frei bewegen können. Selbst auferlegte Einschränkungen in der Lebensgestaltung als Folge von Kriminalitätsfurcht sind daher genauso ernst zu nehmen wie tatsächlich belegbare Kriminalitätsbrennpunkte. Ein immer wieder herausragendes Phänomen, allerdings kein exklusiv schleswig-holsteinisches, ist die Furcht, Opfer einer Gewalttat zu werden. Diese Furcht wird augenscheinlich durch den statistischen Entwicklungsverlauf bestätigt. Da es zudem leider überwiegend junge Menschen sind, die zu Gewalttaten neigen, muss die Eindämmung dieses Phänomens ein auf Dauer ausgerichteter kriminalpolitischer Schwerpunkt bleiben. Schwerpunktsetzung bedeutet dabei sowohl wirkungsvolle staatliche Intervention als auch frühzeitige gesamtgesellschaftliche Prävention. Mein Fazit aus dem Sicherheitsbericht lautet: Die Sicherheitslage in Schleswig-Holstein ist stabil.

Der Instrumentenkasten erforderlicher landesrechtlicher Befugnisse für die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist hinreichend bestückt. Die Bekämpfung von Ursachen und Entstehungsbedingungen von Kriminalität lässt sich mehr und mehr nur länderübergreifend voranbringen. Erfolgreiche Präventionsarbeit erfordert die Bündelung staatlicher und gesamtgesellschaftlicher Kräfte. Besondere ressourcenbezogene Herausforderungen für die Zukunft sehe ich in der erfolgreichen Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses für unsere Sicherheits- und Ermittlungsbehörden und daran anknüpfend in der Notwendigkeit laufender Fortbildungsmaßnahmen im Hinblick auf neue kriminalitätsund andere sicherheitsrelevante Phänomene sowie in der vorausschauenden qualitativen Ausstattung mit Einsatzmitteln und ermittlungsunterstützender Logistik.

Eine derart professionell gestaltete Sicherheitsstruktur ist ein Garant dafür, dass die Freiheitsrechte der Menschen in unserem Lande auch in Zukunft gewährleistet bleiben und die Menschen eben möglichst frei von Kriminalität und Furcht vor Kriminalität leben können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich eröffne die Aussprache. Der Minister hat die Redezeit um 2 Minuten überschritten. Diese Zeit steht auch allen Fraktionen zusätzlich zur Verfügung. Das Wort hat Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen von der SSW-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Bericht ist die Landesregierung aufgefordert worden, die einzelnen kriminalpolitisch relevanten Statistiken aufzubereiten, da in der polizeilichen Kriminalstatistik keine inhaltlichen Verknüpfungen oder Konsequenzen aus den Statistiken gezogen werden können. Mit diesem Antrag verfolgen wir deshalb zwei Ziele, erstens objektive und belastbare Zahlen für einen bestimmbaren Zeitraum zu erhalten und zweitens die kriminalpolitischen Handlungsempfehlungen, die sich daraus ergeben, nachzuvollziehen.

Hintergrund ist, dass die Sicherheit, genauer gesagt, die gefühlte Sicherheit häufig Angriffsziel von Boulevard-Kampagnen ist und der Verschärfung des Rechts dient. Dahinter steht immer wieder das Kalkül des Verunsicherns und des anschließenden Verschärfens.

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger wähnen sich in echter Gefahr, wenn sie zum Beispiel alleine unterwegs sind. Das entbehrt laut diesem Bericht aber einer sachlichen Grundlage, da die Häufigkeitszahlen, also die Anzahl von Straftaten je 100.000 Einwohner, abgenommen haben.

In vielen Diskussionen - ob am Stammtisch oder auf einem Podium - fehlt es an soliden Statistiken. Darum hört man immer noch zu oft Mutmaßungen und Verallgemeinerungen auf der Grundlage weniger Einzelereignisse. Ich hoffe, das wird sich nach diesem Bericht für Schleswig-Holstein ändern, da der Bericht aufzeigt, dass genau dieses Schüren von Angst falsch ist und sich nicht mit Tatsachen belegen lässt. Deswegen bin ich gespannt auf Ihren Beitrag, Herr Kalinka.

(Werner Kalinka [CDU]: Soll ich Ihnen sa- gen, was ich schon gesagt habe?)

Mein Dank geht deshalb an Herrn Innenminister Schlie und sein Haus, das einen klaren Bericht über die derzeitige Sicherheitssituation vorgelegt hat. Ich kann mich seinen Worten nur anschließen: Wir können froh sein, dass es keine Verschlechterung der Sicherheitslage nach der Vorlage dieses Berichts gegeben hat.

(Minister Klaus Schlie)

(Beifall beim SSW)

Wer wirklich wissen will, welche Entwicklung sich bei Intensivtätern, Jugendlichen oder Tätern mit einem nicht deutschen Pass vollzogen hat, der findet hier die Fakten, die jedoch - gerade das ist meiner Ansicht nach interessant - häufig nicht den bestehenden Vorurteilen entsprechen.

Zu den kriminalpolitischen Handlungsempfehlungen. Der Bericht zeigt, dass die Ursachen von Kriminalität nur gesamtgesellschaftlich wirkungsvoll bekämpft werden können.

(Beifall beim SSW)

Die ersten Auswertungen zu den Fallkonferenzen in Pinneberg sind sehr ermutigend. Überall dort, wo Polizei und Staatsanwaltschaft mit möglichst vielen Akteuren routinemäßig zusammenarbeiten, verzeichnet man nachhaltige Erfolge. Dieses koordinierte Vorgehen ist auf belastbare Strukturen angewiesen, die nur zu einem Bruchteil aus technischen Hilfsmitteln errichtet werden können.

Um es deutlich zu sagen: Es geht nicht um regelmäßigen telefonischen Kontakt, sondern um das tatsächliche Zusammentreffen der Verantwortlichen. Die Polizei vor Ort muss in der Lage sein, neben ihren Einsätzen auch die soziale Entwicklung im Revier zu begleiten. Dazu benötigt sie ausreichend Personal.

Der Sicherheitsbericht zeigt darum eigentlich eine paradoxe Situation. Die starken Strukturen, die den Rückgang der Straftaten überhaupt erst möglich machen, werden derzeit infrage gestellt. Ich bezweifle deshalb, dass der kommende Sicherheitsbericht in einigen Jahren ähnlich positiv ausfallen wird.

Ein Beispiel dafür ist die zunehmende Komplexität bei den Ermittlungen. Der Generalstaatsanwalt hat bereits im April 2010 auf diese Lage hingewiesen: Langwierige Ermittlungen, die sich teilweise über Jahre erstrecken, werden laut Sicherheitsbericht zunehmen, vor allem im Bereich der Wirtschaftsverfahren, aber auch in Sachen Internetkriminalität. In diesem Bereich müssen belastbare Strukturen dauerhaft gesichert werden.

Abschließend möchte ich sagen, dass der Sicherheitsbericht generell einen Rückgang der Fallzahlen zeigt, aber gleichzeitig eine Verdichtung der Kriminalität in bestimmten Regionen beziehungsweise bei bestimmten Personengruppen. Es ist also noch viel zu tun. Wir sollten im Ausschuss das weitere Umgehen und Vorgehen mit diesem Sicherheitsbericht besprechen.

(Beifall beim SSW)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Werner Kalinka das Wort.