Zweitens. Die in der EU-Spielzeugrichtlinie festgelegten Grenzwerte müssen neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden. Nach der neuen EU-Spielzeugrichtlinie wäre für Kinder im Vergleich zu den bisherigen nationalen Standards die Aufnahme deutlich größerer Mengen an Blei, Quecksilber, Arsen und Barium zulässig. Es kann doch nicht sein, dass das Schutzniveau wider besseres Wissen abgesenkt wird.
Drittens. Vergleichbare Zusammenhänge gelten für die Regelungen der Richtlinie hinsichtlich der allergenen Stoffe. Die Entwicklung von Allergien kann nur verhindert werden, wenn der Kontakt mit allergieauslösenden Stoffen so weit wie möglich reduziert wird. Die neue Spielzeugrichtlinie enthält zwar eine Liste von 55 verbotenen allergenen Substanzen, doch wird dieses Verwendungsverbot de facto durch die Einführung eines Grenzwertes für zulässige herstellungsbedingte Spurengehalte
zum Teil wieder aufgehoben. Deshalb sollte der zulässige Spurenwert dieser verbotenen allergenen Stoffe abgesenkt werden.
Meine Damen und Herren, die Neufassung einer EU-Richtlinie darf nicht dazu führen, dass bisherige wissenschaftlich belegte Regelungen aufgeweicht werden. Der Bundesrat hat deshalb mit Unterstützung Schleswig-Holsteins die Bundesregierung in einer Entschließung aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für diese Kernforderungen einzusetzen.
Ich möchte jetzt noch auf die Untersuchungen in Schleswig-Holstein eingehen. Wir haben sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage schon aufgeführt. Die Beprobung für chemische Inhaltsstoffe in Spielzeug erfolgt sowohl nach dem Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch als auch nach dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, in dem neben der chemischen Sicherheit vor allem die mechanische Sicherheit geregelt ist. Im Landeslabor Schleswig-Holstein wurden seit dem 1. Januar 2007 insgesamt 360 Spielzeugproben nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch untersucht. Hiervon waren 87 Proben zu beanstanden. Die Beanstandungen bezogen sich in den meisten Fällen auf Grenzwertüberschreitungen. Es gab 64 Proben, die aufgrund von Weichmachern, Benzolen und Formaldehyd, aber auch aufgrund von fehlerhaften Kennzeichnungen und physikalischen Eigenschaften beanstandet wurden.
Im Bereich des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes wurden im gleichen Zeitraum in Schleswig-Holstein insgesamt 103 über eine europaweite Datenbank gemeldete Verdachtsfälle bearbeitet. In vier Fällen wurde insbesondere bei Kleinkindern unter drei Jahren eine potenzielle Erstickungsgefahr durch verschluckbare Kleinteile gesehen. In 41 Fällen war eine Strangulationsgefahr durch Schnüre an Spielzeugen zu befürchten. Bei 43 Spielzeugen fehlten Warnhinweise oder Kennzeichnungen.
Diese Mängelliste ist zwar nicht bedrohlich hoch, aber sie zeigt, dass auf dem Gebiet der Produktsicherheit von Spielzeug noch einiges zu tun ist. Deshalb wird zu prüfen sein, ob der bisherige Kontrollumfang seitens der zuständigen Behörden ausreichend ist und inwieweit eine noch effizientere Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene erforderlich ist.
Weiterhin sind Information und Aufklärung über die möglichen Gefahren wichtig. Das fängt damit an, dass sich Eltern bewusst machen, dass Spielzeug keine Altersgrenzen kennt und dass sich klei
ne Kinder schon einmal das Spielzeug der größeren Kinder greifen und es in den Mund stecken. Deshalb ist für die Spielzeugsicherheit ein Schutz vor kritischen Stoffen ganz besonders wichtig. Eine Hilfe dafür bietet die Kennzeichnung von Spielzeugen. Besser als das von den Herstellern selbst angebrachte und keiner unabhängigen Kontrolle unterliegende CE-Zeichen ist dabei das GS-Siegel, das eine freiwillige Kontrolle der Qualität und der Sicherheit des Spielzeugs durch unabhängige Dritte wie zum Beispiel den TÜV garantiert.
Über das EU-Schnellwarnsystem RAPEX können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher außerdem über Untersuchungsergebnisse informieren, die ein ernsthaftes Risiko darstellen. Dieses System dient nicht nur dem europaweiten schnellen Informationsaustausch der Behörden aller Mitgliedstaaten, es ist über das Internet allen Verbraucherinnen und Verbrauchern zugänglich. Zu klären ist weiterhin, ob den Herstellern von Spielzeugen statt der bisherigen freiwilligen Sicherheitsprüfungen und Zertifizierungen zukünftig verpflichtende Prüfungen vorgeschrieben werden sollten.
Meine Damen und Herren, ich kann nicht verstehen, dass nachweislich gesundheitsgefährdende Spielzeuge immer wieder in den Verkauf kommen. Deshalb werde ich mich auch weiterhin für eine kontinuierliche Verbesserung des Verbraucherschutzes insbesondere bei Kinderspielzeug und für eine schnelle Umsetzung einsetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ministerin hat die Redezeit um 3 Minuten überschritten. Diese Zeit steht auch den Fraktionen zur Verfügung. Allerdings mache ich darauf aufmerksam: Sollten alle dies nutzen, wäre das Ziel, die Veranstaltung um 17 Uhr zu beenden, nicht erreichbar.
Nun eröffne ich die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Ursula Sassen von der CDU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! CDU und FDP haben sich mit Antrag vom 2. Dezember 2010 eines Problems angenommen, das seit Jahren Gegenstand von Debatten im Bundestag und in den Landtagen ist. Bereits 2007 hat der Schleswig-Holsteinische Landtag auf Initiative der CDU über gefährliches Spielzeug diskutiert und
bemängelt, dass die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichen. Wir haben damals einen Bericht zum europaweiten Schnellinformationssystem RAPEX eingefordert und kamen zu der Schlussfolgerung, dass Informationen über gefährliche Produkte noch nicht schnell genug den Vollzugsbehörden, den Verbraucherzentralen oder den Verbrauchern selbst vorliegen. Zeitaufwendige Verwaltungs- und Prüfverfahren seitens der ermittelnden Behörden tragen mit dazu bei.
Die 2009 beschlossenen neuen RAPEX-Leitlinien haben zwar zu deutlichen Verbesserungen im Meldewesen geführt, können aber das Grundproblem nicht beseitigen.
Noch immer gelangt gefährliches oder schadstoffbelastetes Spielzeug in Kinderhände. Alle Jahre wieder zu Weihnachten häufen sich diese Berichte.
Die Stiftung Warentest hat im vergangenen Jahr ein vernichtendes Urteil über getestetes Spielzeug für Kinder unter drei Jahren gefällt. Mehr als 80 % der 50 getesteten Spielzeuge waren mit Schadstoffen belastet, zwei Drittel sogar stark bis sehr stark.
Besonders betroffen ist das Spielzeug aus NichtEU-Ländern mit niedrigem Umwelt- und Sicherheitsstandard. Die Importware macht heute mit 80 % den Löwenanteil auf dem deutschen Spielzeugmarkt aus, wobei der größte Anteil aus China kommt. Die globalisierte Produktion von Spielzeug führt dazu, dass gerade Weltkonzerne den umfassenden Kontrollen darüber nicht mehr nachkommen, wo ihre Produkte mit welchen Materialen oder unter welchen Bedingungen hergestellt worden sind.
Die Margen der chinesischen Zulieferer sind sehr gering. Viele chinesische Fabrikanten klagen, dass die internationalen Konzerne zwar Qualitätsprüfungen und Sicherheitsbelege verlangen, aber im Gegenzug oft nicht bereit sind, dafür mehr zu zahlen.
Aufgrund des weltweiten Konkurrenzdrucks bei den Herstellungspreisen sind noch immer keine verbindlichen Standards definiert worden, die insbesondere auch die gesundheitlichen und sozialen Bedingungen der Menschen bei der Fertigung sowie eventuelle Umweltschmutzung bei diesem Prozess berücksichtigen. In diesem Bereich ist mehr Verantwortungsbewusstsein der Importeure und Konzerne anzumahnen.
Es war eine überfällige Entscheidung, die EUSpielzeugrichtlinie 88/378/EWG zu überarbeiten. Die neue Richtlinie 2009/48/EG ist mittlerweile in Kraft getreten, hat aber nicht den erhofften Erfolg gebracht, zumal die Grenzwerte für Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe PAK genannt -, die unter anderem in den sogenannten Weichmachern enthalten sind und als krebserregend gelten, noch bis 2013 ihre Gültigkeit haben. Ab 2013 wird durch die EU-Spielzeugrichtlinie bis zu 1 g PAK pro Kilogramm erlaubt - eine Wert, den Toxikologen noch immer für deutlich zu hoch halten.
Ein Kind zum Beispiel, das sich eine Stunde lang mit belastetem Spielzeug beschäftigt, würde ähnlich viele Schadstoffe zu sich nehmen, wie in 40 Zigaretten enthalten sind. Es kann doch nicht sein, dass Autoreifen relativ strengeren Kontrollen unterliegen als Kinderspielzeug!
Das Bundesinstitut für Risikobewertung fordert einen Grenzwert von 0,2 mg statt 1 g PAK pro Kilogramm. Daher muss auch hier nachgebessert werden, noch bevor die Regelung ab 2013 in Kraft tritt. Ich freue mich, dass sich auch unsere Verbraucherministerin dafür einsetzt. Auf Bundesebene hat Verbraucherministerin Ilse Aigner bereits im Dezember 2009 eine Überarbeitung gefordert. Ganz offensichtlich haben viele Anfragen und Initiativen in den Landesparlamenten, der Druck der Bundesregierung sowie des EU-Parlaments dazu beigetragen, dass es zu einer weiteren Nachbesserung der Spielzeugrichtlinie kommen wird.
Der Bundesrat hat in seiner 878. Sitzung am 17. Dezember 2010 beschlossen, die in der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug enthaltenen Regelungen für Chemikalien an das besondere Schutzbedürfnis der Kinder anzupassen. Damit ist das Hauptanliegen unseres Antrages bereits erfüllt. Das heißt, es muss natürlich noch umgesetzt werden, und es wird sich zeigen, wie erfolgreich diese Maßnahme sein wird.
Unter Punkt b) haben wir gefordert - das ist auch in den anderen Anträgen übernommen worden -, eine aktuelle Verbraucherinformation über kritische Produkte sicherzustellen. Dem ist auch schon Rechnung getragen worden. Aber wir sind der Auffassung, dass das alles so noch nicht reicht. Wir haben uns daher dafür entschieden, die Anträge in den Ausschuss zu überweisen, allerdings mit einer Änderung. Da durch den heutigen mündlichen Bericht
der Ministerin, der umfassend war, eigentlich unserem Antrag - ich denke, auch die SPD könnte sich damit identifizieren - Genüge getan wäre, möchten wir beantragen, über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/1138, getrennt abzustimmen, und zwar über den Punkt a).
- Den ziehen Sie zurück; dann habe ich das noch nicht mitbekommen. Dann können wir die restlichen Punkte b) bis g) mit an den Ausschuss überweisen und können da über die eingebrachten Beratungswünsche sprechen - die Sache ist eben sehr wichtig - und eventuell auch noch gemeinsam darüber nachdenken, ob darüber hinaus in der Zukunft noch etwas nötig sein wird. Ich denke, dass wir nicht das letzte Mal darüber debattiert haben. Ich wünsche mir, dass endlich einmal zu Weihnachten Spielzeug beruhigter eingekauft werden kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben bereits gesagt worden, wir ziehen natürlich den Punkt a) unseres Antrages zurück. Das ist der Historie geschuldet. Der Antrag war ja für die 15. Sitzung vorgesehen; wir wollten das Thema ja eigentlich bereits im Dezember behandeln.
Vielen Dank erst einmal vorweg für den Bericht. Ich denke, dass hier, wenn ich auch den Beitrag von Frau Sassen höre, politisch das Stadium der Betroffenheit erreicht ist. Ich muss sagen, dass wir den Beschluss des Bundesrats vom 17. Dezember ausdrücklich begrüßen, dass mit der Bundesratsinitiative die EU-Spielzeugrichtlinie angefasst werden soll. Diese Spielzeugrichtlinie ist zu Recht von Verbraucherschutzorganisationen massiv kritisiert worden. Als sie vor zwei Jahren, im Dezember 2008, beschlossen wurde, haben die Grünen im Europaparlament deswegen auch ausdrücklich gegen diese Richtlinie gestimmt. Sie ist nicht nur nachbesserungsbedürftig – ich denke, das ist heute klar geworden -, sie ist schlicht und einfach eine Katastrophe.
Die Grünen haben sich damals zugleich dafür ausgesprochen, dass Spielzeuge von einer unabhängigen Stelle geprüft werden sollen, bevor sie in den Handel gelangten. Die deutschen Abgeordneten von CDU/CSU und auch von der FDP haben damals dagegen gestimmt.
Ich will einmal deutlich machen. Die Folge dieses falsch verstandenen Marktliberalismus ist, dass sich die Hersteller weiterhin die Sicherheit der Spielzeuge selbst bescheinigen können. Die Frau Ministerin hat es bereits gesagt. Durch diese falsche Verbraucherpolitik werden diejenigen Unternehmen am Markt benachteiligt, die sich redlich um sichere Produkte bemühen.
Im April vergangenen Jahres haben wir eine Kleine Anfrage zu den Ergebnissen der Marktüberwachung in Bezug auf Kinderspielzeug gestellt und eine erschreckende Antwort erhalten: Ein Sechstel der untersuchten Proben enthielten gesundheitsschädliche Stoffe wie Weichmacher und so weiter.
Alarmierend waren auch die Ergebnisse der Stiftung Warentest, die im Oktober vergangenen Jahres veröffentlicht wurden: Bei einem Test von 50 Spielzeugen für Kinder unter drei Jahren stellte sich heraus, dass 42 Spielzeuge mit Schadstoffen belastet sind. Darunter waren nicht nur Billigprodukte, sondern auch viele Markenprodukte.
EU-weit steigt jährlich die Zahl der vom Markt genommenen gefährlichen Produkte mit zweistelligen Wachstumsraten. Ganz oben auf der Liste stehen Kinderspielzeuge.
Der eigentliche und noch weit schwerwiegendere Kritikpunkt ist, dass sich sowohl die Landesregierung als auch die Bundesregierung bei diesem Problem hinter der EU verstecken. Bund und Länder müssen ihre eigenen Handlungskompetenzen wahrnehmen, um Kinder wirkungsvoll vor diesen Gefahren zu schützen. Dafür müssen auf nationaler Ebene eigene Sicherheitsstandards gesetzt werden. Die Möglichkeiten dazu werden aber nicht wahrgenommen. Letztlich wird Europa nur fortschrittlich sein können, wenn man mit eigenen höheren Standards voranschreitet.
Weiter können wir den Schluss ziehen, dass wir in Bezug auf Kinderspielzeug eine bessere Marktüberwachung brauchen. Dabei sollte die länderübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere mit Hamburg, erheblich verbessert werden. Außerdem sollten die Einfuhrkontrollen strenger gehandhabt werden. Ich möchte das an einem Bild verdeutli
chen: Lieber einen Container im Hafen sicherstellen, als die Gesundheit der Kinder zu gefährden und anschließend in Zehntausende von Kinderzimmern vordringen zu müssen, um Rückrufaktionen zu organisieren.