Die öffentlichen Verwaltungen müssen endlich aufhören, die Verantwortung für die mangelnde interne Zusammenarbeit auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen. Außerdem muss ihnen gerade im Fall von Leistungen zum Lebensunterhalt die Möglichkeit genommen werden, die Zahlungen mit dem Verweis auf andere öffentliche Stellen hinauszuzögern.
Wirkliche Hilfe hingegen benötigt eine enge Verzahnung von Hilfeangeboten und eine integrierte Planung.
Deshalb muss sie aus einer Hand kommen. Aus diesem Grund vertritt DIE LINKE die Position, die Trägerschaft im SGB II eindeutig zuzuweisen. Weder eine zentrale Trägerschaft bei der Bundesagentur für Arbeit noch eine dezentrale Trägerschaft bei den Kommunen wird ohne Probleme sein.
Unserer Meinung nach wäre es vielleicht aber auch richtig und brächte vielleicht auch mehr Vorteile, wenn man sich - einmal als Vorschlag gedacht - in diesem Fall für die Bundesagentur für Arbeit entscheidet.
- Gut, das kann ich jetzt noch einmal begründen. Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und sollte daher von einer zentralen Einrichtung bearbeitet werden. Nur eine bundeseinheitliche Verwaltung ist in der Lage, die Ziele einheitlicher Lebensverhältnisse und gleichwertige Standards bei der Leistungserbringung sowie die Qualität sozialer Dienstleistungen zu garantieren. Seit längerer Zeit müssen wir die verhängnisvolle Entwicklung beobachten, dass die Erwerbslosen in zwei Klassen gespalten werden. Die Zuweisung der Trägerschaft für SGB II an die Agentur könnte ein Schritt sein, dies zu stoppen und vielleicht auch umzukehren.
Für die Arbeitsvermittlung und das Angebot arbeitsmarktpolitischer Leistungen würden wieder gleichwertige Standards gelten.
Ja, okay. - Das Problem Arbeitslosigkeit würde durch die Trägerschaft bei der Bundesagentur wieder mehr mit dem System der Sozialversicherung verbunden. Jetzt droht sie leider immer tiefer in das Fürsorgesystem abzugleiten.
Für uns gäbe es die Möglichkeit, aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen eine Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit ins Auge zu fassen. Aus sozi
alpolitischen Erwägungen heraus könnte man aber auch dafür plädieren, an dem Modell der Optionskommune festzuhalten.
Ja, das tue ich. - Wir werden uns bei der Abstimmung über die Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD der Stimme enthalten.
Zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt Herr Abgeordneter Tietze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. - Entschuldigung, Herr Tietze, Sie sind noch nicht an der Reihe. Sie sind zu früh gestartet, was mich offensichtlich sehr beeindruckt hat. Ich entschuldige mich beim SSW.
Zunächst einmal hat selbstverständlich für die Fraktion des SSW Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin aus dem Kreistag ja gewohnt, dass wir übersehen werden. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der SGBII-Mischverwaltung sind zwei Jahre ins Land gegangen. Außer hektischen Diskussionen, dem Ruf nach der Änderung des Grundgesetzes und einem unglaublichen Abstimmungshickhack insbesondere bei der CDU ist seitdem nicht viel passiert. Das Bundesverfassungsgericht ahnte das schon und legte darum eine Frist bis zur Neuregelung fest: Silvester nächsten Jahres. Es verbleiben also noch 13 Monate.
Eine Neuregelung ist nicht nur wegen der Verfassungswidrigkeit der SGB-II-Mischverwaltung, sondern auch deshalb erforderlich, weil die gesamte Arbeitsmarktpolitik bekanntermaßen große Schwächen hat. Ich möchte hier nur einige Probleme stichwortartig anreißen. Die wenigsten HartzIV-Empfänger erhalten alle Leistungen, Beratungen und Informationen aus einer Hand. Im Gegenteil: Die organisierte Nichtzuständigkeit hat zu einer regelrechten Klageflut geführt. Die meisten Klagen entspringen reiner Notwehr, weil die Hilfeempfän
ger wegen eines für sie völlig unverständlichen Kompetenzwirrwarrs monatelang überhaupt keine Leistungen erhalten.
Daneben ist die Förderung jugendlicher Hilfeberechtigter suboptimal. Die Fallbearbeitung erschöpft sich oftmals in der Prüfung der Kindergeldberechtigung oder der Prüfung, ob jungen Erwachsensen eine eigene Wohnung zusteht. Fachgerechte und sachgerechte Förderung im Hinblick auf den ersten Arbeitsmarkt sieht anders aus
und beinhaltet eine persönlich engagierte und sachlich fundierte Beratung und Förderung. Genau diese fehlt.
Als letzten Punkt nenne ich den Skandal der sogenannten Ein-Euro-Jobs. Raffgier, aber auch wirtschaftliche Not motiviert viele Betriebe zur Einstellung von Ein-Euro-Jobbern. Dabei nehme ich die Kommunen als Arbeitgeber nicht aus. Auf diese Weise wuchs mit Steuergeldern langsam ein Schattenarbeitsmarkt heran, der für die Betroffenen eine Einbahnstraße darstellt, denn sie haben nicht die Möglichkeit, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Viele Ein-Euro-Jobber verdrängen sogar systematisch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, sodass es immer mehr Arbeitgeber gibt, die inzwischen die Aufstockung durch Hartz IV selbstverständlich bei ihren niedrigen Stundenlöhnen mit einrechnen.
Bereits diese Beispiele führen in der Gesamtschau zu einem vernichtenden Urteil über die sogenannten Hartz-Reformen.
Sollten die vielen Probleme sich mit den ermüdenden Nachtsitzungen des Vermittlungsausschusses erklären, die der Verabschiedung vorangingen, dann hat der Gesetzgeber offenbar nichts daraus gelernt. Genau das Gleiche droht jetzt nämlich zum zweiten Mal: Entscheidungen unter Zeitdruck in letzter Sekunde und hinter verschlossenen Türen. Dabei gerät das Anliegen einer modernen, individuellen Arbeitsmarktpolitik aus dem Blick. Es kommt aber genau darauf an, eine moderne, individuelle Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Deshalb sollten wir jetzt ein neues Konzept auf den Tisch legen, nach dem die Kommunen die Förderung der Langzeitarbeitslosen übernehmen. Eine effektive
Förderung setzt voraus, dass man die lokalen Gegebenheiten und Entwicklungen kennt, denn das ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Qualifizierung.
Die hiesigen Optionskommunen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg stehen für neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik, wobei von Anfang an auch der gemeinsame Arbeitsmarkt mit Dänemark genutzt wurde. Die Kommunen sind dichter dran; sie kennen sich vor Ort aus. Schließlich sind sie es auch, die durch höhere Steuereinnahmen direkt davon profitieren, wenn ein Arbeitsloser wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fasst.
Der SSW setzt sich daher dafür ein, aus der bisherigen Ausnahmeregel der Optionskommunen eine neue kommunalisierte Arbeitsmarktpolitik erwachsen zu lassen. Da der Antrag der Grünen sich mit unseren Zielvorstellungen deckt, werden wir diesem Antrag zustimmen.
Sehr verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich in dieser Debatte als Nordfriese zu Wort gemeldet, weil das, was wir in Nordfriesland auf den Weg gebracht haben, hier tatsächlich noch einmal erläutert werden muss, um auch die Intention unseres Antrags zu unterstützen.
Welche Ziele wurden erfolgreich verfolgt? Wir haben sehr früh erkannt, was die Integration in den Arbeitsmarkt bedeutet. Durch die Integration in den Arbeitsprozess wird Menschen wieder eine Würde gegeben. Arbeit ist das Wichtigste in unserer Gesellschaft. Das sind die Ziele, die uns auch kommunal geleitet haben. Herr Dr. Bastian ist heute ja hier; er hat die Umsetzung der genannten Ziele stark forciert und mit einer kompetenten Amtsleitung die Umsetzung auch erreicht. Wir haben es in Nordfriesland einstimmig über alle Parteigrenzen hinweg geschafft, uns in den letzten sechs Jahren immer wieder hinter die Ziele und die entsprechende Strategie zu stellen. Das zeigt, dass Arbeitsmarktpolitik auch überparteilich organisiert werden kann. Am Ende kann man dann das Ziel erreichen,
die Menschen in Arbeit zu bringen. Es ist quasi eine Evaluation des Alltags, die stattfindet. Wenn wir 2.000 Menschen pro Jahr wieder in Arbeit bringen, kann die Politik in Nordfriesland darauf stolz sein. Dann kann gesagt werden: Das ist unser Verdienst. Es ist genau die richtige Politik, die wir dort unterstützt haben.
Es wird somit deutlich, dass Kommunen den hier angesprochenen Aufgabenbereich am besten erfüllen können. Die Kommunen verfügen über Netzwerke. Dort ist zum Beispiel der Handwerker im Kreistag oder auch in den politischen Netzwerken vertreten. Er wird sagen: Natürlich mache ich mit, wenn du mich fragst, ob wir in diesem oder jenem Fall eine Vermittlung organisieren können. - Genau das ist es, was dieses Modell letztlich so erfolgreich gemacht hat. Es geht insofern nicht um gute oder schlechte Politik, sondern tatsächlich um eine Erkenntnis, die wir in der Praxis gewonnen haben. Unser Antrag will dies noch einmal auf den Punkt bringen. Wir plädieren dafür, sich - über die Parteipolitik hinausgehend - für die Fachlichkeit einzusetzen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben es mit folgendem Problem zu tun. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil hat die Optionskommunen eigentlich nicht getroffen. Niemand hat gesagt, das, was wir in den Optionskommunen tun, sei falsch. Im Gegenteil. Wir leiden jetzt aber darunter, dass die Politik sich nicht einigen kann. Es gibt natürlich auch fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich Sorgen machen, wie es weitergeht. Ich nenne das Erfolgskonzept noch einmal: In den Optionskommunen gibt es ein professionelles Fallmanagement. Für dieses Management nehmen wir uns Zeit, und dafür brauchen wir qualifizierte Fallmanagerinnen und Fallmanager.
Ich möchte noch etwas zu dem sagen, was Antje Jansen hier für DIE LINKE ausgeführt hat. Ich will hier kein ARGE-Bashing betreiben. Man muss doch aber einmal deutlich machen, dass die ersten und die schwierigsten Probleme, die wir hatten, diejenigen mit der BA waren. Wenn wir als nordfriesische Optionskommune eine Anfrage betreffend freie Stellen gestellt haben, sagte die BA in Flensburg: Aufgrund von Datenschutzregelungen können wir Ihnen diese Informationen nicht zur Verfügung stellen. - Das ist die Realität im Umgang zwischen BA und Optionskommune. Inzwischen hat sich die Situation zwar etwas verbessert, aber dennoch muss man klar und deutlich sagen, dass die BAen von
Nürnberg aus dirigiert werden. Die Direktiven sind klar. Es gibt auch gute ARGEn, hier in Kiel beispielsweise. Ich will das an dieser Stelle gar nicht infrage stellen. Im Kern will ich aber noch einmal deutlich machen:
Wenn man Rechtssicherheit schaffen will, muss man dem Optionsmodell endlich eine Chance geben und es tatsächlich öffnen, damit auch weitere Kommunen beitreten können. Ich würde mir wünschen, dass wir darüber im Ausschuss gemeinsam beraten. Nach der Überweisung wird unser Antrag im Ausschuss ja zur Beratung anstehen.