Wenn jetzt insbesondere der Tod zweiter junger Frauen auf der Gorch Fock Anlass für eine kritische Debatte ist, so gilt es, zum einen das zu tun, was der Kollege von Boetticher gesagt hat, nämlich das zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen und das auszudrücken, was einem in den Sinn kommt, wenn man hört, dass junge Menschen auf diese Weise ums Leben kommen. Es gilt aber auch, darüber zu reden, wie wir unserer Verantwortung am besten nachkommen und gerecht werden können. Ich glaube, dass das schwierig ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Fraktion steht fest: Es darf keinerlei Vorvorurteilungen geben, die letztlich vor allem Klischees bedienen.
Es darf aber auch keinen Persilschein geben nach dem Motto: „Augen zu und durch, das Thema wird schon wieder aus den Schlagzeilen verschwinden.“
Der Verantwortung gegenüber der Bundeswehr und der „Gorch Fock“ und insbesondere gegenüber den auszubildenden Offiziersanwärterinnen und anwärtern werden wir nur gerecht, indem die auch im Bericht des Wehrbeauftragten erhobenen Vorwürfe sorgfältig und zugleich so zügig wie möglich aufgeklärt werden. Erst dann gilt es im Licht der Erkenntnisse die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Glaubwürdig wird das alles nur sein, wenn sowohl der Anschein der Vertuschung vermieden wird als auch jedem Versuch des Populismus in dieser Debatte widerstanden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich sage bewusst: wenn - die Würde des Menschen während der Ausbildung verletzt wird, wenn Frauen systematisch schikaniert werden, wenn Sicherheitsdenken strukturell beiseitegeschoben worden ist - wenn das alles so wäre und sich das ergibt, dann müssen sowohl personelle wie strukturelle Konsequenzen folgen.
Der Adressat solcher Forderungen ist dann nicht der Herr Landtagspräsident, der sich in unserem Namen natürlich zu Recht dazu äußert, der Adressat dafür ist der Herr Bundesverteidigungsminister. Dann sind wir an einem Punkt, wo wir viel
leicht nicht ganz einer Meinung sind. Ich will aber auch sagen: Die „Gorch Fock“ darf nicht ein Bauernopfer in der Frage der Imageerhaltung des Bundesverteidigungsministers sein.
Seine Aufgabe ist es, eine sinnvolle und menschenwürdige Ausbildung auf der „Gorch Fock“ für Frauen und für Männer zu garantieren.
Das Bundeskabinett hat am 15. Dezember die Aussetzung des Wehrdienstes zum 1. Juli 2011 beschlossen. Danach werden nur noch Freiwillige in der Bundeswehr ihren Dienst tun. Der Geist, der in der Bundeswehr weht, wird darüber entscheiden, wer sich für die Bundeswehr meldet und wer nicht. Ist es vergangenheitsbezogen obrigkeitshöriger chauvinistischer Korpsgeist früherer Zeiten, oder ist es ein Geist, der den Ansprüchen der inneren Führung gerecht wird? Dieser Wind wird darüber entscheiden, ob es gelingen kann, eine demokratische, tolerante und transparente Armee, den Staatsbürger oder die Staatsbürgerin in Uniform, trotz der Umstrukturierung zu erhalten. Dieser Wind wird letztlich auch über die Zukunft der „Gorch Fock“ entscheiden.
Führungspositionen haben für dieses Image eine ganz besondere Verantwortung. Sie müssen das Konzept der „Inneren Führung“ leben und nachdrücklich vertreten. Deswegen ist es für uns wichtig, dass der Bundesverteidigungsminister seine politische Verantwortung auch wahrnimmt, nicht nur in diesem Fall, sondern auch bei dem Todesfall in Afghanistan und auch bei der Öffnung von Feldpostbriefen aus Afghanistan in Deutschland, was eine klare Verletzung des Grundgesetzes ist. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte muss sein Ministerium im Griff haben und nicht nur so tun, als sei das so. Deswegen ist es, glaube ich, auch wichtig, dass mehr Zeit für die Kommunikation mit den Parlamenten als für die Kommunikation mit den Medien verwandt wird.
Unabhängig von diesen kritischen Anmerkungen ist es für mich ein gutes Zeichen auch in Richtung Berlin, wenn die große Mehrheit dieses Hauses heute eine Entschließung verabschiedet, die in Ton und Inhalt würdig ist und die gleichzeitig sehr deutlich macht, dass da, wo Gemeinsamkeit vorhanden ist, diese auch zum Ausdruck gebracht wird.
Das Wort erteile ich jetzt dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als 50 Jahren fährt die „Gorch Fock“ unter Segeln und ist dabei, bis vor wenigen Wochen unbestritten, ein Aushängeschild und idealer Botschafter Deutschlands gewesen, ein Kriegsschiff, das unbewaffnet auf den Weltmeeren ein gewandeltes Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges glaubwürdig repräsentiert hat.
Die „Gorch Fock“ war das erste deutsche Kriegsschiff in Israel und ist dort, anders als es jedes andere Kriegsschiff vermocht hätte, nicht mit Ablehnung, sondern mit Respekt und Anerkennung empfangen worden. Die „Gorch Fock“ ist das Patenschiff unseres Landtags. Viele von uns kennen Kapitän und Teile der Stammbesatzung persönlich. Viele von uns sind - nicht nur während der Kieler Woche - bereits Gast auf dem Schiff unter Segeln gewesen.
Ich kenne persönlich Dutzende von aktiven und ehemaligen Marineoffizieren, die ihre Ausbildung auf der „Gorch Fock“ durchlaufen haben und mir übereinstimmend davon berichteten, dass der - zunächst ungewohnte - Dienst zwar hart, aber doch für das Leben positiv prägend gewesen ist.
Der ehemalige Pressesprecher der Bundes-SPD, Professor Rainer Burchardt, hat es, wie ich meine, auf den Punkt gebracht: Der Dienst auf der „Gorch Fock“ hat aus Einzelnen eine Crew geformt, in der jeder für jeden Verantwortung übernommen hat und allen klar war, dass es auf jeden Einzelnen im Zusammenwirken der gesamten Crew ankommt, egal, ob bei Sonnenschein oder schwerem Wetter. Genau dies ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Jugendämter gelegentlich veranlasst, Jugendlichen, bei denen der Erziehungserfolg nicht ganz so ist wie gedacht, auf der Thor Heyerdahl diese Erfahrung machen zu lassen.
In schweres Wetter ist nunmehr unser Patenschiff geraten. Beschwerden Einzelner über eine angeblich menschenunwürdige Ausbildung, über Drangsalierung bis hin zur Nötigung, ja sogar über Alkoholexzesse an Bord haben dem Ruf des Schiffes schwer geschadet, zumal sie von der Boulevardpresse reißerisch der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Jeder einzelnen dieser Beschwerden muss
nachgegangen werden. Sollte sich deren Wahrheitsgehalt erweisen, sind unverzüglich die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Aber wer wegen dieser Einzelfälle die Ausbildung auf der „Gorch Fock“ an sich infrage stellt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Ich halte es für ausgeschlossen, und es entspricht auch nicht unserer jahrzehntelangen Erfahrung, dass die Institution „Gorch Fock“ per se für mögliche Missstände in Haftung genommen werden kann.
Apropos Missstände: Ich halte es für nicht hinnehmbar und auch der Spitze einer Einrichtung wie der Bundeswehr oder des Verteidigungsministeriums für unwürdig, tatsächliche oder auch nur kolportierte Anschuldigungen in die Öffentlichkeit zu lancieren, ohne dass die hierdurch Angegriffenen das Recht oder die Möglichkeit haben, solchen Anwürfen in gleicher Weise entgegenzutreten.
Ich halte es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen für unvereinbar, dass eine disziplinarische Maßnahme wie die Absetzung des Kommandanten, Kapitän zur See Schatz, ergriffen wird, bevor ihm auch nur ansatzweise rechtliches Gehör eingeräumt wurde. Ein Dienstherr, liebe Kolleginnen und Kollegen, der sich so verhält, verrät die Grundsätze eines Rechtsstaats, auf dessen Verteidigung die Rekruten der Bundeswehr vereidigt werden.
Wenn darüber hinaus politische Leichtgewichte das sage ich ausdrücklich - wie der Kollege Dolgner aus unserem Hause oder frühere Mittelschwergewichte wie der ehemalige Generalsekretär der CDU Polenz ohne Prüfung der Fakten die Stilllegung der „Gorch Fock“ fordern, weil sie entweder ohnehin alles Militärische für Teufelszeug halten oder zulasten der Marine Geld einsparen wollen, ist das Maß dessen überschritten, was für das Land Schleswig-Holstein, für die Stadt Kiel und für uns gerade noch erträglich ist.
Lieber Herr Kollege Kubicki, ich bitte Sie, den Artikel in den „Lübecker Nachrichten“ noch einmal genau zu lesen, in dem ich wörtlich zitiert bin, und dazu die dpa-Meldung querzulesen. Dann werden Sie feststellen, dass ich mitnichten die Stilllegung der „Gorch Fock“ gefordert habe. Näheres will ich Ihnen gern noch in einem Gespräch erläutern, weil dies sonst der Debatte unwürdig wäre. Ich glaube, da haben Sie etwas missverstanden.
- Herr Kollege Dr. Dolgner, ich zitiere gern aus den „Lübecker Nachrichten“. Aber wir wissen ja spätestens seit der Richtigstellung des Herrn Justizministers, dass nicht jede Berichterstattung der „Lübecker Nachrichten“ auch den Tatsachen entspricht. Insofern gehe ich gern auf Ihr Angebot des Gesprächs ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss untersucht und eventuell auch gehandelt werden. Aber sowohl Kapitän als auch Stammbesatzung der Gorch Fock als auch die Institution „Gorch Fock“ selbst haben einen Anspruch darauf, nicht mit unbewiesenen Behauptungen oder fadenscheinigen Argumenten aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Ich erinnere daran: Die „Gorch Fock“ prägte einst den 10-DM-Schein, der ja noch vielen von uns, jedenfalls den Älteren unter uns, in Erinnerung ist. Jährlich besuchen tausende Menschen Kiel, um das Segelschulschiff zu sehen, und Hunderttausende sind jedes Jahr bei der Windjammerparade zur Kieler Woche stolz auf dieses Schiff. Ich teile deshalb die Auffassung des Kollegen von Boetticher, dass Konsequenzen dort gezogen werden müssen, wo sich Fehler oder Fehlverhalten erwiesen haben. Aber auch für mich gilt - Ich wäre froh, wir würden uns alle dafür einsetzen -: Hände weg von der „Gorch Fock“!
In Richtung des Bundesverteidigungsministers von und zu Guttenberg sage ich: Bewahren Sie die Rechtsstaatlichkeit, Sire; das sind Sie nicht nur den Soldatinnen und Soldaten schuldig, die ihren Dienst für unser Land versehen, sondern das sind Sie auch der Bundesrepublik Deutschland schuldig, auf deren Verfassung Sie vereidigt sind.
Bundeswehrangehörige und Zivildienstleistende des Landtags am Mittwoch nachdrücklich erfahren - für die vielen Soldatinnen und Soldaten gut, wenn mit der Annahme der vorliegenden Resolution durch diesen Landtag ein wahrnehmbares Zeichen gesetzt würde.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die „Gorch Fock“ ist in schwere See geraten. Das gilt nicht nur für das derzeitige Einsatzgebiet, das Südpolarmeer, das, wie wir wissen, ein stürmisches Revier ist, sondern das gilt auch für die Vorgänge, die wir in den letzten Tagen alle lesen konnten. Bundesweit wurde in Einzelheiten von bedrückenden und empörenden Vorgängen berichtet. In den Medien war von Meuterei, von Trinkgelagen, von sexuellen Ausschweifungen, von Drangsalierungen und Sicherheitsmängeln die Rede. Man kam kaum hinterher. In den Kommentaren wurde die „Gorch Fock“ als verwahrlostes Schinderschiff, als aufgetakeltes Ritual dargestellt. So war es in einigen Zeitungen zu lesen.
Derzeit ist die Ermittlungskommission vor Ort und will die Vorgänge prüfen. Die „Gorch Fock“, so haben wir gehört, soll die Auslandsreise abbrechen und nach Abschluss der Untersuchung so schnell wie möglich nach Kiel zurückbeordert werden.
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, im Protokoll der Landtagssitzung vom 26. Januar 1982 nachzulesen, wie es eigentlich zu dieser Patenschaft für die „Gorch Fock“ gekommen ist. Das ist recht interessant. Diese Patenschaft ist im Übrigen einstimmig von diesem Haus beschlossen worden, und zwar aufgrund der großen friedlichen Aufgabenstellung des Schiffs, das seit seiner Indienststellung in nicht unerheblichem Maß zur Völkerverständigung beigetragen hat.
Ich erinnere daran - einige Redner haben es vor mir auch schon gemacht -: Im Jahr 1974 war die „Gorch Fock“ wieder das erste deutsche Schiff in