Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

Ich war soeben bei dem Begriff der industriellen Landwirtschaft. Geht es um die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe? Ist es die Art und Weise der Produktion? Wo sind hier die scharfen Grenzen zu ziehen? Unsere Landwirte haben einen Anspruch zu erfahren, in welche Kategorie sie eingeordnet würden, aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, ob der Bauer nebenan nach Ansicht der Grünen schon ein Industriebetrieb ist oder nicht.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss. Nur eines kann ich sagen: Wenn nach Definition der Grünen alles andere nur nicht der ökologische Landbau industrielle Landwirtschaft ist, werden wir keine gemeinsame Basis in der weiteren Diskussion haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Günther Hildebrand)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Kollegin Ranka Prante das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DIE LINKE steht für eine soziale, ökonomische und ökologische Agrarpolitik und Entwicklung der ländlichen Räume. Mit den Verhandlungen zur neuen europäischen Finanzperiode 2014 bis 2020 und dem Auslaufen der Verordnungen zu den Strukturfonds Ende 2013 befindet sich die EU in einer bedeutenden Debatte um die künftige Ausgestaltung der gemeinsamen europäischen Politik. Dabei steht der gesamte Finanzrahmen zur Diskussion. Betroffen sind die Ziele, die Grundsätze und die Ausgestaltung der zukünftigen gemeinsamen Agrarpolitik.

Eine starke gemeinsame Agrarpolitik ist auch für uns wichtig. Sie ist wichtig aus sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen Gründen, aus Gründen der Versorgungssicherheit, aus Gründen der Preisstabilität innerhalb der EU. Wir alle wissen doch, dass schon etliche Reformvorschläge auf dem Tisch liegen. Unbestritten ist die Bewahrung einer multifunktionalen Landwirtschaft. Gemeinsame Agrarpolitik soll ein europäisches Instrument zur Sicherung der Ernährungssouveränität der Mitgliedstaaten, der Versorgungssicherheit in Bezug auf Nahrungsmittel, Rohstoffe und erneuerbare Energien und zur Honorierung von Umwelt- und Klimaleistungen sein sowie dem Erhalt von Kulturlandschaften dienen. Die gemeinsame Agrarpolitik muss Rahmenbedingungen für alle landwirtschaftlichen Betriebe und eine Grundlage für die Entwicklungen ländlicher Räume bieten. Die neue gemeinsame Agrarpolitik muss mehr Chancen für sozialen Fortschritt, wirtschaftlichen Fortschritt, verbesserten Umweltschutz bieten und einen Beitrag dazu leisten, Ressourcen- und Klimaschutz effizient zu betreiben.

Bis jetzt gibt es unserer Meinung nach keinen zuverlässigen Schutz zur Bewahrung der Biodiversität und des Klimaschutzes. Ab 2013 muss der Grundsatz gelten: Öffentliche Gelder nur noch für konkret nachweisbare öffentliche Leistungen. Wer keine sozialen und ökologischen Leistungen erbringt, darf auch nicht weiter mit europäischen Mitteln rechnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Insoweit, denke ich, ist Übereinstimmung vorhanden. Wir wollen zukünftig die EU-Haushaltsmittel für die gemeinsame Agrarpolitik in einer Säule zusammenführen. Für die Förderperiode 2014 bis 2020 sollte jedoch übergangsweise das Zwei-Säulen Modell beibehalten werden. Die zweite Säule muss zur Unterstützung strukturverbessernder Maßnahmen in strukturarmen Gebieten finanziell bedarfsgerecht ausgestattet werden.

Und auch in der zweiten Säule sollte der Grundsatz gelten: Zahlungen nur für konkrete soziale und ökologische Leistungen. Für die Direktzahlungen gilt jedoch Folgendes: Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass die aktuelle Höhe des finanziellen Volumens beibehalten wird. Eine Kofinanzierung dieser Mittel durch Mitgliedstaaten lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir lehnen sie ab, weil sie eine Benachteiligung ärmerer Mitgliedstaaten bedeutet.

Um innerhalb der ersten Säule ökologische und soziale Leistungen honorieren zu können, wollen wir diese aus zwei Komponenten zusammensetzen. Der erste Teil umfasst 80 % der verfügbaren Mittel und steht für ökologische Leistungen zur Verfügung die Umweltprämie. Der zweite Teil umfasst die restlichen 20 % der Mittel - die Arbeitsprämie.

Zur Umweltprämie: Die Umweltprämie ist an Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Sie basieren auf den bestehenden CC-Regelungen. Zusätzlich müssen Betriebe, die eine Umweltprämie beantragen wollen, beispielsweise auf Grünlandumnutzung zu Ackerland oder auch auf Gentechnik verzichten oder dürfen maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar des Betriebes halten. Wenn diese grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, können die Betriebe zwischen drei Optionen wählen: Zertifizierung als Biobetrieb, 10 % der Betriebsflächen als ein- oder mehrjährige ökologische Vorrangflächen als wirksamen Biotopverbund bewirtschaften oder 5 % der Betriebsflächen als dauerhafte ökologische Vorrangflächen als wirksamen Biotopverbund ausweisen.

Nun kommen wir zur Arbeitsprämie: Der Anteil der Arbeitsprämie an den Säule-I-Mitteln wird in einem Schritt entsprechend der jeweiligen landwirtschaftlichen Nutzfläche auf die Mitgliedstaaten verteilt. Der nächste Schritt ist die Umrechnung der dadurch verfügbaren Mittel der staatlichen Arbeitsprämien innerhalb des Mitgliedstaates auf die Arbeitsplätze. Ich denke, diese sollten wir hier stark im Auge behalten. Diese national unterschiedlich hohen Mittel können von den Mitgliedstaaten aus

gestaltet und von den Betrieben abgerufen werden. Prämienberechtigt sind die Betriebe, die ihren Beschäftigten - das ist für uns wichtig - Mindestlohn zahlen und soziale Sicherungsleistungen einhalten.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Betriebe ohne Beschäftigte sind prämienberechtigt, aber nicht an die Kriterien gebunden. Wir wollen durch die Arbeitsprämie Arbeit und Einkommen in den ländlichen Räumen gezielt fördern, anstatt kapital- und inputintensive Lösungsansätze zu unterstützen.

Wesentlich ist: Arbeitsprämie und Umweltprämie bedingen sich gegenseitig. Ökologisch vorbildlich wirtschaftende Betriebe müssen sich auch an den sozialen Kriterien messen lassen und umgekehrt. Die Erbringung der Leistungen könnte in diesem Fall staatlich kontrolliert werden, besser ist allerdings die Schaffung eines Zertifizierungssystems für Agrarbetriebe.

Gemeinsame europäische Forstpolitik ist für uns auch ein ganz wichtiges Thema. Denn Wälder haben eine wachsende Bedeutung, und viele Zuständigkeiten für den Schutz der europäischen Ressourcen sind bei der EU angesiedelt. Damit wäre die EU für die gesamte Landnutzung zuständig. Ein europäischer Waldfonds, angelehnt an den europäischen Fischereifonds, wäre eine praktikable Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat nun für den SSW der Herr Kollege Flemming Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Über Jahrzehnte hat eine falsch verstandene EU-Agrarpolitik vielseitige Probleme produziert. Sie hat die Landwirtschaft in eine Abhängigkeit getrieben, die wir nicht haben wollen. Diese falsche Förderpolitik hat uns Milchsee und Butterberge beschert, die auf dem Weltmarkt zu Schleuderpreisen verhökert wurden. Dies hat natürlich auch außerhalb Europas zu massiven Problemen geführt. Und dies alles wurde mit Steuergeldern finanziert.

Diese Fehler wurden mittlerweile erkannt. Aus diesem Grund ist die EU bestrebt, hier gegenzusteuern. Die EU-Agrarpolitik befindet sich mitten im Reformprozess. Aber was über Jahrzehnte hinweg

falsch gemacht wurde, lässt sich heute nicht ohne Weiteres rückgängig machen. Die EU-Agrarreform ist eine Reform in kleinen Schritten. Das ist bedauerlich, aber verständlich. Auch wir hätten uns gewünscht, dass dies schneller vorangetrieben werden könnte, aber auch wir müssen anerkennen, dass die Mittel heute nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung stehen. Der Kuchen ist kleiner geworden und muss durch mehrere geteilt werden. Dies verlangsamt natürlich auch den Umstellungsprozess.

Die ersten Schritte sind gemacht. Direktzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an andere Kriterien gebunden. Man will auch in der Landwirtschaft weg von Produktionsprämien hin zu einer mehr marktwirtschaftlich orientierten Landwirtschaft. Diesen Schritt haben wir als SSW immer begrüßt.

In 2008 wurde der „Gesundheitscheck“ durchgeführt und evaluiert. Ein wichtiges Ergebnis dieser Evaluation ist, dass die neuen Herausforderungen wie zum Beispiel Klimawandel, Umweltschutz, Biodiversität, Tierschutz und Wassermanagement aufgegriffen werden müssen.

Nun gilt es, den Weg für nach 2013 zu bereiten. Im Fokus der Förderpolitik stehen die stärkeren ökologischen Ausrichtungen der Landwirtschaft und die Einführung von Obergrenzen für landwirtschaftliche Großbetriebe. Das von EU-Agrarkommissar Ciolos vorgelegte Papier ist nun die Grundlage für die weiteren Verhandlungen.

Wir stehen also vor neuen Herausforderungen, und es ist unsere Aufgabe, die Landwirtschaftspolitik und die Politik der ländlichen Räume so zu gestalten, dass wir diese Herausforderungen annehmen können.

Wir stehen aber auch vor der Herausforderung, den gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft und an den ländlichen Raum gerecht zu werden.

Es gibt eine Protokollerklärung aus der Bund-Länder-Sonderkonferenz zum Futtermittelskandal, die darauf abzielt, dass die wiederkehrenden Lebensund Futtermittelskandale zu Verunsicherung und Besorgnis geführt haben. Aus diesem Grund wurde das Bundeslandwirtschaftsministerium gebeten, einen Dialog mit Vertretern aus allen relevanten Bereichen anzustoßen, und zwar über Grundlinien, Entwicklungsziele und erforderliche Voraussetzungen sowie Rahmenbedingungen für die gesamte Kette der Lebensmittelwirtschaft.

(Ranka Prante)

Eine EU-weite, breit geführte öffentliche Debatte hinsichtlich der gemeinsamen Agrarpolitik, ihrer Grundsätze und Ziele wurde bereits im letzten Jahr vom europäischen Landwirtschaftskommissar durchgeführt. Dies finde ich durchaus bemerkenswert, denn es macht deutlich, dass wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Ausgestaltung, die Grundsätze und die Ziele der Landwirtschaft brauchen. Wohin soll die Reise gehen, welche Erwartungen hat die Gesellschaft an die Landwirtschaft und umgekehrt, und sind wir auf dem richtigen Weg, wenn wir über die Ausgestaltung der EUAgrarreform diskutieren? - Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Detlef Matthiessen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dem Kollegen Hildebrand mit einer Zwischenfrage zur Mengenpolitik als ein wesentliches Standbein der Agrarpolitik eine Frage gestellt. Sie haben darauf geantwortet, Sie wollten keine regulierten Agrarmärkte, sondern Sie wollten freie Märkte.

Meine Damen und Herren, was ist das überhaupt, wenn wir von einem fairen Preis reden? - Wenn wir von einem fairen Preis für unsere Bauern reden, dann meinen wir, dass eine Deckung der Kosten möglich sein muss. Es muss ein Gewinn möglich sein, wenn man normale betriebliche Verhältnisse und eine gute fachliche Praxis unterstellt. Dieses muss dann flankiert werden von Sonderprogrammen, wenn es zum Beispiel schlechte Standorte gibt, beispielsweise Bergbauernprogrammen, wie wir sie aus Bayern kennen. Die Molkerei Berchtesgadener Land, die sehr erfolgreich ist, würde heute nicht mehr existieren, gäbe es solche Programme nicht.

Keine Regelung - wie es die FDP fordert - würde zu einem Zusammenbruch des Preises führen, zu einem brutalen und massiven Verdrängungswettbewerb. Eine Mengensteuerung als Instrument anzugreifen, bloß weil sie schlecht gemacht ist - Herr

Hildebrand -, das ist eine leichte Übung. Selbstverständlich haben wir formal einen mengengesteuerten Markt, aber was passiert? - Die industriegläubige oder die wachstumsgläubige Agrarpolitik CDU-gesteuert - sorgt dafür, dass die Menge eben auf über 1 % der Marktaufnahmefähigkeit festgelegt wird und nicht auf 1 % darunter. Wenn ich die Marktaufnahmefähigkeit durch die erlaubte Menge um 1 % überschreite, dann haben wir eben keine fairen Preise. Wenn wir sie aber unterschreiten und so festsetzen, dann haben wir die Möglichkeit, zu stabilen Preisen und gesunden betrieblichen Verhältnissen für unsere Milchbauern zu kommen.

Wer also faire Preise fordert, muss auch eine entsprechende Agrarpolitik machen.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Es fiel an dieser Stelle auch der Begriff „Welthunger“, der unter anderem auch als eine Legitimation für Gentechnik in der Landwirtschaft herangezogen wird. Dieses Bild, ich verlagere die Weltagrarproduktion in die landwirtschaftlichen Gunstlagen der Industrieländer, führt zu Preisdruck und zu Billigproduktion. Große Stockmarkets bilden sich durch Übermengen. Die werden dann, wenn sich die Welle der Übermenge auf den Märkten der reichen Länder gebildet hat, über Subventionen in die armen Länder gedrückt. Diese Medaille hat zwei Seiten: Bei uns sterben die Bauern durch nicht auskömmliche Preise. Dadurch sterben aber auch die Bauern in Burkina Faso und Nigeria.

Daher sagen wir: Der Ökolandbau hier soll auch zu einem Know-how-Transfer und nicht zu einer Mengenüberschwemmung der Märkte in der Dritten Welt führen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit läuft ab.

Ich komme zum Schluss. - Es soll zu einem Knowhow-Transfer für ökologische Landwirtschaft in den Ländern der Dritten Welt führen, dass dort eine Produktion stattfindet. Die Kirche hat nicht umsonst die Parole herausgegeben: „Keine Chicken schicken!“ Das heißt, nicht nur die Schenkel und die Brüstchen der Hühner in den reichen Ländern zu verbrauchen und den Rest in Entwicklungsländer zu schicken, sodass die Geflügelproduktion dort in die Knie geht. Daher werden solche Programme von der Welthungerhilfe gefördert.

(Flemming Meyer)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Wir brauchen gegen den Welthunger eine faire Agrarpolitik hier bei uns.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)