Protokoll der Sitzung vom 23.02.2011

Wir hören bei Gesprächen mit Firmen aktuell immer noch, dass die, die in Schleswig-Holstein bei der I-Bank oder der Bürgschaftsbank mit ihren unrealistischen Ideen aus betriebswirtschaftlicher Vernunft abgeblitzt sind, jetzt nach Mecklenburg-Vorpommern gehen und dort die ersehnte Förderung erhalten.

(Zurufe der Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU] und Christopher Vogt [FDP])

Das sind erhebliche Wettbewerbsverzerrungen, die auf Dauer nicht tragbar sind. Ohne Subventionswettlauf werden sich ansiedlungswillige Unternehmen nach anderen Kriterien entscheiden, die wir besser finden: qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Hochschulnähe, Kulturangebote, Kinderfreundlichkeit.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Diese Aufzählung macht deutlich, dass wirtschaftsschwache Gebiete kaum mithalten können. Das Beste für Schleswig-Holstein wäre es, wenn bei minimalem Einsatz von Landesmitteln Bundes- und EU-Mittel für unser Land akquiriert werden können.

Zu prüfen wäre auch, ob eine Förderung generell nur noch mit zinslosen Krediten statt mit verlorenen Zuschüssen geleistet wird oder Fördermittel mit Privatdarlehen kofinanziert werden können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Förderung muss sich unserer Meinung nach auf die wirtschafts- und bildungsnahe Infrastrukturpolitik konzentrieren.

Wir finden im Übrigen auch: Der Ausbau Brunsbüttels zum Offshore-Hafen wäre ein sinnvolles Infrastrukturprojekt. Da haben Sie die Grünen auf ihrer Seite.

(Beifall des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen [CDU])

Ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig ist, den Versuch zu starten, bundesweit eine gemeinsame Regelung für die einzelbetriebliche Investitionsförderung zu erreichen und einen schrittweisen Abbau dieser Förderung zu vereinbaren. Herr de Jager, wenn das nicht machbar sein sollte, muss zumindest eine klare, bundesweit einheitliche Regelung für Ausnahmen oder Sondergebiete gefunden werden.

Ein grüner Verbesserungsvorschlag, den wir Ihnen mitgeben, wäre beispielsweise, einen solchen Betrag an die Förderung des Klimaschutzes zu binden. Klimaregionen fördern statt einzelbetrieblicher Förderung - das ist ein Ansatz, den wir unterstützen.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann wäre es bei der grundsätzlichen Verringerung beziehungsweise Einstellung der betrieblichen Förderung vielleicht auch möglich, unseren nördlichen Landesteil zu fördern - wie gesagt, nach bundesweit einheitlichen Regeln.

Wir sind gespannt, was Sie auf der Bundesebene in den zwei Jahren erreichen, in denen Sie den Vorsitz der Wirtschaftsministerkonferenz haben. Wir wünschen Ihnen aufrichtig viel Erfolg dabei, Ihre Kolleginnen und Kollegen von dieser politischen Position zu überzeugen. Meine Fraktion ist sich allerdings nicht sicher, ob sie diesem Antrag - vor allen Dingen nach den Reden, die Sie jetzt dazu gehalten haben - noch zustimmen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch DIE LINKE ist gegen einen Subventionswettlauf. Auch wir werden dem Antrag zustimmen.

(Christopher Vogt [FDP]: Auch das noch! - Beifall des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Aber auch ich bin mir nicht ganz sicher, ob Herr Hamerich den Antrag gelesen hat, nachdem ich die Rede gehört habe.

Ich möchte aber noch andere Subventionen hier in den Vordergrund rücken und beginne zunächst mit einem Zitat:

„Die Wettbewerbsfähigkeit Schleswig-Holsteins lässt sich nicht durch öffentlich gelenkte Subventionen für einzelbetriebliche, privatwirtschaftliche Investitionsprojekte stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die öffentliche Hand wird die Wettbewerbsfähigkeit Schleswig-Holsteins nur wirksam stärken können, wenn sie sich auf öffentliche Projekte konzentriert, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schleswig-Holstein stärken, zum Beispiel den Ausbau der Häfen.“

Das sagte Wolfgang Kubicki am 25. Januar 2007.

Was die Einstellung der einzelbetrieblichen Förderung betrifft, sind wir einer Meinung und werden dem vorliegenden Antrag - wie ich schon gesagt habe - zustimmen. Das trifft auch für die Meinung von 2007 über die Häfen zu. Inzwischen hat sich unsere Meinung dagegen geändert.

Wir lehnen einzelbetriebliche Förderung allerdings aus anderen Gründen ab als die Regierungsfraktionen. DIE LINKE hält die Rede von der Wettbewerbsfähigkeit Schleswig-Holsteins für ausgemachten Blödsinn. Der große Unterschied ist: Unternehmen stehen im Wettbewerb, und wenn sie unterliegen, dann verschwinden sie vom Markt. Menschen in Ländern aber bleiben. Die Menschen in einem Land werden sich nicht einfach so als Insolvenzmasse auf den Mond umsiedeln lassen.

DIE LINKE lehnt deshalb auch eine ganz besondere Form der einzelbetrieblichen Investitionsförderung ab. Dass Unternehmen nur eine durchschnittliche Lebensdauer von etwas über dreißig Jahren haben, sollte auch bei ganz harten Privatisierern zu der Frage führen, wie man denn ÖPP-Verträge mit dreißigjähriger Laufzeit und Forfaitierung verantworten will. ÖPP-Verträge sind nichts anderes als einzelbetriebliche Investitionsförderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie es mit Ihrem Antrag ehrlich meinen, liebe Regierungsfraktionen, dann müssen Sie alle ÖPP-Projekte in Schleswig-Holstein umgehend unterbinden.

Einzelbetriebliche Förderung auch in Form von ÖPP-Verträgen ist stets ein Einfallstor für unternehmerisch-politische Selbstbedienung gewesen. DIE LINKE lehnt noch eine weitere Subventionierung von Unternehmen ab.

Es gibt Reeder, die in Deutschland keinen Cent Steuern zahlen, weil sie längst ausgeflaggt haben, und kein Geld für längere, aber sichere Routen und für Sicherheitspersonal ausgeben wollen. Trotzdem klopfen diese Reeder beim deutschen Steuerzahler an, damit teure Militäreinsätze zum Schutz vor Piraten bezahlt werden. DIE LINKE lehnt die Subventionierung von Unternehmen durch Militäreinsätze im Ausland ab. Wenden Sie sich auch gegen diese Form der Subventionierung!

Es gibt Unternehmen, die sich fast zu Tode flexibilisiert haben und jetzt die Kosten für eine vernünftige Nachwuchsförderung scheuen. Auch dann wird nach dem Steuerzahler gerufen, der ihnen die Nachwuchsqualifizierung löhnen soll. Meine Da

(Dr. Andreas Tietze)

men und Herren von CDU und FDP, das sind drei Beispiele aus der jüngsten Zeit für Ihre Politik des Betriebe-Hätschelns.

DIE LINKE will nicht durch Subventionen Betriebe verwöhnen. DIE LINKE will öffentliche Investitionen. Öffentliche Investitionen sind zum Großteil Aufträge, die an Private vergeben werden. DIE LINKE will öffentliche Investitionen, die das Vermögen des Landes steigern und gleichzeitig dem Mittelstand nützen

(Beifall bei der LINKEN)

dies vor allem auch, um zukünftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein das Wort Subventionswettlauf bringt viele Politiker in Rage. Als Motorola sein Flensburger Werk dichtmachte, war schnell die Rede von „unselig“ und „schändlich“. Motorola strich erst saftige Subventionen ein und kehrte dann doch dem Standort den Rücken, was einer der Nachteile des Subventionswettlaufs war und augenscheinlich ist. Neben Standortuntreue und verlorenen Zuschüssen in Millionenhöhe führt die Förderung von Unternehmensansiedlungen zu massiven Eingriffen des Staates, ohne den sicherlich manches Gewerbegebiet vor den Toren unserer Städte gar nicht mehr denkbar wäre. Wenn ein wirtschaftspolitisches Instrument so eindeutig unvorteilhaft ist, wie wir es bisher festgestellt haben, muss man sich schon wundern, dass es trotzdem noch benutzt wird.

Da hilft auch nicht der Hinweis darauf, dass hier die Struktur einer bestimmten Region verbessert werden soll. Im Grunde ist und bleibt das Ganze eine Aktion, bei der den Unternehmen das Geld ohne konkrete Gegenleistung hinterhergeworfen wird. Genau das tun auch alle anderen Bundesländer und gefährden damit unterm Strich mehr Arbeitsplätze, als über diesen Weg tatsächlich neu oder dauerhaft geschaffen werden.

Wir befinden uns derzeit in einem Bieterstreit, bei dem die Unternehmen die Regionen gegeneinander ausspielen, um möglichst viele Subventionen zu erhalten. Durchbrechen kann man das nur, wenn

überhaupt keine Subventionen mehr oder zumindest überall die gleichen Subventionen gezahlt werden und niemand den anderen überbieten kann.

Darum kommt ein Alleingang Schleswig-Holsteins bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung überhaupt nicht infrage und ist auch gar nicht machbar, solange die Förderung über EFRE- und GA-Mittel läuft. Eine bundesweite Regelung ist daher absolut notwendig. Da ist die Wirtschaftsministerkonferenz sicherlich auch der richtige Ansprechpartner. Ziel sollte eine bundeseinheitliche Regelung sein, die ohne Schlupflöcher und Ausnahmen verhandelt werden muss. Ein weiteres, kompliziertes Fördermodell ist nämlich das Letzte, was die Wirtschaft benötigt.

Was sollte nun das Ziel sein? In Deutschland darf es zukünftig nicht mehr gestattet sein, den Unternehmen durch öffentliche Förderung ihre Investitionen abzunehmen, wenn eine Umsiedlung oder Neuansiedlung ansteht. Damit würden die Wettbewerbsbedingungen bundesweit angeglichen. Das ist ein Gebot der Fairness. Langfristig muss die Investitionsförderung auf null zurückgefahren werden. In diesem Zusammenhang stimmt der SSW dem vorliegenden Antrag auch zu.

Das fordern übrigens auch die Wirtschaftsvertreter, denen vor allem auch das komplizierte Antragsverfahren, das ohne ausführliche Beratung kaum zu bewältigen ist, ein Dorn im Auge ist.

Der Kieler IHK-Präsident Klaus-Hinrich Vater schlug bereits im letzten Jahr vor, statt in Einzelbetriebe lieber in die verkehrliche Infrastruktur, die Breitbandversorgung und die regionalen Berufsschulen zu investieren. Das findet auch unsere Unterstützung, denn vor allem der Norden unseres Landes dürfte von einer Verbesserung der Infrastruktur überproportional profitieren.

Förderblüten wie die Förderung einer Unternehmensumsiedlung von einer schleswig-holsteinischen Stadt in die andere dürften dann Geschichte sein. Eine verbesserte Infrastruktur hilft allen, direkt und ohne Antrag.

Ich bin aber davon überzeugt, dass wir auf eine einzelbetriebliche Förderung nicht gänzlich verzichten können. Kleine und mittlere Betriebe benötigen beispielsweise Unterstützung, wenn es um Innovationen geht. Der SSW fordert eine Neuorientierung: Innovationsförderung statt Investitionsförderung, also eine neue Förderpolitik. Wie dem Wirtschaftsbericht 2009 zu entnehmen ist, entfielen auf einen Euro, der eine Innovation förderte, sechs Euro, die

(Björn Thoroe)