Ein bisschen mit Sorge sehen wir mögliche Schwierigkeiten in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Denn nunmehr fällt zwar das Recht des Untersuchungshaftvollzugs, also das Wie, in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Das Untersuchungshaftrecht als solches, das heißt, ob Untersuchungshaft verhängt wird, bleibt indessen als Teil des gerichtlichen Verfahrens in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Unklarheiten und Unsicherheiten für die Mitarbeiter im Vollzug
und insbesondere für die U-Gefangenen liegen da auf der Hand, und diese gilt es zu vermeiden. Klar ist deshalb: Entscheidungen zu Einschränkungen in der Untersuchungshaft müssen der richterlichen beziehungsweise staatsanwaltschaftlichen Entscheidung vorbehalten bleiben.
Über all dies und auch die merkwürdigen, mehr redaktionellen, leicht besserwisserischen Vorschläge der Grünen können wir gern im Ausschuss beraten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hückstädt, ich habe schon schlimmere Beschimpfungen gehört, als es besser zu wissen. Damit kann ich leben.
Meine Fraktion begrüßt es sehr, dass die Landesregierung nach einiger Überlegungszeit den in weiten Teilen noch aus der Ära Döring stammenden Gesetzentwurf zum Vollzug der U-Haft heute hier in den Landtag einbringt. Auch begrüßen wir es, dass sich Schleswig-Holstein mit weiteren elf Bundesländern zusammengetan hat, um eine möglichst einheitliche Regelung zu schaffen und so einer Rechtszersplitterung aufgrund der Föderalismusreform entgegenzuwirken.
Ich mache keinen Hehl daraus: Wir hätten es besser gefunden, wenn wir zu einer bundeseinheitlichen Regelung gekommen wären, wenn es dabei geblieben wäre, dass der Bund dafür zuständig ist. Diese Regelung ist uns leider durch das Grundgesetz abgeschnitten. Wir befürchten, dass die Qualität der Bedingungen in der U-Haft zu stark von der Finanzlage der Landeshaushalte abhängig gemacht wird.
Nun zum vorliegenden Gesetzentwurf. Meine Note gleich vorweg: Mehr als ein schwaches „befriedigend“ hat der Entwurf aus meiner Sicht nicht verdient.
Untersuchungshaft ist keine Strafhaft, sondern dient allein der Sicherung des Strafverfahrens. Für die Untersuchungsgefangenen gilt - das ist heute wiederholt gesagt worden - die Unschuldsvermutung. Es ist im Übrigen auch mehr als graue Theorie: Es kommt durchaus nicht selten vor, dass ein Untersuchungshäftling im Strafverfahren nach wochenlanger oder monatelanger Untersuchungshaft freigesprochen wird oder - was ein bisschen anders gelagert ist, aber in eine ähnliche Richtung geht - zwar nicht freigesprochen wird, aber am Ende mit einer Sanktion in Form einer Geldstrafe davonkommt.
Das ist dann zwar kein Fall von unberechtigter Untersuchungshaft; dennoch stellt sich natürlich die Frage, warum jemand mehrere Monate in Haft ist und dann eine Geldstrafe bekommt.
- Das ist richtig, Herr Kubicki. Wir kommen gleich noch zu den Möglichkeiten, wie wir das verbessern können. Dabei sind Sie auf unserer Seite. Das habe ich schon gehört.
Es ist es richtig, dass der Gesetzentwurf als zentralen Grundsatz festschreibt, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen ist. Daher finde ich es extrem bedauerlich, dass die Landesregierung die Untersuchungsgefangenen beim Arbeitslohn schlechter stellen will als die Strafgefangenen. Strafgefangene verdienen durchschnittlich 11 € pro Tag. Es geht hier nicht um einen Stundenlohn von 7,50 € oder von 10 €, es geht um einen Arbeitslohn pro Tag. Die Regierung will aufgrund der Finanzlage nur 6 € ausgeben.
Ich merke der Begründung des Gesetzentwurfs und auch den Äußerungen hier im Landtag an, wie sehr Sie, Herr Justizminister Schmalfuß, an dieser Stelle mit dem Kollegen Wiegard gerungen haben. Sie beziehen sich in der Begründung auf unionsgeführte Bundesländer, deren Gesetze eine solche Schlechterstellung ebenfalls vorsehen. Als rechtliches Argument kann das natürlich nicht durchgehen. Das ebenfalls klamme Bremen sieht die Gleichstellung der Gefangenen vor, ebenso das Gesetz in Hamburg, das noch aus der schwarz-grünen Zeit stammt. Auch Brandenburg, Sachsen, SachsenAnhalt und das ebenso wie Schleswig-Holstein schwarz-gelb regierte Hessen haben diese 11 € pro
Ich weiß, dass wir eine Schuldenbremse haben, und ich bin der Letzte, der immer sagt: Ihr spart am falschen Ende. Aber ich glaube, wir werden im Innen- und Rechtsausschuss untersuchen, welche Beträge zwischen den 6 € und 11 € wirklich den Unterschied ausmachen, und ich glaube, wir werden am Ende eine Lösung finden, die sich das Land Schleswig-Holstein leisten kann. Die Unterscheidung zwischen Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt. Wir sollten den Entwurf an diesem Punkt ändern.
Eine kleine Randnotiz: Der schwarz-rote Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislaturperiode sah das auch vor. Auch Ihre Redner haben im Landtag dazu gesprochen. Damals gab es noch keine Schuldenbremse. Das ist mir klar. Aber die Finanzlage Schleswig-Holsteins war damals auch nicht sehr viel rosiger als heute.
Der Entwurf der Landesregierung will, dass Untersuchungsgefangene weiterhin während der Ruhezeit mit ihrer Zustimmung in gemeinsamen Hafträumen untergebracht werden können. Nun haben allerdings in der jüngeren Zeit mehrere Vorfälle in Gefängnissen, wenn auch nicht in SchleswigHolstein, gezeigt, dass die gemeinschaftliche Unterbringung erwachsener Strafgefangener - für UHäftlinge gilt nichts anderes - ein Problem darstellt. Wir sehen darin tatsächlich eine Gefahr für eine sichere und gewaltfreie Untersuchungshaft.
Machen wir uns nichts vor: Von einer freiwilligen Entscheidung kann in der Extremsituation der Untersuchungshaft häufig nicht die Rede sein. Wenn jemand zum ersten Mal in Haft kommt und gefragt wird: „Wir haben nicht so viel Platz; willst du freiwillig mit diesem oder jenem Strafgefangenen untergebracht werden?“, ist es schwierig zu sagen: „Nein, das möchte ich nicht.“ Deshalb wollen wir eine Ausnahme von der Einzelunterbringung nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen, zum Beispiel wenn eine Einzelunterbringung eine Gefahr für Leib oder Leben des Gefangenen darstellen würde.
Ein allgemeines Problem des Vollzugs der Untersuchungshaft besteht darin, dass die Gefangenen während der Freizeit zu lange in den Zellen eingeschlossen sind, anders übrigens als Strafgefangene.
Wir schlagen vor, eine Regelung aus Hamburg zu übernehmen, nach der sich Untersuchungshäftlinge während der Freizeit zusammen mit anderen Häftlingen außerhalb der Zellen aufhalten dürfen.
„Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, sich während der Freizeit in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufzuhalten.“
„Während der Freizeit können die Untersuchungsgefangenen sich in der Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufhalten.“
- Der Unterschied ist doch klar: In dem einen Fall sieht das Gesetz als Regel vor, dass es ihm gestattet werden kann, es ist ihm also sozusagen zu gestatten, und im anderen Fall ist es lediglich eine Möglichkeit, die eingeräumt werden muss.
- Entschuldigung. Es ist doch völlig klar. Wenn im Gesetz nur steht, dass ermöglicht werden kann, dass die Gefangenen das tun - das wissen Sie doch als Juristin -, dann gibt es keinen Anspruch darauf, dass die Vollzugsanstalten auch dafür Sorge zu tragen haben.
- Ja, sie können das dann, sie dürfen das. Ich bin kein Germanist, aber für mich ist das klar. Aber wenn wir vom Ziel her einig sind, dass sie das können dürfen, dann werden wir sicherlich zu einer gemeinsamen Formulierung kommen. - Das können wir dann.
Ich befürchte nämlich, dass lange Einschlusszeiten für Untersuchungshäftlinge durch diesen Gesetzentwurf eher zementiert als gelockert werden. Wenn wir das Schlechterstellungsverbot ernst nehmen, müssen wir den Gesetzentwurf auch an diesem Punkt verbessern. Aber ich höre ja die Signale. Wir machen das dann gemeinsam, und gut ist das.
Ein Wort noch zu den jungen Untersuchungsgefangenen. Wir sind der Auffassung, junge Untersuchungsgefangene sollten möglichst, wenn sie das wollen, in Wohngruppen untergebracht werden. Das entspricht eher dem Bedürfnis der jungen Leute und ist für die psychologische Stabilisierung wichtig.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht alle Punkte aus dem Änderungsvorschlag der Grünen hier ansprechen. Wir werden genug Zeit haben, den Gesetzentwurf im Ausschuss zu verbessern, damit wir ein noch liberaleres und rechtsstaatlicheres Untersuchungshaftgesetz bekommen. Diese Zeit sollten wir nutzen.