Dabei gibt es sehr gute Beispiele dafür, wie es anders gehen kann. Im Süden Schleswig-Holsteins, in der Metropolregion Hamburg, gibt es gute Beispiele für Projekte für Alleinerziehende. Die Projekte Helena, Vita und AnKeR im Süden Schleswig-Holsteins zeigen, dass es anders geht. Sie sind Leuchttürme in der Arbeitslandschaft für Alleinerziehen
de. Bei der Integration von Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt gibt es viel zu tun. Hierbei sollten alle anpacken. Wichtig sind Berufsausbildungen in Teilzeit, Betriebskindergärten und Betriebe und Hochschulen, die sich für familienfreundliche Arbeits- und Studienbedingungen einsetzen. Alleinerziehende brauchen zusätzlich niedrigschwellige Unterstützungsangebote, die ihnen den Alltag erleichtern und ihre Gesundheit stärken. Was sie nicht brauchen können, sind Sparmaßnahmen bei den Beratungsstellen Frau und Beruf, in der Jugendhilfe und in der freien Jugendarbeit. Genau dies aber haben CDU und FDP mit ihrem Haushaltspaket gemacht.
Das war nicht im Interesse der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einer Sache sind wir uns einig. Die Lebensbedingungen der Alleinerziehenden müssen deutlich verbessert werden. Ich freue mich auf die weitere Beratung im Sozialausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alleinerziehende in Schleswig-Holstein machen mit 21 % ein Fünftel aller Familien mit Kindern unter 18 Jahren aus. Wie in ganz Deutschland ist die EinEltern-Familie damit kein Sonderfall, sondern eine Lebensform unter mehreren. Unter den 89.000 Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein sind 86 % Frauen. Der Frauenanteil steigt bis gegen 100 %, je jünger die Kinder sind. All das ist nicht verwunderlich, trotzdem aber kann bei den Lebensbedingungen alleinerziehender Mütter und Väter und ihrer Kinder von Normalität keine Rede sein. Immerhin 40 % der Alleinerziehenden sind für den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder auf Hartz IV angewiesen. Neun von zehn dieser Alleinerziehenden sind Frauen. Innerhalb des HartzIV-Systems machen Bedarfsgemeinschaften mit minderjährigen Kindern mit 54 % deutlich mehr als die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften aus. Alleinerziehende Mütter und Väter tragen in dieser Gesellschaft also ein deutliches Armutsrisiko.
Es kann nicht sein, dass die Entscheidung oder die Notwendigkeit, ein Kind allein zu erziehen, für beide Elternteile und die Kinder aller Wahrscheinlichkeit nach einen Lebensweg durch die Flure der Armutsverwaltung vorzeichnen. Fast zwei Drittel der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein sind erwerbstätig, aber 43 % der erwerbstätigen Alleinerziehenden haben nur ein monatliches Nettoeinkommen unter 1.500 €. Zum Vergleich: Bei Ehepaaren mit Kindern liegt dieser Anteil bei nur 6 %.
Jede dritte Alleinerziehende im Hartz-IV-Bezug ist erwerbstätig. Das heißt umgekehrt: Jede dritte Alleinerziehende im Hartz-IV-Bezug kann von ihrem Erwerbseinkommen den Lebensunterhalt für sich und die Kinder nicht bestreiten. Diese Menschen fallen in die Gruppe der sogenannten Aufstocker. Sie arbeiten zu 58 % in Minijobs. Ein Drittel hat Teilzeitjobs. Ein Zehntel dieser Menschen kann trotz Vollzeitarbeit nicht auf zusätzliche Hartz-IVLeistungen verzichten.
Zumindest für Alleinerziehende erweist sich die Armutsfalle Hartz IV in vielen Fällen als Systemfalle. Viele der Alleinerziehenden, die aus Hartz IV nicht herauskommen, haben keine Chance auf existenzsichernde Arbeitsplätze. Wo soll die alleinstehende Mutter arbeiten, wenn sie ihre Kinder nicht unterbringen kann? - Das gilt für die Versorgungssituation mit Krippen-, Kita- und Hortplätzen und genauso für die Schulbetreuung, das haben meine Kolleginnen von der SPD und den Grünen vorhin bestätigt. Es mangelt schlicht an Ganztagsangeboten, und erst recht fehlen Angebote mit ausreichend flexiblen Betreuungszeiten. Unser Schulsystem ist eben keineswegs in dem Sinne verlässlich, dass es die Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden verlässlich ermöglicht. Dafür brauchen wir die gebundene Ganztagsschule, und zwar überall.
Das Angebot an Betreuungszeiten in Kitas und Schulen ist praktisch weit entfernt von der zeitlichen Flexibilität, die Erwerbstätigkeit heute von den Menschen fordert. Das gilt insbesondere für Teilzeitbeschäftigungen. Vielen Alleinerziehenden bleibt der Zugang zur Erwerbstätigkeit damit völlig verschlossen. Die Nischen, die noch übrig bleiben, sind Niedriglohnarbeit in Minijobs ohne jede Perspektive auf ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen.
Das zweite wesentliche Problem mit der Kinderbetreuung ist deren Bezahlbarkeit. Diese Landesregierung hat das beitragsfreie dritte Kita-Jahr wieder abgeschafft, und sie kriegt es bisher nicht hin, eine
landeseinheitliche Sozialstaffel für die Kita-Beiträge zu schaffen, die insbesondere die unteren Einkommensgruppen entlastet, meine Damen und Herren. Das bedeutet in Schleswig-Holstein unterschiedliche Regelungen in den Kommunen. Die Folge ist, dass es durchaus Alleinerziehende gibt, die nicht erwerbstätig werden können, weil sie sich durch eine Arbeitsaufnahme zwar aus dem Hartz IV-Bezug herauskommen könnten, dann aber durch die Kita-Beiträge plötzlich merken, dass sie sich konkret verschlechtern. Sie alle wissen, das ist dann keine Frage einer freien Entscheidung für Erwerbstätigkeit mehr. An der Grenze der Grundsicherung ist das schlicht eine Frage der Existenz.
Es bleibt dabei: Die unabdingbare Voraussetzung für eine existenzsichernde Erwerbsarbeit ist eine Kinderbetreuung, die erstens verlässlich gesichert sein muss und die zweitens ausreichend flexibel und drittens auch bezahlbar sein muss.
Das dritte Problem ist die Frage der beruflichen Qualifizierung Alleinerziehender im Hartz IV-Bezug. Von ihnen haben in Schleswig-Holstein 58 % keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Erfahrungen zeigen, dass die Qualifizierungsangebote der Jobcenter den besonderen Problemlagen der Alleinerziehenden nicht wirklich gerecht werden. Das hat nicht wenig mit den Bemühungen der Arbeitsagenturen zu tun, mit zusammengestrichenen Eingliederungsetats umzugehen. In vielen Fällen lässt das System SGB II eine sinnvolle berufliche Qualifizierungskette gar nicht mehr zu. Da treffen sich zusammengewürfelte Orientierungsmaßnahmen mit der Situation, dass der Beginn einer qualifizierten Ausbildung ein Herausfallen aus dem Leistungsbezug nach sich zieht. Hier zeigt sich, dass es an ganzheitlich gedachten Angeboten mangelt. Hier muss, auch jetzt nach den neuen Regelungen von Hartz IV, nachgebessert werden, und zwar enorm.
Viele Anbieter von Integrationsmaßnahmen bieten inzwischen auch einen Bauchladen an: Alles aus einer Hand, aber mit einer unter dem scharfen Kostendruck zwangsläufig reduzierten Kompetenz. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, ist absurd. Sie ist auch deshalb absurd, weil den differenzierten Problemlagen alleinerziehender Mütter und Väter eine unüberschaubare Komplexität von Hilfsmaßnahmen gegenüberstehen. Allein das Bundesministerium hat 2009 festgestellt, dass es 157 verschiedene familienbezogene Einzelleistungen und Maßnahmen gibt, die bundesgesetzlich geregelt sind und vergeben werden können.
Die Landesregierung hat umfassendes Material zur Beantwortung der Großen Anfrage der SPD zusammengetragen. Ihre Antworten zeigen, dass erheblicher politischer Behandlungsbedarf besteht, um die Situation von alleinerziehenden Müttern und Vätern und deren Kindern in Schleswig-Holstein nachhaltig zu verbessern.
Unser Fazit: Alleinerziehend bedeutet momentan mitsamt den Kindern in Armut zu leben. Das ist nicht hinnehmbar. Nicht nur der Bund, nicht nur die Kommunen sind hier gefragt, auch das Land steht hier in der Pflicht. Insbesondere bei der Sicherstellung einer verlässlichen Kinderbetreuung kann und muss hier deutlich mehr passieren, und für uns als LINKE muss die Kinderbetreuung kostenlos sein.
Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu dem jetzt gefundenen Hartz IV-Kompromiss sagen, den CDU, FDP und leider auch, sage ich mal, die SPD mit beschlossen haben. 5 € mehr im Monat ist ein Hohn für die Armen und für die Menschen, die ohne Arbeit leben. Die werden mit 5 € mehr nicht besser leben. Sie leben weiterhin in der Armutsfalle. Auch das Bildungspaket für die Kinder reicht einfach nicht aus. Mit 10 € im Monat kann man ein Kind, das in Armut lebt, nicht weiterbilden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ich möchte mich bedanken, erst einmal bei der SPD für diese ausführliche Große Anfrage, und dann, na klar, auch für die Antworten, obwohl darin viele Löcher wegen mangelnder Statistik vorhanden sind.
So wenig wie in einem dunklen Land Blindheit eine Behinderung darstellt, so ist es auch für Alleinerziehende in einem Land mit familiengerechten Arbeitsbedingungen und einer modernen Infrastruktur. Die Benachteiligung von Familien mit nur einem Elternteil geht nicht von den Alleinerziehenden aus, sondern beruht auf gesellschaftlich konstruierten Barrieren, denen nicht einfach beizukommen ist. Projekte, Modellvorhaben und lokale Bündnisse mögen den Prozess flankieren, beseitigen können sie die Barrieren nicht einmal, wenn sie
Die manifesten Barrieren müssen wir gezielt beseitigen. Ich nenne hier nur drei: Erstens. Steuerrecht. Das Ehegattensplitting hat überhaupt nichts mit Kindern in einer Familie zu tun.
Nach der neuesten Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2010 höhlt dieses Steuerrecht eindeutig die Erwerbsneigung von Frauen systematisch aus. Also: Weg damit. Das Steuerrecht sollte geändert werden zum Vorteil für die Kinder.
Zweitens. Familienfeindliche Arbeitsplätze. Die Antwort auf die Große Anfrage lässt dankenswerterweise über die Erwerbsneigung von Alleinerziehenden keinen Zweifel. Entgegen aller üblen Nachrede suchen sogar mehr Alleinerziehende Unabhängigkeit und Erfolg im Beruf als Mütter in Paarhaushalten. Sie wissen nämlich ganz genau, dass nur diejenigen, die über eine möglichst lückenlose Erwerbsbiografie verfügen und darüber hinaus privat ansparen konnten, sich über ihr Alter keine Sorgen zu machen brauchen. Diejenigen allerdings, die trotz bestehendem Jobwunsch kein Angebot finden, das zur Betreuungssituation des Nachwuchses passt und deshalb arbeitslos sind, werden in Sachen Altersversorgung für ihre Entscheidung, Kinder bekommen zu haben, bestraft. Die Wirtschaft wird mittelfristig nicht darum herum kommen, den Interessen der Alleinerziehenden entgegenzukommen, will man auf deren Know-how nicht verzichten. Von daher kann man dem anstehenden Fachkräftemangel etwas Positives abgewinnen: Die Arbeitsbedingungen werden sich verändern, zum Nutzen der Familien. Das sieht übrigens die Landesregierung genauso.
Drittens. Armut. Das Armutsrisiko in Haushalten von Alleinerziehenden ist höher als in Familien mit zwei Elternteilen. Daraus folgt Jahre später die Armut im Alter. Nur eine existenzsichernde Beschäftigung kann hier einen Ausweg bieten. Womit wir wieder beim Arbeitsmarkt sind. Zu den unterstützenden Maßnahmen, die Alleinerziehenden die volle Berufstätigkeit ermöglichen, gehört sicherlich ein flächendeckendes Kinderbetreuungsangebot. Das ist für Schleswig-Holstein vor allem für die Kleinsten, also die Kinder unter drei Jahren, noch nicht gegeben. Und auch die Schulinfrastruktur ist bei Weitem noch nicht so, dass sie flächen
Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen die große soziale Spannbreite der Lebensformen alleinerziehender Familien. Gerade darum ist es nötig, dass auch die Unterstützungsangebote differenziert werden. Die Landesregierung vermittelt allerdings den Eindruck, als ob irgendwie alles auch zum Nutzen der Alleinerziehenden herangezogen werden kann. Das ist einfach falsch. Nicht jede Maßnahme, die die Chancen von Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert, dient der Unterstützung von Alleinerziehenden. Die Landesregierung muss da schon genauer hinsehen.
Ich würde sogar sagen, dass gerade vor dem Hintergrund der differenzierten Analyse, die wir jetzt in der Hand haben, vor allem eines deutlich wird:
Nicht alle Alleinerziehenden haben Probleme. Forscher warnen bereits davor, das Etikett „alleinerziehend“ überzubewerten, weil dieser Status oft nur vorübergehend gilt. Ein fehlender Schulabschluss dagegen erledigt sich im Laufe des Lebens nicht von selbst. Er ist Grund für lebenslange Probleme.
Gleiches gilt für den Befund Armut. Hartz-IV-Sätze sind nicht ausreichend, um Kinder gesund zu ernähren und ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das gilt für alle Kinder in sogenannten Hartz-IV-Haushalten, und zwar unabhängig davon, ob sie mit einem Elternteil oder zwei Elternteilen zusammenleben.
Es gibt also genügend Sachen, die es anzupacken gilt. Deshalb freue ich mich auf die ausführliche Diskussion über diesen Antrag im Ausschuss.
Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 17/ 1043, federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.