In der Praxis werden wir mit der geplanten Stromautobahn beginnen, die von Brunsbüttel nach Bayern führen soll. Mit dieser sogenannten Gleichstromschiene sollten Offshore- und Land-Windstrom entkoppelt werden. Die neuen Stromerzeugungszentren des Nordens werden dann mit den Verbrauchszentren im Süden verbunden. Wir werden das mit den betroffenen Ländern zügig abstimmen.
Schleswig-Holstein ist, unabhängig von der Lage in Japan betrachtet, mit seinem beschlossenen Energiekonzept schon heute auf dem Weg, eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Regionen der Welt zu werden. Was den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Reduzierung von CO2 betrifft, so kenne ich kaum eine Region, die ihre Klimaschutzziele so schnell, so entschlossen und so ehrlich erreichen will. Wir sind auf dem Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Die Kernenergie ist eine Brücke, um dieses Ziel zu erreichen. Japan hat uns allen gezeigt: Über die Ausgestaltung dieser Brücke muss grundlegend neu nachgedacht werden. Die Landesregierung stellt sich dieser Herausforderung. Wir packen die Energiewende entschlossen an. Wir wollen schnellstmöglich auf Kernenergie verzichten.
Bei dieser Aufgabe lassen wir uns von drei Grundsätzen leiten: Die Sicherheit der Kernkraftwerke steht an erster Stelle, wir machen höchstmögliches Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien, und wir sichern eine wettbewerbsfähige Energieversorgung. So wollen und werden wir SchleswigHolstein noch schneller in das Zeitalter der erneuerbaren Energien führen. Wir können und werden über diesen Weg politisch streiten, aber wir sollten
Ich erteile dem Oppositionsführer, dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Herrn Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt manche Ereignisse, von denen man kaum glauben kann, dass sie passieren. Auch bekennende Gegner der Atomenergie hätten nach Harrisburg und Tschernobyl nicht damit gerechnet, dass so bald wieder ein Atomkraftwerk derart außer Kontrolle geraten kann, wie wir es in Fukushima gesehen haben. Trotzdem war vielen das sogenannte Restrisiko immer zu groß.
Solche Ereignisse verändern das Leben dauerhaft, das eigene und das politische Leben. Sie verändern das Leben positiv, wie beim Fall der Mauer, aber auch die Anschläge vom 11. September 2001 und die jetzige Katastrophe in Japan gehören dazu. Wer konnte, hing in den letzten Tagen vor dem Fernseher, blieb im Auto sitzen, um noch die Nachrichten zu hören, oder wechselte immer wieder auf einen Live-Ticker im Internet. Die Ereignisse in Japan sind wirklich eine Zäsur. Bange Tage liegen hinter uns, und ich hoffe gerade um der Kinder willen, dass sich die Situation in Japan stabilisieren wird und dass die Bevölkerung dort nicht noch mehr Leid verkraften muss.
Die Erdbeben- und Tsunami-Opfer sowie die schon jetzt eingetretenen Strahlenschäden sind schlimm genug. Den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen gelten unser Mitgefühl und unsere Solidarität. Den vielen Helferinnen und Helfern auch aus Deutschland gelten unser Dank und unsere Anerkennung für ihren Mut und für ihren Einsatz.
Konsequenzen aus einem solchen Unglück zu ziehen, bedeutet keine Instrumentalisierung der Opfer. Auch wenn es um Betroffenheit und Trauer geht, bleibt die Frage nach dem Sinn eine wesentliche Frage. Eine entschlossene Wende in der Atompolitik ist die Chance, dem Unglück wenigstens etwas Gutes abzutrotzen,
Die Frage nach der Zukunft der Atomenergie ist spätestens mit den Ereignissen in Japan für viele Menschen abschließend und negativ beantwortet. Herr Ministerpräsident, die Atomenergie ist eben keine Brückentechnologie, wie Sie sie heute hier erneut beschönigend genannt haben. Sie ist vielmehr eine Form der Energiegewinnung, bei der weder der Mensch noch die Technik versagen dürfen. Hinzu kommen die Naturgewalten, denen der Mensch nie vollständig gewachsen sein wird. Sie bergen potenziell katastrophale Folgen für Bevölkerung und Natur, unmittelbar für Leib und Leben und für lange Zeit mit Strahlenfolgen, wie wir es seit Hiroshima, aber auch seit Harrisburg und Tschernobyl und jetzt Fukushima wissen. Das ist nicht verantwortbar aus ethischen Gründen. Es ist aber auch nicht verantwortbar, weil die Wirtschaft auch die Energiewirtschaft - für die Menschen da ist und nicht umgekehrt.
Dieser Landtag hat eine enorme Chance, wenn wir aus unseren Erkenntnissen heute die erforderlichen Konsequenzen ziehen: Wenn es uns gelingt, hier tatsächlich gemeinsam einen neuen, tragfähigen Konsens für einen beschleunigten Atomausstieg zu finden, dann ist es nicht mehr wichtig, wer sich 30 Jahre lang und ganz besonders in letzter Zeit geirrt hat. Wer in der Politik nicht lernfähig ist, sich nicht auf neue Fakten einstellen kann, der sollte lieber nicht politische Verantwortung tragen. Deshalb will ich hier heute Morgen niemandem seine oder ihre Pro-Atomenergie-Zitate aus den letzten Jahren vorhalten. Nein, eine echte Umkehr wäre mehr als erfreulich, denn sie ist ebenso geboten wie willkommen, und dazu lädt unser Antrag ausdrücklich alle Fraktionen in diesem Haus ein.
Ich sage aber auch: Wahlkampftaktische Moratorien oder Versuche, den medialen Sturm auszusitzen, um später die erforderlichen und unumkehrbaren politischen Weichenstellungen für den Atomausstieg zu vermeiden, akzeptieren wir nicht.
Es ist durchsichtig, Herr Ministerpräsident, wenn Sie ausgerechnet denen Wahlkampf unterstellen, die nicht ihre Haltung binnen Stundenfrist um 180 Grad gedreht haben, sondern die leider recht behal
ten haben mit ihrer jahrzehntelangen Forderung nach dem Atomausstieg. Sie reden heute und in Zeitungsinterviews von der Hoffnung, dass dieser Atomausstieg nicht Jahrzehnte, sondern nur wenige Jahre dauern möge. Aber da reichen weder Hoffnung noch Ethikkommissionen, noch Beschwichtigungsgespräche, sondern da braucht es konsequentes gesetzgeberisches Handeln.
Die Nutzung der Atomenergie hat verheerende Folgen. Dies beginnt mit dem Abbau von Uran, der Verstrahlung und Vergiftung durch Unfälle beim Betrieb der Anlage und führt bis zu den hohen Gefahren bei der schier endlosen und nach wie vor ungelösten Endlagerung der Abfälle.
Ihre Parteifreunde setzen ausschließlich auf Gorleben; ich verstehe Ihre Kritik wirklich nicht, was das Thema Endlagerung betrifft. Wir haben erst jetzt wieder die Folgen von Tschernobyl im Fernsehen sehen können. Ich möchte aber auch an die Asse erinnern und an die erhöhte Leukämierate bei Kindern in der Elbmarsch, wo es den Eltern überhaupt nicht hilft, jahrelang über juristische Beweisketten zu streiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das Unglück von Japan hat gezeigt, dass ein Restrisiko eben nicht abstrakt, sondern ganz konkret ist. Egal, ob menschliches Versagen oder technischer Fehler, ob Naturkatastrophe oder Terroranschlag: Diese Energieform ist zu gefährlich, um sie weiterzuverfolgen. Atomunfälle passieren immer wieder. Nur zu gut sind uns die vielen Pannen in den schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken in Erinnerung. Es ist glasklar: Wir müssen jetzt so schnell wie möglich aussteigen. Das ist keine technische, keine finanzielle, sondern eine ethische Frage. Es ist allerdings auch keine Frage eines wohlmeinenden Regierungschefs, der Energiekonzerne in Männergesprächen zum freiwilligen Ausschalten drängt. Schön, dass Sie mit den Energiekonzernen solche Gespräche führen - aber das hilft uns nicht wirklich weiter. Die Energieerzeugung mit Atomenergie ist ein Milliardengeschäft. So viel wirtschaftlicher Sachverstand sollte doch da sein, um zu wissen, dass kein Unternehmen darauf freiwillig oder ohne eine Gegenleistung verzichtet.
Nein, es geht um handfeste und wasserdichte Ausstiegsgesetzgebung, die den Atomausstieg irreversibel macht und zugleich die Gefahr milliardenschwerer Ausgleichszahlungen verringert.
Sie wissen doch selbst, dass die Abkehr vom Atomkonsens im letzten Jahr eben keine energiepolitische Revolution gewesen ist, wie Sie damals gesagt haben, sondern ein schwerer politischer Fehler Ihrer Regierungskoalition in Berlin war. Sie haben die Vereinbarung der Kanzlerin mit der Atomwirtschaft begrüßt. Ihre Ablehnung des rot-grünen Atomkonsenses lag aber, wenn ich mich recht erinnere, doch wirklich nicht daran, dass Ihnen die Ausstiegsgeschwindigkeit zu langsam war.
Man ist doch verwirrt, wenn man manche Interviews liest, die jetzt, vor den Wahlen in BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz, so etwas nahelegen. Nein, der alte Atomkonsens war durchaus eine gute Grundlage, um den Ausstieg einigermaßen zügig und planbar voranzutreiben. Wenn es heute schneller geht, umso besser. Eine Übertragung von Restlaufzeiten der alten Schrottmeiler, um das Leben der Atomenergie weiter zu verlängern, macht doch wirklich keinen Sinn mehr.
Aber entscheidend ist für uns nicht, ob der Ausstieg 2017 oder 2020 abgeschlossen ist. Die endgültige Abschaltung der sieben ältesten Anlagen und des AKW Krümmel wäre jedenfalls ein guter und notwendiger Anfang. Das zeigt doch, was jetzt möglich wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir brauchen aber eine bundesgesetzliche Grundlage. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, können nun zeigen, ob Sie es mit Ihrem Parteitagsantrag vom vergangenen Wochenende ernst meinen. Der Entschließungsantrag, den Sie heute vorgelegt haben, verrät dies nicht gerade.
Auch das kerntechnische Regelwerk von 2009 für Atomkraftwerke ist von enormer Bedeutung. Es wurde leider durch den Umweltminister Röttgen bisher nicht in Kraft gesetzt. Die kursierende Liste aus dem Bundesumweltministerium klingt gut. Aber was passiert wirklich damit? Schon dieses Regelwerk würde dazu führen, dass das Aus für Krümmel und Brunsbüttel endgültig wäre. Aber auch Brokdorf wäre betroffen. Es kann nicht sein, dass bei uns Atomkraftwerke laufen, die nicht gegen Flugzeugabstürze und terroristische Anschläge geschützt sind. Die Hochwasserfrage muss, gerade für Brokdorf, ebenfalls geklärt werden.
zerne mitmischen, den Katalog für nicht umsetzbar oder finanzierbar hält. Das sagt aber gar nichts darüber aus, ob es nicht doch notwendig ist und politisch durchgesetzt werden muss. Meines Erachtens brauchen wir nicht erneute, dazu noch lächerlich kurze drei Monate laufende Sicherheitsüberprüfungen, um Zeit zu schinden, und wir brauchen schon gar keine Vorabfreibriefe für einzelne Kraftwerke. Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen, Herr Minister Schmalfuß, werden Sie gesetzlich initiativ! Denn das ist erforderlich.
Natürlich erreichen wir die konsequente Energiewende ohne Atom und ohne CCS nur mit Vorfahrt für die erneuerbaren Energien, mit Energiesparen und Energieeffizienz. Der geforderte Ausbau der Netze muss umgehend beginnen. Ausbaupläne, Förderungskonzepte und Gesetzentwürfe gibt es in großer Zahl. Allerdings muss die Mittelkürzung auf Bundesebene für die erneuerbaren Energien um über eine Milliarde € zurückgenommen werden, wenn man das will.
Ich möchte den Kollegen Dr. Wadephul zitieren: „Wenn wir alle Energie für die Nutzung von Regenerativen einsetzen, muss eine Wende möglich sein.“
Wir haben hier im Land das Know-how. Das hat doch gerade wieder die Messe new energy in Husum gezeigt. Professor Olav Hohmeyer hat dezidierte, machbare Ausstiegswege entworfen; die SPD, die Grünen und der SSW haben alle realistische Umstiegsszenarien unterstützt. Lassen Sie uns hier im Land zusammenkommen und die Energiewende konsequent in Gang zu setzen!
Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen, Herr Minister de Jager! Es wäre schön, wenn Sie gesetzlich initiativ würden. Dann kann man nämlich all das tun, was energiepolitisch erforderlich ist. Mein Kollege Olaf Schulze wird darauf später noch näher eingehen.
Nehmen Sie es uns aber nicht übel, wenn wir die Schnelligkeit der Positionsänderung bei manchem Kollegen aus den Reihen der Union und der Bundes-FDP noch nicht hundertprozentig für bare Münze nehmen können. Manche fürchten, dass es sich bei der Wende um eine Ente handelt, die gerade noch bis zu den nächsten Landtagswahlen fliegt. Ich sage aber auch mit Respekt: Der Inhalt der Äu
ßerungen von Herrn de Jager oder Herrn Wadephul lässt mich auf anderes hoffen. Darum aber müssen Sie hier und heute bereit sein, Nägel mit Köpfen zu machen. Lassen Sie uns ganz konkret Fakten schaffen, die von Dauer sind und die bisherige ProAtom-Politik von Landes- und Bundesregierung ablösen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das steht aber nicht in Ihrem Entschließungsantrag, der in weiten Teilen ein Begrüßungsantrag ist - ohne jegliche Folgen.