Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte deutlich machen: Wir haben es bei der Atomtechnologie mit einer Technologie zu tun, die wir nicht beherrschen können. Wir haben es auch bei der CCS

Technologie mit einer Technologie zu tun, die wir nicht beherrschen können.

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Wir sollten deshalb aus der Atomdebatte lernen, dass nicht sicher beherrschbare Technologien ein Irrweg sind. Deswegen ist auch CCS ein Irrweg.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Lebenslüge Nummer 2: Wir brauchen Atomkraftwerke, weil diese saubere Energie produzieren. Auch diese Lebenslüge ist seit Jahrzehnten widerlegt, aber erst jetzt scheint sich Schwarz-Gelb zumindest für eine Zeit lang der Diskussion nicht mehr zu verschließen. Vergleicht man die derzeitige Energiebilanz von Atomkraftwerken mit der von erneuerbaren Energien und der moderner Gaskraftwerke, so schneiden die AKWs schlechter ab. Insbesondere durch die Gewinnung des für die AKWs nötigen Urans wird eine Unmenge an Energie aufgewendet. Dies verschlechtert die Energiebilanz und damit auch die Ökobilanz der Kernenergie gegenüber den erneuerbaren Energien und den eben genannten modernen Gaskraftwerken.

Dies liegt aber auch darin begründet, dass dezentrale Einheiten auch so installiert werden können, dass man vor Ort die Abwärme nutzen kann, seien es Biogas- oder andere Gaskraftwerke. Beide können so genutzt werden, dass man den größten Energieschlucker, nämlich die Energie für Wärmegewinnung, gleich mitdenken kann. Riesige Atomkraftwerke brauchten hierfür riesige Industrieanlagen als Abnehmer. Die meisten dieser AKWs stehen aber an Standorten, die genau dies nicht zulassen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Atomenergie eben keine nachhaltige Energieform.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Betrachtet man im Übrigen dann noch, dass die Uranvorkommen auf der Erde immer schwieriger zugänglich werden, dann wird die Atomenergie auf längere Sicht noch unattraktiver.

Lebenslüge Nummer 3: Die AKWs bedeuten auch Arbeitsplätze. - Wenn man sich mit wenigen Arbeitsplätzen zufrieden gibt, dann mag diese Aussage stimmen. Will man aber mehr Arbeitsplätze, dann ist diese Aussage völlig falsch. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in den letzten zehn Jahren Tausende an Arbeitsplätzen geschaffen und, was noch viel wichtiger ist, eine ebenso große Menge an Arbeitsplätzen im Handwerk und Gewerbe vor Ort gesichert. Ganze Landstriche wie bei uns an der Westküste haben so einen unheimlichen Schub

(Lars Harms)

bekommen. In der Fläche werden dezentral Anlagen betrieben, die gewartet und repariert werden müssen. Für das regionale Handwerk ist dies eine wichtige und dauerhafte Einnahmequelle. Überall in unserem Land haben sich Arbeitsplätze rund um die erneuerbaren Energien angesiedelt.

Noch vor 20 Jahren war es fast unmöglich, als Ingenieur einen Job in Nordfriesland zu finden, und heute zieht es die Fachkräfte förmlich in unser Land. Die Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen haben diesen langfristigen Trend aufgegriffen und sich im Bereich der erneuerbaren Energien einen Namen gemacht.

Unser Interesse als Land Schleswig-Holstein muss es sein, die Infrastruktur für diesen Wirtschaftszweig auszubauen und die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass dieser Wirtschaftszweig weiter bei uns blühen kann.

(Christopher Vogt [FDP]: Blühende Land- schaften!)

Ich zitiere noch einmal das Umweltbundesamt, dass sich der gesamte Strombedarf in Deutschland bis 2050 aus erneuerbaren Energien gewinnen lässt. Wir in Schleswig-Holstein sind führend in diesem Bereich, und deshalb muss jede verantwortungsvolle schleswig-holsteinische Landesregierung für den schnellen Atomausstieg und für den Ausbau der erneuerbaren Energien eintreten.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Dies nämlich schafft und erhält gerade bei uns dringend notwendige Arbeitsplätze.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Genau!)

Lebenslüge Nummer 4: Wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, steigen die Strompreise. Auch diese Behauptung ist definitiv Unsinn. In den letzten Jahren sind die Preise in größerem Ausmaß gestiegen als der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromanteil gestiegen ist. Da der Kraftwerkspark der Energieriesen nicht nur aus nagelneuen Anlagen besteht, sondern diese Anlagen oft älteren Datums und damit abgeschrieben sind, hätte der Preis für die konventionelle Energie in den letzten Jahren eigentlich sinken müssen und wahrscheinlich die Mehrkosten für neue Energieformen aufwiegen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, liegt vielleicht auch daran, dass die vier großen Oligopolisten am Energiemarkt die Vergünstigungen nicht an die Verbraucher weitergegeben haben. Das Ganze wurde in der Vergangenheit auch durch die schwarz-gelbe Energiepolitik unterstützt.

Dass die Preise nicht gefallen oder doch zumindest gleich geblieben sind, liegt nicht an den neuen Energieformen, sondern am mangelnden Wettbewerb am Markt.

(Beifall der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Würden mehr unabhängige Anbieter am Markt ihren Strom anbieten, hätte dies auch eine positive Auswirkung auf die Verbraucherpreise. Es muss also Schluss sein mit der künstlichen Subventionierung des Atomstroms und mit der einseitigen politischen Unterstützung der Stromkonzerne.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Würden wir adäquate Sicherheitsstandards für die Atomkraftwerke verlangen, und würden entsprechende Versicherungsbeiträge für die AKWs erhoben werden, würde sich der Betrieb dieser Kraftwerke schon heute nicht mehr lohnen. Wenn aber der Atomausstieg sicher beschlossen würde, würden auch mehr Anbieter im Bereich der anderen Energieformen an den Markt gehen, und dann würde sich die Konkurrenz für die vier großen Energieriesen vervielfachen. Dadurch gäbe es mehr Wettbewerb, und so wären mindestens stabile Preise, vielleicht sogar fallende Preise möglich.

Lebenslüge Nummer 5: Unsere Atomkraftwerke sind sicher. - Dieser Satz lässt sich durch das, was in Japan geschehen ist, ohnehin schon widerlegen. Aber auch, wenn man sich die AKWs in Deutschland einzeln ansieht, wird man nicht um den Schluss herumkommen, dass diese Anlagen nicht sicher zu betreiben sind. Da sind zum Beispiel unsere „Pannenreaktoren“ in Krümmel und Brunsbüttel. In beiden Kraftwerken hat es eine Vielzahl von Störfällen gegeben, die teilweise auch zu schlimmeren Szenarien hätten führen können.

Dass Krümmel seit 2009 abgeschaltet ist und auch Brunsbüttel vom Netz bleibt, hat seine Gründe. Diese Gründe sind einerseits technischer Art und andererseits erwies sich auch der bisherige Betreiber Vattenfall als nicht unbedingt zuverlässig und kommunikativ. Sieht man dann noch, dass man sich in Japan immer wieder eingeredet hat, die nun zerstörten AKWs seien sicher, dann kann einem nur angst und bange werden.

Ich möchte auch auf ein absolut realistisches Szenario hinweisen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wissen wir, dass Menschen zu solchen Anschlägen fähig sind. Wir wissen auch, dass Atomkraftwerke wie das in Brunsbüttel einem sol

(Lars Harms)

chen Anschlag nicht standhalten würden. Wir wissen darüber hinaus, dass auch die Notstromanlagen für die AKWs oft nicht durch eine ausreichende Betonhülle geschützt sind - im Übrigen genauso wie in Japan. Weil wir dies alles wissen, müssen wir in erster Linie unsere Bürger und nicht die großen Stromkonzerne schützen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Was wir brauchen, ist nicht der Marsch in eine verstrahlte Zukunft, sondern ein schnelles Umlenken in der Energiepolitik. Dabei müssen die jetzt im Rahmen des Moratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet bleiben. Es muss vorläufig der rot-grüne Atomkompromiss wieder eingeführt werden. Es muss angestrebt werden, noch früher aus der Atomkraft auszusteigen. Ich verweise noch einmal darauf, dass das unabhängige Umweltbundesamt sagt: 2017 ist absolut realistisch.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Lieber Kollege von Boetticher, dafür müssen wir die erneuerbaren Energien massiv fördern und dezentrale Energieformen voranbringen. Hier sind weder neue Kohlekraftwerke noch CCS-Technik nötig. Vielmehr muss man den entschiedenen Willen haben, endlich umzusteuern. Wir brauchen einen Ausbau der Netze, sodass der Strom aus den neuen Energieformen auch eingespeist werden kann. Hierfür wird es nötig sein, sehr schnell sehr viele Projekte auf die Beine zu stellen. Wenn wir schnell aus der Atomwirtschaft aussteigen wollen, müssen diese Netzprojekte schnell umgesetzt werden, und deshalb brauchen wir hier wahrscheinlich verkürzte Genehmigungsverfahren. Wir müssen deshalb sehr schnell Wege finden, wie bei verkürzten Verfahren im Vorwege die Bürgerbeteiligung nicht zu kurz kommt.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] und Dr. Christian von Boetti- cher [CDU])

Das ist eine der wichtigsten Herausforderungen der Landespolitik für die nächsten Jahre. Ich teile durchaus auch die Auffassung der Landesregierung, die hier geäußert wurde, dass wir die Netze ausbauen müssen, wenn wir jetzt wirklich den Umschwung schaffen wollen. Das wird nicht gehen, wenn die Beteiligungsverfahren so bleiben, wie sie sind. Wir müssen uns etwas Neues ausdenken. Wir müssen im Vorwege die Bürger beteiligen, im Vorwege die Bürger darüber informieren und es durchdiskutieren, um dann mit verkürzten Verfahren Net

ze auszubauen. Dann macht es Sinn. Wir dürfen die Bürger bei der Umsetzung des Ganzen nicht vergessen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wir brauchen die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, die ebenfalls erneuerbare Energiequellen nutzen, wie zum Beispiel Norwegen. Nur wenn die erneuerbaren Energien grenzüberschreitend genutzt werden und sich ergänzen, werden wir den vollen Nutzen der erneuerbaren Energien ausschöpfen können. Wenn wir diesen Weg gehen, dann schaffen wir Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein, unterstützen unsere Hochschullandschaft, generieren sichere Steuereinnahmen für unser Land und sorgen für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Deswegen: Alle AKWs abschalten - und das so schnell wie möglich!

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zur Regierungserklärung. Wir kommen nun zur Abstimmung über die vorliegenden Sachanträge. Zunächst lasse ich über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/1408, abstimmen. - Wer demzustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW angenommen.

Ich rufe die Abstimmung über die Anträge zu den Tagesordnungspunkten 20 und 28 auf. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Es folgt die Abstimmung zu b) des Tagesordnungspunktes, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/1360 (neu), sowie Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und SSW, Drucksache 17/1405.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag Drucksache 17/1405 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zuruf der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD] - Heiterkeit - Christopher Vogt [FDP]: Das läuft ja ganz gut!)

Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/1405 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen

(Lars Harms)

die Stimmen der Fraktionen von SPD und SSW bei Enthaltung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/1360 (neu), abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Zuruf von der SPD: Noch nicht! - Christopher Vogt [FDP]: Grün-links, das wär es doch!)

Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen -

(Zurufe von der CDU: Gegenstimmen!)