Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, das stimmt nicht! Das ist schlicht falsch! - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Ihr müsst mehr als nur die Zeitungen lesen!)

- Gut, ich darf jetzt weitermachen. CCS, die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, muss im ganzen Bundesgebiet ausgeschlossen werden, und die Erprobung und Anwendung von CCS muss überall in Deutschland verboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

(Ranka Prante)

Darum bitte ich um die Unterstützung beider Anträge.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SSW-Fraktion rufe ich jetzt Herrn Abgeordneten Lars Harms auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Landesregierung in Berlin erreicht hat, war wohl nichts. Es hat nur den Anschein, dass es nach langem Gezerre, vielen Diskussionen und Überzeugungsarbeit der Landesregierung gelungen sei, sich Gehör in Berlin zu verschaffen, um die Länderklausel im Entwurf des CCS-Gesetzes unterzubringen. Was uns heute als Vetorecht verkauft wird, ist nur weiße Salbe.

Wie viel Herzblut Sie für die Sache hatten, wird deutlich, wenn wir den Verlauf der Debatte über die CO2-Anlagerung betrachten: Erst auf massiven Druck aus der Bevölkerung und von Vertretern aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Verbänden und Organisationen hat es die Landesregierung übers Herz gebracht, schleswig-holsteinische Interessen zu vertreten.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Ge- schichtsfälschung!)

Ich kann mir dabei durchaus vorstellen, dass es nicht einfach war, in Berlin und gegenüber den anderen Bundesländern verständlich zu machen, warum wir nicht wollen, dass das CO2 bei uns in den Untergrund verpresst wird. Ebenso schwierig ist es sicherlich gewesen, eine entsprechende Lösung in Form einer Länderklausel herbeizuführen. Das wird von uns nicht angezweifelt. Aber nach Veröffentlichung des Entwurfs wurde dann schnell deutlich, dass das, was dort drin steht, für Schleswig-Holstein nicht ausreicht. Zwar wurde eine sogenannte Länderklausel im Entwurf aufgenommen, aber das Verpressen unter der Nordsee außerhalb der Zwölfmeilenzone kann nicht verhindert werden. Aufgrund der Ausbreitung von CO2 im Untergrund wäre neben den Inseln auch das Festland betroffen. Durch die „kalte Küche“ Nordsee wird der Dreck unter unsere Füße gepresst. Damit wird jede Länderklausel ad absurdum geführt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident Carstensen hat sich mehrmals dafür feiern lassen, dass eine Länderklausel nun im Entwurf drin ist. Wer aber die Debatte zur ersten Lesung im Bundestag verfolgt hat, stellt fest, dass die Länderklausel von mehreren Fraktionen unter anderem von der FDP - sehr kritisch gesehen wird. Das parlamentarische Verfahren hat nun erst richtig begonnen. Aber sicher verankert ist die Länderklausel im Gesetz noch nicht.

Besonders deutlich geht dies aus dem Redebeitrag von Herrn Kauch von der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Ich zitiere:

„So, wie diese Länder in einigen Fragen zu Recht die Solidarität des Bundes einfordern, so erwarte ich auch, dass sie die Verpflichtung zur Solidarität mit der Bundespolitik ernst nehmen, wenn sie selbst gefordert sind.“

Mit anderen Worten: Wenn wir etwas vom Bund bekommen, kann der Bund uns im Gegenzug zur Müllkippe der Nation machen. Die wirtschaftlichen Interessen würden vor alle anderen Interessen gestellt. Wer solche Äußerungen tätigt wie dieser Bundestagsabgeordnete, hat den Föderalismus überhaupt nicht verstanden. Damit spricht er den Ländern jegliche Kompetenz ab und stellt geologische Voraussetzungen über den Willen der Bevölkerung. Aber auf dem Untergrund, über den wir sprechen, leben Menschen. Es macht vor allem deutlich, die Länderklausel ist noch nicht gesichert. Auch im Bundesrat wird es der Gesetzentwurf schwer haben, weil Brandenburg bereits angekündigt hat, den Gesetzentwurf so abzulehnen.

(Christopher Vogt [FDP]: Warum denn? Warum sind die denn gegen die weiße Sal- be?)

- Warum, ist mir völlig piepegal. Lieber Kollege, es geht denen in Brandenburg darum, dass Sie grundsätzlich wollen, dass CCS in der gesamten Bundesrepublik, und zwar kommentarlos, erlaubt wird. Sie wollen gar keine Ausstiegsmöglichkeit haben. Doch selbst, wenn die Länderklausel in der vorliegenden Fassung kommt, stellt sich die Frage, welchen Wert die hat. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kommt zu dem Ergebnis, dass es den Ländern nicht möglich sein wird, ihr komplettes Territorium von der Verpressung auszunehmen, lieber Kollege Kubicki. Stattdessen muss für jeden infrage kommenden Standort gerichtsfest festgestellt werden, warum eine Endlagerung für das jeweilige Gebiet nicht möglich ist. Das hat nichts damit zu tun, dass gegen den

(Ranka Prante)

Willen der Menschen keine CO2-Enlagerung stattfinden soll. Vielmehr kann sich hier jedes Unternehmen weiterhin eine CO2-Endlagerstätte erklagen.

Lieber Kollege Kubicki, selbstverständlich kommt dann ein Gesetz, wenn Sie ein Gesetz machen. Aber gegen dieses Gesetz kann man klagen und kann sein Recht durchsetzen, indem man sagt, dieses Gesetz ist nicht auf ordentlicher gesetzlicher Grundlage zustande gekommen.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Dann bekommen wir das Ganze durch die Hintertür, nur ein bisschen später. Das ist etwas, was wir alle hier nicht wollen. Dann müssen Sie sich als Landesregierung und als Vertreter einer regierungstragenden Fraktion mal auf die Hinterbeine stellen, um dieses eben zu verhindern.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, eigentlich lässt das Ganze nur einen Schluss zu: Wir fordern die Landesregierung auf, sich im Bund dafür einzusetzen, dass mindestens eine Länderklausel kommt, die ihren Namen auch verdient, nämlich eine, die ohne Wenn und Aber ermöglicht, die CO2-Endlagerung in Schleswig-Holstein auszuschließen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber am besten wäre es - nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Umwelt -, wenn nun dieser Unsinn per Gesetz in ganz Deutschland verboten würde.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe nun die Dreiminutenbeiträge auf. Das Wort hat zunächst der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Robert Habeck.

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Es ist ehrlich gemeint. Ich habe mich in den letzten Tagen ein paar Mal gefragt, wie ich mich wohl verhalten hätte - was rein hypothetisch ist -, wenn ich hier in Schleswig-Holstein etwas Entscheidendes zu sagen hätte, in Berlin gäbe

es eine von Grünen mitbestimmte Regierung und ich hätte die Anti-CO2-Interessen im Land gegen meine Parteifreunde zu vertreten. Das ist eine Situation, die wir uns alle vorstellen können. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es ist, eine solche Linie durchzuhalten. Das sei vorweggeschickt. Ich finde auch, dass wir in der Gemeinsamkeit des Hauses - das schließt die regierungstragenden Leute, vor allen Herrn de Jager und Herrn Carstensen ausdrücklich ein - bis jetzt versucht haben, diese Linie zu halten. Das fand ich immer gut.

Was ist also der Kern des Konfliktes jetzt, wo diese Linie wieder zu zerfasern droht? Ich habe - jetzt haben wir uns schon gegenseitig hin und her zugerufen, was in dem Text steht - das einmal mitgebracht. Ich kann natürlich jetzt nicht die gesamte Fibel vorlesen, aber vielleicht die entscheidenden Sätze. Die Länderklausel lautet:

„Die Länder können durch Landesgesetzgebung bestimmen, dass eine Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung nur in bestimmten Gebieten zulässig ist oder in bestimmten Gebieten unzulässig ist.“

Das heißt richtigerweise: Ja, es gibt eine Länderklausel, und die ist sehr weitgehend formuliert. Die Länder können es ausschließen. Das ist kein Problem. Darüber müssen wir nicht streiten.

Dann kommen die Ausführungsbestimmungen. Jetzt wird es kompliziert. Die Kriterien, nach denen ausgewiesen wird, werden auch genannt. - Die Antwort des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, über die wir hier schon gestritten haben - das haben Herr von Abercron und Detlef Matthiessen genannt - benennt als Kriterien „energie- und industriebezogene Nutzungsoptionen“ sowie „geologische Besonderheiten“.

Das sind drei Punkte, die klar aufseiten der Möglichkeiten von Verpressung stehen. Das ist schon einmal ein Malus.

Dann wird als sozusagen positive Verhinderung innerhalb eines Abwägungsprozesses andere öffentliche Interessen (… Umwelt- und Tourismusbelan- ge)“ genannt.

Die sind gegeneinander abzuwägen. Das habe ich bei der Zwischenfrage an Herrn Abercron gesagt. Damit ist ein Übergewicht - befürchten wir jedenfalls - zugunsten der Pro-Einlagerungsargumente gegeben. Das ist unsere Befürchtung. Darüber streiten wir, ob diese Befürchtung richtig ist oder ob sie übertrieben, überzogen und Panikmache ist. Das ist der Punkt.

(Lars Harms)

Zweite Frage: Welche Hinweise gibt uns das Gesetz dazu? Es gibt in den Ausführungen in der Antwort des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags eine Intentionsinterpretation - so möchte ich das jedenfalls verstehen -, die eindeutig darauf abzielt, das eine weitestgehende Auslegung im Sinne einer Verhinderung nicht die Intention des Gesetzes ist. Herr Kubicki, Sie haben es auch vorgelesen. Das ist auf Seite fünf der zweite Absatz, wo deutlich wird, dass das Gesetz nicht infrage stellen darf, dass CO2 insgesamt in der Intention der Einlagerung geplant werden soll. Das ist das Problem. Daraus entnehmen wir, dass die Abwägung, wie ich in Richtung Herrn von Abercron gesagt habe, vor einem Gericht möglicherweise in der Tendenz im Sinne des Gesetzes zugunsten von CCS und CO2. entschieden wird. Darüber streiten wir.

Ich finde die Argumente relativ stark, dass wir recht haben. Mehr ist es nicht. Aber es ist doch so viel, dass wir sagen können: Wir sind weit von der Idee entfernt, einen starken Verhinderungsmechanismus zu schaffen, dass wir in Schleswig-Holstein darüber entscheiden können, ob wir das Zeug hier haben wollen oder ob wir es nicht haben wollen. Es ist in der Tendenz ein CCS-Ermöglichungsgesetz. Die Mittel, die wir haben, um das zu verhindern

(Glocke des Präsidenten)

ich glaube, dass das auch die regierungstragenden Fraktionen bedauern -, reichen nicht aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht weniger um Aufklärung oder um Polemik, sondern schlicht und ergreifend darum, sich mit den Gutachten auseinanderzusetzen, Herr Kollege. Aber Sie wissen, man muss zunächst die Fragestellung beachten. Die Fragestellung lautet: Gibt es die Möglichkeit eines kategorischen Ausschlusses, das heißt, eines Ausschlusses ohne jede Form von Begründung? - Die kann es nicht geben.

Was unterscheidet einen Rechtsstaat von einem Willkürstaat? - Die Tatsache, dass nicht willkürlich entschieden werden darf, sondern dass bei allen Gesetzen, die wir hier machen, abgewogen werden

muss. Es gibt ein Abwägungsgebot bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen.

Die Länderklausel bestimmt nun, dass das Land durch Gesetz bestimmen kann, dass einzelne Gebiete - oder alles - nach einem Abwägungsprozess von der CO2-Speicherung ausgenommen werden können. Das ist eine ganz normale Aufgabe und ein Auftrag an den Gesetzgeber, der wir uns nicht dadurch entziehen können, dass wir sagen, wir treffen einfach mal eine politische Entscheidung, dass wir sagen, wir wollen das nicht, wir begründen das nicht weiter.

Die Abwägungskriterien sind genannt worden, und der Gesetzgeber hat eine Abwägungsprärogative, das heißt, kein Gericht der Welt kann und wird, wenn alle Informationen vorliegen, wir uns damit beschäftigen und dann zu der Einschätzung kommen, dass das eine oder andere für uns wichtiger ist als das andere, das aushebeln, sondern wird sich nur mit der Frage beschäftigen, ob wir tatsächlich einen Abwägungsprozess vorgenommen haben.