Dies gab er vor drei Jahren zu Protokoll. Erklärt wurde das dann durch das Bundesverfassungsgericht.
Für den SSW stand allerdings schon damals fest, dass die allumfassende Erfassung millionenfacher Daten einen massiven Eingriff in die Bürgerrechte darstellt.
Deutschland ist nun einmal eine Autofahrernation. Damit geriet auf einen Schlag die ganze Nation in den Blick der Fahnder.
Wir lehnen das Kennzeichen-Scanning ab, weil es das Grundrecht der Autofahrer auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Dieses Grundrecht ist für den SSW ein hohes Gut.
Der vorliegende Antrag will diese Vorschrift abschaffen. Nach unserer Ansicht ist aber das in der Begründung enthaltende Argument des fehlenden Fahndungserfolges zweitrangig.
Umgekehrt ließe sich aus dieser Begründung schlussfolgern, dass diese Massenspeicherung auch bei der Entdeckung nur eines einzigen Straftäters gerechtfertigt gewesen wäre. Das ist falsch. Das Kennzeichen-Scanning hat in Deutschland nichts zu suchen, weder in Schleswig-Holstein noch in einem anderen Bundesland.
Wer alle Bürger ausnahmslos als potenzielle Täter sieht, vergreift sich an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Dies gilt im Übrigen auch für die Vorratsdatenspeicherung, die in dieser Woche vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde.
Einige namhafte Kolleginnen und Kollegen haben an dieser Verhandlung teilgenommen. Es war die größte Beschwerde, die es jemals gegeben hat, weil es entsprechend viele Kläger gegeben hat. Ich weise nur darauf hin, dass man auch in diesem Bereich immer mehr den Eindruck bekommt, wir seien alle verdächtig, es sei denn, wir beweisen das Gegenteil. Auch bei den GEZ-Gebühren soll das jetzt eingeführt werden. Wir müssen nachweisen, dass wir kein Rundfunkgerät haben. Ich sage nur am Rande: Diese Beweislastumkehr finde ich immer sehr spannend.
Die im Namen der Terrorismusabwehr erfolgte massive Verletzung der Bürgerrechte bis hin zur Verletzung der Privatsphäre hat ohne Zweifel unser Land verändert. Bürgerrechte drohen zum musealen Artikel zu werden, die man allenfalls noch in einem Lexikon finden kann; gelebt werden sie aber nicht mehr. Dabei müssen gerade wir als Abgeordnete den Bürgerrechten jeden Tag wieder neu Geltung verschaffen.
Deshalb kein Kennzeichen-Scanning mehr in Schleswig-Holstein. Sollte die Vorschrift aus zeitlichen Gründen abgelaufen sein, wäre es gut, sie würde auch aus dem Gesetzestext entfernt. Wie ich vorhin schon sagte: Ich hasse nichts mehr, als Gesetze zu lesen und daneben in den Bundesverfassungsgerichturteilen lesen zu müssen, damit ich weiß, was im Gesetz steht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich bekanntermaßen nichts schuldig bleiben will, muss ich sagen, meine Mitarbeiter haben die
- Ich hatte das ja nicht verstanden; aber sie haben sich mittlerweile daran gewöhnt und wissen, was sie zur Kenntnis nehmen müssen.
Herr Kollege Dolgner, die Frage war durchaus berechtigt, weil damals die Große Koalition einen erneuten Verfassungsbruch plante. Am 25. Mai 2008 wurden nämlich neue Kreistage gewählt, und die Frage stand im Raum, ob jene Abgeordnete, die in Kreistage gewählt werden, die möglicherweise durch Zwangsfusionen zusammengeschlossen werden, ihr Mandant verlieren, das heißt, ob sie eine fünfjährige Wahlperiode haben sollten oder nicht. Ich empfehle Ihnen wirklich, die damalige Antwort des sehr verehrten Oppositionsführers, des damaligen Innenministers, nachzulesen in dem Plenarprotokoll über die 57. Sitzung des Landtages, Seite 4.150. Ich empfehle das wirklich. Auch dabei werden Sie feststellen, welches fundamentale Rechtsstaatsverständnis Ihr damaliger Innenminister hatte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Erste, was ich in dieser Legislaturperiode als jemand, der nun wieder hier reden darf, gelernt habe, ist, dass wir in den nächsten Monaten und wahrscheinlich noch darüber hinaus erleben werden, dass die letzte Legislaturperiode aufgearbeitet wird. Ich habe dabei zur Kenntnis genommen, dass für die Aufarbeitung nicht jene die Verantwortung tragen, die Gesetzentwürfe gefertigt und als Ressortminister hier eingebracht haben, dass die Verantwortung auch nicht jenen zugewiesen wird, die dafür die Hand im Parlament gehoben haben, sondern dass der Ursprung letztlich bei dem liegen soll, der es in die Koalitionsverhandlungen eingebracht hat. Da ich die damaligen Koalitionsverhandlungen im Bereich Innen und Recht federführend geführt habe, möchte ich dem Parlament nicht vorenthalten, dass der Vorschlag, das KfzScanning als Modellversuch einzuführen - die Union hatte auch vor, das Kfz-Scanning einzuführen, aber nicht als Modellversuch - vom damaligen Ver
handlungsführer der SPD, Herrn Ulrich Lorenz, kam, der damals gesagt hat: Das entspricht voll unserer politischen Auffassung. - Ich sage das nur, falls wir weitere solcher Merkpunkte haben, bei denen wir das politisch aufarbeiten wollen.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion hat ein Ziel: § 184 Abs. 5 des Landesverwaltungsgesetzes soll gestrichen werden. Genau diese Bestimmung - das ist hier schon hinreichend deutlich geworden - hat das Bundesverfassungsgericht am 11. März 2008 für nichtig erklärt. Mit dieser sogenannten Nichtigkeitserklärung wird ein Gesetz oder ein Paragraph mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Nichtigkeitserklärung hat also Gesetzeskraft. Das heißt: Die Bestimmung im Landesverwaltungsgesetz über das Kfz-Scanning ist rechtlich längst aufgehoben und muss daher so behandelt werden, als stünde sie nicht im Gesetz.
Herr Kollege Fürter, ich finde es daher interessant, wie Sie diesem Gesetzentwurf der SPD vor diesem rechtlichen Hintergrund, den Sie als Jurist sicherlich genauso beurteilen wie ich, zustimmen wollen. Auch aus diesem Grund hat der damalige Innenminister Hay noch am Tag des Urteils verfügt, dass die Polizei das Kfz-Scanning sofort einstellt. Daher spielt die Regelung in der Praxis der Polizei seit dem 11. März 2008 auch keine Rolle mehr.
Die Bürgerinnen und Bürger werden im OnlineBürgerservice „Landesrecht Schleswig-Holstein“ darauf aufmerksam gemacht, dass Absatz 5 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. Die Polizei weiß es auch. Für niemanden gibt es also das Bedürfnis einer Klarstellung durch den Landesgesetzgeber. - Entschuldigung, ich habe gesagt: für niemanden. Das ist falsch. Für die Kolleginnen und Kollegen der SPD gibt es das doch. - Bei der nächsten routinemäßigen Gesetzesbereinigung oder bei der Neuauflage des Landesverwaltungsgesetzes, das wir, Herr Kollege Kubicki, miteinander verabredet haben, wird durch den Fachbuchhandel das für nichtig Erklärte automatisch aus dem Gesetzestext herausgenommen. Das ist völlig selbstverständlich.
Für den Gesetzesantrag der SPD-Fraktion gibt es damit weder ein praktisches noch ein rechtliches Bedürfnis. Selbst eine deklaratorische Neufassung, die auch ohne Gesetzgebung in Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht werden könnte, ist aufgrund der Finanzsituation des Landes SchleswigHolstein nicht zu rechtfertigen. Auch wenn wir den Kolleginnen und Kollegen der SPD einen Gefallen
tun wollten, könnten wir das aus diesem Grund nicht. Denn das kostet unnötigerweise Haushaltsmittel und bindet Verwaltungskraft. Ich sage einmal etwas legere: Das war nichts, Herr Stegner.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein kleiner Hinweis an die Fraktion DIE LINKE: Die Nahrungsaufnahme im Parlament ist nicht üblich. Das Verteilen innerhalb der Fraktion der LINKEN in größerem Stil ebenfalls nicht. Und die Gabe an das Präsidium müssen wir leider auch zurückgeben. Wenn es dezent geschieht, ist es akzeptabel, aber wir sollten doch die Form wahren.
Für einen Dreiminutenbeitrag hat sich der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich angesichts der Debatte verschiedene Punkte festhalten.
Erstens. Der SPD-Fraktion ging es mit ihrem Antrag nicht um das Thema juristische Nichtigkeit, sondern um die Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger in den Gesetzen, dem Polizeigesetz und dem Landesverwaltungsgesetz, unmittelbar erkennen können, dass das Kennzeichen-Scanning nicht mehr Gegenstand der Gesetzgebung in Schleswig-Holstein ist.
Zweitens. Ich räume ohne Wenn und Aber ein, dass das Bundesverfassungsgericht eine andere Auffassung in der Beurteilung dessen vertreten hat, was die sekundenlange Speicherung von erfassten Kennzeichen bedeutet, als ich sie damals vertreten habe. Das räume ich ein. Ich finde es übrigens keine Schande, das einzuräumen, sondern ich sage das hier auch. Das hat man so zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn man damals anders argumentiert hat. Ich bekenne mich übrigens durchaus auch dazu, dass ich zu den Menschen gehöre, die auch Fehler machen. Es gibt auch welche, die fehlerfrei sind. Ich gehöre nicht dazu.
Drittens. Herr Innenminister, was Sie ausgeführt haben, ist allerdings schon reichlich unverschämt. Ich muss Ihnen sagen, der Vorschlag, das als Modellversuch zu machen, war in der Tat der Versuch der SPD festzustellen, ob das überhaupt etwas
nützt. Die CDU wollte das vollständig ins Gesetz aufnehmen - unbefristet und unabhängig davon, ob es funktioniert oder nicht.
Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, das sei eine SPD-Idee und vielleicht auch noch der finale Todesschuss und die anderen Dinge, die Sie einführen wollten: Das ist nicht nur Geschichtsklitterung, das ist falsch.
Und schließlich, Herr Vorsitzender der FDP-Fraktion, die Aufgeblasenheit, mit der Sie hier auftreten, steht in einem wirklich merkwürdigen Missverhältnis dazu, dass das bisher einzige Online-Durchsuchungsgesetz - ich war übrigens der letzte Innenminister, der verhindert hat, dass es in Kraft treten kann - von einem FDP-Innenminister aus Nordrhein-Westfalen stammt. Das hat das Bundesverfassungsgericht kassiert. Das war nun wirklich ein gravierender Eingriff in die Rechte sehr vieler Bürgerinnen und Bürger. Insofern steht Ihnen die Aufgeblasenheit wirklich denkbar schlecht, Herr Kubicki. Das will ich hier schon einmal sagen.
Und ein Letztes: Ich bin sehr gespannt, wie oft wir in dieser Legislaturperiode - wir sind noch ganz am Anfang - feststellen werden, dass das, was Sie so ankündigen, und das, was Sie dann tun, vielleicht nicht das Gleiche ist. Wir werden ja morgen Gelegenheit haben, bei verschiedenen Dingen darüber zu reden. Ich bin sehr gespannt, wie oft Sie sich mit Ihren Grundsätzen durchsetzen. Wir werden Ihnen das jeweils vorhalten.
Ich räume das ein: Wir hatten eine Koalition, wir haben uns in vielem durchgesetzt, nicht in allem. Der Punkt, der heute debattiert wird, gehört nicht zu den Ruhmesblättern. Auch das sage ich freimütig. Aber wir werden Sie sehr daran messen und Gelegenheit haben, darüber zu reden, was Sie hier alles in der Koalition durchsetzen und wo Sie viele Dinge, die Sie den Bürgern versprochen haben, schon am Tag nach der Wahl wieder kassieren. Morgen reden wir über das schöne sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Da haben wir schon eine Gelegenheit, dies festzustellen.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich nun dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher, das Wort.