Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir reden über Demokratieinitiativen, und Sie reden über Extremisten! - Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist der Denkfehler!)

- Ich finde, das ist kein Denkfehler. Ich will zu der Erklärung kommen. Durch vier Seiten, die Frau Hinrichsen gerade vorgetragen hat aus der Frage, die Sie zitiert haben, ist mir Ihre weitere Frage, die Sie für sich gestellt haben, nicht ausreichend erleuchtet worden. Im Text heißt es: zu den im Rahmen unserer Möglichkeiten - also Ihrer Möglichkeiten. Das sollen wir unterschreiben. Wenn man das juristisch auslegt, ist die einzige Kritik, die ich teile, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages genannt hat. Diese ist eigentlich zu unkonkret. Das ist einer der Punkte gewesen, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages beanstandet hat. Das könnte man so sehen. Aber es ist wahrscheinlich nicht Ihr Interesse, noch deutlicher ausgeführt zu haben, was die noch alles aufführen sollen. Das sind ja nur die Hinweise auf den vier Seiten gewesen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Serpil Midyatli das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil Sie vorhin keine Zwischenfrage zugelassen haben, muss ich jetzt noch einmal nach vorn gehen. Ich möchte gern wissen, wo CDU- und FDP-Fraktion den Topf mit Weisheit um das Landeshaus herum versteckt haben, zu dem sie rausgehen und aus dem sie immer wieder einen Löffel nehmen. Sie

(Dr. Axel Bernstein)

stellen sich hier hin und behaupten, dass nur Sie diejenigen sind, die recht haben.

Ich bin in meinen Ausführungen darauf eingegangen, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages dies für rechtsstaatlich bedenklich hält, dass der Ausschuss für Frauen und Jugend des Bundesrates einer entsprechenden Initiative des Landes Berlin schon zugestimmt hat. Aber nur Sie auf der rechten Seite des Hauses wissen immer alles besser und können sich überhaupt nicht vorstellen, dass Anträge vernünftig vorbereitet worden sind, und einfach einmal der Argumentationslinie folgen. Das finde ich sehr traurig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW - Gerrit Koch [FDP]: Entschuldigung, dass wir eine eigene Meinung haben! - Weitere Zurufe)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Aufregung entsteht natürlich auch dadurch - das ist ganz klar -, dass sich Kristina Schröder hier als Kristina McCarthy profilieren will und nichts anderes.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Da ist es an den Haaren herbeigezogen, dass es irgendwelche Nazis gibt, die sich in diese Initiativen einschleichen.

Ich möchte Frau Amtsberg vehement widersprechen. Die Grünen springen in einer solchen Demokratiefrage wieder einmal zu kurz. Eine Regelanfrage für solche Initiativen ganz in Ordnung zu finden - mein Gott, wo sind wir dann? Wollen Sie Regelanfragen auch in anderen Bereichen? Herr Bernstein fand das ja auch ganz okay. Dann hätten wir Regelanfragen ja auch ins Mittelstandsförderungsgesetz aufnehmen können. Ich glaube, das ist eine Zeit, die wir lange überwunden haben. Besonders schlimm ist, dass man diese Regelanfrage noch an andere, an Dritte übertragen will. Da hört es irgendwo auf.

Ich glaube, wir können ertragen, dass sich bei solchen Initiativen vielleicht tatsächlich ein Extremist einmogelt, genauso wie wir es im Straßenbau auch einmal ertragen haben, dass sich ein NPD-Unternehmer eingemogelt hat. Das wurde dann natürlich

aufgedeckt. Stellen Sie sich einmal vor, wenn bei jedem öffentlichen Auftrag das, was Frau Schröder hier vorgegeben hat, auch noch abgefragt werden würde, wie es vonseiten der CDU als vernünftig angesehen wird!

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Amtsberg?

Ja, gern.

Herr Kollege Rother, haben Sie in meinem Wortbeitrag verfolgen können, dass ich lediglich davon gesprochen habe, dass die Initiativen selbst gesagt haben, dass der erste Teil für sie nicht das Problem darstelle, sondern der zweite, und dass ich mich darauf berufen habe? Ich bin keine Initiative, sondern ich höre mir die Gedanken an, die dazu im Umlauf sind. Das habe ich in meinem Wortbeitrag deutlich gemacht. Für meinen Teil ist es nicht notwendig, den ersten Teil zu unterschreiben. Haben Sie das in meiner Rede verfolgt?

- Wunderbar. Dann ist das klar geworden. Es ist manchmal etwas verwirrend, weil die Aussagen der Initiativen manchmal etwas verwirrend sind, weil manche Initiativen es tatsächlich gut finden, auch vor dem Hintergrund, weil diese Erklärungen im Zusammenhang mit den Mittelkürzungen, die der Bund vorgenommen hat, aufgetaucht sind und die Initiativen natürlich einmal über die Schulter schauen, was bei den anderen los ist. Dabei ist eine Initiative, die Sie auch gestern in Ihrem Wortbeitrag genannt haben, die ein Stück weit denunziatorisch tätig wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Weg, der in eine völlig falsche Richtung führt. Wir sollten uns davor hüten, so etwas anderen Bereichen aufzudrücken. Unsere Demokratie ist stark genug, so etwas im Zweifelsfall auszuhalten, ohne ein Kontrollnetz über die gesamte Republik zu spannen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN - Zurufe)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner das Wort.

(Serpil Midyatli)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! In einer freien Gesellschaft muss man nicht begründen, warum man etwas nicht will als Erklärung, sondern man muss die Geeignetheit jeglicher Maßnahme begründen. Das heißt, die Aussage, das sei doch unschädlich, ist nicht geeignet, um jemandem etwas abzuverlangen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Sonst könnten wir immer alles Mögliche unterschreiben lassen. Hinterziehen Sie keine Steuern und so weiter! Das erinnert mich ein bisschen an das Einreiseformular in die USA: Haben Sie vor, einen terroristischen Anschlag zu begehen? - Die Terroristen werden natürlich ankreuzen: Ja, habe ich, damit ich bei den Customs gleich aufgehalten werde. Daran können Sie erkennen, dass die Extremismusklausel reine Symbolpolitik ist.

Ich versuche, Sie einmal mitzunehmen. Wenn Sie wirklich vorhaben, die freiheitliche-demokratische Grundordnung zu unterwandern, dann werden Sie das doch mit Freuden unterschreiben, dann sind Ihnen die Regeln dieses Staates doch völlig egal, und dann werden auch Ihre ganzen Kollegen die gleiche Klausel unterschreiben. Nichts anderes ist es doch, was wir teilweise auf dem rechten Rand haben, dass sie versuchen, sich möglichst legale Strukturen zu geben und legal auszusehen. Sie unterschreiben sich alles gegenseitig. Das ist überhaupt kein Problem. Dann kriegen sie die Fördermittel.

Das heißt, mit der Extremismusklausel haben Sie gar nichts erreicht, Sie haben gar keinen Erkenntnisgewinn. Nein, Sie treffen diejenigen, die sich in mühevoller Arbeit einen Kopf machen und sich fragen: Welche Verantwortung habe ich denn, wenn ich für alle Projektpartner mit unterschreiben soll, wenn ich eine Art Koverfassungsschutz machen soll?

Ich bin nicht der Meinung, dass wir keinen Verfassungsschutz brauchen. Ich finde, der Verfassungsschutz gehört zur wehrhaften Demokratie. Das sehen einige auf dem linken Spektrum übrigens anders. Das sehe ich nicht so. Ich finde auch nicht, dass Google den Verfassungsschutz ersetzen kann. Verfassungsschutzrechtliche Fragen soll bitte der Verfassungsschutz prüfen und niemand anderes.

(Beifall bei SPD und SSW)

Es gibt sogar schon Anträge in Kreistagen dazu. Den entsprechenden Antrag können Sie nachgoogeln. Man muss sich das einmal vorstellen: Kom

munale Vertretungen wollen jetzt prüfen, ob sich jemand verfassungsmäßig verhält. Ich bin selber Mitglied in einer kommunalen Vertretung und glaube nicht, dass wir das können und dass das unsere Aufgabe ist.

Wenn eine Organisation verfassungswidrig ist, dann hat sie natürlich keinen Anspruch auf Fördermittel. Dann kann man als Fördermittelgeber doch im Zweifelsfall beim Verfassungsschutz anfragen oder als Fördermittelgeber einfach einmal den Verfassungsschutzbericht in die Hand nehmen, um zu gucken, wer das ist. Wo ist denn das Problem?

Nein, diese Klausel ist reine Symbolpolitik, die zeigen soll: Wir tun etwas für die Verfassung. Im Gegenteil, man tut gar nichts. Man tut sogar das Gegenteil, indem man Menschen, die jahre- und jahrzehntelang unter großem persönlichen Einsatz arbeiten, verunsichert, wenn man ihnen solche Erklärungen abverlangt. Diebstahl oder Betrügereien bekämpfen Sie auch nicht so. Wie wollen Sie Betrügereien zukünftig bekämpfen, indem Sie jeden eine Klausel unterschreiben lassen, der Telefonbetrug macht: „Ich mache keinen Telefonbetrug“? Das macht er mit links, und dann ist die Sache erledigt.

Nein, staatliche Autorität hat die Aufgabe und Verpflichtung, diese Verfassung zu schützen, und der einzelne Bürger darf nicht den anderen ausschnüffeln, wie er zur Verfassung steht. Das gehört zu unseren Grundprinzipien. Deshalb ist der Vergleich mit McCarthy übrigens gar nicht so schlecht, den Herr Kollege Rother gebracht hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Der ist ziemlich peinlich!)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte hat einige bemerkenswerte Sätze hervorgebracht. Erster Punkt: Der Sprecher der LINKEN sagt, Teile der Linken stünden unter Verdacht. Herr Kollege, Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Nicht die Frau Ministerin stellt jemanden unter Verdacht.

(Zurufe von der LINKEN)

- Hören Sie doch einmal zu! Sie sind eine Partei, die durch ihr eigenes Verhalten betroffen ist. So ist die Wirklichkeit.

(Zurufe von der LINKEN)

- Ja, genauso ist es. Ich erinnere an die Debatte von gestern. Es sind nicht diejenigen, die einem Verdacht unterliegen, sondern diejenigen, die durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen die Ursache dafür legen. Das ist der Punkt, um den es in dieser Debatte geht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweiter Punkt: Sie haben behauptet, Linke würden in ihrer Gesamtheit diffamiert. Welch ein ungeheuerlicher Satz! - Linke werden in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht diffamiert. Es wird nur eingeklagt, dass jeder sich zur Grundordnung zu bekennen hat. Das ist nicht zu viel verlangt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dritter Punkt: Herr Kollege Dr. Dolgner, zur sogenannten Extremismusklausel. Diese Klausel hat einen Punkt, auf den es ankommt. Dieser beinhaltet, dass man im Zweifel fehlgeleitetes Geld zurückbekommen würde. Das ist keine Kleinigkeit. Ich gehöre zu denjenigen, die manche Dinge schon ein bisschen länger erlebt haben. Wir hatten früher den Ring politischer Jugend. Dort war es eine Selbstverständlichkeit, dass die Jugendorganisationen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen hatten, wenn sie Geld bekommen wollten.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Je mehr Sie sich aufregen, umso interessanter wird die Debatte. Je weniger Argumente kommen, umso größer ist die Lautstärke. Ich finde, Lautstärke ist selten ein Argument, wenn jemand ohne Argumente kommt.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Gern, aber stoppen Sie bitte die Sekunden.