Herr de Jager, wir fordern Sie auf: Erteilen Sie dem geplanten Steinkohlekraftwerk von SüdWestStrom eine Absage. Das ist die falsche Priorität. Herr Buder, ich muss Ihnen sagen: Ordnungspolitische Rahmengesetzgebungen wie das von meinem Kollegen Detlef Matthiessen lange diskutierte Landesentwicklungsgrundsätzegesetz könnten dies verhindern. Ich empfinde auch, dass Sie in der Legitimationsfalle sind. Sie haben einen unauflösbaren Widerspruch, in den Sie sich als Landesregierung hineinbegeben, wenn Sie dieses neue Kohlekraftwerk bauen lassen. Dieses Kraftwerk soll bekanntlich capture ready sein. Das heißt, Sie wollen CO2 abscheiden. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, wo Sie das CO2 einlagern wollen. Wo ist hier die Logik? - Sie stellen sich hier im Landtag hin und sagen. Wir wollen keine Einlagerung in SchleswigHolstein haben. Das ist richtig. Wollen Sie eine Pipeline nach Brandenburg bauen? - Wollen Sie das CO2 im Meeresboden an der Nordseeküste versenken, oder wollen Sie die wichtigen Kavernen in Brunsbüttel mit CO2 vollstopfen? - Wir sagen: Die Zukunft liegt bei der Speicherung der Energie und bei der Windenergie sowie der Speicherkapazität. Das ist die Herausforderung für Brunsbüttel.
Herr Minister, Sie waren gestern mit mir auf der Veranstaltung der WindCom. Ich fand diese Veranstaltung ausgesprochen spannend. Ich habe dort mit einem Vorstandsvorsitzenden gesprochen, der eine
Technologie entwickelt hat, um durch Elektrolyse Wasserstoff abzuspeichern; aber nicht in der harten Form, sondern in Form eines Butangases. Er hat das erklärt. Das ist eine neue Innovationstechnik, die er erforscht hat. Das sind die Innovationen, die wir in Schleswig-Holstein jetzt sehr aufmerksam registrieren und entwickeln müssen. So können wir Brunsbüttel zu einem Standort der New Economy, zu einem Standort der erneuerbaren Energien machen.
Ändern Sie Ihre Strategie. Die Devise heißt Zukunft durch Modernisierung. Die historische Wende, die wir jetzt im Bereich der Atomenergie und der Atomkraft haben, müssen Sie auch bei der Kohlekraft vollziehen. Ändern Sie Ihre Denke, machen Sie unser Land zukunftsfähig. Wir brauchen die industrielle Transformation. Dies muss ein Schwerpunkt der Politik in Schleswig-Holstein sein. Das gilt insbesondere für Brunsbüttel.
- Sie lachen. Wir brauchen die technologische Erneuerung in allen Industriezweigen. Herr von Boetticher, was wir nicht brauchen, sind alte Strukturen in den Köpfen alter Industriepolitik.
Ich gebe zu, es ist für mich als Politiker der Grünen eine neue Herausforderung, mich mit Industriepolitik zu beschäftigen.
Gerade zukunftweisende, grüne Technologien bringen die Industriepolitik von Morgen und die ökologischen Aufgaben der Zukunft aber zusammen. Wirtschaftspolitik muss sich genau daran messen lassen, wie sie technologische, ökologische und soziale Innovationen fördert.
Ich möchte meine Rede gern im Zusammenhang fortsetzen. - Ich gehe im Besonderen auf das Beispiel der Chemieindustrie ein. In einer nachhaltigen, ökoeffizienten Chemieindustrie werden hoch
innovative Produktsegmente wie neue Leichtbaumaterialien, Beschichtungen, Materialien für Niedrigenergiehäuser, Reinigungsmittel, Schmierstoffe, Biokunststoffe, Farben oder Technologien zur CO2Vermeidung hergestellt. Die Produktion einer modernen Industrie muss auf Recycling, Kreislaufwirtschaft und schonenden Ressourceneinsatz setzen. Innovative Unternehmen in Schleswig-Holstein könnten sich in Brunsbüttel ansiedeln, die mit Hilfe der weißen Biotechnologie diese industrielle Basis der Chemieindustrie und der Kunststoffindustrie und die Umstellung und Umsteuerung vom Öl weg hin zu nachwachsenden Rohstoffen steuern.
Das ist eine zukünftige Industriepolitik, wie wir sie in Schleswig-Holstein brauchen. Eine One-Sizefits-all-Lösung wird es nicht geben. Wir brauchen Umbaustrategien für einzelne Sektoren und Branchen. Herr Minister, allerdings brauchen wir auch klare strategische Zielvorgaben. Wir brauchen nicht die eierlegende Wollmilchsau, aber die Entwicklung solcher Strategien kann nur gelingen, wenn wir sie unter Einbeziehung des Wissens der handelnden Akteure, der Unternehmen, der Gewerkschaften, der Ingenieurinnen und Ingenieure und der Entwicklerinnen und Entwickler gemeinsam gestalten.
In Brunsbüttel wurden schon sehr viele Windkraftanlagen aufgestellt. Jetzt geht es aber um den Einstieg in das Offshore-Geschäft. Hier heißt es: Gas geben. Brunsbüttel hat noch die Chance, als Offshore-Basishafen mitzumischen, allerdings müssen wir schnell über die notwendigen Investitionen entscheiden.
Dazu liegt von Uniconsult ein sehr beachtenswertes Gutachten aus dem August 2010 zu Brunsbüttel vor. Es besagt, dass das Potenzial gerade in der Offshore-Technologie bis 2030 2.500 neue Arbeitsplätze mit einer Lohnsumme von über 100 Millionen € im Jahr mit fiskalischen Effekten - Finanzpolitiker aufgepasst - von jährlich 45 Millionen € auslösen wird. Das ist ein Green-New-Deal, wie unser Land ihn braucht. Das ist eine Aufbruchstimmung für neue Technologien, und die liegen gerade in dieser Umsteuerung. Hier haben wir in Brunsbüttel Potenziale, die wir heben können.
Es wurde schon angesprochen: Auch wir Grüne unterstützen den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals. Wir haben kein Verständnis dafür, dass man jetzt von den Fraktionen von CDU und FDP aus die Elbvertiefung wieder ins Spiel bringt. Wir brauchen
die patriotische Haltung, dass Schleswig-Holstein dann gewinnt, wenn der Nord-Ostsee-Kanal ausgebaut wird. Die fünfte Schleuse muss endlich gebaut werden. Mit dem zügigen Ausbau des Nord-OstseeKanals werden genau diese Arbeitsplätze gesichert und wird genau diese Region gestärkt. Wir sorgen für kürzere Schiffspassagen, wir sparen Treibstoffe. Das ist eine moderne Politik in Zeiten des Klimawandels.
Für uns steht eine umweltverträgliche Wirtschaft mit minimalem Ressourcenverbrauch, maximaler Energie- und Materialeffizienz und vielen neuen Ideen im Vordergrund. Das ist unsere Vorstellung von Wirtschaftspolitik; auch und gerade für Brunsbüttel. Das ist die Zukunft für die Unternehmen und für die Beschäftigungsentwicklung, und es ist auch die strategische Herausforderung einer Landesregierung für die Standortpolitik in Brunsbüttel und Schleswig-Holstein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am heutigen Tag lässt sich gut die Schwerpunktsetzung von CDU und FDP erkennen. Statt heute über den geplanten und eingebrachten Dringlichkeitsantrag zu Steuersenkungen zu reden, reden wir über den Wirtschaftsraum Brunsbüttel. Ich frage mich, was passieren würde, wenn alle Direktkandidaten die gleichen Anträge für ihre eigenen Wahlkreise stellen würden. Dann hätten wir relativ viel zu tun.
Auch im Haushalt des Wirtschaftsministeriums lässt sich eine gewisse Schwerpunktsetzung erkennen. Es gibt dort den Titel „Abwicklung von Verflechtungen aus Ansiedlungsverträgen für den Wirtschaftsraum Brunsbüttel“. Dort sind für 2011 und 2012 Mittel in Höhe von 16 Millionen € eingestellt; das entspricht ungefähr der Kürzung des Blindengeldes in diesen Jahren. Nun gut. Alles das ist die Politik von Schwarz-Gelb. Man macht etwas für die Renditen der Unternehmen, und das dafür notwendige Geld wird aus dem Bildungs- und Sozialhaushalt geholt. Unser Politikvorschlag lautet: Alles für die Lebenschancen derjenigen, die den Wohlstand des Landes erarbeiten.
Schleswig-Holstein muss gute Bildungs- und Ausbildungschancen für Kinder und Jugendliche bieten. Wir müssen attraktiv für junge Familien und qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden; davon würden auch die Unternehmen profitieren.
In Brunsbüttel wird außerdem gerade über den Neubau eines Kohlkraftwerks debattiert. Dies lehnt DIE LINKE ab. Neue Kohlekraftwerke zu bauen würde niemandem nutzen. Die Lebensqualität in der Region würde aufgrund von Schadstoffen in der Luft sinken. Niemand glaubt wirklich, dass ein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel ohne CCS-Technologie gebaut werden kann.
DIE LINKE setzt auf Brunsbüttel als Windkraftstandort. Auch Überlegungen, in Brunsbüttel Wasserstoff zu produzieren, um Energie speichern zu können, findet DIE LINKE überlegenswert.
Brunsbüttel hat mit seiner Lage am Nord-OstseeKanal durch große Freiflächen natürliche Standortvorteile. Eine sinnvolle Wirtschaftspolitik könnte zum Beispiel darauf hinwirken, den Hafen in eine Kooperation mit anderen Häfen einzubinden und nicht in unsinnigen Konkurrenzkämpfen allein dastehen zu lassen.
Wenn die Landesregierung Zuschüsse für den Hafenausbau zur Verfügung stellt, dann muss sie, so denken wir, auch Anteile am privaten Hafenbetreiber bekommen. Es sind schon genug Steuermittel an Private einfach verschenkt worden.
DIE LINKE will für Brunsbüttel das, was sie für ganz Schleswig-Holstein fordert, nämlich eine Politik, die sich an den Interessen der arbeitenden Bevölkerung orientiert: gute Löhne, gute Infrastruktur und gute Bildungsmöglichkeiten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Brunsbüttel liegt das größte Industriegebiet unseres Landes. Die Wirtschaftsförderung vor Ort gibt an, dass mehr als 12.000 Arbeitsplätze in der Region von Brunsbütteler Unternehmen profitieren und über 4.000 davon direkt in Brunsbüttel. Diese beeindruckenden Zahlen sind aus unternehmerischen Maßnahmen, einer gezielten Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt aus einer exzellenten Verkehrsinfrastruktur zu erreichen. Was Brunsbüttel ausmacht, das ist seine Lage an Elbe und Nord-Ostsee-Kanal und seine drei Häfen. Diese Fakten sollten der Landesregierung eigentlich gegenwärtig sein. Die Wartung und Pflege des industriellen Motors des Landes sollte nicht nur beim zuständigen Wirtschaftsminister, sondern bei der gesamten Landesregierung ganz oben auf der Agenda stehen. Tut es aber nicht.
Stattdessen verharrt die Landesregierung in der Rolle als Beobachter. Da wird begrüßt und gutgeheißen, ermuntert und gelobt. Die Landesregierung hat aber keine eigene Vision, jedenfalls bis heute nicht, aufgestellt, wie und mit wem sich der Wirtschaftsraum Brunsbüttel entwickeln könnte und wie dieser Raum verkehrstechnisch weiter erschlossen werden soll. Man wartet und verschanzt sich hinter Machbarkeitsstudien.
Der Ministerpräsident hat anlässlich der 725-JahrFeier in Brunsbüttel lediglich weitere Flächen in Aussicht gestellt, auf denen Windenergieanlagen gebaut werden könnten. Das wussten wir allerdings auch schon vorher. Perspektiven sehen anders aus.
Dabei müssen die Hafenanlagen schleunigst in Abstimmung mit den Nachbarhäfen ausgebaut werden. Wer schon einmal in Rotterdam oder London war, weiß, dass sich Hafenanlagen über viele Kilometer erstrecken und doch von einer Stelle aus gemanagt werden können. Das übrigens sehr erfolgreich. Nur entlang der Elbe regieren drei Bundesländer jeweils über ihre Abschnitte und graben ihren Häfen dabei im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab.
Erste Ansätze gibt es, bemerkenswerterweise allerdings von unten nach oben. So präsentierten sich die Brunsbütteler Häfen auf der Münchner Logistik-Messe auf einem gemeinsamen Stand mit den Hamburgern, um für die Verschiffung von Offshore-Windanlagen zu werben. Jetzt muss zügig ein passgenaues Angebot entwickelt werden. Die notwendigen Hafenanlagen müssen in unmittelbarer
Bremerhaven hat bereits ein Terminal, um Windkraftanlagen verschiffen zu können, und Cuxhaven baut einen eigenen Verladehafen. Die Konkurrenz schläft also im Gegensatz zu uns nicht.
Trotzdem warne ich vor einer einseitigen Ausrichtung der Hafenentwicklung auf den OffshoreMarkt. Ohne Zweifel steckt Offshore-Windkraft noch in den Kinderschuhen und hat erheblich Wachstumschancen. Aber der Norden muss sich breiter aufstellen. Das sichert in Krisenzeiten Stabilität und ist damit ein großer Wettbewerbsvorteil gerade für diejenigen, die als letzte auf dem Markt antreten wie die schleswig-holsteinischen Häfen. Ich warne davor, sich allzu selbstsicher auf ausschließlich eine Fertigkeit zu verlassen, im Fall Brunsbüttel nur auf die Verschiffung von Windanlagen.