Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

Ja, bitte.

Herr Kollege Buder, ist Ihnen bekannt, dass die Ratsversammlung Brunsbüttel intensiv in diesem Prozess eingebunden war und dass der Kollege Kumbartzky und meine Person Mitglieder der Ratsversammlung Brunsbüttel sind und wir uns intensiv mit den Bürgern und den Einwendern vor Ort auseinandergesetzt und uns nicht auf den Marktplatz gestellt haben, sondern versucht haben, das in konstruktiven Gesprächen auf den Weg zu bringen?

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Was haben Sie gegen Marktplätze?)

- Bei der Diskussion mit den Bürgerinitiativen auf dem Marktplatz waren Sie nicht dabei. Bei den Diskussionen, die Sie in der Ratsversammlung geführt haben, müssen Sie dabei gewesen sein, weil Sie Ratsherr sind. Ich weiß nicht, was an meiner Aussage falsch sein soll.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das ist keine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit, Herr Kollege, sondern das ist eine Darstellung dessen, was sich damals abgespielt hat.

Es kommt daher entscheidend darauf an, wie die Weichen für den Energiestandort Brunsbüttel gestellt werden. Es ist aus meiner Sicht inzwischen müßig, darüber zu diskutieren, ob nicht etwas Besseres als ein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel entstehen kann. Fakt ist, dass die Genehmigungen für SüdWestStrom für 1,8 MW-Meiler Schritt für Schritt erteilt werden.

Damit wird das Kohlekraftwerk kommen. Wir müssen dafür sorgen, dass die damit verbundenen Fra

gen wie die Anlandung und Lagerung von Kohle möglichst umwelt- und gesundheitsverträglich gelöst werden können.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Erfreulich ist aus meiner Sicht auch die Meldung, dass in Hemmingstedt die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, dass Windstrom in Wasserstoff verwandelt und das in einer Salzkaverne gespeichert werden kann. Dies ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende und viel besser, als unsere unterirdischen Speicher im Rahmen der CCS-Technik mit der Speicherung von CO2 zu blockieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Nun zu dem aus meiner Sicht wichtigsten Zukunftsthema: die Erweiterung der bestehenden und Schaffung neuer Hafenflächen in Brunsbüttel. Neben den bereits bestehenden und hoffentlich steigenden Umschlägen - vor allem für die chemische Industrie und die Kohlenutzung und natürlich auch für die Firmen in Hamburg - ist ein wichtiger Impuls durch die Offshore-Windkraft zu erwarten.

Wir müssen hier im Parlament gemeinsam die Interessen von Brunsbüttel gegenüber den Wettbewerberhäfen in anderen Bundesländern vertreten und die Infrastruktur insgesamt ertüchtigen. Dazu gehört die Verkehrsanbindung der Region mit Bahn und Auto. Deshalb bedaure ich es in diesem Zusammenhang sehr, dass die Diskussion über die A 20 abgesetzt worden ist. Die Fragen der B 5 hat der Minister teilweise angesprochen. Die Fragen einer Fähranbindung bis zur Fertigstellung der A 20 und der sogenannten westlichen Elbquerung wären hier auch zu diskutieren. Ich vermisse, hier so etwas wie einen gemeinsamen Masterplan für den Ausbau der Infrastruktur gemeinsam diskutieren zu können, der Schritt für Schritt zu erfolgen hätte. Das können wir allerdings im Wirtschaftsausschuss nachholen. Da sehe ich die Ausführungen des Ministers als einen möglichen Ansatzpunkt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede von Herrn Buder, die

(Detlef Buder)

wirklich mit feurigem Beifall bedacht worden ist, komme nun ich.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Man kann sich des Eindrucks, dass einige Oppositionsfraktionen Brunsbüttel nur als Kernenergiestandort oder als Standort der SAVA kennen, nicht erwehren. Brunsbüttel hat aber noch viel mehr zu bieten. Brunsbüttel hat Industrie, maritime Wirtschaft, und natürlich geht es bei der ganzen Sache auch um Verkehrsinfrastruktur. Ich danke dem Wirtschaftsminister für seinen Bericht und das klare Bekenntnis zum Industrie- und Energiestandort Brunsbüttel.

Vor dem Hintergrund der Stilllegung des Kernkraftwerks braucht Brunsbüttel ein neues Geschäftsmodell mit neuen Konzepten. Die Zukunft liegt vor allem im Energiesektor und in einer umfassenden Anbindung an die Metropolregion Hamburg.

(Zuruf der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Der Wirtschaftsraum Brunsbüttel muss gestärkt und ausgebaut werden. Das trifft, wie gesagt, hauptsächlich auf Brunsbüttel als Energiestandort zu, denn in Brunsbüttel wird der Energiemix wirklich gelebt. Ich meine damit nicht nur das Kernkraftwerk oder geplante Kohlekraftwerksblöcke. Riesiges Potenzial steckt auch in den regenerativen Energien. Man muss sich in Brunsbüttel nur einmal umschauen. Brunsbüttel ist umrahmt von Windkraftanlagen. Auch kleine Windkraftanlagen spielen eine große Rolle. Natürlich gibt es sehr viele Solaranlagen und Solarparks. Im Industriegebiet befindet sich ein großes Biomasseheizkraftwerk, und am Elbehafen werden immer mehr OffshoreKomponenten verschifft.

Wo wir gerade beim Hafen sind: Der Brunsbütteler Elbehafen hat sehr gute Perspektiven, sich als Hafen für Montage, Produktion und Verschiffung von Großkomponenten zu entwickeln. Aufgrund der umfangreichen hafennahen Freiflächen, der vorhandenen Hafenstruktur und Wassertiefen sowie dem umfangreichen Know-how der Hafenbetreiber beim Umschlag von Windenergieanlagen kann sich Brunsbüttel durchaus mit seinen Mitbewerbern aus Cuxhaven oder Bremerhaven messen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Ich begrüße daher außerordentlich, dass die Landesregierung bereit ist, die Schaffung entsprechender Hafenkapazitäten in Brunsbüttel zu fördern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Sandra Red- mann [SPD])

- Aber Sie sehen, dass Schwarz-Gelb definitiv für Offshore ist - und das ist gut so.

(Beifall bei FDP und CDU)

- Jetzt kommt der Applaus im Sekundentakt. Das ist fein.

Der Wirtschaftsraum Brunsbüttel - immerhin das größte Industriegebiet Schleswig-Holsteins - bietet aber noch viel mehr. Er bietet beispielsweise Platz für Hamburger Unternehmen für Zukunftstechnologien, die vor Ort keine Flächen mehr finden und die ihre Produktion nach Brunsbüttel verlagern. Brunsbüttel bietet dafür nicht nur ausreichende Flächen, sondern auch noch qualifizierte Arbeitskräfte dazu.

Damit der Standort gestärkt wird, muss dieser natürlich auch verkehrlich gut erschlossen und angebunden sein. Die FDP-Landtagsfraktion setzt daher weiterhin darauf, dass der Ausbau der A 20 mit einer Elbquerung bei Glückstadt zügig vorangetrieben wird. Wir wollten ursprünglich in dieser Tagung zu diesem Thema reden. In dem Antrag von CDU und FDP wollten wir die Landesregierung auffordern, die notwendigen Planfeststellungsbeschlüsse zügig herbeizuführen. Das holen wir im August nach. Ich sage aber auch ganz deutlich: Der Landtag soll die Landesregierung natürlich bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung zur Finanzierung des Ausbaus der A 20 inklusive der Elbquerung natürlich unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion und die CDU-Fraktion tun das. Ich habe einen sehr bemerkenswerten Änderungsantrag der Grünen zum Thema A 20 gesehen. Dort ist von einer Neubewertung der Verkehrsprojekte die Rede. Außerdem steht in dem Antrag etwas von alternativen Elbquerungen mit Fähren oder an anderen Standorten.

(Zurufe)

- Schwebefähre, wer weiß das schon. Ich freue mich wirklich auf die Debatte. Zurück zu Brunsbüttel: Neben dem Ausbau der A 20 ist auch das Thema B 5 immens wichtig, das muss weiter angeschoben werden.

(Oliver Kumbartzky)

Aber nicht nur die Straßenanbindung spielt eine wichtige Rolle. Durch die Lage Brunsbüttels am Schnittpunkt von Elbe und Nord-Ostsee-Kanal sind die Stadt und der Wirtschaftsraum stark maritim geprägt. Das spielt nicht nur im Bereich des Tourismus eine wichtige Rolle, wobei der Tagestourismus noch enorme Chancen bietet, sondern dies ist auch für die maritime Wirtschaft von Belang. Wir haben vor einigen Monaten im Landtag über den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals debattiert und waren uns fraktionsübergreifend einig: Der Ausbau des Kanals muss kommen; ebenso wie der Bau der fünften Schleusenkammer. Sogar die Grünen waren dafür. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

In Brunsbüttel wurde und wird viel investiert. Die Beispiele YARA, Bayer, TOTAL, SWS und der Hafen wurden genannt. Besonders die mittelständischen Handwerksbetriebe in und um Brunsbüttel werden davon profitieren. Brunsbüttel ist ein kraftvoller Wirtschaftsraum, aber er ist nicht nur das. Brunsbüttel ist auch ein attraktiver Wohnort. Er ist lebens- und liebenswert, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Sehen Sie es mir nach, wenn ich sage, dass ich natürlich will, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Es gilt, hierfür die Weichen zu stellen, wozu die regierungstragenden Fraktionen und die Landesregierung ihren Beitrag leisten.

Dem Wirtschaftsminister sage ich abermals Dank für den Bericht und für sein Engagement für Brunsbüttel. Die Landesregierung unterstützt die Ansiedelung von Unternehmen sowie vorhandene Unternehmen, und allen ist klar: Der Wirtschaftsraum Brunsbüttel hat einen großen Stellenwert bei der Landesregierung und in der Landespolitik.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Dr. Andreas Tietze das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Brunsbüttel steht wie keine andere Region in Schleswig-Holstein für die Old Economy, für Kernkraft, für Chemie und Ölraffinerien. Herr Kumbartzky, wenn ich nach Brunsbüttel fahre, dann fühle ich mich manchmal an das Ruhrgebiet erinnert. Dort bin ich aufgewachsen. Doch wie einst das Ruhrgebiet steht die Region Brunsbüttel auch vor einem Strukturwandel, den es zu gestalten

gilt. Das Pannenatomkraftwerk wird stillgelegt. Für viele Menschen in der Region ist das eine große Erleichterung. Nun besteht die Chance, die Zukunft der erneuerbaren Energien mitzugestalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gerade in Brunsbüttel könnte die Landesregierung beweisen, dass sie sich für eine moderne, nachhaltige Industriepolitik im 21. Jahrhundert stark macht und dass sie versteht, wie das funktioniert, doch genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es gerade gehört: Sie sehen die Zukunft Brunsbüttels immer noch als Standort für neue Kohlekraftwerke. Das ist alte Denke. Kohlekraftwerke sind nicht notwendig als Brücke zu den erneuerbaren Energien.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Herr de Jager, wir fordern Sie auf: Erteilen Sie dem geplanten Steinkohlekraftwerk von SüdWestStrom eine Absage. Das ist die falsche Priorität. Herr Buder, ich muss Ihnen sagen: Ordnungspolitische Rahmengesetzgebungen wie das von meinem Kollegen Detlef Matthiessen lange diskutierte Landesentwicklungsgrundsätzegesetz könnten dies verhindern. Ich empfinde auch, dass Sie in der Legitimationsfalle sind. Sie haben einen unauflösbaren Widerspruch, in den Sie sich als Landesregierung hineinbegeben, wenn Sie dieses neue Kohlekraftwerk bauen lassen. Dieses Kraftwerk soll bekanntlich capture ready sein. Das heißt, Sie wollen CO2 abscheiden. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, wo Sie das CO2 einlagern wollen. Wo ist hier die Logik? - Sie stellen sich hier im Landtag hin und sagen. Wir wollen keine Einlagerung in SchleswigHolstein haben. Das ist richtig. Wollen Sie eine Pipeline nach Brandenburg bauen? - Wollen Sie das CO2 im Meeresboden an der Nordseeküste versenken, oder wollen Sie die wichtigen Kavernen in Brunsbüttel mit CO2 vollstopfen? - Wir sagen: Die Zukunft liegt bei der Speicherung der Energie und bei der Windenergie sowie der Speicherkapazität. Das ist die Herausforderung für Brunsbüttel.