Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

Einen letzten Punkt, den ich nennen möchte, auch wenn ich schon überzogen habe, ist, dass es selbstverständlich eine Diskussion um die Anbindung Brunsbüttels gibt und die Erwartung, dass die B 5 bis Brunsbüttel dreistreifig ausgebaut wird. Wir können gewährleisten, dass es einen ersten Abschnitt in Richtung Wilster gibt. Wir halten es für wünschenswert, den Raum Brunsbüttel anzubinden. Ich sage aber auch, weil man falsche Erwartungen nicht wecken darf, dass die gegenwärtigen Verkehrszahlen nicht dazu führen würden, dass diese Maßnahmen in einem bundesweiten Bedarf ganz vorn steht. Insofern haben wir eine Perspektive, können eine Realisierung aber nicht sofort zusagen.

Ich glaube, insgesamt wird deutlich, dass wir als Landesregierung weiterhin an eine Zukunft für den Wirtschaftsraum, das Industrieareal Brunsbüttel glauben und bereit sind, mit den Infrastrukturenmaßnahmen, die wir dort fördern können, tatsächlich zu einer positiven Entwicklung beizutragen.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Die Landesregierung hat die verabredete Redezeit um knapp 2 Minuten überschritten. Diese stehen jetzt in der weiteren Debatte jeder Fraktion zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Herr Abgeordnete Jens-Christian Magnussen.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU den Standort auch für so wichtig hält, dass er hier ans Rednerpult wollte. Aber ich übernehme das dann für ihn.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau vor 40 Jahren wurde im Zuge der Industrieansiedlung und zur Ausgestaltung der Weiterentwicklung des Industriestandortes die Entwicklungsgesellschaft Brunsbüttel mbH aus der Taufe gehoben. Ich begrüße heute die Aufsichtsratsvorsitzende Frau Dr. Zieschang, die dem Beitrag beiwohnt. Es sind 40 Jahre mit vielfältigsten Entscheidungsprozessen, mit Höhen und Tiefen.

Die erste Ansiedlung mit der Grundsteinlegung durch den seinerzeitigen Ministerpräsidenten Dr. Gerhard Stoltenberg am Industriestandort Brunsbüttel im Jahr 1973 war von der ersten Ölkrise begleitet. Dennoch war die Prognose der seinerzeitigen Industriepartner mit einer Wohnraumbeschaffung für bis zu 40.000 Menschen avisiert. Eine dementsprechende Infrastruktur wurde geschaffen, bis heute vorgehalten und vor allem unterhalten.

Im Jahr 1967 trat der landeseigene Hafen in Funktion und schreibt nach der Privatisierung durch die SCHRAMM group im Jahr 1999 eine Erfolgsgeschichte.

Die Unterelberegion wird mit den Konzernen - alle Unternehmen nenne ich jetzt mit der heutigen Firmierung; ansonsten würde das den Rahmen sprengen - Bayer Material Sciences, Bayer AG, TOTAL Bitumen Deutschland, Sasol Germany, YARA, SAVA, den Kernkraftwerken, der Firma Vesta Biofuels, dem Bioenergieheizkraftwerk und Brunsbüttel Ports zu einer Region mit hochqualifizierten Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Der Minister hat es ausgeführt, über YARA schwebt das Damoklesschwert des Emissionshandels, der ab 2013 in die Umsetzung gelangen soll.

Aber nicht nur die genannten Unternehmen entwickeln qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze; auch die regionalen Handwerksbetriebe, die kleinen Betriebe aus Handel und Gewerbe, leisten ihren Teil und spezialisieren ihre Mitarbeiter für die anspruchsvollen Dienstleistungen in den Industriebetrieben.

Fast alle genannten Industrien sind energieintensive Betriebe. Daher ist und bleibt die Forderung aus der Region, Zeichen zu setzen, damit Brunsbüttel auch Energiestandort bleibt.

Der Standort Brunsbüttel ist aber nicht nur Industrie- und Energiestandort, sondern auch ein Standort mit hoher -

(Glocke der Präsidentin)

(Minister Jost de Jager)

Herr Abgeordneter, ich wollte Ihnen nur ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verschaffen.

Vielen Dank. - Der Standort Brunsbüttel ist aber nicht nur ein Industrie- und Energiestandort, sondern auch ein Standort mit hoher maritimer Bedeutung. Er ist die Schnittstelle zwischen Nordund Ostsee. Die Schleusentore sind das Bindeglied zwischen der Elbe und dem 100 km langen NordOstsee-Kanal mit 116-jähriger Geschichte als meistbefahrener künstlicher Wasserstraße der Welt.

(Zuruf: 99,9 km!)

- 99,9 km, sehr gut! Sie kennen sich aus, wunderbar. - Erforderlich ist der Neubau einer fünften Expressschleuse in Brunsbüttel, unter anderem zwecks notwendiger Sanierung der vorhandenen Schleusenkammern, um einem maritimen SuperGAU vorzubeugen. Das ist also eine Maßnahme mit höchster Priorität. Die Landesregierung ist an diesem Thema intensiv dran.

Um die Entwicklung des Industriestandortes weiter voranzubringen, ist auch der Ausbau der Infrastruktur von besonderer Bedeutung, damit die Häfen dem Standard der europäischen Häfen in der Hinterlandanbindung entsprechen und gleiche Wettbewerbschancen haben mit den Vorteilen für den Standort Schleswig-Holstein. Der Bund muss auch hier erkennen, dass Brunsbüttel ein Ergänzungspuzzle zum Hamburger Hafen ist.

Die Weiterentwicklung der Idee aus dem Anfang der 70er-Jahre ist ein stetiger Prozess, der kontinuierlich weitergeführt werden muss. Die letzte Großinvestition liegt mit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Brokdorf im Jahr 1986 lange zurück. Im Jahr 1995 hat die seinerzeitige Landesregierung die Landesanteile an der Wirtschaftsförderung auf die Kreise Steinburg, Dithmarschen und die Stadt Brunsbüttel übertragen.

In Anbetracht der katastrophalen finanziellen Lage durch die Verschuldung aufgrund der Altlasten ist die Handlungsfähigkeit der jetzigen Landesregierung jedoch mehr als eingeschränkt. Die Landesregierung steht jedoch zur Weiterentwicklung des Standortes, steht zur Modernisierung der Hafenkapazitäten.

Investitionen in die Erweiterung der Hafeninfrastruktur sind von elementarer Bedeutung - der Minister hat es ausgeführt -, um den Brunsbütteler Hafen für die Offshore-Projekte vorzubereiten. Der

Aufbau einer Offshore-Pier ist die Grundlage des weiteren Handelns und wird durch die Akteure vor Ort intensiv vorangetrieben. Auch hier - der Minister hat es gesagt - steht die Landesregierung mit einem zweistelligen Millionenbetrag Gewehr bei Fuß.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die egeb, ist ein Unernehmen mit derzeit 35 Vollzeitkräften. Diese nehmen neben Aufgaben der Arbeits-, Ausund Fortbildungssituation, des Technologietransfers, des Wissenschaftsparks, der Existenzgründung weitere technische Dienstleistungen wahr. Sie entwickeln und begleiten ständig und kompetent Vermarktungsstrategien für mögliche Investitionen und Ansiedlungen. Die jetzige Landesregierung ist auch in dieses Thema intensiv eingebunden und unterstützt aus Leibeskräften.

Die Energiewende kostet am Standort zurzeit Arbeitsplätze, was auch die Entwicklung der Arbeitslosenquote in Dithmarschen aktuell zeigt, die heute der Presse zu entnehmen ist. Ein positives Signal kommt zumindest vonseiten der Bayer AG, der Bayer Material Scienes, die mit einer dreistelligen Millioneninvestition die Sicherung - nicht die Schaffung, sondern die Sicherung - von circa 150 Arbeitsplätzen auf den Weg gebracht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Brunsbüttel befindet sich durch die Vielzahl von mittlerweile ausländischen Konzernen im Wettbewerb mit vielen insbesondere ausländischen Standorten. Die Ansiedlung des Steinkohlekraftwerks am Standort könnte die Grundlage für einen Technologiepark zur Entwicklung und Anwendung von Energiespeichertechnologien werden. Diesen Kristallisationspunkt gilt es nunmehr aufzubauen.

Durch die jüngste Entwicklung in der Energietechnologie ist die Chance für die Ansiedlung von Zukunftstechnologien, von Forschung und Industrieunternehmen gegeben. Das bedeutet die Kompensation für die Verluste an Arbeitsplätzen und die Schaffung zusätzlicher hochqualifizierter Arbeitsplätze.

Unter dem Stichwort erneuerbares Methan kann ein Weg zur Stromspeicherung durch die Kopplung von Strom- und Gasnetzen ermöglicht werden. Der Kampf um Investitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht weiter. In diesem sensiblen Umfeld benötigt der Standort jede Unterstützung. Herr Minister, Ihnen vielen Dank für den Bericht und für den Einsatz für die Region.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich ganz besonders, dass wir heute fernab von aktuellen Problemen wie zum Beispiel der Frage der Sondermüllverbrennung in der SAVA und der Verwerfungen, die sich da ergeben haben,

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Ver- werfungen?)

- ja, Verwerfungen; ich will das vorsichtig umschreiben -, die wir ja ausführlich im Landwirtschafts- und Umweltausschuss besprochen haben, zu Brunsbüttel nicht über diesen Bereich debattieren, sondern über Fragen, die die Finanzen und die Steuerkraft dieses Raums betreffen.

Die wirtschaftlichen Impulse, die von Brunsbüttel in die gesamte Westregion ausstrahlen, sind unumstritten. Natürlich verdient der Raum Brunsbüttel wie auch in der Vergangenheit die Unterstützung durch die Landespolitik. Das machen wir nicht das erste Mal, wie man sich erinnern kann. Nach der zuletzt geführten Debatte im März 2006 hätte ich mir allerdings einen schriftlichen Bericht und nicht nur einen mündlichen Bericht der Landesregierung als vertiefende Diskussionsgrundlage zu den Themen Industriesektor, maritime Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur und Energiebranche gewünscht. Natürlich kann man die Ausführungen des Wirtschaftsministers im Protokoll nachlesen, und dann haben wir das ja auch schriftlich. Wir können uns alle freuen, dass der Minister an den Industriestandort Brunsbüttel glaubt.

Aber meine lieben Kollegen Kumbartzky und Magnussen, ich habe den Eindruck, Sie brauchen wohl einen Tätigkeitsnachweis für die Kandidatenkür vor Ort, weil Sie diesen Bericht bestellt haben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Denn mit Ausnahme der Ausführungen des Ministers, dass wir größere Investitionen bei TOTAL und Bayer haben - er hat beschrieben, welche Breite die Investition dort einnimmt -, haben wir eigentlich nicht viel Neues erfahren. Die Diskussion um das Steinkohlekraftwerk liegt auch nicht erst seit heute auf dem Tisch, sondern die Diskussion vor Ort,

insbesondere mit den Gegnern dieses Steinkohlekraftwerks, habe ich geführt. Da hätte ich mir mehr Engagement von Ihrer Seite gewünscht.

(Beifall der Abgeordneten Thomas Rother [SPD], Ulrich Schippels [DIE LINKE] und Björn Thoroe [DIE LINKE])

Für mich sind diese Sektoren, die ich eben genannt habe, nicht trennbar, sondern gemeinsame Bausteine für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. So kann die Entwicklung der energieintensiven Industrie nur mit einer gesicherten und preisgünstigen Energiebereitstellung - möglichst vor Ort denkbar sein. Dass die Zeit vom Atomstrom abgelaufen ist, ist inzwischen unstrittig.

Herr Kollege Buder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Ja, natürlich.

Bitte, Herr Matthiessen, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Buder, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie eben bemängelt haben, dass die Landesregierung den Gegnern des Kohlekraftwerks - im Gegensatz zu Ihnen, der es getan hat - die Sinnhaftigkeit des Projekts nicht genügend klargemacht hat? Sie haben mit anderen Worten ausgeführt, Sie hätten für sich das Kohlekraftwerk mit den Gegnern auseinandergesetzt und sich sehr für den Bau dieses Kohlekraftwerks starkgemacht und die Landesregierung hätte dieses zu wenig unterstützt. So habe ich Sie verstanden. Ich frage das vor dem Hintergrund eines Beschlusses Ihrer Partei, den Neubau von Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein abzulehnen.

Herr Kollege, meine Bemerkung war eine Bemerkung vor der seinerzeitigen, historischen Situation und der Gespräche, die sich seinerzeit in Brunsbüttel ergeben haben, als es darum ging, Kraftwerke dort neu aufzulegen, weil wir der Meinung waren, der Betrieb des KKW sei zu beenden. Als Alternative stellte sich historisch seinerzeit dar, dass wir

(Jens-Christian Magnussen)

dann - das war auch die Beschlusslage dieses Hauses - Kohlekraftwerke mit der Bevölkerung vor Ort diskutieren. Diese Diskussion habe ich eben gemeint. An dieser Diskussion habe ich als Einziger teilgenommen, der damals meine Position vertreten hat. Die Landesregierung habe ich bei dieser Diskussion nicht vertreten, und es war auch nicht meine Aufgabe, sie zu vertreten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Magnussen?

Ja, bitte.