Protokoll der Sitzung vom 26.08.2011

(Ingrid Brand-Hückstädt)

Aber wir Grüne - da unterscheiden wir uns in der Positionierung - sagen: Das muss auch ein Mitglied der Landesregierung sein. Denn - Frau BrandHückstädt hat schon darauf hingewiesen - nach der Krise ist vor der Krise. Es kann sehr viel schneller und die heutigen Zeitungsmeldungen belegen das eigentlich schon - wieder dazu kommen, dass eine Bank, die sich immer noch im Anteilsbesitz auch Schleswig-Holsteins befindet, in eine schwierige Lage gerät. Wir sagen: Die Bedeutung, die das finanzielle Schicksal der Bank für Schleswig-Holstein hat, macht es zwingend, hier eine Person zu entsenden, die auch in politischer Verantwortung dieses Landes steht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben das im Rahmen der Ausschussarbeit an der einen oder anderen Stelle gemerkt, als es zum Beispiel um die Frage der Auflösung des Vertrages von Herrn Nonnenmacher ging, als Herr de Jager, seinen sehr segensreichen Einfluss auf die Bank hatte, seitdem er das Geschäftsfeld von Herrn Wiegard übernommen hat. In der Kommunikationspolitik ist es immer schwierig, dass jemand die Dinge versucht zu bewegen, der nicht selbst im Aufsichtsrat sitzt und unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt ist.

Ein weiterer Punkt, über den wir uns einig sind, ist die Steigerung des Qualitätsanspruchs bei den Landesgesellschaften. Aber auch hier sagen wir Grüne: Wir wollen auch weiterhin über verpflichtende Schulungen nachdenken, denn wenn ein Land an einer solchen Bank beteiligt ist, hat es sein eigenes finanzielles Interesse, dass eine Gesellschaft gut kontrolliert wird. Eine Art Selbstverpflichtung der Gesellschaften wird diesem Anspruch nicht gerecht.

(Der Abgeordnete Wolfgang Kubicki [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Eine Sekunde, dann lasse ich die Zwischenfrage zu.

Deshalb im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von Schleswig-Holstein: Bevor jemand in ein Aufsichtsrat geht, muss er in einer Schulung auf seine Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein vorbereitet werden.

Das Wort hat der Abgeordnete Kubicki zu einer Zwischenfrage.

Herr Kollege Fürter, ist Ihnen bei der Frage der Besetzung des Aufsichtsrats von Banken bekannt, dass nach dem Kreditwesengesetz Aufsichtsräte von Finanzinstituten besondere spezifische Vorkenntnisse haben müssen, die nicht dadurch ersetzt werden, dass man politischer Entscheidungsträger ist?

- Das ist mir bekannt.

Das hatten Sie schon einmal gefragt. Das war mir auch schon beim letzten Mal bekannt, als Sie das gefragt haben.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Sehr gern.

Da Ihnen das bekannt ist: Würden Sie dem Hohen Haus oder mir vielleicht erläutern, wie die spezifischen Vorkenntnisse von Mitgliedern der Landesregierung gewährleistet werden sollen, es sei denn, in die Landesregierung treten dann nur Mitglieder ein, die in den Aufsichtsrat einer Bank sollen, die über solche spezifischen Vorkenntnisse bereits verfügen?

- Also ich gehe davon aus - das wird zumindest in der nächsten Legislaturperiode so sein -, dass wir sehr hoch qualifizierte Vertreterinnen und Vertreter in der Landesregierung sitzen haben.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Aber natürlich ist es so, dass es spezifische Kenntnisse gibt, die man braucht, um in einem Aufsichtsrat tätig zu sein, die man im politischen Geschäft dann nicht sozusagen durch ein Studium eines Wirtschaftsstudienganges oder eines anderen Studienganges erwirbt, die aber durch eine Schulung das ist ja gerade der Ansatz - einer Person mit auf den Weg gegeben werden sollten, um sie für diese Rolle im Aufsichtsrat fit zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jürgen Weber?

(Thorsten Fürter)

Ja, Herr Weber.

Zum selben Bereich: Kollege Fürter, sind Sie der Auffassung, dass eine Person, die geeignet ist, verantwortlich das Amt und die Funktion eines Finanzministers eines Bundeslandes auszuüben, in der Lage ist, im Aufsichtsrat den Dingen zu folgen?

- Es wäre zumindest sehr gut für das Land, wenn das so wäre.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Thema Trennung von den Anteilen der HSH ist es so, dass wir uns auch hier der Position von CDU, SPD und FDP anschließen. Die Rettung der HSH hat Schleswig-Holstein an den Rand seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gebracht. Die Änderung der Rechtsform, die wir vorgenommen haben, in eine Aktiengesellschaft musste zwingend auch mit einer Änderung der Ausrichtung einhergehen. Wir mussten für Fehler bei der Ausrichtung der Bank teuer bezahlen. Für die Grünen muss ich an der Stelle natürlich auch sagen, dass wir selbstkritisch sagen, dass auch wir die Fusion und die Änderung der Ausrichtung gewollt haben und ein stückweit Mitverantwortung für das Schicksal tragen. Es ist völlig klar, dass wir uns auch zu dieser Verantwortung bekennen.

Klar ist, dass die Ausrichtung am Ende nichts mehr mit dem zu tun hatte, was man klassischerweise unter dem Geschäft einer Landesbank versteht: Flugzeuge in Spanien, Schrottimmobilienprojekte in den Vereinigten Staaten. Für solche Geschäfte sollen die Staatsbürger Schleswig-Holsteins nicht mehr geradestehen.

Wir sind zufrieden damit, offensichtlich nicht mehr von der Europäischen Kommission dazu aufgefordert zu werden, die gesamte Bank zu einem Stichtag XY oder Z veräußern zu müssen. Trotz der großen Herausforderung, die die EU-Auflagen, die nun tatsächlich Realität werden, für die Bank bedeuten, wird uns zumindest so die Möglichkeit geben, die Veräußerung der Bank werthaltig vorzunehmen.

Mit einem ist es jedenfalls jetzt schon vorbei, mit dem Glauben, man müsse eine Landesbank haben, damit man sich beizeiten das eine oder andere politische Projektchen finanzieren kann, ohne genau auf die Risiken zu schauen. Das ist das Modell WestLB. Das wird es so nicht wieder geben, nicht

in Schleswig-Holstein und auch nicht anderswo. Ich sage klar: Es ist auch nicht schade darum.

Aber an einem Punkt irrt der Ausschuss mehrheitlich. Für uns ist nach fast zwei Jahren der Ausschussarbeit klar: Die Beinahepleite der HSH Nordbank war kein Schicksalsschlag des Kapitalismus. Sie war vorhersehbar, und sie war vermeidbar. Schon vor der Lehmann-Pleite waren die Weichen vom Vorstand falsch gestellt. Der Aufsichtsrat hätte das merken und den Hebel umlegen müssen. Die Bank wurde also tatsächlich schlecht geführt und katastrophal überwacht.

Herr Waas hat im Ausschuss ausgeführt:

„Struktur und Portfolio des Kreditersatzgeschäftes waren auch aus der Ex-post-Perspektive der HSH jedenfalls bis 2006 risikoarm und brachten einen stabilen Ertrag.“

Das wurde später anders. Herr Marnette hat gesagt:

„Die Bank wurde in gewinnträchtige und internationale, aber risikoreiche Geschäfte … getrieben, von denen sie allerdings wenig verstand und auf die sie organisatorisch überhaupt nicht vorbereitet war.“

Zum Ende 2007 betrug das Kreditersatzgeschäft 30 Milliarden €, das war 15 % der Bilanzsumme, und die Papiere wurden risikoreicher. Damit war die Bank in besonderer Weise anfällig für Marktturbulenzen.

Jetzt kommen wir zu der Frage: Muss eine Bank mit Marktturbulenzen rechnen? Muss eine Bank ihr Risikocontrolling auf solche Extremsituationen einstellen? - Selbstverständlich muss sie das.

Danke, Herr Koch, Sie haben ja auch schon auf Herrn Soros hingewiesen. In seinem Buch „The crisis of global capitalism“ ist es sehr gut herausgearbeitet worden, warum ein Vertrauen in die Stabilität von Finanzmärkten extrem gefährlich ist. Das Buch schrieb er aber nicht nach der Lehmann-Pleite, sondern bereits nach der Asienkrise. Das Buch erschien im Winter 1998.

(Der Abgeordnete Tobias Koch [CDU] mel- det sich zu einer Zwischenfrage)

- Nein, ich lasse im Moment keine Zwischenfragen mehr zu.

Das Volumen und das Risikoprofil des Kreditersatzgeschäftes standen im Hinblick auf das niedrige Eigenkapital der Bank in einem völligen Missverhältnis. Einem wachsamen Aufsichtsrat hätte das nicht entgehen dürfen. Wer das mit „hinterher sind

alle klüger“ abtut, verkennt, dass es durchaus Institute gibt, die sich nicht in einem Umfang verspekuliert haben, wie das eben bei der HSH Nordbank passiert ist.

Wer Mitglied in einem Aufsichtsrat wird, hat eine rechtliche Verantwortung. Wer als Politiker Mitglied in einem Aufsichtsrat wird, hat auch eine politische Verantwortung. Dieser Verantwortung, die auch eine Mitverantwortung für die milliardenschweren Lasten ist, die die Bürgerinnen und Bürger des Landes noch immer schultern müssen, sie wurde in Schleswig-Holstein nicht übernommen. Verantwortung haben heißt aber, auch Verantwortung zu übernehmen.

Die Ära von Finanzminister Wiegard im Risikoausschuss ging einher mit einer deutlichen Steigerung des Risikoprofils der Bank. Das hat die Ausschussarbeit ganz klar ergeben. Es geht hier nicht darum, einen politischen Sündenbock zu finden, mit dessen Rücktritt man irgendwie das Problem los wäre. Wenn es einen Hauptgrund für die Schieflage der Bank gibt, wenn man einen Hauptgrund versucht zu identifizieren, dann war es, dass das Kreditersatzgeschäft immer risikoreicher wurde. Das Gremium, in dem das im Aufsichtsrat kontrolliert wurde, das war der Risikoausschuss, in dem diese Sachen besprochen wurden, und Herr Minister Wiegard - ich kann Ihnen das leider nicht ersparen -, in diesem Risikoausschuss saßen Sie. Aber eine Verantwortung wurde von Herrn Wiegard selbst und leider auch von der Mehrheit im Ausschuss nicht gesehen. Ich bedaure das.

Kritische Stimmen im Abschlussbericht sind unterrepräsentiert. Grüne haben versucht, das an vielen Stellen zu ändern. Trotz des Aufklärungsinteresses aller Fraktionen, das ich am Anfang dargestellt hatte: Von den Sondervoten abgesehen ist das eher ein zahmer Abschlussbericht, den wir hier abgeliefert haben. Er gibt die Gründe für die Beinahepleite nur unzureichend wieder. Trotz meines Lobes vom Anfang, dass alle konstruktiv an der Aufklärung mitgearbeitet haben, hier hat der Ausschussmehrheit der Mut gefehlt, Fehlentwicklungen und Verantwortlichkeiten klar zu benennen.

Ich hoffe, dass der Mangel an Deutlichkeit uns später nicht noch auf die Füße fällt, denn spätestens seit dem Untersuchungsausschuss wissen wir: Nach der Krise ist vor der Krise.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Mehrere Wochen haben wir im Untersuchungsausschuss verschiedene Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und auch politisch Verantwortliche, zum Beispiel Heide Simonis, gefragt, wie hoch denn die geplante Eigenkapitalrendite der HSH Nordbank gewesen sei. Fast alle Beteiligten sprachen damals von circa 15 %. Warum ist das so wichtig? - Weil die Höhe der geplanten Eigenkapitalrendite nicht nur ein Ausweis dafür ist, wie erfolgreich eine Bank am Markt agiert, sondern eben auch ein Indikator dafür, wie risikoreich die Geschäfte sind, die die Bank eingehen wollte beziehungsweise eingehen musste. Das ist ähnlich wie im normalen Leben, hohe Renditen gibt es eben nur mit hohem Risiko. Und wer hohe Eigenkapitalrenditen anstrebt, der muss auch ein hohes Risiko eingehen.

Wir wissen alle, dass die HSH Nordbank ein zu hohes Risiko eingegangen ist. Sie setzte verstärkt auf das Kreditersatzgeschäft, hier lockten hohe Profite. Das waren zuletzt 15 % des Geschäftsvolumens, und damit ist die Bank auf die Nase gefallen.

Frau Brand-Hückstädt, die Bank hatte nicht nur Klumpenrisiken, zuletzt war die Bank ein großes Klumpenrisiko.