Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Schmalfuß, zunächst vielen Dank für Ihren Bericht. Wenn Gender Mainstreaming und Gender Budgeting auf unserem Planeten vorkommen, dann sitzen CDU und FDP auf einem anderen Stern und schauen zu.
Der eine Teil sagt: Freiheit ist alles, den Rest regelt der Markt. Der andere Teil sagt: Wir sind konservativ. Wat wi nich kennt, dat wüllt wi nich. - Schade, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr schade!
Schleswig-Holstein hatte einmal goldene Zeiten, was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht. So war das damals unter Rot-Grün.
Jetzt sind alle Ideen zur Gleichstellung zurückgefallen ins mausgraue Mittelalter. So ist das unter Schwarz-Gelb.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gender Budgeting, frei übersetzt die geschlechtergerechte Finanzpolitik, hat sich in den letzten Jahren international zu einem wichtigen finanz- und wirtschaftspolitischen Instrument entwickelt. In der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Australien und Kanada werden Haushaltsentscheidungen genau überprüft. Wie wirken sie sich auf die Gleichstellung von Frauen und Männern aus? Wie wirken sie sich auf die Versorgung von Frauen und Männern aus? Wie wirken sie sich auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern aus? Das sind zentrale Fragen einer Gender-Budgeting-Analyse öffentlicher Haushalte.
Ziel von Gender Budgeting ist die Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Ressourcenverteilung. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP? Wenn Sie das Gender Budgeting nicht wollen - was sind denn Ihre Vorschläge zur besseren finanziellen Gleichstellung?
Die unterschiedlichen Lebensbedingungen und -chancen von Frauen und Männern sind mit wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen eng verknüpft. Das ist die Idee, die hinter Gender Budgeting steckt.
Kommen wir zum Ersten Gleichstellungsbericht: „Neue Wege - neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“ heißt das vorliegende Gutachten. Ich zitiere sinngemäß Frau Professor Dr. Ute Klammer, Vorsitzende der Sachverständigenkommission: Gleichstellung muss Bestandteil moderner Politik sein, denn sie birgt erhebliches wirtschaftliches Potenzial. - Das wird doch immer als Kompetenz von CDU und FDP dargestellt.
Die Nutzung aller Talente und die Erwerbstätigkeit von Frauen - so Klammer weiter - machen unsere Gesellschaft leistungsfähiger und stabilisieren das Sozial- und Steuersystem. Das wird auch Sie interessieren, Herr Kollege Kalinka.
Deutschland spielt in Gleichstellungsfragen seit Jahren nur im Mittelfeld der Industrienationen mit. Das ist sehr bedauerlich. Das vorliegende Gutachten ist Rückenwind für die Forderung nach besserer Gleichstellung von Frauen und Männern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen, ethnische Minderheiten und Homosexuelle haben im Beruf eingeschränkte Aufstiegschancen. Das ist nachgewiesen. Das Phänomen nennt sich „glass ceiling“, gläserne Decke, und wurde nicht von den Grünen, sondern von Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen beschrieben.
Ein anderer Punkt: In den Ländern, in denen die Erwerbstätigkeit von Frauen am höchsten ist, ist die Kinderarmut am geringsten. Allein diese Tatsache ist Auftrag genug für uns zu handeln.
Für uns Grüne steht fest: Gleichstellungspolitik ist schon längst Sozial- und Wirtschaftspolitik. Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit.
Mehr Frauen in Führungspositionen, weniger Altersarmut bei Frauen - das sind unsere Ziele. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
Wir begrüßen die Initiative der LINKEN. Uns geht aber die Beschränkung auf Familie und Pflege nicht weit genug, wir wollen ganz bewusst an die harten Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Die sollen genauso durchleuchtet werden.
Ich freue mich, dass wir den Antrag gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD und des SSW einbringen, und würde mich über Ihre Zustimmung sehr freuen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Bericht des Herrn Gleichstellungsministers nur so viel: Wir haben im Ausschuss Gelegenheit zu hinterfragen, wie die Landesregierung im Einzelnen gedenkt, mit den angerissenen Themen umzugehen. Es ist wichtig, dass im Detail eine Analy
se vorgenommen wird. Denn das Thema insgesamt macht deutlich, dass wir es hier wieder einmal mit der Diskrepanz zwischen Sonntagsreden und Alltagshandlungen zu tun haben.
Man kann nicht sagen, dass man Gleichstellungsarbeit fördert, und nicht gewillt sein zu sehen, wie das in der Gesellschaft umgesetzt werden kann.
Zum Antrag der Fraktion der LINKEN! Zum einen begrüßen wir den Ansatz Gender Budgeting, zum anderen - das mag sich vielleicht ein bisschen kleinkariert anhören - hätte ich mir gewünscht, und das stünde dem Antrag gut zu Gesicht, dass der Antrag wenigstens ansatzweise deutlich machen würde, dass wir beim Thema Gender Budgeting in Schleswig-Holstein nicht bei null anfangen. Fakt ist, dass sich der Landesfrauenrat, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und Arbeitsgruppen von Parteien - zumindest nehme ich dies für die drei Fraktionen in Anspruch, die einen gemeinsamen Antrag vorgelegt haben - ernsthaft damit befassen. Hinzu kommt, dass sich die Mitgliedstaaten der EU bis 2015 die Einführung von Gender Budgeting zum Ziel gesetzt haben. Das Ziel ist nicht exotisch, das Thema erst recht nicht.
Gender Budgeting und Gender Mainstreaming bedeuten eine Professionalisierung der Gleichstellungspolitik und der Gleichstellungsarbeit auf allen Ebenen der Gesellschaft. Auf kommunaler Ebene bedeutet somit die Umstellung der kommunalen Haushalte von der Kameralistik auf die doppelte Buchführung, dass ein Schnitt gemacht werden muss, der auch dafür genutzt werden sollte, geschlechterspezifische Gesichtspunkte zu verdeutlichen. Hier haben wir die Möglichkeit, etwas aus einem Guss zu schaffen.
Der Grund für die Unterstützung des Gender Budgeting liegt - wie das übrigens häufig bei Fragen der Gleichstellung der Fall ist - darin, dass die Offenlegung von Zielen und Wirkungen der Haushaltsführung der gesamten Gesellschaft zugutekommt. Sind nämlich Ziele und Wirkungen der Haushaltstitel transparent und nachvollziehbar, können auch deren Evaluation und eine eventuell nötige Korrektur unproblematisch erfolgen. Es ist ja nicht so, dass einfach nur gesagt wird: Jetzt kommt Arbeit obendrauf, und das wird eigentlich nur stören. Das ist ein modernes Steuerungsinstrument.
Denn am Ende des Haushaltsjahres kann auf einfache Weise der Wirkungsgrad jeder einzelnen Maßnahme beurteilt werden, also eben keine Wirtschaftsförderung nach dem Gießkannenprinzip oder nach dem Prinzip „Blindflug“, sondern nach Wirkungen ausgerichtete Maßnahmen.
Das ist es doch, wohin wir auch den Haushalt des Landes Schleswig-Holstein entwickeln wollen und entwickeln müssen. Wir wollen mehr wissen und beurteilen können als Finanzströme, Überschüsse und Verbrauch. Es geht um Aufwand, und es geht auch um Verluste, die aus öffentlichen Maßnahmen erwachsen können. Man kann sogar Geld damit sparen, um das noch einmal deutlich zu machen.
Ich sage auch noch einmal ganz ausdrücklich, dass ernst gemeintes Gender Budgeting mehr ist als die geschlechtsspezifische Aufgliederung der Nutzerstatistiken. In Berlin ist der Prozess des Gender Budgetings, der vor einigen Jahren von großer Euphorie begleitet gestartet ist, meines Wissens steckengeblieben, weil die Bezirke einfach ihre Statistiken aufgepeppt und es ansonsten bei der gewohnten Haushaltsführung belassen haben. Die Kollegin Bohn hat das schon gesagt. In Österreich das kann ich hinzufügen - wird es bereits ab 2012 so sein, dass alle Ministerien mit diesem Instrument arbeiten, weil 2009 die Verfassung geändert wurde, wonach die Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen anzustreben hat.
Gender Budgeting ist also kein exotisches Vorhaben mit Nischencharakter, sondern hat das Zeug, auch im Zuge der Modernisierung der öffentlichen Haushalte ein alltägliches Instrument für alle zu werden, wenn es denn solide und nachhaltig zur Anwendung kommt. Genau darum geht es, und daran müssen wir arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich einen Dreiminutenbeitrag zulasse, begrüßen Sie bitte mit mir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HSH Nordbank auf unserer Tribüne. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!