Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Übrigens kann es nach Expertenmeinung - auch das ist hier schon gesagt worden, aber es kann nicht oft genug gesagt werden - bis zu 80 Jahre dauern, bis die Schäden durch die CO2-Verpressung auftreten, aber der jetzige Gesetzentwurf lässt die Betreiber schon nach 30 Jahren aus der Verantwortung. Wie soll das denn zusammengehen? Noch einmal: Radius 100 km, Auswirkungen auf den Tourismus, Fischerei und Meeresumwelt - da hilft dann auch der Wortlaut im Koalitionsvertrag nicht, da müssen Sie nachbessern. Sie wollen uns aber die sogenann

(Detlef Matthiessen)

te Länderklausel immer noch als Erfolg verkaufen. Das glauben ja nicht einmal mehr die Mitglieder Ihrer Partei in den betroffenen Regionen. Wir haben es ja vernommen, hören Sie einfach einmal zu.

Erstens. Lagerstätten können nach dem CCS-Gesetzentwurf zunächst nur für sechs Jahre ausgeschlossen werden. Wenn die Büchse der Pandora dann erst einmal woanders geöffnet ist, landen die CCS-Lagerstätten dann mit Verzögerung auch bei uns.

Zweitens. Die Länderklausel schreibt eine kleinteilige Verbotskulisse vor. Alle Entscheidungen können angefochten werden, der juristische Ausgang ist ungewiss.

Drittens. Das habe ich schon erwähnt: Für Offshore - weit draußen - ist der Bund zuständig. Wir müssen das dann ausbaden.

Es gibt einen sehr sicheren und einfachen Weg, die Lagerung von CO2 in unterirdischen Lagern zu verhindern: Die CCS-Technologie darf einfach nicht realisiert werden. Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Abscheidung von CO2 und der Bau von neuen Kohlekraftwerken müssen gestoppt werden. Punkt.

Ich weiß, Sie singen dann wieder das alte Lied: „Die Lichter in Schleswig-Holstein gehen aus, wenn wir keine Kohlekraftwerke bauen“ - dieselbe alte Leier, die wir schon in den 70er-Jahren von Gerhard Stoltenberg gehört haben, der heute auch schon genannt worden ist, als es um die AKW in Schleswig-Holstein ging. Was damals falsch war, ist heute nicht richtig, sondern eben auch falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine konsequente Orientierung auf den notwendigen sozial-ökologischen Umbau - das ist die richtige Antwort auf die Zukunftsfragen und nicht die CCS-Technologie: die Abscheidung von CO2 und das Verbuddeln unter der Erde.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie aber werden weiter herumeiern, das wissen wir schon, das haben wir zur Genüge kennengelernt. Sie sagen: Was interessiert mich mein Wahlprogramm von gestern? - Die Quittung werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler am 6. Mai nächsten Jahres hoffentlich ausstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herr de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die Landesregierung bleibt bei ihrer Haltung. Wir unterstützen das CCSGesetz in seiner jetzigen Form, weil es mit der Länderklausel, die wir ausgehandelt haben, den Interessen des Landes Schleswig-Holstein entspricht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Es gibt nur dann einen Grund, im Bundesrat ein Gesetz abzulehnen, wenn man davon überzeugt ist, dass es nach der Ablehnung und nach einem Vermittlungsausschuss, der die logische Folge dieser Ablehnung ist, hinterher besser ist als vorher. Das können wir für die Interessen Schleswig-Holsteins nicht erkennen, sondern die Gefahr, dass in einem Vermittlungsausschuss das infrage gestellt wird, was wir herausgehandelt haben, ist sehr groß. Auch aus dem Grunde macht es überhaupt gar keinen Sinn, die Länderklausel und die Zustimmung des Landes Schleswig-Holstein zu einem Bundesgesetz mit Länderklausel infrage zu stellen.

Ich darf noch einmal darauf verweisen, wie es zu dieser Länderklausel gekommen ist. Es ist zu dieser Länderklausel gekommen, weil wir mit dem Bund diese Länderklausel verhandeln mussten, weil die Länder, auf die Sie alle Bezug nehmen, nicht bereit gewesen wären, uns eine solche Länderklausel einzuräumen. Das heißt, Sie betreiben im Moment das Geschäft anderer Leute, denn Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Regierung in Nordrhein-Westfalen oder die neue Regierung in BadenWürttemberg auf einmal gegen das CCS-Gesetz ist, weil sie ihr Herz für die Menschen im nördlichen Bundesgebiet entdeckt hätten, sondern die machen das aus ganz anderen Gründen. Die machen das entweder aufgrund eigener Interessen - ich sage ja, dass unsere Interessen abgebildet sind -, oder sie machen es aus parteitaktischen Erwägungen. Ich bin dagegen, dass wir die Sorgen und die Nöte der Menschen im nördlichen Landesteil zum Gegenstand parteitaktischer Auseinandersetzen machen.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen des Ab- geordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

(Ulrich Schippels)

Aus dem Grund geht es darum, weiterhin für ein Bundesgesetz einzutreten, dass diese Länderklausel enthält. Die Länderklausel leistet das, was wir genannt haben. Einige Informationen, die hier gegeben worden sind, sind schlichtweg falsch. Herr Kollege Matthiessen, wir sind mit der Länderklausel sehr wohl in der Lage, Gebiete zu bestimmen, aber auch Gebiete auszuschließen. Wir sind mit der Länderklausel in der Lage, alle Gebiete auszuschließen und damit in Summe das Land Schleswig-Holstein von der CO2-Speicherung auszunehmen.

(Beifall bei CDU und FDP - Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das stimmt nicht!)

- Das stimmt deshalb, Herr Kollege Matthiessen, weil der in diesem Gemeinschaftsantrag benannte Rechtsweg sich nicht auf die Ausweisung einzelner Gebiete beziehen kann, sondern nur auf das Zustandekommen des Landesgesetzes. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass jemand beim Landesverfassungsgericht gegen das Landesgesetz klagt, weil er sagt, dass das Landesgesetz nicht mit dem Bundesgesetz in Einklang steht. Das ist der einzige Rechtsweg, der zur Verfügung steht. Weil wir aber durch das Gesetz, das wir einbringen, dafür Sorge tragen werden, dass es sehr wohl verfassungskonform ist, steht auch dieser Rechtsweg nicht zur Verfügung. Deshalb ist es klar, dass wir eine rechtssichere Grundlage schaffen können, um die Speicherung von CO2 in Schleswig-Holstein auszuschließen.

Auch der „skandalträchtige“ Umstand, dass wir dies nur für sechs Jahre machen können, stimmt natürlich, weil das Gesetz auch nur für sechs Jahre gilt. Sie können im Gesetz natürlich nur eine Klausel verabreden, die so lange wie das Gesetz gilt. Insofern ist es ein Scheinskandal, den Sie benennen.

Deshalb bleiben wir bei unserer Gelassenheit, dass diese Länderklausel hält, was sie verspricht. Dafür waren übrigens nicht so sehr viele Gespräche mit der Bundeskanzlerin erforderlich, wie Sie es gesagt haben, Frau Sellier. Es ist sehr schmeichelhaft, dass Sie annehmen, dass Herr Carstensen und ich eine Zeit lang wöchentlich mit Angela Merkel konferiert haben. Ich würde das gern bestätigen, aber das war nicht erforderlich, weil wir uns vorher einig geworden sind.

Während Sie noch in zunehmend abstrakter Form über diese Fragen reden, werden wir handeln. Ich glaube, wir waren bei der Diskussion um CCS in diesem Landtag schon einmal sehr viel weiter. Die

Kabinettsvorlage ist in Vorbereitung, die uns nach dem Beschluss des Bundesrats uns in die Lage versetzt, zu avisieren, dass wir ein Landesgesetz auf den Weg bringen wollen. Das würde bedeuten, dass jeder Antrag, der vorliegt, erst einmal drei Jahre lang auf Halt gestellt wird. Es liegt aber kein Antrag vor. Die einzige Konzession, die es gegeben hat, nämlich von RWE Dea, ist wieder zurückgezogen worden. Auch dies spricht dafür, dass wir in Schleswig-Holstein keine Einlagerungen von CO2 haben werden.

Der Gemeinschaftsantrag ist wieder einmal ein Streit um Kaisers Bart. Diese Landesregierung handelt und nimmt die Interesse der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner wahr.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Drucksache 17/1775 (neu) in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag in der Drucksache 17/1775 (neu) mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Gigaliner-Feldversuch - Jetzt aussteigen

Antrag der Fraktionen von SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Drucksache 17/1760 (neu)

Potenziale von Ökolinern durch Testbetrieb aufzeigen

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1825

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder er

(Minister Jost de Jager)

staunlich, wie sich Ausnahmeregelungen verselbstständigen können. Da wurde seinerzeit 1996 nach Aufnahme von Schweden und Finnland in die EU eine Sonderregelung geschaffen, die es ermöglichte, dass man in diesen Ländern weiterhin Holztransporte mit übergroßen Lastzügen durchführen konnte. Was in den Weiten Skandinaviens auf wenig befahrenen und sehr breiten Strecken Sinn macht, macht natürlich in den viel befahrenen und überlasteten Regionen Mitteleuropas wenig Sinn.

Gleiches gilt in abgewandelter Form auch für Dänemark, um es gleich vorweg zu sagen. Auch hier ist das Verkehrsaufkommen bei Weitem nicht so hoch wie bei uns. Selbst dort gibt es viele kritische Stimmen, die den dort Ende 2008 begonnenen Feldversuch skeptisch sehen. Allerdings muss man den dänischen Nachbarn eines zugutehalten: Sie sind nicht auf die Idee gekommen, hoffnungslos überlastete oder gar zu enge Verkehrswege für diesen Versuch zu nutzen. Hier beschränkt sich der Versuch zumeist auf Autobahnen oder - in Ausnahmefällen - auf breite Zubringerlandstraßen. Für diesen Versuch wurden sogar 36 Kreuzungen und 28 Kreisverkehre vollständig umgebaut und auf die Gigaliner ausgerichtet.

Hier in Deutschland und speziell in Schleswig-Holstein sieht die Lage anders aus. Ich glaube, jeder sieht ein, dass die Autobahnen im Hamburger Randgebiet sehr stark überfüllt sind. Wenn man darüber hinaus betrachtet, welche Bundesstraßen neuerdings für Gigaliner geeignet sein sollen, dann fragt man sich schon, ob das Ganze nur am grünen Tisch entstanden ist. Wer sich die engen Bundesstraßen mit vielen Ortsdurchfahrten ansieht, die jetzt eingeplant werden sollen, der kann nur mit dem Kopf schütteln. Ein Highlight wird sicherlich die B 5 im Sommer sein. Seit 30 Jahren ist bekannt, dass diese Straße in den Sommermonaten nicht ausreichend in der Lage ist, den Ferienverkehr aufzunehmen. Diese Lage führt schon jetzt zu Staus und Unfällen. Wie soll das erst werden, wenn Gigaliner die Strecke zusätzlich verstopfen?

Auf welche Art und Weise sollen die Strecken überhaupt ertüchtigt werden, damit die Gigaliner dort halbwegs sicher fahren können? - Wie gesagt, die Dänen haben Kreuzungen und Kreisverkehre auf nur wenigen ausgewählten Streckenkilometern mit sehr viel Geld angepasst und ausgebaut. Bei uns müssten ganze Strecken vollständig umgebaut werden, um zumindest theoretisch die Gigaliner aufnehmen zu können. Bei den Planungszeiten und den knappen Mitteln, die wir hier haben, sieht es

nicht danach aus, dass wir auch nur annähernd eine Chance darauf haben, dass die betreffenden Strecken angepasst werden würden. Somit schaffen wir uns künstlich und unnötig eine Gefahrenquelle, die nach unserer Auffassung nicht verantwortbar ist.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Zulassung für riesige Lkws seinerzeit als Ausnahmeregelung für Schweden und Finnland geschaffen wurde. Dass jetzt überall im wahrsten Sinne des Wortes auf diesen Lastzug aufgesprungen werden soll, zeigt, dass hier wieder einmal etwas aus dem Ruder zu laufen droht.

Es ist nicht nachhaltig, wenn Verkehre vom Zug oder vom Schiff auf übergroße Gigaliner umgelenkt werden. Vielmehr brauchen wir intelligente Logistikkonzepte, die eben gerade nicht auf die weitere Zunahme des Schwerlastverkehrs auf den Straßen setzen.

Wenn jetzt ein Feldversuch mit Gigalinern gestartet wird, dann ist klar, dass die von den Unternehmen getätigten Investitionen auch eine Rendite abwerfen müssen. Dann wird es dazu kommen, dass solche Gigaliner nach dem Feldversuch flächendeckend auf wesentlich mehr Strecken zugelassen werden, als wir es uns jetzt vorstellen können.

10 von 16 Bundesländern hatten sich deshalb schon im Vorwege geweigert, an einem Feldversuch teilzunehmen. Nun hat auch noch Hessen Kritik angemeldet. Der dortige Verkehrsminister Posch kritisiert insbesondere die Kriterien zur Festlegung der Routen abseits der Autobahnen. Das alleinige Kriterium der Tragfähigkeit der Straße reicht nämlich nicht aus. Eine Straße muss breit genug sein, wenig oder besser noch gar keine Ortsdurchfahrten haben, Kreisel und Kreuzungen müssen groß genug sein, die Verkehrsdichte darf nicht zu hoch sein, Unfallschwerpunkte müssen ausgeschlossen sein und vieles mehr. Bei uns hier wird man deshalb keine geeigneten Straßen wie in Nordskandinavien finden können. Skandinavien ist nicht vergleichbar mit Mitteleuropa. Skandinavien hat völlig andere Verkehrsströme und völlig andere Verkehrsdichten. Deshalb mag das, was einmal für den Holztransport in Schweden gedacht worden ist und dort immer noch funktioniert, auch in Ordnung sein. Hier bei uns funktioniert dies nicht. Deshalb kann es für uns nur eine Entscheidung geben: Schleswig-Holstein muss umgehend aus dem bundesweiten Feldversuch mit Gigalinern aussteigen.

(Lars Harms)