Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Christopher Vogt [FDP]: Wer denn?)

- Nun warten Sie doch ab! Ich fange doch gerade erst an.

Man konnte sich bisher immer darauf verlassen quasi als Rückgrat der schwarz-gelben Regierung in Berlin -, dass CSU und FDP sich gegenseitig auf die Mütze hauen. Aber wenn CSU und FDP eine Allianz eingehen, dann sollten alle Alarmglocken bei uns läuten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist nämlich eine Allianz, die unheimlicher kaum sein könnte. Sie speist sich, wie wir am Wochenende lesen konnten, aus nationaler Folklore und 5%-Populismus, und dieser ist vor der Berlin-Wahl

wohl nicht aus Versehen in die Debatte hineingekommen.

Der Ministerpräsident hat gesagt, die Medizin müsse bitter schmecken. Wenn man dieses Wortspiel weitertreibt, könnte man hinzufügen: Während Europa noch versucht, den Patienten zu retten, reden Rösler, Seehofer und Ramsauer bereits mit dem Leichenbestatter. Mich widert das an!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Rede war wohl schon lange vorher geschrie- ben?)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Herr Kollege Dr. Habeck, haben Sie zur Kenntnis genommen, was der Herr Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler zu dem Thema gesagt hat und was die CSU am Tag danach beschlossen hat, nämlich viel weitergehende Aussagen zum Thema Griechenland? Sehen Sie keine Unterschiede zwischen diesen beiden Positionen?

- Natürlich ist es ein Unterschied, ob man die Rückkehr zur Drachme oder den Ausschluss Griechenlands aus der EU fordert. Aber einen Unterschied in der verbalen Haltung sehe ich nicht; denn beides sind unausgegorene Konzepte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich kann direkt daran anschließen: Was Herr Rösler, Herr Seehofer und nunmehr auch Herr Ramsauer veranstalten, ist unverantwortlich und dumm. Es ist unverantwortlich, weil das Gerede über eine „geordnete Insolvenz“ Griechenlands - Herr Kollege Kubicki hat das angesprochen - oder gar den Ausschluss Griechenlands aus der EU etwas zum Gegenstand hat, was es gar nicht gibt. Dumm ist es, weil dieses Gequatsche bereits zu Risikoaufschlägen für Staatsanleihen geführt hat, die Preise für Kreditausfallversicherungen hochgetrieben hat und die Märkte hat abstürzen lassen. Gerade durch die Äußerung des Bundeswirtschaftsministers wurde

der deutschen Wirtschaft schwerer Schaden zugefügt. Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Bei allen lobenden Worten: Deutschland agiert in der Eurokrise, die längst zu einer Europakrise geworden ist, ohne Plan, ohne Ziel und ohne Kompass.

Zu der Stimmung in der Bevölkerung! Wie sollen denn die Menschen in unserem Land der Politik und den Zielen der europäischen Integration vertrauen, die wir alle beschworen haben, wenn Union und FDP rhetorisch gegen die „Faulpelze in Europa“ mobilmachen und der von Herrn Dr. Stegner schon zitierte Herr Koppelin - Ihr Landesvorsitzender, meine Damen und Herren von der FDP - die Griechen als „Alkoholiker“ beschimpft und die europäischen Rettungsbemühungen als „Drogenkonsum“ darstellt? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und der Abgeordneten Antje Jan- sen [DIE LINKE])

Wie soll man Deutschland vertrauen, wenn in Deutschland gegen die Transferunion polemisiert wird und gleichzeitig die EZB genötigt wird - genötigt wird! -, Staatsanleihen aufzukaufen? Letztes ist ein klarer Verstoß gegen ihre eigentlichen Aufgaben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Man muss das zu Ende denken: Statt die Banken über Eurobonds verbindlich mit in Haftung zu nehmen, hat man sich dagegen entschieden; wir haben es erst heute wieder gehört. Stattdessen zwingt man die EZB, Staatsanleihen aufzukaufen. Die Vergesellschaftung der europäischen Schulden, die FDP, CSU und CDU hier und im Bund rhetorisch ablehnen und als Eurobonds bekämpfen, ist doch längst politische Realität. Wir haben sie doch längst!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Herr Kollege Dr. Habeck, ich möchte gern nachvollziehen, was Sie sagen: Würden Sie mir erklären, wie Sie Banken - Banken! - über Eurobonds in Haftung nehmen wollen?

- Die Banken werden über Eurobonds in Haftung genommen, indem sie sich verpflichtend beteiligen müssen, einen Teil der Schulden, die sie haben, zu tragen und zu begleichen. Sie haben völlig recht, Herr Kubicki, wenn Sie in Ihrer Rede darauf hingewiesen haben, dass wir heute in einer paradoxen Situation sind, weil die Rettungspakete im Grunde die Anleihen - wegen der hohen Zinssätze - für die Banken attraktiv machen. Deswegen muss man die Banken doch mit in Haftung nehmen, um die Schulden, die sie haben, über die Bonds mit abzusichern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Gibt es eine weitere Frage von Ihnen, Herr Kubicki?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, Frau Präsiden- tin!)

Dann stelle ich die Frage: Herr Abgeordneter Dr. Habeck, erlauben Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Habe ich Sie richtig verstanden: Sie sind der Auffassung, dass durch die Tatsache, dass auf Eurobonds möglicherweise niedrigere Zinsen als auf Staatsanleihen Griechenlands gezahlt werden, die Banken in Haftung genommen werden? Das kann ja nur bedeuten, dass sie eine geringere Rendite erhalten.

(Wortmeldung des Abgeordneten Tobias Koch [CDU])

- Herr Kubicki - ich antworte damit auch gleich auf die Frage, die Herr Koch vermutlich stellen wird -,

(Dr. Robert Habeck)

das Problem ist, dass wir von Eurobonds reden und vor allem gegen diese polemisieren, ohne zu wissen, worüber wir reden.

(Lachen bei FDP und CDU)

Sie unterstellen, Eurobonds seien die unkonditionierte Fortschreibung von Staatsanleihen. Es ist aber nur von einer konditionierten Fortschreibung die Rede. Die Einführung von Blue Bonds soll vom Volumen her auf einen begrenzten Anteil des BIP beschränkt werden; die Verantwortung für den Rest soll - als Red Bonds - weiterhin bei den einzelnen Staaten liegen. Es gilt die Eurobonds natürlich auch mit einem Schuldenschnitt zu konditionieren. Davon reden Sie doch auch. Es gibt aber keine „geordnete Insolvenz“, sondern nur eine ungeordnete Insolvenz wie im Falle Argentiniens. Es ist notwendig, die Banken über Eurobonds in den europäischen Entschuldungsmechanismus einzubinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Koch?

Ich fahre jetzt fort. - Der Sachverstand der FDP ist der kaum verhohlene DM-Retro-Gestus. Dies sind eben doch nationalistische Untertöne. Es ist ein inszeniertes Spiel.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, wir hatten das schon einmal, als wir die Westerwelle-Debatte geführt haben. Es ist der gleiche Gestus - es heißt, man werde doch wohl einmal darüber reden dürfen, um dann Selbstverständlichkeiten auszusprechen -, der diese Debatte so unerträglich macht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Christopher Vogt [FDP]: Ach, hö- ren Sie doch auf!)

Denkverbote? Wer wollte die Herrn Rösler auferlegen? Ich wünschte, er würde einmal nachdenken, bevor er Interviews gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Wir haben es ja gesagt: Die Wahrheit ist bitter: Auch eine Pleite Griechenlands, die hier gefordert

und als einfache Lösung dargestellt wird, würde Deutschland teuer zu stehen kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Die Bundesbank haftet für die Hilfskredite, hinzu kommen die Verluste der EZB, die dann der Nationalstaat ausgleichen muss. In diesem Zusammenhang reden wir wirklich über hohe Milliardenbeträge, die dann cash zu überweisen sind.